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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.01.2025, RV/2100426/2024

Kein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung; Ermessen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des NN, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Rechtsanwalt RA, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer s, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Vertreters, Rechtsanwalt RA, des Vertreters des Finanzamtes Österreich, FA, sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) vertrat die A.GmbH seit ihrer Errichtung im Jahr 2004 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.
Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom Datum1 wurde über die A.GmbH ein Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum2 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung (Quote 16 %) aufgehoben.
Die Gesellschaft wurde am Datum3 gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht (Auszug Firmenbuch FN).

Mit dem Vorhalt des Finanzamtes vom wurde der Bf. in Kenntnis gesetzt, dass auf dem Abgabenkonto der A.GmbH nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselte Abgabenrückstände in der Höhe von insgesamt 46.548,79 € unberichtigt aushaften.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege dem Vertreter der Nachweis, in welcher Höhe der Gesellschaft Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden seien und in welchem Ausmaß die Gläubiger befriedigt worden seien.
Sofern die Gesellschaft bereits ab den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, wurde der Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung seien alle damaligen Gläubiger der GmbH sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) anzuführen. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel anzugeben bzw. gegenüber zu stellen. Für den Nachweis der quotenmässigen Erfüllung der Gläubigergleichbehandlung sei eine rechnerische Darstellung vorzulegen.

Da dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, wurde der Bf. mit dem hier angefochtenen Bescheid vom für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der A.GmbH im Ausmaß von 39.336,11 € in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Begründend wurde ausgeführt, der Haftungsschuldner hafte auch dann für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft, wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er die Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet und die Abgabenschulden daher im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt habe. Die Abgaben seien an den Fälligkeitstagen nicht entrichtet worden. Eine Gläubigergleichbehandlung sei dem Finanzamt nicht vorgelegt worden. Dem Bf. als Vertreter der Gesellschaft sei daher eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten anzulasten.
Bei den Haftungsbeträgen wurde die im Verteilungsentwurf genehmigte Quote von 16 % berücksichtigt.
Hinsichtlich der Lohnsteuer ergebe sich die schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten aus der Nichtbeachtung der Kürzungspflicht nach § 78 Abs. 3 EStG.
Wesentliches Ermessenskriterium bei der Heranziehung zur Haftung sei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls.
Der Umsatzsteuerbescheid 2021 vom und die Bescheide über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen vom wurden dem Haftungsbescheid beigelegt.

In der gegen diesen Bescheid vom Rechtsvertreter eingebrachten Beschwerde vom wurde die Verletzung des einfachgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unterlassung der Erlassung des Haftungsbescheides an den Bf., die Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art. 2 StGG iVm Art. 7 Abs. 1 1. Satz B-VG, des Rechtes auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 ERMK, sowie des Rechtes auf Schutz des Eigentums gemäß Art. 5 StGG iVm Art. 1 1. Zusatzprotokoll ERMK geltend gemacht.
Begründend wurde ausgeführt:
".....
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Haftungsbescheides vom den Beschwerdeführer in seinem einfachgesetzlich gewährleisten Recht auf Unterlassung des Erlasses eines Haftungsbescheides verletzt. Der angefochtene Bescheid ist mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist, da die belangte Behörde insbesondere die § 9 Abs. 1 BAO in Verbindung mit §§ 80 ff BAO nicht richtig und denkunmöglich auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet hat. Die belangte Behörde geht zu Unrecht davon aus, dass die Einbringung vom Vertreter der Gesellschaft schuldhaft gefährdet oder erschwert sei.

Dem Beschwerdeführer wurde nicht die Möglichkeit eingeräumt, die Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen.

Tatsächlich hat eine Gläubigerbenachteiligung insbesondere des Finanzamts hinsichtlich der
in Haftung gezogenen Beträge nicht stattgefunden.

Richtig ist, dass sich die Gesellschaft in zweitem Halbjahr 2022 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat. Auch wenn es phasenweise zu Liquiditätsengpässen gekommen ist, hat der Beschwerdeführer die Finanzschulden zumindest anteilig befriedigt.

Dem Beschwerdeführer wurde auch keine Möglichkeit gegeben, darzulegen welcher Betrag bei anteilsgemäßer Befriedigung der Verbindlichkeiten an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre.

Dies ist nämlich wesentlich für die Frage, bis zu welcher Höhe der Beschwerdeführer allenfalls haftet, weil er lediglich für die Differenz zwischen dem Betrag, der bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre und dem tatsächlichen bezahlten Betrag haftet.

Auszuführen ist darüber hinaus, dass im Jahr 2022 noch wesentlich mit den Auswirkungen der Corona Pandemie zu kämpfen war, das Unternehmen sohin unverschuldet in diese schwierige finanzielle Lage gekommen ist und daher auch im Hinblick auf den Ermessensspielraum des Finanzamtes eine zumindest wesentlich niedrigere Festsetzung allfälliger Rückstände hätte erfolgen müssen. Auch diesbezüglich fehlt jedoch im Haftungsbescheid jegliche Begründung.

