1) Topf-Sonderausgaben-Höchstbetrag bei eigenen Einkünften des Ehepartners über EUR 6.000 2) Keine außergewöhnliche Belastung ohne Zahlungsnachweise
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:
I.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Einkommensteuer 2017 wird mit einer Gutschrift von EUR 360,00 festgesetzt.
Die Bemessungsgrundlagen sind der angeschlossenen Anlage "Steuerberechnung" zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Zur Fälligkeit der Nachzahlung (im Verhältnis zur Beschwerdevorentscheidung EUR 3.318,00) wird auf die Lastschriftanzeige (Buchungsmitteilung) verwiesen.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FE 2 (ArbeitnehmerInnenveranlagung) und damit in die Zuteilungsgruppe 1101. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen.
I. Verfahrensgang und Akteninhalt
Die Beschwerdeführerin (kurz Bf.) reichte mit via FinanzOnline eine Arbeitnehmerveranlagungserklärung für 2017 ein und erklärte, die Einkünfte ihres Ehepartners hätten 2017 EUR 6.000 nicht überschritten. Die Summe aller Versicherungsprämien und -beiträge (freiwillige Kranken-, Unfall-, Lebensversicherung, Hinterbliebenenversorgung und Sterbekassen), Pensionskassenbeiträge, freiwillige Höherversicherung im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung (Sonderausgaben) bezifferte sie mit EUR 4.952,04. Unter anderem gab die Bf. an, für ihren Ehepartner sei von Jänner bis Dezember Pflegegeld, Blindenbeihilfe oder eine andere pflegebedingte Geldleistung bezogen worden und machte anstelle der pauschalen Freibeträge aufgrund des Grades der Behinderung tatsächliche Kosten in Höhe von EUR 12.381,81 geltend.
Das Finanzamt Österreich (kurz FAÖ) verweigerte den Abzug einer außergewöhnlichen Belastung im Einkommensteuerbescheid 2017 vom mit der Begründung, die Einkünfte des Gatten seien über EUR 6.000,00 gelegen. Die anderen Abzugsposten anerkannte das FAÖ und reduzierte die Einkünfte unter anderem um "Topf-Sonderausgaben" von EUR 1.238,01 (1/4 von EUR 4.952,04).
Dies bekämpfte die Bf. via FinanzOnline mit Beschwerde vom und brachte vor, wie bereits mehrmals mitgeteilt habe das gesamte Pflegegeld und die gesamte Pension ihres Gatten nicht gereicht, um die Kosten für ein Sanatorium von EUR 59 006,73 zu bezahlen. Daher sei sie als Ehefrau und Sachwalterin dazu verpflichtet gewesen, die restlichen Kosten zu übernehmen, was sie getan habe. Sie beantragte die volle Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung.
Das FAÖ erließ daraufhin mit eine Beschwerdevorentscheidung, berücksichtigte Aufwendungen in Höhe von EUR 12.381,81 als außergewöhnliche Belastung und zog davon einen Selbstbehalt von EUR 2.658,48 ab. Die Sonderausgaben ließ das FAÖ unverändert. Per Saldo wirkte sich das mit EUR 9.723,33 aus und führte zu einer zusätzlichen Steuergutschrift von EUR 3.140,00.
Die Bf. beantragte mit die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und erklärte, für sie sei es unverständlich, dass von den vorgelegten Kosten noch ein Selbstbehalt abgezogen wurde. Sie habe nur die reinen Sanatoriumskosten ohne die Kosten für verschiedene Pflegemittel, Medikamente, Fahrtkosten usw. eingereicht.
Das FAÖ legte die Beschwerde daraufhin mit an das Bundesfinanzgericht vor. Da der Ehepartner der Bf. 2017 steuerpflichtige Bezüge in Höhe von EUR 26.580,12 bezogen und damit die gesetzliche Höchstgrenze von EUR 6.000 überschritten habe, müsse der Selbstbehalt abgezogen werden. Über den gleichgelagerten Sachverhalt im Veranlagungsjahr 2014 sei bereits mit Erkenntnis in diesem Sinne entschieden worden. Zu den Sonderausgaben äußerte sich das FAÖ nicht.
