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VwGH 19.12.2024, Ro 2023/15/0003

VwGH 19.12.2024, Ro 2023/15/0003

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des A B in H, vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Bahnhofstraße 34/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/1100086/2019, betreffend Einkommensteuer 2015 und 2016 sowie Festsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2017 sowie 2018 und Folgejahre, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber übte - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - in der Schweiz bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Aufgrund der Folgen eines im Jahr 2010 erlittenen Arbeitsunfalles wurde bei ihm eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) von 90 % nach den Schweizer Bestimmungen ermittelt. Im Streitzeitraum bezog er eine Invalidenrente von der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) und eine unter Anrechnung dieser Rente ermittelte Invalidenrente (Komplementärrente) von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) in Höhe von jährlich 56.236,80 CHF. Betreffend das Jahr 2015 wurde von der SUVA Quellensteuer in Höhe von 5.623,80 CHF einbehalten.

2 Im Jahr 2017 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2015 zunächst im Schätzungswege fest und änderte diese Festsetzung nach der Erhebung einer Beschwerde und Vorlage von Unterlagen sowie Beantwortung eines Vorhalts ab, wobei nunmehr die von der IV und der SUVA ausbezahlten Invalidenrenten in der nachgewiesenen Höhe in Ansatz gebracht wurden. Hinsichtlich der Steuerpflicht der von der SUVA bezogenen Invalidenrente führte das Finanzamt aus, dass es sich dabei nicht um dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen Unfallversorgung handle, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspreche, weil durch die Schweizer Invalidenrente - anders als in Österreich - nicht primär ein individueller Schaden ersetzt werde, sondern der ausgefallene Verdienst und solche Renten somit ein steuerpflichtiges Ersatzeinkommen darstellten.

3 Der Revisionswerber stellte daraufhin einen Vorlageantrag und machte zusätzlich die Anrechnung des auf den steuerpflichtigen Teil der Invalidenrente entfallenden Anteiles der von der SUVA einbehaltenen Quellensteuer in Höhe von 5.623,80 CHF geltend.

4 In weiterer Folge setzte das Finanzamt die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2017 und Folgejahre und die Einkommensteuer 2016 sowie die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 und Folgejahre unter Berücksichtigung der gesamten von der SUVA bezogenen Invalidenrente fest, wogegen der Revisionswerber Beschwerde und - nach Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen - Vorlageantrag erhob.

5 Mit am elektronisch eingereichtem Anbringen teilte der Revisionswerber mit, dass sein Antrag auf Rückerstattung der Schweizer Quellensteuer in der Schweiz abgewiesen worden sei, und legte dazu eine E-Mail des Steueramtes des Kantons Luzern vom vor, wonach die Schweiz nach Art. 19 DBA-Schweiz das Recht habe, die von der SUVA (öffentlich-rechtlich) ausbezahlte Rente zu besteuern.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG den Beschwerden hinsichtlich Einkommensteuer 2015 im Umfang der Beschwerdevorentscheidung Folge, und wies diese im Übrigen ab. Begründend führte es aus, Rechtsgrundlage für die obligatorische Unfallversicherung der in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmenden sei das Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) vom und die dazu ergangene Verordnung über die Unfallversicherung (UVV) vom . Nach Art. 1 Abs. 1 UVG seien die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) auf die Unfallversicherung anwendbar, soweit das UVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsehe. Gemäß Art. 6 Abs. 1 UVG würden die Versicherungsleistungen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimme, bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt. Als Berufsunfälle gälten nach Art. 7 Abs. 1 UVG Unfälle, die einem Versicherten zustießen bei Arbeiten, die er auf Anordnung des Arbeitgebers oder in dessen Interesse ausführe (lit. a) oder während der Arbeitspausen sowie vor und nach der Arbeit, wenn er sich befugterweise auf der Arbeitsstätte oder im Bereiche der mit seiner beruflichen Tätigkeit zusammenhängenden Gefahren aufhalte (lit. b). Die Versicherten hätten Anspruch auf Pflegeleistungen und Kostenvergütungen nach den Bestimmungen der Art. 10 ff UVG (Heilbehandlung; Hilfsmittel; Deckung der durch den Unfall verursachten Schäden an Sachen, die einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen; Vergütung der notwendigen Reise-, Transport- und Rettungskosten sowie der notwendigen Leichentransport- und Bestattungskosten) und auf Geldleistungen nach den Regelungen der Art. 15 ff UVG (Taggeld, Invalidenrente, Integritätsentschädigung, Hilflosenentschädigung, Hinterlassenenrente, Teuerungszulage). Gemäß Art. 15 Abs. 1 UVG würden Taggelder und Renten nach dem versicherten Verdienst bemessen. Als versicherter Verdienst gelte für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn (Art. 7 Abs. 2 UVG).

