TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.11.2024, RV/7103138/2024

Familienbeihilfe: Polnische Leistungen zur Kindererziehung iHv 500 Zloty

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von für die Kinder ***Kind1*** und ***Kind2*** für den Zeitraum Juni 2022 bis Juli 2023 bezogenen Beträgen an Familienbeihilfe (Differenz-/Ausgleichszahlungen), Steuernummer ***Bf1-StNr1*** (SVNR ***Bf1-SVNR***) zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der in Österreich einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehende Beschwerdeführer (Bf.) bezog für seine Kinder ***Kind1*** (geb. 2017) und ***Kind2*** (geb. 2020) Zahlungen aus der österreichischen Familienbeihilfe.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Bf. für die beiden Kinder bezogene Beträge an Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2022 bis Juli 2023 in Höhe von insgesamt € 2.991,96 zurück. Die Rückzahlung erfolge - laut Rückforderungsbescheid - bis auf Widerruf durch Anrechnung des zu Unrecht bezogenen Betrages auf die fälligen oder fällig werdenden Familienbeihilfen (einschließlich Kinderabsetzbeträgen). Die Begründung des Bescheides lautet:
Der Betrag der österreichischen Ausgleichszahlung wurde auf Grund der Änderung der anzurechnenden ausländischen Familienleistung neu berechnet.

Die Beschwerde wurde vom Bf. erhoben wie folgt:
"Laut polnischen Bescheiden ist Österreich vorranging die Familienbeihilfe für den Zeitraum von bis gewähren. Erst ab bis laufend besteht einen Anspruch auf Ausgleichzahlung. Bitte die Bescheide vom Bundesministerium abrufen und eine richtige Neuberechnung durchführen (Bescheide anbei)."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab, dies mit folgender Begründung:
Die ursprünglich per April 2016 eingeführte polnische Familienleistung "500+" (PLN 500/ca. 115 Euro; Leistungen zur Kindererziehung; Świadczenie wychowawcze), die für jedes Kind bis zum 18. Altersjahr ausbezahlt wird, war ursprünglich abhängig von der Höhe des Einkommens, wird aber seit dem einkommensunabhängig ausgerichtet. Per wird diese Leistung nun auch bei Anwendung der Prioritätenregelung von Art. 68 VO (EG) 883/2004 ungekürzt ausbezahlt (also auch dann, wenn Polen subsidiär für die Ausrichtung der Familienleistung zuständig ist und nur den Differenzbetrag zur Leistung des anderen Staats schuldet).
In Österreich ist innerstaatlich die Norm des § 4 FLAG 1967 in Kraft.
Die Ausgleichszahlung nach § 4 FLAG 1967 ist dann anzuwenden, wenn ein Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht (egal ob es sich um einen Mitgliedstaat oder einen Drittstaat handelt). Ziel des § 4 FLAG 1967 ist die Vermeidung der ungerechtfertigten Kumulierung von Familienleistungen bei zwischenstaatlichem Bezug. Eine derartige Kumulierung von Familienleistungen zu vermeiden, liegt im Interesse der beteiligten Staaten. Auch nach der Intention der VO (EG) 883/2004 sind zur "Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen" für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats mit Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats der Familienangehörigen Prioritätsregeln vorzusehen (s. Erwägungen (35) VO (EG) 883/2004). (Siehe auch BFG RV/7102610/2023).

Der Vorlageantrag wurde wie folgt eingebracht:
"Aufgrund der Art. 68 VO (EG) 883/2024 hat die polnische Behörde festgestellt, dass im Zeitraum vom bis Österreich vorranging ist, die Familienbeihilfe in voller Höhe zu gewähren. Die aktuelle Bescheide wurde nochmal am an Finanzamt verschickt, das SED anbei."