Das Bundesfinanzgericht forderte mit Mail vom beim FAÖ weitere Unterlagen an, die es dem elektronisch vorgelegten Akt nicht entnehmen konnte. Dabei handelt es sich um
1. einen Auszug aus den Steuerakten des Gatten der Bf. samt Unterlagen, aus denen dessen Einkünfte (inkl. Pflegegeld etc.), die gelten gemacht außergewöhnliche Belastung und das Einkommen hervorgeht.
2. Weiters wurde eine exakte Berechnung des Betrages angefordert, der der Bf. in der Beschwerdevorentscheidung als außergewöhnliche Belastung gewährt wurde (Was wurde genau beantragt? Welche Zahlungen wurden wofür geleistet? Was wurde vom FA abgezogen?).
3. Zusätzlich wurden Zahlungsnachweise bzw. -belege der Bf. für das Jahr 2017 abverlangt und darauf hingewiesen, dass diese Unterlagen - falls noch nicht aktenkundig - anzufordern seien.
Der Bearbeiter des FAÖ reagierte mit Mail vom und legte alle dort aktenkundigen Unterlagen bezüglich des Steueraktes des Gatten vor. Weitere Belege seien nicht vorhanden und nicht aktenkundig. Die Beschwerdevorentscheidung sei von einer Kollegin erstellt worden, die sich im Moment in Karenz befinde und auch die dazugehörige Teamleiterin befinde sich noch bis September auf Kur. Der Bearbeiter gab an, er sei bei der Erstellung der Beschwerdevorentscheidung nicht eingebunden gewesen und habe keine Aufzeichnungen bzw. detaillierten Berechnungen.
Der Einkommensteuerbescheid 2017 des Gatten weist einen Gesamtbetrag der Einkünfte von EUR 26.451,72 aus. Auch er beantragte Topf-Sonderausgaben von EUR 4.952,04 (exakt gleicher Betrag wie bei der Bf.), die bei ihm mit EUR 730,00 zugestanden wurden, sowie Zahlungen von EUR 38.739,93 als außergewöhnliche Belastung, die zur Gänze berücksichtigt wurden, sich aber aufgrund seiner Einkünfte nur mit EUR 25.721,72 auswirkten.
Das Bundesfinanzgericht wies das FAÖ in seiner Antwortmail an das FAÖ vom auf § 265 Abs. 1 letzter Satz BAO sowie § 269 Abs. 2 BAO hin und fragte nach, ob die fehlenden Unterlagen zwischenzeitig bereits angefordert worden seien. Das FAÖ gab am bekannt, dass ein Vorhalt an die Beschwerdeführerin (RSb) versendet worden sei. Die Antwort werde umgehend übermittelt werden.
Über Nachfrage übermittelte das FAÖ mit Mail vom den Vorhalt vom , mit dem es die Bf. ersucht hatte, die Gesamtkosten sowie die von ihr geleisteten Kosten anhand einer Aufstellung sowie Belegen nachzuweisen. Es gab bekannt, dass die ursprüngliche Frist zur Beantwortung () aufgrund mehrerer Ansuchen ( und ) mehrmals verlängert worden sei (zuletzt bis ).
Am übermittelte das FAÖ schlussendlich eine Antwort der Bf., die diese am via FinanzOnline eingebracht hatte und die sich auf die Vorlage zweier Unterlagen beschränkt.
Es handelt sich dabei um eine Bestätigung eines Sanatoriums vom . Danach war der Gatte der Bf. von bis ***##.Monat*** 2019 dort in stationärer Pflege. Für seinen Aufenthalt seien 2017 EUR 59.006,73 bezahlt worden.
Zusätzlich legte die Bf. eine Aufstellung vor, aus der hervorgeht, dass die steuerpflichtigen Einkünfte des Gatten EUR 26.580,12 betrugen und sein Pflegegeld mit EUR 20.266,80 zufloss (in Summe EUR 46.846,92). Daraus resultiert nach dieser Antwort eine Unterdeckung der Sanatoriumskosten (EUR 59.006,73) von EUR 12.159,81, die laut der Bf. nicht vom Gatten beglichen werden konnten. Dazu addierte die Bf. - ohne irgendwelche Nachweise oder nähere Berechnungen - "Fahrtkosten laut amtlichen Kilometergeld" von EUR 9.014,04 und gab an, EUR 21.173,85 und noch mehr seien von ihr beglichen worden, da das gesamte Pflegegeld und die gesamte Pension des Gatten nicht einmal für die reinen Sanatoriumskosten (exklusive zusätzlicher Heilmittelbedarf, Medikamentenkosten) gereicht hätten. Belege blieb die Bf. schuldig.