7 Nach Art. 18 Abs. 1 UVG habe der Versicherte Anspruch auf eine Invalidenrente, wenn er infolge des Unfalles zu mindestens 10 % invalid (Art. 8 ATSG) sei. Der Rentenanspruch entstehe nach Art. 19 Abs. 1 UVG, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden könne und allfällige Eingliederungsmaßnahmen der IV abgeschlossen seien. Gemäß Art. 20 Abs. 1 UVG betrage die Invalidenrente bei Vollinvalidität 80 % des versicherten Verdienstes; bei Teilinvalidität werde sie entsprechend gekürzt. Habe der Versicherte Anspruch auf eine Rente der IV oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), so werde ihm nach Art. 20 Abs. 2 UVG eine Komplementärrente gewährt; diese entspreche in Abweichung von Art. 69 ATSG der Differenz zwischen 90 % des versicherten Verdienstes und der Rente der IV oder der AHV, höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität vorgesehenen Betrag. Nach Art. 8 Abs. 1 ATSG sei Invalidität die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Erwerbsunfähigkeit sei nach Art. 7 Abs. 1 ATSG der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Nach Art. 16 ATSG werde für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmaßnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Die Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung obliege für die in einem in Art. 66 Abs. 1 UVG angeführten bzw. in Art. 73 bis 89 UVV näher umschriebenen Berufszweige tätigen Arbeitnehmenden der SUVA, einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 61 Abs. 1 UVG). Personen, für deren Versicherung nicht die SUVA zuständig sei, würden nach Art. 68 Abs. 1 UVG durch private Versicherungsunternehmen (lit. a), öffentliche Unfallversicherungskassen (lit. b) oder Krankenkassen (lit. c) nach dem UVG gegen Unfall versichert.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf , und , mwN) solle die Versehrtenrente nach dem ASVG dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen. Vor allem in der Bildung der Bemessungsgrundlage komme zum Ausdruck, dass das Gesetz den eintretenden Verdienstentgang im Blickfeld habe. Die vom Gesetz vorgenommene abstrakte Schadensberechnung bedeute in Fällen leichterer Körperschäden allerdings meist nur den Ausgleich für Erschwernisse, künftige Berufsunsicherheiten und den Verschleiß an körperlicher Substanz, weil Leichtversehrte in aller Regel voll weiterarbeiten und keinen Vermögensschaden erleiden würden. Schwerversehrte erhielten demgegenüber wegen der Berechnungsformel und der Bemessungshöchstgrenze nicht einmal immer den tatsächlichen Verdienstentgang ersetzt. Die österreichische Versehrtenrente gebühre - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - somit auch dann, wenn ein Arbeitsunfall zu keinem konkreten Einkommensausfall führe. Die Rente gebühre auch neben einem ungeschmälerten Erwerbseinkommen oder dem Bezug einer Pension. Selbst wenn durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit die Erwerbsminderung 100% betrage, werde die Versehrtenrente aus der Unfallversicherung neben einer Pension wegen Berufs(Erwerbs-)unfähigkeit gewährt.

