Mangelnde Rechtswirksamkeit eines Bescheides aufgrund erfolgter Bescheidzustellung an eine nicht nachweislich zur Vertretung befugte Steuerberatungsgesellschaft
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** hinsichtlich der Beschwerde der ***14***, ***13***, vom , gegen den an ***Bf1*** als ehemaliger Geschäftsführer der ***1***, ***2***, gerichteten Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 iVm 80 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang
Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt Bf.) mit, dass auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin die im beiliegendem Rückstandsausweis angeführten Abgaben in Höhe von insgesamt 1.616.766,92 € uneinbringlich aushafteten. Aufgrund der Funktion des Bf. als das zur Vertretung der Gesellschaft berufene Organ habe ihm die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen oblegen. Da die im Rückstandsausweis angeführten Abgabenbeträge während der Vertretungsperiode des Bf. fällig bzw. nicht entrichtet worden seien, müsse das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteiles davon ausgehen, dass der Bf. der ihm obliegenden Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft nicht ausreichend nachgekommen sei.
Vertreter von Kapitalgesellschaften hafteten mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für deren Abgaben, wenn sie an deren Nichtentrichtung ein Verschulden treffe, wobei hierfür bereits leichte Fahrlässigkeit genüge. Kein Verschulden bestünde beispielsweise, wenn alle anderen Gesellschaftsgläubiger gleich behandelt worden seien wie das Finanzamt. Die Pflichtverletzung müsse darüber hinaus in ursächlichem Zusammenhang mit der Nichtentrichtung stehen.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse und dürfe das Finanzamt somit bis zum Beweis des Gegenteiles von einer schuldhaften und für den Abgabenausfall zudem auch ursächlichen Verletzung der Pflicht des Bf. zur Entrichtung der fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln ausgehen. Unter diesen Umständen müsste der Bf. mit der Erlassung eines Haftungsbescheides im Ausmaß der uneinbringlich gebliebenen Abgaben rechnen.
Sofern die Gesellschaft bereits zu den Fälligkeitszeitpunkten der betreffenden Abgaben nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, könne dieser Umstand durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen dargelegt werden. In dieser Aufstellung müssten alle damaligen Gläubiger der Gesellschaft (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Anzugeben bzw. gegenüberzustellen seien zudem alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) und es sei die Verschuldenssituation umfassend darzustellen.
Nach erfolglosem Verstreichen der dem Bf. vom Finanzamt eingeräumten Frist zur Einreichung einer Stellungnahme zum Haftungsvorhalt, wurde der Bf. mit Haftungsbescheid vom zur Haftung für die bei der Primärschuldnerin aushaftende Umsatzsteuer 2015 in Höhe von 1.604.461,35 € herangezogen. Begründend wurde ausgeführt, der Bf. sei als ehemaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin in Hinblick auf die Bestimmung des § 80 Abs. 1 BAO insbesondere verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben des Betriebes entrichtet würden. Bei der gegebenen Aktenlage müsse das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteiles davon ausgehen, dass der Bf. diese gesetzliche Verpflichtung schuldhaft verletzt habe. Die Haftung sei auszusprechen gewesen, da Einbringungsmaßnahmen gegen die Primärschuldnerin bisher erfolglos verlaufen seien und im Vorhalteverfahren keine ausreichenden Unterlagen/Fakten beigebracht worden seien. Das laut Beschluss vom tt. März 2017 zu ***5*** gegenüber der Primärschuldnerin eröffnete Konkursverfahren sei laut Beschluss vom (Anmerkung: Richtigerweise mit Beschluss vom ) nach Schlussverteilung (Quote von 0,6819 %) aufgehoben worden.
Dem Haftungsbescheid beigefügt war ein mit datierter Bescheid, mit der die Umsatzsteuer für 2015 gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig mit 1.621.437,21 € festgesetzt wurde. Begründend wurde auf den Betriebsprüfungsbericht vom verwiesen.