Zum anderen ist der Beschwerdeführer auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 Abs 2 EMRK, insbesondere der Unschuldsvermutung und der Pflicht, Entscheidungen zu begründen, verletzt.

Die belangte Behörde unterstellt weiters der Bestimmung des § 9 in Verbindung mit § 80 fortfolgende BAO einen gleichheitswidrigen Inhalt und übt in ihrer Entscheidung Willkür, sodass der Beschwerdeführer auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 2 StGG iVm Art 7 B-VG verletzt ist.

Der Beschwerdeführer ist weiters in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Eigentums verletzt, da die belangte Behörde die Bestimmung des § 9 BAO in Verbindung mit §§ 80 ff BAO denkunmöglich anwendet und rechtswidrigerweise die Haftung für die Abgabenansprüche anordnet.

Aus all diesen Gründen ist der Haftungsbescheid vom mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
....."
Der Bf. beantragte die ersatzlose Behebung des angefochtenen Haftungsbescheides sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Nach der Aktenlage habe der Bf. den Vorhalt nicht behoben. Die Gläubigergleichbehandlung hätte auch im Zuge der Beschwerde vorgelegt werden können; dem sei auch nicht nachgekommen worden.
Die Löhne seien in voller Höhe ausbezahlt worden.

Im Schriftsatz vom beantragte der Vertreter des Bf. die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und verwies auf das Vorbringen in der Bescheidbeschwerde vom .

In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung führte der Vertreter des Bf. aus, wirtschaftliche Umstände hätten dazu geführt, dass ein Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin nicht verhindert werden konnte. Es werde nicht bestritten, dass Abgabenrückstände der Gesellschaft bestehen.
Der Bf. habe durch die Insolvenz sein gesamtes Vermögen verloren. Er verfüge über ein Guthaben am Abgabenkonto von 19.000 Euro, das er bereit sei, als Haftungsbetrag zu entrichten. Es werde beantragt, den Ermessensspielraum bei der Haftungsinanspruchnahme dahingehend zu nutzen.
Der Vertreter des Finanzamtes führte aus, die Einhebung des Haftungsbetrages beim Bf. sei nicht Gegenstand des Verfahrens und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Vertreter des Abgabepflichtigen verwies auf seine Ausführungen in der Beschwerde und beantragte die aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheides.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Vertreterstellung

Nach der Aktenlage war der Bf. Gesellschafter der im Jahr 2004 errichteten A.GmbH und vertrat diese als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer seit Datum4 (Auszug aus dem Firmenbuch FN).

Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft in jenem Zeitraum, in welchem er die Vertreterstellung innehatte, gehörten daher nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (siehe mit Verweis auf Vorjudikatur).

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin am Datum3 gemäß § 40 FBG von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde (Auszug aus dem Firmenbuch FN), weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten, soweit sie die im Konkursverfahren ausbezahlte Quote übersteigen, bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.

Höhe der Abgaben

Im Spruch des Haftungsbescheides wurde eine genaue Aufgliederung der Haftungssumme nach Abgabenart und Zeitraum vorgenommen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob (und in welchem Umfang) ein Abgabenanspruch gegeben ist, nur dann als Vorfrage eigenständig im Haftungsverfahren nach § 9 BAO zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist (z.B. mwN).

Dem Haftungsbescheid beigelegt wurden die Bescheide über die Festsetzung der Verspätungszuschläge 06/2022 und 07/2022 vom sowie der Umsatzsteuerbescheid 2021 vom .
Hinsichtlich dieser Abgaben ist die Abgabenbehörde an die Höhe der festgesetzten Abgaben gebunden.

Geht einem Haftungsbescheid hingegen kein Abgabenbescheid voran, so ist die Frage, ob und in welchem Ausmaß ein Abgabenanspruch gegeben ist, als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden ().
Die im Haftungsbescheid angeführten Umsatzsteuern für die Monate 06 bis 11/2022 sowie die Lohnabgaben 07/2022 wurden dem Finanzamt von der Gesellschaft mittels Voranmeldungen bekannt gegeben, aber nicht entrichtet.
Einwände gegen die Höhe der gemeldeten Selbstbemessungsabgaben wurden im Haftungsverfahren nicht vorgebracht.

Die Konkursquote von 16% wurde bei den einzelnen Haftungsbeträgen berücksichtigt.

Beweislastumkehr

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters einer GmbH gehört insbesondere, dafür zu sorgen, dass die Abgaben im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichtet werden.
Der Vertreter der Gesellschaft darf Abgabenschulden bei der Entrichtung nicht schlechter behandeln als andere Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz, ).