9 Im Erkenntnis vom , 2009/15/0069, mit dem eine von der Steuerfreiheit einer von der Eidgenössischen Invalidenversicherung ausbezahlten Unfallrente ausgehende Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0504-G/08, aufgehoben wurde, habe der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass zur Überprüfung einer dem Grunde und der Höhe nach bestehenden Gleichartigkeit von Geldleistungen aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung und den Geldleistungen aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung im Sinne der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 die aus dem Ausland bezogene Geldleistung jener gegenüber zu stellen sei, die beim konkret gegebenen Sachverhalt aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung zu gewähren gewesen wäre.

10 Aufgrund der Ergebnisse einer solchen Gegenüberstellung von inländischen Versehrtenrenten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 mit Schweizer Invalidenrenten habe das BFG in der Vergangenheit die Vergleichbarkeit wiederholt verneint und Schweizer Invalidenrenten sowohl aus der ersten als auch aus der zweiten Säule als nicht unter diese Befreiungsbestimmung fallend beurteilt (Hinweis auf , , , und ). Ebenso habe das BFG hinsichtlich der von der SUVA ausbezahlten Unfallrenten die Steuerfreiheit mehrfacht verneint (Hinweise auf , sowie jüngst , , , und ).

11 Unterschiede bestünden nach den Feststellungen des BFG hinsichtlich der Ermittlung des Grades der Erwerbsunfähigkeit (Einkommensvergleich gemäß Art. 16 ATSG einerseits bzw. mittels ärztlichem Gutachten andererseits), der Höhe der Renten (in der Schweiz bestehe bei Vollinvalidität Anspruch auf 80 % des versicherten Verdienstes bzw. gegebenenfalls eine Komplementärrente nach den Bestimmungen des Art. 20 Abs. 2 UVG, gemäß § 205 Abs. 2 ASVG bei voller Erwerbsunfähigkeit hingegen unter Berücksichtigung der Höchstbemessungsgrundlage auf maximal 66 2/3 % der Bemessungsgrundlage), wobei die inländische Versehrtenrente auch neben dem Bezug eines Erwerbseinkommens oder einer Pension gewährt und nicht als Komplementärrente ausgerichtet werde, und vor allem hinsichtlich der divergierenden Zweckbestimmung der jeweiligen Renten.

12 Der Grad der Erwerbsminderung im Sinne des § 203 ASVG werde grundsätzlich abstrakt nach dem Umfang aller verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens beurteilt und damit in der Regel unabhängig vom tatsächlich ausgeübten Beruf ermittelt. Maßgebliche Grundlage der hierfür erforderlichen ärztlichen Begutachtung bildeten dabei die von der Rechtsprechung sowie vom versicherungsrechtlichen und -medizinischen Schrifttum in jahrzehntelanger Entwicklung herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze bzw. Richtlinien über die Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Unfallverletzten (Hinweis auf , und , mwN). Diese nähmen nicht nur auf die fortschreitende medizinische Entwicklung Bedacht, sondern auch auf die Verhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und berücksichtigten auf diese Weise somit auch die Auswirkung einer Unfallverletzung auf die Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Hinweise auf ). Die gesetzliche inländische Unfallversicherung behandle die durch den Unfall hervorgerufene Erwerbsminderung somit abstrakt; die Versehrtenrente werde nicht an Stelle einer durch den Arbeitsunfall konkret eingetretenen Schmälerung oder eines konkreten Ausfalles des Entgeltes gewährt (Hinweis auf ). Auch wenn die Versehrtenrente dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen solle, sei nach der österreichischen Rechtslage sohin nicht sichergestellt, dass der tatsächliche Verdienstentgang ersetzt werde (Hinweis auf , mit Verweis auf und ).

