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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.01.2025, RV/6100121/2024

Prozesskosten aus einem Gerichtsverfahren gegen die eigene Rechtsschutzversicherung als Werbungskosten

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100121/2024-RS1
Wenn aufgrund einer Falschangabe im Antragsformular die Versicherungsgesellschaft vom Versicherungsvertrag (hier Rechtsschutzversicherung) zurücktritt, liegt die Ursache für die Prozesskosten des Gerichtsverfahrens betreffend die Rechtmäßigkeit des Vertragsrücktritts nicht in der beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers, sondern in der Falschangabe im Antragsformular. Mangels Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stellen die Prozesskosten in der Folge keine Werbungskosten iSd § 16 EStG 1988 dar.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend den Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2022 vom zur Steuernummer ***BF1StNr3*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Österreich (FA) die Einkommensteuer für 2022 erklärungsgemäß veranlagt.

Mit Schriftsatz vom hat die beschwerdeführenden Partei (bP) einen Antrag auf Aufhebung des og Einkommensteuerbescheids gem § 299 BAO gestellt und dies mit bisher nicht geltend gemachten Werbungskosten (Prozesskosten iZm Disziplinarverfahren) begründet.

Mit Bescheid vom hat das FA diesen Antrag abgewiesen und im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei den geltend gemachten Prozesskosten um keine Werbungskosten iSd § 16 EStG handle und sich daher der Einkommensteuerbescheid 2022 inhaltlich als nicht rechtswidrig erweise.

Mit Schriftsatz vom hat die bP Beschwerde gegen den og Abweisungsbescheid erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das FA die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom hat die bP die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragt (Vorlageantrag).

Mit Vorlagebericht vom hat das FA die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Am fand vor dem BFG ein Erörterungsgespräch gem § 269 Abs 3 BAO statt. Der bP wurde die Beibringung weiterer Unterlagen aufgetragen.

Am und wurden vom BFG Unterlagen von der Rechtsschutzversicherung der bP angefordert, welche am übermittelt worden sind. Den Verfahrensparteien wurden dieses Unterlagen zur Kenntnis gebracht und gem § 183 Abs 4 BAO die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten.

Mit Schriftsatz vom hat die bP den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die bP stand bis zum aktiv in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landespolizeidirektion Salzburg, war dort als Jurist tätig und wurde am in den Ruhestand versetzt. Im Streitzeitraum bezog die bP ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Ruhegenuss).

Am kündigte die damalige Rechtsschutzversicherungsgesellschaft (RSV1) der bP den bestehenden Versicherungsvertrag wegen einer Vielzahl von Schadensfällen. Am schloss die bP eine Familien-Rechtsschutzversicherung ab. Diese umfasste ua einen Berufs-rechtsschutz. Bei Vertragsabschluss wurde trotz Fragestellung im Antragsformular die neue Rechtsschutzversicherungsgesellschaft (RSV2) nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass bereits 2006 eine Rechtsschutzversicherung wegen Schadenshäufigkeit aufgekündigt worden ist.

Am erlangte die RSV2 Kenntnis von diesem Umstand und ist mit Schreiben vom vom Versicherungsvertrag zurückgetreten.

In der Folge hat die bP Klage gegen die RSV2 eingebracht und begehrte die Feststellung, dass
- die RSV2 die Kosten für Verfahren vor der Disziplinarkommission und vor der Landespolizeidirektion zu tragen habe,

- die RSV2 für aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis entstandene Disziplinarverfahren Deckung zu gewährleisten habe und
- der Versicherungsvertrag vom aufrecht sei.

Mit Urteilen des LG Salzburg (***V1***) vom und des OLG Linz (***V2***) vom wurde das Klagebegehren abgewiesen und die bP zur Tragung der Prozesskosten in Höhe von € 14.392,57 verurteilt.

Am hat die bP eine erste Teilzahlung in Höhe von € 700,00 an die RSV2 geleistet und in der Folge unregelmäßig, aber zumeist monatlich weitere Ratenzahlungen zwischen € 300,00 und € 700,00 geleistet.