Eine Grundbuchrecherche des Bundesfinanzgerichts ergab, dass die Bf. und ihr Gatte im ersten Halbjahr 2015 ein jeweils im Hälfteeigentum befindliches Grundstück (***KG 1*** EZ 128) an die Republik Österreich um zusammen EUR 271.687,32 veräußert hatten (Kaufvertrag in Urkundensammlung BG ***A*** 1728/2016 - siehe Beilage). Dabei trat die Bf. als Sachwalterin ihres Gatten auf, auf den die halben Einnahmen in Höhe von EUR 135.843,66 entfielen.
Der Gatte der Bf. verstarb mit ***##.Monat*** 2019 und seine Verlassenschaft wurde der Bf. mit Beschluss vom ***#.Monat*** 2021 zur Gänze eingeantwortet, nachdem Sohn und Tochter ihr Erbrecht ausgeschlagen hatten (Urkundensammlung BG ***B*** 5674/2021 - siehe Beilage). Ihr wurde daraufhin das Eigentumsrecht an folgenden Liegenschaften einverleibt:
1/1-Anteil ***KG 2*** EZ 224 (2.845 m²) sowie
1/2-Anteil des Gatten an der (gemeinsamen) Eigentumswohnung auf der Liegenschaft ***KG 3*** EZ 1950
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).
Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO).
Mit BGBl. I Nr. 136/2017 wurde in Umsetzung der bisherigen Judikatur in § 115 Abs. 1 letzter Satz BAO gesetzlich verankert, dass die Ermittlungspflicht durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen eingeschränkt wird. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1660 BlgNR 25. GP 24) trifft dies etwa dann zu, wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann oder wenn der Abgabepflichtige zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt.
Durch das Wort "beispielsweise" sollte klargestellt werden, dass nicht nur bei Auslandssachverhalten eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen besteht. In Fällen der erhöhten Mitwirkungspflicht liegt es am Abgabepflichtigen, alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind. Eine Verletzung der (erhöhten) Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung gewonnene Ergebnis hinaus zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.
Schon bisher wies auch Ritz zu Recht darauf hin (Ritz, BAO5, § 115 Tz 13), dass den Bf. auch dann eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (vgl. ; , 99/15/0250; , 2002/13/0091; , 2004/17/0105), die nur er aufklären kann. Dies trifft auch dann zu, wenn typische Aufwendungen der privaten Lebensführung steuerlich verwertet werden sollen. Im Hinblick auf seine eigene Nähe zum Beweisthema hat hier der Beschwerdeführer von sich aus die Voraussetzungen nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.
Im Übrigen befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens den Revisionswerber nicht von seiner Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht es nicht an, im Verwaltungsverfahren untätig zu bleiben, um sodann im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu behaupten, die belangte Behörde hätte Verfahrensvorschriften verletzt ( mit weiteren Nachweisen).
In Beachtung dieser Grundsätze ist der Akteninhalt wie folgt zu würdigen:
2. Sachverhalt
Es steht fest, dass der Gatte der Bf. neben eigenen Einkünften Pflegegeld in Höhe von EUR 20.266,80 bezog (monatlich EUR 1.688,90 = Pflegestufe 7) und in einem Privatsanatorium untergebracht war (Kosten insgesamt EUR 59.006,73).
Der Gatte verfügte selbst über eine Nettopension von etwa EUR 26.000,00 (nach Gutschrift aus der Veranlagung EUR 30.700).
Geht man von diesem Nettobetrag (EUR 30.653,06) aus und rechnet ihm das Pfleggeld hinzu (EUR 20.266,80), ergibt das verfügbare laufende Mittel von EUR 50.919,86 bzw. eine Unterdeckung der Sanatoriumskosten (EUR 59.006,73) von etwa EUR 8.000.
Hinzuweisen ist auf die Tatsache, dass der Gatte der Bf. in seiner Arbeitnehmerveranlagungserklärung selbst eine außergewöhnliche Belastung in Höhe von EUR 38.739,93 geltend machte. Das entspricht den Sanatoriumskosten (EUR 59.006,73) abzüglich des Pflegegeldes (EUR 20.266,80). Das deutet darauf hin, dass die Zahlungen vom Gatten selbst aus seinen eigenen Einkünften bzw. seinem Vermögen geleistet wurden.