13 Während die Versehrtenrente nach dem ASVG somit darauf abstelle, in welchem Grad die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten aufgrund der durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit bedingten Leiden aus medizinischer Sicht gemindert sei (Hinweis auf ) und den dadurch eingetretenen Schaden ersetze, decke die (allenfalls als Komplementärrente gemäß § 20 Abs. 2 UVG ausgerichtete) Invalidenrente aus der Schweizer Unfallversorgung den konkreten Einkommensentfall infolge der Invalidität im Einzelfall ab und stelle daher einen Einkommensersatz dar. Damit könne von einer Gleichartigkeit der in Rede stehenden Geldleistungen aus der inländischen und der Schweizer Unfallversorgung - auch wenn hinsichtlich des Versicherungsumfanges (ein Nichtberufsunfall sei im Revisionsfall nicht vorgelegen) und der Versicherungsleistungen eine Vergleichbarkeit grundsätzlich bestehe - aber nicht ausgegangen werden und falle die gegenständlich strittige Invalidenrente folglich nicht unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, zumal auch nicht einsichtig sei, weshalb eine solche Rente - abweichend vom einkommensteuerrechtlichen Grundsatz, Einkommensersatz wie Erwerbseinkommen zu besteuern (Hinweis auf ) - steuerfrei sein solle.

14 Mit den Einwendungen der steuerlichen Vertretung sei vor diesem Hintergrund nichts zu gewinnen gewesen. Dass auch die inländische Versehrtenrente das Vorliegen eines Erwerbseinkommens voraussetze und die Höhe des Erwerbseinkommens vor dem Versicherungsfall die Grundlage für die Bemessung der Rente bilde, stehe außer Zweifel, ändere aber nichts daran, dass der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit rein abstrakt und unabhängig vom tatsächlich ausgeübten Beruf ermittelt werde. Damit könne auch eine Berechnungsweise im Sinne der Ausführungen der steuerlichen Vertretung (Jahreslohn bzw. Höchstbemessungsgrundlage im Jahr vor dem Arbeitsunfall x 2/3 x 90 %) aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/15/0069, nicht abgeleitet werden, zumal der angesetzte Grad der Invalidität (90 %) auf den auf den tatsächlichen Erwerbsausfall abstellenden Schweizer Regelungen und nicht auf den aus medizinischer Sicht abstrakt bestehenden Einschränkungen beruhe.

15 Hinsichtlich der beantragten Anrechnung der Schweizer Quellensteuer führte das BFG aus, die Anrechnung der in der Schweiz erhobenen Steuer in Österreich sei nur im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 2 DBA-Schweiz vorgesehen. Voraussetzung für dessen Anwendung sei der Bezug von unter Art. 10, 15 und 19 des Abkommens fallenden Einkünften, die „nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich“ und somit in beiden Vertragsstaaten besteuert werden dürften. Entgegen der in der vorgelegten E-Mail vom Kanton Luzern vertretenen (nicht näher begründeten) Auffassung könnten die in Rede stehenden Einkünfte allerdings nicht unter Art. 19 DBA-Schweiz subsumiert werden. Nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz dürften Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die ein Vertragsstaat für ihn erbracht habe, gegenwärtige oder frühere Dienstleistungen auszahle, in diesem Staat besteuert werden. Dies gelte auch dann, wenn solche Vergütungen von einem Land, einem Kanton, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts eines der beiden Staaten gewährt würden. Die Anwendung der sogenannten Kassenstaatsregelung setze somit das Vorliegen von Vergütungen voraus, die von der Schweiz (oder einem der in Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz angeführten öffentlich-rechtlichen Dienstgeber) für an sie (oder einen der in Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz angeführten öffentlich-rechtlichen Dienstgeber) erbrachte Dienst- oder Arbeitsleistungen an eine in Österreich ansässige Person ausgezahlt würden. Dies sei aber gegenständlich nicht der Fall, weil der Revisionswerber bei einem privatrechtlichen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei und die strittigen Bezüge schon aus diesem Grund nicht unter Art. 19 DBA-Schweiz fielen. Daran vermöge die Auszahlung der Rente durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts nichts zu ändern, weil dies allein eine Subsumierung unter Art. 19 DBA-Schweiz nicht begründen könne. Das DBA-Schweiz enthalte keine Sonderregelung für Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung. Derartige Zahlungen und somit auch von der SUVA ausbezahlte Invalidenrenten fielen daher unter die für im Abkommen nicht ausdrücklich erwähnte Einkünfte zur Anwendung kommende Auffangbestimmung des Art. 21 DBA-Schweiz, nach welcher das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat, im Revisionsfall Österreich zukomme. Die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 2 DBA-Schweiz lägen damit nicht vor, weshalb das Finanzamt die Anrechnung der von der Schweiz einbehaltenen Quellensteuer zu Recht versagt habe.