In der gegen den Haftungsbescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde begehrte die steuerliche Vertretung der Primärschuldnerin die ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides. Begründend wurde vorgebracht, der Abgabenrückstand resultiere aus der Festsetzung von Umsatzsteuerbeträgen im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Primärschuldnerin im Jänner/Februar 2016. Im Rahmen der Prüfung sei der Bf. als Geschäftsführer der Primärschuldnerin damit konfrontiert worden, dass sich sowohl unter seinen Lieferanten als auch seinen Kunden sogenannte "missing trader" befänden, welche im Ausland in Umsatzsteuerbetrugsfälle verwickelt gewesen wären. Von diesem Umstand habe der Bf. zu keinem Zeitpunkt Kenntnis gehabt. So seien sämtliche UID-Nummern gewissenhaft geprüft worden und diese seien noch immer gültig gewesen, obwohl den ausländischen Behörden scheinbar schon länger bekannt gewesen sei, dass die Unternehmen in Malversationen verwickelt gewesen seien. Der Bf. habe sich umgehend bereit erklärt, keine weiteren Geschäfte mit den betroffenen Unternehmen zu tätigen bzw. überhaupt die Geschäftstätigkeit der Primärschuldnerin einzustellen, weil das damit verbundene Risiko zu hoch erschienen sei. Nach Abhaltung der Schlussbesprechung seien sowohl der Bf. als auch die einschreitende steuerliche Vertretung davon ausgegangen, dass die Angelegenheit damit erledigt sei und die Primärschuldnerin nach Abwicklung der offenen Geschäfte liquidiert werden solle. Die letzten Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge aus laufenden Geschäften seien im April 2016 verzeichnet worden.
Entgegen dem, was im Rahmen der Betriebsprüfung besprochen worden sei, sei der Bf. im Dezember 2016 mit einem umfassenden Bericht konfrontiert worden, in dem dem Bf. unterstellt worden sei, in Betrügereien verwickelt gewesen zu sein. Die Vorwürfe einer Mitwirkung hätten in einer Schlussbesprechung zwar ausgeräumt werden können, jedoch wären die involvierten Beamten nicht davon abzubringen gewesen, zumindest eine leichte Fahrlässigkeit zu unterstellen und damit die bis dato steuerfreien Lieferungen als steuerpflichtig zu behandeln.
Allen Beteiligten sei in dem Zeitpunkt bewusst gewesen (soviel sei an dieser Stelle unterstellt), dass es unmöglich sein würde, die Umsatzsteuer nachträglich zu verrechnen und bezahlt zu bekommen, sodass die Primärschuldnerin mit der Festsetzung von Beträgen in Millionenhöhe unweigerlich in die Insolvenz geschickt worden sei. Dies habe im Zeitpunkt der Bescheidausstellung unzweifelhaft festgestanden. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2015 datiere vom . Zu dem Zeitpunkt habe die Primärschuldnerin über ein Bankguthaben von 96,42 € verfügt, einbringliche Forderungen hätten nicht existiert. Dass somit keine ausreichenden liquiden Mittel zur vollen Bezahlung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden seien, sei offensichtlich. Zahlungen an andere Gläubiger seien nicht erfolgt, weshalb es zu keiner Benachteiligung der Abgabenbehörde gekommen sei, die eine Haftung des Geschäftsführers nach sich ziehen hätte können. Als Nachweis seien die Bankauszüge beigelegt worden.
Mit Mängelbehebungsauftrag vom wurde der im Beschwerdefall eingeschrittenen steuerlichen Vertretung zur Kenntnis gebracht, dass ihre Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom wegen Unkenntnis der Vollmacht des Bescheidadressaten, des Bf. als ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin, mangelhaft sei. Der eingeschrittenen steuerlichen Vertretung werde daher der Nachweis einer Vollmachtserteilung bis zum aufgetragen. Bei Versäumung dieser Frist gelte die Beschwerde als zurückgenommen.