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Am wurde von Polen über die elektronische Schiene ELISA bestätigt, dass ab 06/2022 je 500 Zloty pro Kind monatlich ausbezahlt werden, obwohl Polen nachrangig zuständig war, da die Kindesmutter nicht der VO 883/2004 unterlag. (Ab 09/2023 ist die Kindesmutter wieder laufend in Polen beschäftigt)
Am wurde die von Polen ausbezahlte Leistung auf die österreichische Familienbeihilfe angerechnet bzw. rückgefordert.
Polen führte per eine neue Familienleistung ein, die nach Art. 68ff. VO (EG) 883/2004 zu koordinieren ist.
Diese Leistung wird nun auch bei Anwendung der Prioritätenregelung von Art. 68 VO (EG) 883/2004 ungekürzt ausbezahlt.
Beweismittel:
Aktenteile
Stellungnahme:
Das Finanzamt beantragt eine Abweisung der Beschwerde, da gem. § 53 FLAG sowie § 4 FLAG die Anrechnung der trotz Zuständigkeit Österreichs in Polen ausbezahlten Leistung zu berücksichtigen ist.
Nach § 53 Abs. 1 FLAG 1967 sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.
Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.
In Österreich ist innerstaatlich die Norm des § 4 FLAG 1967 in Kraft.
§ 4 Abs 1 FLAG 1967 normiert, dass Personen, die Anspruch auf eine gleichartige Beihilfe haben, keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe haben.
Die Ausgleichszahlung nach § 4 FLAG 1967 ist dann anzuwenden, wenn ein Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht (egal ob es sich um einen Mitgliedstaat oder einen Drittstaat handelt). Ziel des § 4 FLAG 1967 ist die Vermeidung der ungerechtfertigten Kumulierung von Familienleistungen bei zwischenstaatlichem Bezug. Eine derartige Kumulierung von Familienleistungen zu vermeiden, liegt im Interesse der beteiligten Staaten. Auch nach der Intention der VO (EG) 883/2004 sind zur "Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen" für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats mit Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats der Familienangehörigen Prioritätsregeln vorzusehen.
Siehe auch BFG RV/7102610/2023)

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. ist polnischer Staatsbürger. Er erzielte 2022 und 2023 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland. Er hatte in diesen Jahren keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich und war bei einem Arbeitgeber beschäftigt, der einen Lohnsteuerabzug in Österreich vornahm. Der Ansässigkeitsstaat war Polen.
Der Bf. wohnt mit seiner Ehegattin und den beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz in Polen. Im Streitzeitraum war er Alleinverdiener (Abgabeninformationssystem-Abfrage).
Die Gattin des Bf. war im Streitzeitraum in Polen nicht erwerbstätig (Beschwerdevorlage: Ab 09/2023 ist die Kindesmutter wieder laufend in Polen beschäftigt. Vgl. auch Beschwerde und Vorlageantrag die Angaben zur vorrangingen Zuständigkeit Österreichs zur Gewährung von Familienleistungen bis ).

Als in Österreich Beschäftigter bezog der Bf. für seine Kinder ***Kind1***, geb. 2017, und ***Kind2***, geb. am 2020, österreichische Familienbeihilfe.

Am wurde von der polnischen Behörde bestätigt, dass ab 06/2022 je 500 Zloty (Leistungen zur Kindererziehung) pro Kind monatlich ausbezahlt werden (Beschwerdevorlage und elektronische Schiene ELISA). Diese Leistungen waren bei der ursprünglichen Berechnung der ziffernmäßigen Höhe der Familienbeihilfenzahlung nicht berücksichtigt worden.

Die Rückforderung für den Zeitraum 06/2022 bis 07/2023 wurde durch Umrechnung der 500 Zloty mit den jeweiligen Wechselkursen errechnet.
Bspw.:
Kurswerte:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum
Währung
Kurs
Kurskehrwert
PLN
4,678
0,213767
PLN
4,5805
0,218317
PLN
4,7375
0,211082

Somit
für Juni 2022: 500 Zloty x 0,213767 = 106,88 €
für Juli 2022: 500 Zloty x 0,218317 = 109,16 €
für August 2022: 500 Zloty x 0,211082 = 106,60 €
usw.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Detailfeststellungen beruhen auf den angeführten, unbedenklichen Grundlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe. Nach Abs. 2 leg. cit. hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

§ 4 Abs. 1 FLAG 1967 normiert, dass Personen, die Anspruch auf eine gleichartige Beihilfe haben, keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe haben.