16 Die Revision ließ das BFG zu, weil „die Frage, ob es sich bei einer infolge eines Arbeitsunfalles von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt ausbezahlten Invalidenrente um eine mit einer Geldleistung aus der inländischen Unfallversorgung gleichartige ausländische Leistung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 handelt und eine solche daher bis zur nach der Berechnungsweise der steuerlichen Vertretung ermittelten Höhe der vergleichbaren inländischen Leistung steuerfrei ist, ... in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht behandelt“ worden sei.

17 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende ordentliche Revision, die ihrerseits vorbringt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Vergleichbarkeit einer von der SUVA infolge eines Arbeitsunfalls ausbezahlten Invalidenrente mit einer inländischen Geldleistung iSd § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 fehle, zumal das hg. Erkenntnis 2009/15/0069 eine Invalidenrente der IV und nicht der SUVA betroffen habe und für letztere „andere Anspruchsvoraussetzungen und Bestimmungen zur Anspruchshöhe“ gälten. Zudem sei der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2006/15/0350, von einer (möglichen) Einkommensteuerfreiheit der von der Schweizer SUVA ausbezahlten Unfallrente ausgegangen.

18 Das BFG gehe - so die Revision weiter - von einer fehlenden Gleichartigkeit aus, weil die von der SUVA gewährte Invalidenrente Einkommensersatzfunktion aufweise, während die österreichische Versehrtenrente eine pauschale Abgeltung der infolge eines Arbeitsunfalles eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit sei. In Wahrheit erscheine diese Differenzierung übertrieben „spitzfindig“, ja sie wirke geradezu „gesucht“. So sei zunächst festzuhalten, dass gewiss nicht jede Abweichung zwischen den Anspruchsvoraussetzungen und der Anspruchshöhe in der von der SUVA ausbezahlten Invalidenrente und der Versehrtenrente nach § 203 ff ASVG zu einer Beurteilung als nicht gleichartig bzw. entsprechend im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 führen dürfe. Dem Gesetzgeber sei nämlich durchaus bewusst gewesen, dass es zwischen sämtlichen ausländischen Systemen der Unfallversorgung und dem österreichischen System der Unfallversorgung im Bereich der Sozialversicherung Unterschiede gebe. Völlige Identität in den Anspruchsvoraussetzungen und in der Anspruchshöhe sei im Vergleich zwischen dem System der österreichischen Versehrtenrente einerseits mit sämtlichen ausländischen Systemen der Unfallversorgung in keinem Falle gegeben. Der Gesetzgeber habe dies auch gewusst und daher in § 3 Abs. 1 Z 4 lit a EStG 1988 auf die Entsprechung bzw. Gleichartigkeit der ausländischen mit der inländischen Unfallversorgung abgestellt (und nicht etwa auf die „Gleichheit“ bzw. Identität). „Gleichartigkeit“ im Sinne des Erkenntnisses VwGH 2009/15/0069 impliziere bereits, dass beträchtliche Unterschiede zwischen den Systemen noch nicht zu einem Entfall der Einkommensteuerfreiheit für die aus dem ausländischen Unfallversorgungssystem erfließenden Leistungen führen, solange nur eine fundamentale Ähnlichkeit zwischen den Systemen vorliege.

19 Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

22 Gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 sind Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, steuerbefreit.

23 Gemäß § 203 Abs. 1 ASVG gebührt eine Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder eine Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 % vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 %. Gemäß § 205 Abs. 1 ASVG wird die Versehrtenrente nach dem Grad der durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit bemessen. Gemäß § 205 Abs. 2 Z 1 ASVG beträgt sie, solange der Versehrte infolge des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit völlig erwerbsunfähig ist, 66 2/3 % der Bemessungsgrundlage (Vollrente). Auch wenn die Versehrtenrente dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen soll, ist nach der österreichischen Rechtslage nicht sichergestellt, dass der tatsächliche Verdienstentgang ersetzt wird (vgl. ; , 2007/15/0022; , 2009/15/0069).