Mit Urteilen des BG Salzburg (***V3***) vom , des LG Salzburg (***V4***) vom und mit Beschluss des OGH (***V5***) vom wurde ein Rückforderungsanspruch der RSV2 in Höhe von € 5.753,61 zuzüglich von Zinsen und Kosten festgestellt. Hierbei handelt es sich um Verfahrenskosten, die in der Vergangenheit von der RSV2 getragen und aufgrund des Vertragsrücktritts rückgefordert worden sind.

Im Streitzeitraum wurden von der bP an die RSV2 neun Ratenzahlungen von jeweils € 300,00 geleistet. Diese Ratenzahlungen wurden zur Gänze auf die älteste offene Verbindlichkeit und somit auf die Prozesskosten aus den Verfahren vor dem LG Salzburg (***V1***) und des OLG Linz (***V2***) verrechnet.

Der Gesamtbetrag in Höhe von € 2.700,00 wird von der bP als Werbungskosten (beruflich veranlasste Prozesskosten) geltend gemacht.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, aus Abfragen in den Datenbanken der Finanzverwaltung (Tätigkeit der bP, Zeitpunkt Ruhestandsversetzung; Einkünfte im Streitzeitraum), aus den von der bP beigebrachten Gerichtsurteilen (Vertragsabschluss und -kündigung RSV1; Vertragsabschluss und -rücktritt RSV2; Abweisung der Klage der bP im Prozess gegen die RSV2; Feststellung des Rückforderungsanspruches im Prozess der RSV2 gegen die bP) und den von RSV2 übermittelten Unterlagen (von der bP geleistete Ratenzahlungen und deren Verrechnung).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Allgemeine Rechtsgrundlagen

§ 16 Abs 1 EStG 1988 idgF lautet:
"Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. …"

§ 19 Abs 2 EStG 1988 idgF lautet:
"Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. …"

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist im Streitzeitraum, ob die von der bP an die RSV2 geleisteten Ratenzahlungen in Höhe von insgesamt € 2.700,00 Werbungskosten gem § 16 EStG 1988 darstellen.

Die bP argumentiert im Wesentlichen, dass es sich bei den og Zahlungen um beruflich veranlasste Prozesskosten im Zusammenhang mit Disziplinarverfahren handle, die ursprünglich von der RSV2 getragen worden seien und die die bP schließlich nach Rücktritt vom Versicherungsvertrag an diese zurückgezahlt habe. Diese Kosten habe die bP bei der RSV2 eingeklagt, weil die bP durch eine Versicherungsangestellte falsch belehrt worden sei.

Es handle sich daher um Ausgaben, für die die berufliche Tätigkeit der bP kausal sei, weil diese zur Gänze aus beruflich veranlassten Verfahren (zB Disziplinarverfahren) resultierten. Daher stünden diese Ausgaben auch unmittelbar mit der beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang und stellten daher Werbungskosten dar.

Das FA sieht in den getätigten Zahlungen keine Werbungskosten, weil die zugrundeliegenden Prozesskosten privat veranlasst seien und nicht dem Erwerb, Erhalt oder der Sicherung von Einnahmen diene.

Der bP ist zuzustimmen, dass Aufwendungen eines berufsbedingten Zivilprozesses (zB über die Höhe des Arbeitslohnes über Schadensersatzforderungen aus dem Dienstverhältnis, zur Rückgängigmachung einer Kündigung oder Entlassung) als Werbungskosten abzugsfähig sind (, Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 16 Tz 220, Stichwort Prozesskosten).

Auch ist es grundsätzlich denkbar, dass Prozesskosten im Zusammenhang mit Disziplinarverfahren nach dem BDG 1979 schon aufgrund der Strafdrohung § 131 Z 3 BDG - und zwar auch für im Ruhestand befindliche öffentliche-rechtliche Dienstnehmer - Werbungskosten darstellen. Daher sind jene Zahlungen, die für den Rückforderungsanspruch der RVS2 getätigt werden, dahingehend zu untersuchen, welcher Sachverhalt den einzelnen Disziplinarverfahren zugrunde liegt, was die Ursache für die Prozesskosten im jeweiligen Verfahren ist und ob es sich dabei um Umstände handelt, die der beruflichen Sphäre der bP zuzurechnen sind.

