Rückerstattung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung stellt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Wiebke Peperkorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist in der vorliegenden Beschwerdesache, ob zu Recht Einkünfte in Höhe von EUR 620,43 von der Österreichischen Gesundheitskasse (im Folgenden: ÖGK) im Einkommensteuerbescheid 2023 des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf.) berücksichtigt wurden.
Der Bf. reichte am seine Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2023 (L1) ein. Am erging der Einkommensteuerbescheid 2023 (Arbeitnehmerveranlagung). Darin wurden auch Einkünfte von der ÖGK in Höhe von EUR 620,43 berücksichtigt.
Der Bf. erhob dagegen am Beschwerde mit der Begründung, keinen Krankenstand im Jahr 2023 gehabt zu haben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Dagegen brachte der Bf. am den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag) durch das Bundesfinanzgericht ein.
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. war im Beschwerdezeitraum durchgehend bei der ***A-GmbH*** angestellt. Im Vorjahr 2022 war der Bf. zunächst bis einschließlich August bei der Firma ***B-GmbH*** beschäftigt. Ab September 2022 begann sein Dienstverhältnis bei der erstgenannten Firma.
Im Jahr 2023 erhielt der Bf. von der ÖGK eine Erstattung von insgesamt EUR 723,84 an Beiträgen zur Sozialversicherung (davon entfielen auf die Krankenversicherung EUR 163,53, auf die Arbeitslosenversicherung EUR 126,77 und auf die Pensionsversicherung EUR 433,54). Diese Erstattung hatte ihre Wurzel im Jahr 2022, da in diesem Jahr Beiträge über die Höchstbeitragsgrundlage hinaus an die ÖGK entrichtet wurden. In einem Schreiben der ÖGK vom wurde der Bf. über die Rückerstattung der Beiträge informiert und darauf aufmerksam gemacht, dass die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge steuerpflichtig sind.
Am wurde dem Finanzamt von der ÖGK ein Lohnzettel für den Bf. und das Jahr 2023 übermittelt. Der Lohnzettel weist als Bruttobezug gem. § 25 (KZ 210) den Betrag von EUR 723,84 und als steuerpflichtigen Bezug (KZ 245) den Betrag von EUR 620,43 auf.
Im Einkommensteuerbescheid 2023 des Bf. kamen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch die von der ÖGK rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 620,43 zum Ansatz.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellung, wonach der Bf. im Jahr 2022 zunächst bei der Firma ***B-GmbH*** und im Folgenden bei der ***A-GmbH*** beschäftigt war, ergibt sich einerseits aus dem vom Bf. mit seiner Beschwerde übermittelten Versicherungsdatenauszug und andererseits aus einer Abfrage im finanzbehördlichen Abgabeninformationssystem (JVP - Jahresveranlagung Privat). In der JVP sind die Lohnzettel für das Jahr 2022 ersichtlich. Darüber hinaus enthält das Schreiben der ÖGK vom eine Aufstellung der für die Berechnung relevanten Versicherungsverhältnisse 2022 und ergibt sich die Sachverhaltsfeststellung auch daraus.
Dass der Bf. im Beschwerdezeitraum durchgehend bei der ***A-GmbH*** angestellt war, ergibt sich aus dem an das Finanzamt übermittelten Lohnzettel. In diesen konnte die Richterin wiederum durch Abfrage des finanzbehördlichen Abgabeninformationssystems (JVP) Einsicht nehmen.
Die Feststellung, wonach der Bf. im Jahr 2023 von der ÖGK eine Erstattung von EUR 723,84 erhielt und sich diese auf das Jahr 2022 bezog, weil in diesem Jahr zu hohe Beiträge geleistet wurden (nämlich über die Höchstbeitragsgrundlage hinaus), ergibt sich aus dem im Sachverhalt angeführten Schreiben der ÖGK an den Bf. vom . Darin wird Folgendes festgehalten:
"nach Überprüfung Ihrer Kranken-, Arbeitslosen- und Pensionsversicherungsbeiträge für das Kalenderjahr 2022 haben wir festgestellt, dass eine Überschreibung der Höchstbeitragsgrundlage vorliegt. In der beiliegenden Aufstellung sind die Beiträge die Ihnen erstattet werden aufgelistet.
Das bestehende Guthaben werden wir Ihnen auf folgendes Konto überweisen:
IBAN: ***IBAN1***
(…)
Wir weisen darauf hin, dass die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge steuerpflichtig sind. Aus diesem Grund werden wir einen entsprechenden Lohnzettel an das zuständige Finanzamt übermitteln."
Dieses Schreiben der ÖGK über die Erstattung von Beiträgen in Höhe von EUR 723,84 ist im finanzbehördlichen Abgabeninformationssystem (JVP) hinterlegt. In diesem Schreiben sind die erstatteten Beiträge aufgelistet und der angeführte IBAN ist jener, der vom Bf. auch für Zahlungen und Gutschriften beim Finanzamt angegeben wurde. Auch letzteres ergibt sich aus der Abfrage des finanzbehördlichen Abgabeninformationssystems (JVP).