Im Haftungsverfahren ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (, , mwN).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Vertreter darzutun hat, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten annehmen darf. Als schuldhaft gilt hiebei jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (siehe und die dort zitierte Vorjudikatur), mwN).

Schuldhafte Pflichtverletzung

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (VwGH vS , 96/15/0049).

Dem Vorbringen in der Beschwerde, dem Bf. sei nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, die Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen, ist entgegen zu halten, dass der Vorhalt des Finanzamtes vom (die Sendung wurde am beim Postamt hinterlegt, in weiterer Folge aber nicht behoben) unbeantwortet blieb.

Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass eine Gläubigergleichbehandlung dem Finanzamt nicht vorgelegt wurde.

In der Beschwerdevorentscheidung vom , der nach der Rechtsprechung des VwGH Vorhaltscharakter zukommt (siehe mwN), wurde der Bf. darauf hingewiesen, dass er im Zuge der Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid auch den Nachweis der behaupteten Gläubigergleichbehandlung hätte vorlegen können.

Es wurde kein Vorbringen erstattet, warum der Bf. auch im Zuge des Antrages auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht bzw. nach der bereits im Oktober 2024 versendeten Ladung zur mündlichen Verhandlung einen solchen Nachweis nicht erbringen konnte.

Dass der Gesellschaft im Haftungszeitraum keine liquiden Mittel zur Verfügung standen, (etwa keine Löhne ausbezahlt, keine zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlichen Zahlungen geleistet wurden), wurde im Verfahren ebenfalls nicht vorgebracht.

Da somit ein Nachweis seitens des Bf., dass die Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter behandelt wurden als die übrigen Verbindlichkeiten, nicht erbracht wurde, konnte das Finanzamt zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. ausgehen. Nach der Rechtsprechung des VwGH haftet der Geschäftsführer in diesem Fall für die in Haftung gezogenen Abgaben zur Gänze ( mwN).

Lohnsteuer 07/2022

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Nach der ständigen Rechtsprechung ist daher die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden.

Die Auszahlung der Löhne und die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten Lohnabgaben wurde im Haftungsverfahren nicht bestritten.

Kausalität

Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtungen aus den Mittel der Gesellschaft Sorge zu tragen, so hat die Abgabenbehörde auch davonausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war (, , mwN).

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium ist. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.

Der Vertreter des Bf. beantragte in der mündlichen Verhandlung angesichts des Umstandes, dass der Bf. durch das Insolvenzverfahren sein gesamtes Vermögen verloren habe, den Haftungsbetrag auf das am Abgabenkponto des Bf. bestehende Guthaben von 19.000 € zu beschränken.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BAO die Ansicht, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Haftungsschuldners im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung keine Bedeutung zukommt. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung ( mit Hinweis auf ). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (z.B. mit zahlreichen weiteren Judikaturnachweisen; ebenso ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().

Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet damit zwischen der Billigkeit bei der Geltendmachung der Haftung und der Billigkeit (persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit) bei der nachfolgenden Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen.

Die Geltendmachung der Haftung ist eine Einhebungsmaßnahme (Ritz, BAO7, § 224 Tz 4), diese bezieht sich aber auf die Einhebung der Abgaben der Primärschuldnerin. Gegenüber dem Haftungsschuldner ist die Heranziehung zur Haftung noch keine Einhebungsmaßnahme, sondern eine Maßnahme, der Festsetzungscharakter zukommt. Gemäß § 7 Abs. 1 BAO wird er erst durch die Geltendmachung der Haftung zum Gesamtschuldner. Daran schließt sich das eigenständige Einhebungsverfahren der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen an.

Daraus folgt, dass eine Unbilligkeit im Zuge der Geltendmachung der Haftung daher nur insofern Berücksichtigung finden kann, als sie nicht in der Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen liegt, sondern in der (vollen) Heranziehung zur Haftung läge, etwa weil die Haftung auch gegenüber (weiteren) Geschäftsführern ausgesprochen wurde oder ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits liegt, ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().

Im vorliegenden Fall war der Bf. im Haftungszeitraum der einzige handelsrechtliche Geschäftsführer der Gesellschaft, weshalb eine Einbringung der gegenständlichen Abgaben nur bei ihm möglich ist. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme die Einbringlichkeit der angeführten Abgaben erreicht werden und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits liegt nicht vor. Der Bf. wurde mit dem im Jahr 2023 erlassenen Haftungsbescheid für Abgaben der Jahre 2021 und 2022 zur Haftung herangezogen, weshalb im vorliegenden Fall von einem solchen, im Zuge des Ermessens zu berücksichtigenden langen Zeitabstand nicht auszugehen ist. Eine Kürzung der Haftungsbeträge aus diesem Grund kann daher nicht erfolgen.

Einer Kürzung des Haftungsbetrages steht auch die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles von Selbstbemessungsabgaben in beachtlicher Höhe entgegen.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100426.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
JAAAF-44945