Erläuternd wurde ausgeführt, die von der Primärschuldnerin der eingeschrittenen steuerlichen Vertretung erteilte Vollmacht erstrecke sich nicht auf das davon zu trennende Rechtssubjekt des Haftungspflichtigen (die persönliche Haftung bestehe begrifflich neben der Abgabenschuld bzw. trete gesamtschuldnerisch zur Primärschuldnerin hinzu). Bei der Bescheidadressierung sei der Abgabenbehörde die fehlende Vertretungsmacht zunächst nicht aufgefallen. Eine Berufung auf die erteilte Vollmacht liege dem Finanzamt jedoch nicht vor. Sollte dem Auftrag nicht fristgerecht entsprochen und dadurch ein Zurücknahmebescheid erforderlich werden, sei zugleich der Haftungsbescheid wegen falscher Bescheidadressierung als Nichtbescheid zu werten. Das bisherige Haftungsverfahren würde diesfalls nicht verwaltungsökonomisch geheilt, sondern neuerlich zu starten sein - ohne Vorteil für den Bescheidadressaten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gemäß § 85 Abs. 2 BAO aufgrund des fruchtlosen Verstreichens der Mängelbehebungsfrist unter Zitierung von § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen erklärt.
Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag vom wurde das Beschwerdebegehren aufrechterhalten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO beantragt.
In seiner Stellungnahme im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt aus, der gegenständliche Mängelbehebungsauftrag habe den Hinweis enthalten, dass die Adressierung des Haftungsbescheides in Verkennung der fehlenden Vertretungsbefugnis erfolgt sei und sohin nur im Falle des Nachweises einer Vollmachtserteilung ein rechtsgültiger Bescheid vorliege. Da kein Nachweis über den Bestand eines Vollmachtsverhältnisses erbracht worden sei, liege gegenständlich ein Nichtbescheid vor und das Haftungsverfahren sei neuerlich zu starten.
Dennoch sei ein Vorlageantrag gestellt worden. Dass ein Vollmachtsverhältnis bestehe, sei jedoch wiederum nicht argumentiert worden, vielmehr sei die Entscheidung des BFG über die Beschwerde beantragt worden. Die Amtspartei beantrage die Zurückweisung der Beschwerde mangels Aktivlegimitation.
II. Sachverhalt
Bei der Primärschuldnerin handelte es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und am tt. Mai 2013 im Firmenbuch (FN ***3***) eingetragen wurde. Unternehmensgegenstand war laut Gesellschaftsvertrag der Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Büroartikel. Mit Beschluss des Landesgerichtes ***4*** vom tt. März 2017, ***5***, wurde über Antrag der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet. Mit Gerichtsbeschluss vom wurde der Konkurs nach durchgeführter Schlussverteilung gemäß § 139 IO aufgehoben. Die Konkursquote betrug 0,6819 %. Am erfolgte die Eintragung der Löschung der Firma im Firmenbuch gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit.
Einzige Gesellschafterin der Primärschuldnerin war die ***6*** AG mit dem Sitz in ***7***, eingetragen im Handelsregister des Kantons ***8*** zu ***9***. Der Bf. war selbständig vertretungsberechtigtes Mitglied des Verwaltungsrates der ***6*** AG.
Die Geschäftsführerfunktion hatte der Bf. laut Firmenbuch vom tt. Mai 2013 bis zur Auflösung der Gesellschaft infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens (tt. März 2017) inne.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Bf. zur Haftung für die bei der Primärschuldnerin zu diesem Zeitpunkt aushaftende Umsatzsteuer 2015 in Höhe von 1.604.461,35 € herangezogen. Zugestellt wurde dieser Bescheid an die ausgewiesene steuerliche Vertretung der Primärschuldnerin. Dem Haftungsbescheid beigefügt war ein mit datierter und an die Primärschuldnerin adressierter Bescheid, mit der die Umsatzsteuer für 2015 gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig mit 1.621.437,21 € festgesetzt wurde. Begründend wurde auf den Betriebsprüfungsbericht vom verwiesen.