24 § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 stellt darauf ab, dass die Geldleistungen aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung dem Grunde und der Höhe nach den Geldleistungen aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung gleichartig sind.

25 Die Revision bringt zur Gleichartigkeit der von der SUVA ausbezahlten Schweizer Invalidenrente Folgendes vor:

„Sowohl die von der SUVA ausbezahlte Invalidenrente, als auch die österreichische Versehrtenrente sehen keine vollständige Abgeltung der infolge eines Unfalles entgangenen Einkünfte bzw. des infolge eines Unfalles entgangenen Einkommens vor: So ist die von der SUVA zu leistende Invalidenrente auch bei voller Invalidität mit 80 % des versicherten Einkommens limitiert [...]. Die Deckelung der Rente macht die von der SUVA ausbezahlte Invalidenrente bereits zu einer gleichartigen Unfallversorgung wie die österreichische Versehrtenrente, da auch diese gemäß § 205 (mit 66 2/3 % der Bemessungsgrundlage) gedeckelt ist.

Daraus, daß gemäß § 205a ASVG für Schwerversehrte eine Zusatzrente gebührt, welche 20 % bis 50 % der Versehrtenrente beträgt, ist auch an der Höhe der potenziellen Ersatzquote bereits erkennbar, daß beide Modelle das Ziel verfolgen, einen möglichst weitgehenden (aber keinen vollständigen) Ersatz für den eingetretenen Entfall der Erwerbsfähigkeit zu bieten.

Selbst wenn man annähme, daß das durch die Versicherungsleistung zu ersetzende Gut zwischen den beiden Systemen (österreichische Versehrtenrente ggü. Invaliditätsrente der SUVA) verschieden wäre, so verfolgen doch beide Systeme letztlich den Zweck, den infolge eines Arbeitsunfalles in der Person des Versicherten im Potenzial zur Einkommenserzielung eingetretenen Verlust auszugleichen: Ob dies über den Invaliditätsgrad, anknüpfend an ein ‚versichertes Einkommen‘, oder an die Minderung der Erwerbsfähigkeit unabhängig vom tatsächlichen Einkommen und stattdessen anknüpfend an die ASVG-Höchstbeitragsgrundlage erfolgt, kann keinen Unterschied begründen: Auch die ASVG-Höchstbeitragsgrundlage ist ein versichertes Einkommen, welches hier - unabhängig von der konkreten, vom Versicherten aufgewiesenen Beitragsgrundlage - eben als abstraktes Einkommen (aber eben doch als Einkommen) der Bemessung der Versehrtenrente nach §§ 203 ff ASVG zugrunde gelegt wird. Letztlich folgt also auch die österreichische Versehrtenrente dem Grundgedanken, entgehendes Einkommen zu ersetzen. Einziger Unterschied ist, daß die Bemessungsgrundlage mittels der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage abstrakt festgesetzt wird und nicht konkret nach den Einkommensverhältnissen des Versicherten.

Wenn aber auch die Versehrtenrente im Zusammenspiel zwischen dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit und einem versicherten Einkommen bemessen wird, und diese aufgrund der Sonderbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG von der Einkommensteuer befreit ist, besteht kein sachlicher Grund, deren Gleichartigkeit mit der von der SUVA ausbezahlten Invaliditätsrente in Zweifel zu ziehen - die Unterschiede in den Anspruchsvoraussetzungen und in der Anspruchshöhe sind so gering, dass die beiden Versicherungsleistungen fundamental ähnlich, ja in Wahrheit wesensmäßig ident sind.