In § 4 Abs. 2 FLAG 1967 ist vorgesehen, dass österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 und § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, eine Ausgleichszahlung erhalten, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

Nach § 4 Abs. 6 FLAG 1967 gilt die Ausgleichszahlung, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe, als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

In diesem Zusammenhang bestimmt jedoch § 53 Abs. 1 FLAG 1967, dass § 5 Abs. 3 FLAG 1967 in Bezug auf EU-Staatsbürger grundsätzlich nicht gilt; diese sind in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Dabei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat der Europäischen Union nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Im vorliegenden Fall liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, da der Bf. in Österreich einer Beschäftigung nachgeht und seine Ehegattin mit den gemeinsamen minderjährigen Kindern in Polen lebt und im Streitzeitraum dort keine Einkünfte erzielt hat. Es sind daher nicht nur die innerstaatlichen Bestimmungen des FLAG 1967 zu beachten. Vielmehr ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit [idF VO (EG) 883/2004], die ab gilt, anzuwenden. Diese hat allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat ("Durchgriffswirkung"). Die VO (EG) 883/2004 geht dem nationalen Recht in ihrer Anwendung vor ("Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts"). Zu beachten ist weiters die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO (EG) 883/2004.

Art. 11 Abs. 3 lit. a VO (EG) 883/2004 normiert, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt.

Nach Art. 67 VO (EG) 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten die in Art. 68 VO (EG) 883/2004 ausgeführten Prioritätsregeln:
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge:
an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüberhinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe (samt Kinderabsetzbetrag).

Subjektive Momente wie ein allfälliges Verschulden der Behörde, Gutgläubigkeit des Familienbeihilfenbezuges oder die Verwendung der Familienbeihilfe für den Unterhalt des anspruchsvermittelnden Kindes, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat ().

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen aufgrund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird Familienbeihilfe von Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein.

Die Ehefrau des Bf hat im Beschwerdezeitraum die polnische Familienleistung "500+" erhalten. Das Bundesfinanzgericht hat in seiner Rechtsprechung die polnische Beihilfe "500+" als eine mit der österreichischen Familienbeihilfe und dem österreichischen Kinderabsetzbetrag gegen zu verrechnende Familienleistung angesehen (vgl. z.B. ; ; ).

Die ursprünglich per April 2016 eingeführte polnische Familienleistung "500+" (PLN 500/ca. 115 Euro; Leistungen zur Kindererziehung; Świadczenie wychowawcze), die für jedes Kind bis zum 18. Altersjahr ausbezahlt wird, war ursprünglich abhängig von der Höhe des Einkommens, wird aber seit dem einkommensunabhängig ausgerichtet. Per wird diese Leistung nun auch bei Anwendung der Prioritätenregelung von Art. 68 VO (EG) 883/2004 ungekürzt ausbezahlt (also auch dann, wenn Polen subsidiär für die Ausrichtung der Familienleistung zuständig ist und nur den Differenzbetrag zur Leistung des anderen Staats schuldet).

Auch der BFH hat im Urteil vom - III R 34/18 (veröffentlicht am ) die polnische Familienleistung "500+" als dem deutschen Kindergeld gleichartig und damit anrechenbar qualifiziert. Sowohl beim deutschen Kindergeld als auch bei der polnischen Familienleistung "500+" handele es sich um regelmäßige Geldleistungen, die ausschließlich nach Maßgabe der Zahl und des Alters der Kinder gewährt werden. Die polnische Familienleistung sei daher (im vom BFH zu beurteilenden Fall) nach Art. 68 Abs. 2 der VO (EG) 883/2004 anzurechnen. Die Mitteilung einer ausländischen Behörde über die Gewährung einer Familienleistung habe darüber hinaus Bindungswirkung für die Familienkasse.

Es besteht daher kein Zweifel, dass die polnische Familienleistung "500+" der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbar ist. Die Familienbeihilfe dient der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung, Erziehung und Ausbildung. Ebenso dient die polnische Regelung der teilweisen Deckung der Ausgaben im Zusammenhang mit der Erziehung, Betreuung und Befriedigung der Lebensbedürfnisse eines Kindes.

Die polnische Familienleistung ist daher im Wege der Differenz-/Ausgleichszahlung zu berücksichtigen.