Auf die Existenz von Vermögen weist dabei die Urkundensammlung des Grundbuches hin, nach der dem Gatten der Bf. 2015 über EUR 135.000 aus dem Verkauf einer Liegenschaft zuflossen. Aus der Einantwortungsurkunde vom ***#.Monat*** 2021 ist zudem ersichtlich, dass die Bf. (nach der Erbverzichtserklärung der beiden Kinder) Alleinerbin war und dass im Erbweg ein 2.845 m² großes Grundstück sowie der Hälfteanteil der ehelichen Wohnung vom Gatten auf sie überging. Das beweist beträchtliches eigenes Vermögen des verstorbenen Gatten.
Von der Bf. wurde vorgebracht, dass die eigenen Einkünfte des Gatten nicht zur Deckung all dieser Kosten ausgereicht hätten und sie als Ehefrau und Sachwalterin zur Übernahme der restlichen Kosten verpflichtet gewesen sei (Beschwerde). Sie erklärte via FinanzOnline, EUR 21.173,85 und noch mehr seien von ihr beglichen worden.
Die Bf. selbst hatte Nettopensionseinkünfte von etwa EUR 26.077,02 (inkl. 13. und 14. Bezug).
Trotz Aufforderung und mehrmaliger Fristverlängerungen legte die Bf. keinerlei Nachweise darüber vor, dass und in welchem Umfang tatsächlich von ihr selbst Zahlungen geleistet wurden. Solche Zahlungen sind damit nicht belegt.
3. Rechtliche Beurteilung
Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, aber auch verpflichtet, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).
Das bedeutet, dass das Bundesfinanzgericht auch sogenannte Verböserungendurchzuführen hat, wenn von der Abgabenbehörde steuerliche Abzugsposten zu Unrecht gewährt wurden. In solchen Fällen ist der bekämpfte Bescheid (Erstbescheid vom )zu Ungunsten der Beschwerdeführerin abzuändern. Das kann - wie hier - auch zu Steuernachforderungen führen.
a) Krankheitskosten bzw. Pflegekosten für den Ehegatten
Bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen in dem Jahr abzuziehen, in dem sie vom Steuerpflichtigen (hier der Bf.) selbst geleistet und somit bezahlt wurden.
Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (§ 34 Abs. 1 EStG 1988). Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 EStG 1988).
Unterhaltsleistungen sind nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist zwar nicht zu berücksichtigen (§ 34 Abs. 7 EStG 1988), wohl haben solche aber Einfluss auf die Zwangsläufigkeit von Zahlungen.
Einer Vielzahl von Abgabepflichtigen erwachsen dadurch Fahrtkosten, dass sie sich um ihre nächsten Angehörigen kümmern, sie besuchen und mit ihnen ausgehen. Dies gilt im Besonderen für die Betreuung altersbedingt behinderter Personen. Fahrtkosten, die durch regelmäßige Besuche erwachsen, können deshalb grundsätzlich nicht als außergewöhnlich bezeichnet werden und im Regelfall nicht als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden (vgl. ; , Ra 2020/15/0029).
Selbstbehalt und Einkünfte des Ehegatten
Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 EStG 1988) sowie Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden (§ 34 Abs. 6 EStG 1988). Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-) Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens EUR 6.000 jährlich erzielt, und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm gem. § 35 Abs. 1 EStG 1988 jeweils ein Freibetrag (§ 35 Abs. 3 EStG 1988) zu.
Haben mehrere Steuerpflichtige Anspruch auf diesen Freibetrag, dann ist dieser Freibetrag im Verhältnis der Kostentragung aufzuteilen. Weist einer der Steuerpflichtigen seine höheren Mehraufwendungen nach, dann ist beim anderen Steuerpflichtigen der Freibetrag um die nachgewiesenen Mehraufwendungen zu kürzen (§ 35 Abs. 4 EStG 1988). Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 EStG 1988 unter Hinweis auf § 34 Abs. 6 EStG 1988).
Daraus folgt wie vom Bundesfinanzgericht schon im Erkenntnis festgehalten, dass behinderungsbedingte Mehraufwendungen nur dann als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden dürfen, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 erfüllt sind. Bei außergewöhnlichen Belastungen infolge einer Behinderung des Ehepartners dürfen dessen Einkünfte dafür also höchstens EUR 6.000,00 jährlich betragen. Da dieser Betrag hier ohne Zweifel überschritten ist, scheidet diese Möglichkeit von vornherein aus, womit der Selbstbehalt zwingend in Abzug zu bringen war.