Aus dem Umstand, dass die abstrakte Schadensberechnung letztlich dazu führt, daß der tatsächliche Einkommensausfall unberücksichtigt bleibt und es sogar dazu kommen kann, daß (nach Eintritt des Versicherungsfalles) ein höheres Einkommen erzielt wird, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß die Gewährung einer Versehrtenrente völlig losgelöst von einem (zumindest potentiellen) Einkommensausfall gewährt werden soll. So bildet die Höhe des Erwerbseinkommens vor dem Versicherungsfall die Grundlage für die Bemessung der Versehrtenrente, wobei das Bestehen eines Erwerbseinkommens als Voraussetzung gilt. Im Falle einer bereits vor dem Unfall bestehenden Erwerbsunfähigkeit besteht kein Anspruch auf eine Versehrtenrente. Jedenfalls muß eine Teilerwerbsunfähigkeit bestehen. Fehlt aber im Zeitpunkt des Beginnes der rentenfähigen Auswirkung eines Arbeitsunfalles die Erwerbsfähigkeit des Versicherten, so ist es ausgeschlossen, eine weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit anzunehmen. Außerdem ruht der Anspruch auf Versehrtenrente, solange Anspruch auf Krankengeld besteht (§ 204 Abs. 1 ASVG).“

26 Der Verwaltungsgerichtshof stimmt den Ausführungen der Revision zu, dass eine Gleichartigkeit der Leistungen iSd § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 keine völlige Identität in deren gesetzlicher Ausgestaltung voraussetzt.

27 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, besteht das Wesensmerkmal der österreichischen Versehrtenrente aus der gesetzlichen Unfallversorgung (Pflichtversicherung) darin, dass sie bei Eintritt des versicherten Risikos dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen soll. Dass dies bei der gegenständlichen gesetzlichen Schweizer Versicherungsleistung aufgrund ihrer Berechnungsmethode (und dem Abstellen auf nuanciert stärker konkrete statt abstrakte Vergleichsmuster) nicht der Fall gewesen wäre, ergibt sich aus den Ausführungen des BFG nicht. Vielmehr räumt das BFG in seinem Erkenntnis selbst ein, dass im Revisionsfall „hinsichtlich des Versicherungsumfanges (ein Nichtberufsunfall lag im [Revisionsfall] nicht vor) und der Versicherungsleistungen eine Vergleichbarkeit grundsätzlich besteht“.

28 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0069, ausgesprochen hat, ist zur Prüfung der Gleichartigkeit der ausländischen Leistung iSd § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 die aus dem Ausland bezogene Geldleistung jener gegenüber zu stellen, die beim konkret gegebenen Sachverhalt aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung zu gewähren gewesen wäre.

29 Wie die Revision dazu zutreffend ausführt, ist demnach - bei grundsätzlicher Vergleichbarkeit der Systeme - zunächst zu prüfen, ob und allenfalls in welcher Höhe der Versicherte aufgrund des gegebenen Sachverhaltes einen Anspruch auf Versehrtenrente nach § 203 ASVG hätte, wäre er im Inland versichert gewesen. Besteht ein solcher Anspruch, so wird die aufgrund desselben Anlassfalles gewährte ausländische Leistung bis zur Höhe der vergleichbaren inländischen Leistung steuerfrei zu belassen sein. Dabei werden auch ergänzende Feststellungen dahingehend zu treffen sein, ob dem Revisionswerber nach österreichischem Recht eine Schwerversehrtenrente zustünde.

30 In Verkennung der Rechtslage hat es das BFG unterlassen, eine solche Gegenüberstellung vorzunehmen.

31 Wenn die Revisionsbeantwortung dagegen einwendet, die österreichische Rechtslage folge durch ihre Deckelung der Versehrtenrente (mit grundsätzlich 2/3 des Bruttoeinkommens) dem Grundsatz, dass nur der Ersatz eines Nettoschadens keiner Besteuerung unterzogen werde, so wird dieser Grundsatz auch im Revisionsfall nicht gefährdet, weil nach der skizzierten Vergleichbarkeitsprüfung die österreichische Begrenzung der Steuerbefreiung der Höhe nach auch für ausländische Leistungen aufrecht bleibt.

32 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich sohin schon aus dem genannten Grund als mit (prävalierender) inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023150003.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-44869