VwGH 13.01.2025, Ro 2023/16/0019
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Wien 2/20/21/22) in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7101685/2017, betreffend Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag (mitbeteiligte Partei: I C in W), den Beschluss gefasst:
Spruch
I. Die Revision wird insoweit, als sie sich gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren insoweit eingestellt.
II. Im Übrigen - hinsichtlich des Spruchpunktes II. - wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Mitbeteiligten auf (Weiter-)Gewährung von (erhöhter) Familienbeihilfe für seine im September 1995 geborene, an verschiedenen (chronischen) Erkrankungen leidende Tochter für den Zeitraum ab dem ab. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Tochter sei nach einem zuletzt eingeholten Sachverständigengutachten nicht gegeben.
2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Finanzamt nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens - das zum selben Ergebnis kam - mit Beschwerdevorentscheidung ab. Der Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde - mit näherer Begründung - Folge und hob den angefochtenen Bescheid des Finanzamtes ersatzlos auf (Spruchpunkt I.). Es sprach weiters aus, dass die belangte Behörde mit Wirkung ab eine dem Antrag des Mitbeteiligten stattgebende Mitteilung zu (er)lassen und Grundbetrag und Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag auszuzahlen habe (Spruchpunkt II.). Das Bundesfinanzgericht sprach zudem aus, die belangte Behörde habe beim zuständigen Bezirksgericht einen Antrag auf Erwachsenenvertretung für die Tochter des Mitbeteiligten unter Beilage des Erkenntnisses zu stellen (Spruchpunkt III.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig (Spruchpunkt IV.).
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.
5 Nach Einlagen der Amtsrevision hob das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom , RR/7100091/2023, Punkt III. des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 289 Abs. 1 lit. a BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf (Punkt 1.). Es sprach weiters aus, dass im Übrigen das angefochtene Erkenntnis unverändert bleibe (Punkt 2.) und die Revision gegen diesen Beschluss an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Mit Vorlagebericht vom legte das Bundesfinanzgericht dem Verwaltungsgerichtshof die Revision samt Verwaltungsakten sowie den Beschluss vom vor.
7 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGG tritt bei Revisionen gegen Erkenntnisse, die (wie hier) nicht wegen Verletzung in Rechten erhoben werden, an die Stelle der Revisionspunkte die Erklärung über den Umfang der Anfechtung. Diesem Gebot ist etwa dann entsprochen, wenn die Revision die Angabe enthält, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit angefochten werde (vgl. etwa , mwN). Die Anfechtungserklärung steckt den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ab (vgl. , mwN).
8 Die vorliegende Amtsrevision richtet sich nach ihrer Anfechtungserklärung ausschließlich gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Erkenntnisses und macht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes geltend.
Zu I.
9 Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschluss vom , RR/7100091/2023, Punkt III. des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 289 Abs. 1 lit. a BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dieser Beschluss ist - soweit ersichtlich - in Rechtskraft erwachsen.
10 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, die Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Ein solcher Fall der formellen Klaglosstellung liegt u.a. dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde (vgl. etwa , mwN). Die vorliegende Revision war daher in Anwendung der genannten Bestimmung des VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären; das Verfahren war einzustellen (vgl. , mwN).
Zu II.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. etwa , mwN).
15 Auf eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht bei der Zulassung der Revision als grundsätzlich erachtet hat, die in der Revision aber nicht angesprochen wird oder der in der Revision gar die Eignung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abgesprochen wird, ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen (vgl. , mwN).
16 Im vorliegenden Fall wird auf die vom Bundesfinanzgericht als grundsätzlich erachteten Rechtsfragen - soweit sie nicht ohnehin nur den nicht angefochtenen Spruchpunkt I. des Erkenntnisses betreffen (können) - in der Amtsrevision nicht Bezug genommen, womit darauf nicht einzugehen ist.
17 Zur Zulässigkeit wird hingegen - ohne zwischen den beiden angefochtenen Spruchpunkten zu differenzieren - vorgebracht, das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes widerspreche der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 279 BAO, der die Änderungsbefugnis durch die Sache begrenze. Das Erkenntnis weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es seine gesetzmäßig zuerkannte Zuständigkeit überschreite und sich von der Sache gemäß § 279 BAO entferne. Dass ein Verwaltungsgericht nur über die beschwerdegegenständliche Sache entscheiden könne, sei ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung.
18 Diese allgemeinen Ausführungen ohne Bezugnahme auf den konkreten Revisionsfall sind nicht geeignet, das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzutun.
19 Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, ist konkret darzulegen, in welchen tragenden Erwägungen das Verwaltungsgericht sich von welchen Aussagen der Rechtsprechung entfernt hätte (vgl. etwa , mwN). Die bloße Zitierung von Erkenntnissen nach Zahlen, ohne auf die behaupteten inhaltlichen Abweichungen von dieser Rechtsprechung einzugehen, reicht nicht aus (vgl. etwa , mwN).
20 Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, weshalb das Bundesfinanzgericht mit dem unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses getroffenen Ausspruch - wonach das Finanzamt eine dem Spruchpunkt I. entsprechende („stattgebende“) Mitteilung zu erlassen und die Auszahlung der (erhöhten Familienbeihilfe) vorzunehmen habe - die Sache des Verfahrens überschritten haben soll. Dabei handelt es sich doch nur um die Wiedergabe jener Vorschriften des FLAG, deren Rechtswirkungen im Hinblick auf die mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses erfolgte Aufhebung des vom Mitbeteiligten angefochtenen (den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abweisenden) Bescheides ohnehin automatisch eintreten (§§ 11 und 12 FLAG). Dementsprechend geht auch das revisionswerbende Finanzamt in der Revision selbst davon aus, der bekämpfte Spruchpunkt II. sei „entbehrlich“. Auch eine Überschreitung der „Sache“ des Verfahrens in zeitlicher Hinsicht ist nicht erkennbar.
21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2025:RO2023160019.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-44870