Tatsächliche Bezahlung durch die Beschwerdeführerin
Dazu kommt, dass Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung nur dann abgezogen werden dürfen, wenn sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen und die Beträge durch den Steuerpflichtigen, der sie steuerlich verwerten will, auch tatsächlich aus seinen Einkünften bzw. seinem Vermögen bezahlt wurden, weil er sich dem aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen konnte.
Für die zeitliche Zurechnung einer außergewöhnlichen Belastung gilt grundsätzlich das Abflussprinzip nach § 19 Abs. 2 EStG 1988. Die außergewöhnliche Belastung kann daher nur dann steuerwirksam sein, wenn sie tatsächlich beim Steuerpflichtigen abgeflossen ist, also regelmäßig im Zeitpunkt der Bezahlung. Voraussetzung wäre damit, dass die Bf. selbst im Jahr 2017 Zahlungen für die Pflege ihres Gatten geleistet hat. Das wurde durch die Bf. trotz Aufforderung nicht nachgewiesen. Sie legte keinerlei Belege vor, dass sie selbst Zahlungen aus ihrem Vermögen bzw. ihren Einkünften leistete.
Dass ist umso mehr problematisch, als der Gatte der Bf. die hier strittigen Zahlungen selbst als außergewöhnliche Belastung in Anspruch nahm, was darauf hindeutet, dass er sie selbst getragen hat.
Dazu kommt, dass die Bf. angab, dass sie Sachwalterin ihres Gatten war. Das indiziert, dass sie auf dessen Rechnung über dessen Vermögen verfügen konnte, um die notwendigen Kosten abzudecken. Die Tatsache, dass der verstorbene Gatte über solches verfügte, wird mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit dadurch bewiesen, dass er nur etwa zwei Jahre vor dem Streitzeitraum einen Verkaufserlös von etwa EUR 135.000 lukrierte. Zudem war er 2017 erwiesenermaßen Alleineigentümer eines Grundstückes in ***KG 2*** sowie Hälfteeigentümer der ehelichen Wohnung. Auch wenn nicht bekannt ist, welchen konkreten Wert diese Liegenschaften hatten und ob er darüber hinaus über zusätzliche Sparguthaben oder andere Anlagen verfügte, steht damit jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass dem Gatten erhebliche eigene Mittel zur Deckung seines Unterhaltes zur Verfügung standen. Das spricht gegen eine Zwangsläufigkeit von Zahlungen der Bf. und deutet darauf hin, dass die Zahlungen in Wahrheit aus dem Vermögen des Gatten geleistet wurden und dass es keine Verpflichtung der Bf. gab, ihr eigenes Geld (aus laufenden Einkünften, Ersparnissen oder Vermögen) dafür zu verwenden.
Es wäre hier an der Bf. gewesen, sowohl ihre eigenen Zahlungen wie auch deren Zwangsläufigkeit entsprechend zu untermauern. Dass sie dies unterließ, ist ihr zuzurechnen.
Auch wenn die Zahlungen durch die Bf. persönlich geleistet worden wären, würden mit den Pflegeaufwendungen in einem sachlichen (vertraglichen) oder mittelbar zeitlichen Zusammenhang stehende unentgeltliche Vermögensübertragungen (Erbschaft, Übergaben oder Schenkung) im Ausmaß ihres Verkehrswertes die Abziehbarkeit von diesbezüglichen Unterhaltsleistungen mindern (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG20, § 34 Rz 78). Dies würde wohl auch für den Fall eines Pflegevermächtnisses als Gegenleistung für die Erbringung von Pflegeleistungen oder die Übernahme von pflegebedingten Kosten gelten (vgl.Peyerl, Steuerrechtliche Aspekte des neuen Pflegevermächtnisses, SWK 2017, 618). Sollten die zunächst vorgesehenen Erben (aus welchen Gründen auch immer) das Vermögen nicht erben, läge wohl sogar ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 295a BAO vor, das die rückwirkende Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung ermöglicht (vgl. Verwaltungsübung in LStR 2002 Rz 823). Da die Zahlungen hier von vornherein nicht nachgewiesen wurden, stellt sich diese Frage allerdings im Moment nicht.