Mit den im Streitzeitraum geleisteten Ratenzahlungen wurden jedoch ausschließlich Kosten des Gerichtsverfahrens beglichen, in welchem die bP den Vertragsrücktritt der RVS2 bekämpft hat. Der og Sachverhalt ist daher in jenen Jahren entscheidungsrelevant, in denen Zahlungen auf den Rückforderungsanspruch der RSV2 in Höhe von € 5.753,61 geleistet werden, was im Streitzeitraum jedoch nicht der Fall ist. Dies ergibt sich aus § 19 Abs 2 EStG 1988.

Auch wenn der bP zuzustimmen ist, dass die berufliche Tätigkeit der bP kausal für die Ratenzahlungen im Streitzeitraum ist, übersieht sie dabei, dass die mit den og € 2.700,00 beglichenen Prozesskosten ihre Ursache nicht in der beruflichen Tätigkeit, sondern in der Falschangabe im Antrag auf eine Familien-Rechtsschutz-Versicherung hat.

In den og Verfahren vor dem LG Salzburg und dem OLG Linz haben sich die Gerichte ausführlich und detailliert mit der Frage auseinandergesetzt, wem diese Falschangabe zuzurechnen ist. Die Gerichte kommen in einer fundierten Beweiswürdigung (zB wird im Urteil des LG Salzburg darauf hingewiesen, dass die Glaubwürdigkeit der bP schon dadurch eine verringerte sei, weil sich diese bei der Erstbefragung nicht erinnern konnte, ob überhaupt ein Schadensfall im Vertrag zur RSV1 eingetreten sei - tatsächlich aber 23 Schadensfälle vor der Kündigung eingetreten sind) zum Ergebnis, dass die Falschangabe der bP zuzurechnen ist.

Auch wenn das BFG nicht an die Feststellungen eines Zivilgerichts gebunden ist, sind keine Gründe ersichtlich, die gegen die Feststellungen des Zivilgerichts sprechen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die bP tatsächlich ein vorausgefülltes Formular ohne Durchsicht unterfertigt hätte und daher zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass sie falsche Angaben mit ihrer Unterschrift bestätigt hätte, wäre nicht die berufliche Tätigkeit die Ursache für diese Prozesskosten, sondern die fehlende Durchsicht des von der bP unterfertigten Antragsformulars; auf die berufliche Tätigkeit der bP im juristischen Dienst ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen.

Aber selbst, wenn die bP bei der Unterfertigung über den Antragsinhalt getäuscht worden wäre, änderte dies nichts daran, dass die Ursache der Prozesskosten nicht beruflich bedingt gewesen, sondern dann im Fehlverhalten der täuschenden Versicherungsangestellten gelegen wäre. Dies könnte zwar einen Schadenersatzanspruch gegenüber der Versicherungs-angestellten oder der Versicherungsgesellschaft führen; steuerlich sind dieser Umstand und die daraus entstandenen Prozesskosten nicht als Ausgaben für den Erwerb, Sicherung oder Erhalt von Einnahmen zu würdigen.

Demzufolge haben die im Streitzeitraum als Werbungskosten geltend gemachten Zahlungen ihre Ursache weder in der beruflichen Tätigkeit der bP, noch wurden mit diesen Zahlungen Kosten im Zusammenhang mit Disziplinarverfahren beglichen, da der Rückforderungsanspruch der RSV2 zum noch in voller Höhe aushaftet.

Aufgrund der fehlenden beruflichen Ursache bzw mangels einem über eine bloße Kausalität hinausgehenden (adäquaten) Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stellen die im Streitzeitraum getätigten Ratenzahlungen keine Werbungskosten iSd § 16 EStG 1988 dar.

Darüber hinaus ergibt sich aus § 34 Abs 3 EStG 1988, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 EStG ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat. Es entspricht der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass Prozesskosten im Allgemeinen nicht zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988 erwachsen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/15/0005, mwN), ().

Sohin stellen die als Werbungskosten geltend gemachten Ratenzahlungen auch keine außergewöhnlichen Belastungen gem § 34 EStG 1988 dar und war spruchgemäß zu entscheiden.
Da die bP im Verfahren vor dem BFG keine Unrichtigkeit des angefochtenen Bescheid-Spruches aufgezeigt hat, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Erkenntnis wird nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten abgewichen. Demzufolge war keine (ordentliche) Revision an den VwGH zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.6100121.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
GAAAF-44878