Aufgrund dieses Schreibens der ÖGK an den Bf. ist für das Bundesfinanzgericht die Grundlage für den im Jahr 2024 übermittelten Lohnzettel an das Finanzamt (auch dieser ist in der JVP ersichtlich) und die Berücksichtigung des Betrages von EUR 620,43 im Einkommensteuerbescheid 2023 des Bf. geklärt. Die im Einkommensteuerbescheid 2023 ersichtlichen Einkünfte in dieser Höhe betreffen somit nicht allfällige Krankenstände im Jahr 2023, sondern es handelt sich vielmehr um einen Rückerstattungsbetrag der ÖGK an den Bf. aufgrund zu viel bezahlter Beiträge zur Kranken-, Arbeitslosen- und Pensionsversicherung im Jahr 2022. Aus dem Schreiben der ÖGK geht zudem eindeutig hervor, dass die Sozialversicherungsbeiträge im Jahr 2022 aufgrund der in diesem Jahr bestandenen Dienstverhältnisse bei den Firmen ***B-GmbH*** und im Folgenden bei der ***A-GmbH*** einbehalten und geleistet wurden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Zu klären ist, ob die das Jahr 2022 betreffende und im Jahr 2023 ausbezahlte Rückerstattung von Sozialversicherungsbeträgen in Höhe von EUR 620,43 zu Recht als Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 2023 berücksichtigt wurde.
Gem. § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Bezüge aus Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne der Z 1 (darunter fallen unter anderem Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis) einbehalten oder zurückgezahlt wurden.
Gem. § 69 Abs. 5 EStG 1988 hat bei Auszahlung von Bezügen im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 die auszahlende Stelle bis 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren auszustellen und an das Finanzamt zu übermitteln. In diesem Lohnzettel sind ein Siebentel der ausgezahlten Bezüge als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 auszuweisen. Ein vorläufiger Lohnsteuerabzug hat zu unterbleiben.
Rückgezahlte Pflichtbeiträge, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 einbehalten oder zurückgezahlt wurden, werden somit aufgrund von § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 grundsätzlich den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ("Arbeitslohn") zugeordnet. Nach den parlamentarischen Materialien zum Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 28/1999, sollten mit Einfügung des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 (i.V.m. dem besonderen Lohnsteuerabzug nach § 69 Abs. 5 EStG 1988 und dem zusätzlichen Pflichtveranlagungstatbestand in § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) bei der steuerlichen Erfassung der rückgezahlten Pflichtbeiträge - als rückgängig gemachte Werbungskosten - administrative Erleichterungen geschaffen werden (so mit Hinweis auf ErlRV 1471 BlgNR 20. GP 20).
Nach der Rechtsprechung des VwGH schafft die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 nur eine Fiktion in Bezug auf die Zuordnung rückgezahlter Pflichtbeiträge zu den nichtselbständigen Einkünften auf der Einnahmenseite. Diese Fiktion vermag allerdings den Veranlassungszusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsquelle (einer bestimmten Art von Einkünften) nicht zu durchtrennen. Daher bewirkt - auf der Ausgabenseite - die Rückzahlung der Pflichtbeiträge keine nachträgliche Umqualifizierung ihrer ursprünglichen Einstufung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben im Zeitpunkt der Bezahlung (vgl. ). Umgekehrt - auf der Einnahmenseite - sind die rückgezahlten Pflichtbeiträge, unabhängig von ihrer Einstufung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, steuerlich jener Einkunftsquelle zuzuordnen, bei der sie ursprünglich angefallen sind ().
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies somit Folgendes:
Zunächst ist zu klären, ob es sich bei den rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträgen um Pflichtbeiträge im Sinn des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d ESTG 1988 handelt.
Hierfür ist entscheidend, ob im Zeitpunkt der Zahlung von Pflichtbeiträgen auszugehen war. Wird zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt, dass Beiträge nicht oder in geringerer Höhe zu leisten gewesen wären, ändert dies nichts an ihrem ursprünglichen Charakter (; Ebner in Kanduth-Kristen/Marschner/Peyerl/Ebner/Ehgartner, Jakom EStG17 § 25 Rz 13).
Die Rückerstattung erfolgte im Jahr 2023, weil die Höchstbeitragsgrundlage im Jahr 2022 überschritten wurde. Dabei besteht jedoch kein Zweifel, dass die im Jahr 2022 geleisteten Beträge als Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung von den Dienstgebern des Bf. einbehalten und an die ÖGK abgeführt wurden.
Damit fallen die erstatteten Pflichtbeiträge unter § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 und stellen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar.
Erstattete Pflichtbeiträge stellen als rückgängig gemachte Werbungskosten steuerpflichtige Einkünfte dar. Sofern diese Pflichtbeiträge (auch teilweise) auf Grund des Vorliegens von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einzubehalten bzw. zu entrichten waren, sind die erstatteten (rückgezahlten) Beiträge zur Gänze als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen (ErlRV 1471 BlgNR 20. GP 20).
Da die im Jahr 2022 (teilweise zu viel) geleisteten Pflichtbeiträge als Werbungskosten die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 2022 reduzierten, sind die im Jahr 2023 rückerstatteten und zu viel geleisteten Pflichtbeiträge nun im Jahr 2023 gem. § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 der Einkommensteuer als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu unterwerfen. Auch die Regelung des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG folgt dem im Einkommensteuerrecht maßgeblichen Zufluss-Abfluss-Prinzip, wonach u.a. Einkünfte in jenem Jahr zu berücksichtigen sind, in denen sie zugeflossen sind.
Mit der Versteuerung der Rückzahlung der zu viel entrichteten Beiträge gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 wird im Ergebnis die Steuerminderung der (zu hohen) Beitragszahlung wieder rückgängig gemacht.
Aus diesem Grund erfolgte die Einbeziehung der rückerstatteten Pflichtbeiträge in Höhe von EUR 620,43 im Einkommensteuerbescheid 2023 zu Recht und war die Beschwerde aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ergibt sich der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach gem. § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) zu qualifizieren sind. Im Übrigen folgt das Erkenntnis der oben zitierten Rechtsprechung des VwGH zur Rückzahlung von Pflichtbeiträgen.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 69 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103607.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103607.2024
Fundstelle(n):
IAAAF-44659