Das bedeutet:
Damit steht hier fest, dass nicht nur ein Selbstbehalt zu berücksichtigen war, es ist darüber hinaus von vornherein überhaupt unzulässig, von der Bf. nur errechnete, nicht aber nachgewiesene Zahlungen in Abzug zu bringen.
Sie unterließ es trotz Aufforderung durch das FAÖ (Vorhalt vom ) und trotz mehrmaliger Fristverlängerungen, ihre geleisteten Zahlungen konkret zusammenzustellen, zu benennen und mit entsprechenden Belegen zu untermauern. Damit sind die Ermittlungsmöglichkeiten des Bundesfinanzgerichtes erschöpft und es kann nur das zur Beweiswürdigung heranziehen, was sich in den Akten findet. Das deutet mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass durch die Bf. keine eigenen Beiträge geleistet wurden, sondern dass sie die Pflegekosten aus Mitteln ihres Gatten bediente. Das führt dazu, dass diese Aufwendungen bei der Bf. zur Gänze nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können.
Das gilt im Übrigen auch für die Fahrtkosten, die zudem nicht nachgewiesen wurden. Die Bf. brachte keine besonderen Umstände vor, die deren Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung rechtfertigen könnten.
b) Topf-Sonderausgaben
Bei den sogenannten Topf-Sonderausgaben handelt es sich unter anderem um bestimmte freiwillige Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherungen, Lebensversicherungen etc., wenn der der Zahlung zugrundeliegende Vertrag vor dem abgeschlossen worden ist (§ 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988). Dazu zählen auch bestimmte Ausgaben zur Wohnraumschaffung oder zur Wohnraumsanierung, wenn mit der tatsächlichen Bauausführung oder Sanierung vor dem begonnen worden ist oder der der Zahlung zugrundeliegende Vertrag vor dem abgeschlossen worden ist (§ 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988).
In Ergänzung dazu bestimmt § 18 Abs. 3 EStG 1988:
Solche Ausgaben kann der Steuerpflichtige auch dann absetzen, wenn er sie für seinen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner leistet. Dabei besteht ein einheitlicher Höchstbetrag von EUR 2.920 jährlich.
Dieser Betrag erhöht sich nur dann um EUR 2.920, wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdiener- oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht und/oder wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-) Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens EUR 6 000 jährlich erzielt.
Sind die Ausgaben insgesamt
niedriger als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel der Ausgaben, mindestens aber der Pauschbetrag nach Abs. 2, als Sonderausgaben abzusetzen,
gleich hoch oder höher als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel des Höchstbetrags als Sonderausgaben abzusetzen (Sonderausgabenviertel).
Hier steht fest, dass der verstorbene Gatte 2017 selbst Einkünfte von über EUR 6.000,00 erzielte (vgl. Einkommensteuerbescheid 2017). Damit stehen der Bf. nur der einfache Höchstbetrag von einem Viertel von EUR 2.920 und damit EUR 730 zu. Da vom FAÖ bisher EUR 1.238,01 zugestanden wurden, ist der Einkommensteuerbescheid entsprechend abzuändern.
c) Zusammenfassung
Es ist die Pflicht des Bundesfinanzgerichts, den bekämpften Bescheid (hier Erstbescheid vom ) so abzuändern, dass er richtig ist. Das gilt auch zu Ungunsten der Beschwerdeführerin.
Zum einen stehen die Topf-Sonderausgaben hier nur mit dem einfachen Höchstbetrag zu (EUR 730) und zum anderen verbietet sich hier jeder Abzug aus dem Titel der außergewöhnliche Belastung mangels nachgewiesener Zahlung durch die Beschwerdeführerin bzw. mangels erwiesener Außergewöhnlichkeit der Fahrtkosten.
Das führt zu einer Verringerung der Steuergutschrift auf EUR 360,00 (siehe Steuerberechnung).
d) Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt im Allgemeinen dann nicht vor, wenn sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung auf einen eindeutigen Gesetzeswortlaut zu stützen vermag ( mit weiteren Nachweisen) bzw. die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).
Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.
Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Beilagen:
1. Anlage Steuerberechnung
2. Kaufvertrag vom 30. April bzw.
3. Einantwortungsbeschluss vom
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 19 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 18 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100792.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
FAAAF-44942