Im Bericht der Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Jänner 2015 bis Dezember 2015 vom finden sich unter anderem folgende Feststellungen:
Die Primärschuldnerin handelte mit EDV-Verbrauchsmaterial, insbesondere mit Tonerkassetten und Druckerpatronen, welche überwiegend aus Rumänien und Italien bezogen und größtenteils nach Italien und Ungarn weiterveräußert wurden.
In den überwiegenden Teil des Wareneinkaufs wie auch des Warenverkaufs der Primärschuldnerin waren Lieferanten und Kunden involviert, die im Rahmen von EUROFISC als zumindest dubiose Unternehmen und in wesentlichen Teilen als Missing Trader aufscheinen und entsprechend eingestuft wurden.
Der Bf. wusste spätestens mit der schriftlichen Klarstellung vom , in welcher sämtliche Umsätze der Missing Trader "***10***", "***11***" und "***12***" als nicht mehr steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen bewertet wurden, dass er in zumindest einem Umsatzsteuerkarussell agierte.
Von der Primärschuldnerin wurden nur Firmenbuchauszüge abverlangt und mehrere Abfragen der Gültigkeit der UID-Nr. durchgeführt, welche im Zuge der USO-Prüfung vorgelegt wurden. Es wurden bis zur Übermittlung der Niederschrift zur Schlussbesprechung am keine Bestätigungsverfahren durchgeführt, da laut Aussage des Bf. vom kein Risiko bestanden habe. Er habe die Sorgfaltspflicht eingehalten, da er jeweils die UID-Nummer des Kunden überprüft, einen Handelsregisterauszug verlangt und den Namen, die Telefonnummer und die Anschrift des betroffenen Lieferanten/Kunden notiert habe.
Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung erfolgte eine Nachversteuerung der innergemeinschaftlichen Lieferungen mit 20% Umsatzsteuer sowie eine Kürzung der beantragten Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben.
In der gegen den Haftungsbescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde begehrte die steuerliche Vertretung der Primärschuldnerin die ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides. Die eingeschrittene Steuerberatungsgesellschaft hat sich in dieser Beschwerde nicht auf eine vom ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin erteilte Vollmacht zur Beschwerdeerhebung berufen.
Mit Mängelbehebungsauftrag wurde deshalb der eingeschrittenen Steuerberatungsgesellschaft der Nachweis einer Vollmachtserteilung aufgetragen.
Nach fruchtlosen Verstreichens der Mängelbehebungsfrist wurde die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom mit Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen erklärt.
Auch der in der Folge eingebrachte Vorlageantrag, mit dem unter Aufrechterhaltung des Beschwerdebegehrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO beantragt wurde, enthielt keinen Hinweis auf den Bestand eines Vollmachtsverhältnisses zum ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin.
III. Beweiswürdigung
Für diese Sachverhaltsfeststellungen stützt sich das BFG auf die seitens des Finanzamtes übermittelten Aktenteile sowie auf seitens des BFG vorgenommene Recherchen im Firmenbuch und im Abgabeninformationssystem.
IV. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)
In Streit steht die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme des Bf.
Eine Sachentscheidung ist allerdings nur unter der Voraussetzung der Zulässigkeit der Beschwerde zu treffen. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob die Rechtsauffassung des Finanzamtes, wonach die in Verkennung einer fehlenden Vertretungsbefugnis erfolgte Zustellung des angefochtenen Haftungsbescheides an eine Steuerberatungsgesellschaft die Rechtsunwirksamkeit dieses Haftungsbescheides nach sich zieht, zutreffend ist.
Gemäß § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche voll handlungsfähige Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.
Gemäß § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 von Amts wegen zu veranlassen.
Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).
Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
Wird ein Anbringen (Abs. 1 oder 3) nicht vom Abgabepflichtigen selbst vorgebracht, ohne dass sich der Einschreiter durch eine schriftliche Vollmacht ausweisen kann und ohne dass § 83 Abs. 4 Anwendung findet, gelten gemäß § 85 Abs. 4 BAO für die nachträgliche Beibringung der Vollmacht die Bestimmungen des Abs. 2 sinngemäß.
Beruft sich ein Berufsberechtigter im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt gemäß § 77 Abs. 11 WTBG 2017 diese Berufung den urkundlichen Nachweis.
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Schreitet ein nicht durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesener Vertreter für eine Partei ein, ist in der Regel gemäß § 85 Abs. 4 BAO ein Mängelbehebungsverfahren unter sinngemäßer Anwendung des § 85 Abs. 2 BAO durchzuführen (). Dieser Grundsatz gilt jedoch nach Judikatur und Lehre (siehe dazu z.B. ; ; Ritz/Koran, BAO7 § 85 Rz 20ff) unter anderem dann nicht, wenn sich ein Wirtschaftstreuhänder auf eine ihm erteilte Bevollmächtigung beruft, weil durch den dadurch bedingten Zwang zur Vorlage einer Vollmachtsurkunde (mit der Rechtsfolge der Erlassung eines Zurücknahmebescheides bei Nichtbefolgung) dem Vertreter nicht auch die Möglichkeit eröffnet wird, sich auf die vom Vertretenen erteilte Bevollmächtigung zu berufen.
Wie unter Pkt. II dargelegt wurde, hat sich die eingeschrittene Steuerberatungsgesellschaft in der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht auf eine vom ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin erteilte Vollmacht zur Beschwerdeerhebung berufen. Ein Nachweis über den Bestand eines Vollmachtsverhältnisses zwischen dem ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin und der eingeschrittenen Steuerberatungsgesellschaft wurde auch im Mängelbehebungsverfahren nicht erbracht.
Da im Beschwerdeverfahren überdies nicht behauptet wurde, dass der gegenständliche Haftungsbescheid dem ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin tatsächlich zugekommen ist und dieser nicht nur durch die eingeschrittene Steuerberatungsgesellschaft bloß Kenntnis von seinem Inhalt erlangt hat, kann im Beschwerdefall auch nicht von einer Sanierung des Zustellmangels gemäß § 7 ZustG ausgegangen werden. Dem Finanzamt ist somit zuzustimmen, dass kein rechtswirksamer Haftungsbescheid ergangen ist, sodass die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist.
Betreffend den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird auf § 274 Abs. 5 BAO iVm § 274 Abs. 3 BAO hingewiesen, wonach bei Formalentscheidungen - um eine solche handelt es sich bei der Zurückweisung einer Beschwerde - davon abgesehen werden kann. Ob von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen wird, liegt im Ermessen. Ermessensentscheidungen sind im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" (siehe dazu Ritz/Koran, BAO7, § 20 Rz 7 unter Verweis auf ; , 2003/17/0132; , 2009/15/0161; , Ro 2018/15/0025).
Die mündliche Verhandlung dient primär der Aufklärung des maßgeblichen Sachverhaltes (). Von einer mündlichen Verhandlung kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (siehe dazu z.B. , mit Verweis auf EGMR , Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z37 ff.; EGMR , Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z29).
Im Beschwerdefall ergibt sich der Sachverhalt - insbesondere die Umstände, dass sich die eingeschrittene Steuerberatungsgesellschaft in der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht auf eine vom ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin erteilte Vollmacht zur Beschwerdeerhebung berufen hat und auch im Mängelbehebungsverfahren kein Nachweis über den Bestand eines Vollmachtsverhältnisses zwischen dem ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin und der eingeschrittenen Steuerberatungsgesellschaft erbracht wurde - aus den dem BFG übermittelten Aktenteilen. Einer weiteren Sachverhaltsklärung bedarf es daher nicht, sodass nach Auffassung des BFG durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung auch keine (berechtigten) Parteieninteressen verletzt werden können.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfolge der Zurückweisung einer Beschwerde wegen Unzulässigkeit mangels Vorliegens eines rechtswirksamen Haftungsbescheides ergibt sich schon aus den im Beschluss zitierten Gesetzestexten, sodass eine Revision nicht zuzulassen war.
Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 83 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 83 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 77 Abs. 11 WTBG 2017, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 137/2017 § 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.1100400.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
YAAAF-44953