Im ggstdl. Fall ist unbestritten, dass Österreich aufgrund des unionsrechtlich geltenden Beschäftigungslandprinzips gemäß der Kollisionsnorm des Art. 68 Abs. 1 lit. a) VO (EG) 883/2004 primär zur Erbringung von Familienleistungen verpflichtet ist, während Polen subsidiär zuständig ist.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass die VO (EWG) 1408/71 und VO (EG) 883/2004 kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit schaffen, sondern die unterschiedlichen nationalen Systeme bestehen lassen. Sie koordinieren diese nur, um zu gewährleisten, dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann. Dies kann dazu führen, dass unterschiedliche Forderungen gegen unterschiedliche Träger bestehen, dass dem Leistungsberechtigten unmittelbare Ansprüche entweder allein nach dem nationalen Recht oder nach dem erforderlichenfalls durch Unionsrecht ergänzten nationalen Recht zustehen (Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2, § 3 Rz 182f unter Hinweis auf , Brey).

Das Unionsrecht selbst vermittelt keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen (Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2, § 3 Rz 182h).

Daher hat sich Polen entschlossen, die Familienleistung "500+" bei Bestehen der innerstaatlichen Voraussetzungen jedenfalls auszuzahlen, auch wenn - wie im ggstdl. Fall, da die Kindesmutter nicht erwerbstätig ist - gemeinschaftsrechtlich nur eine subsidiäre Zuständigkeit Polens besteht.

In Österreich ist innerstaatlich die Norm des § 4 FLAG 1967 in Kraft.

Die Ausgleichszahlung nach § 4 FLAG 1967 ist dann anzuwenden, wenn ein Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht (egal ob es sich um einen Mitgliedstaat oder einen Drittstaat handelt). Ziel des § 4 FLAG 1967 ist die Vermeidung der ungerechtfertigten Kumulierung von Familienleistungen bei zwischenstaatlichem Bezug. Eine derartige Kumulierung von Familienleistungen zu vermeiden, liegt im Interesse der beteiligten Staaten.

Auch nach der Intention der VO (EG) 883/2004 sind zur "Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen" für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats mit Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats der Familienangehörigen Prioritätsregeln vorzusehen (s. Erwägungen (35) VO (EG) 883/2004).

Bei derartigen Sachverhalten, an denen zwei Mitgliedstaaten beteiligt sind, gilt der Grundsatz, dass durch Differenz(Ausgleichs)zahlungen erreicht wird, dass insgesamt die jeweils höhere Familienleistung ausbezahlt wird. Eine darüber hinaus gehende Zahlung würde eine ungerechtfertigte Kumulierung bedeuten, welche auch nach dem Sinn sowohl der unionsrechtlichen als auch innerstaatlichen Rechtsvorschriften vermieden werden soll.

Nach Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 4, I. Ausländischer Beihilfenanspruch [Rz 1 - 21], stehen § 4 FLAG und Art. 68 Abs. 2 VO 883/2004 zueinander in Kollision. Aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes ist jedoch zunächst Art. 68 Abs. 2 der Verordnung anzuwenden und erst danach in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob nach nationalem Recht ein ausschließlicher Beihilfenanspruch besteht, wozu auch § 4 FLAG zählt (vgl. , Bosmann; verb Rs C-611/10 und C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak).

Die Frage nach dem Inhalt einer mitgliedstaatlichen Ruhensbestimmung im Fall der Kollision von Familienleistungen mehrerer Mitgliedstaaten hat der EuGH dahin beantwortet, "dass die Bestimmungen des Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer [Art. 45, 48 AEUV] dahin auszulegen sind, dass sie in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 65 EStG entgegenstehen, soweit diese nicht zu einer Kürzung des Betrags der Leistung um die Höhe des Betrags einer in einem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung, sondern zum Ausschluss der Leistung führt ( und C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak, Rn 69-85)."

Verboten ist demnach nicht schon eine Kürzung durch eine mitgliedstaatliche Norm, sondern nur der völlige Ausschluss der Leistung.

Zu prüfen hatte der EuGH im zit. Erk. § 65 dt EStG ("Andere Leistungen für Kinder"), der lautete:
"(1) Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:

2. Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der unter Nummer 1 genannten Leistungen vergleichbar sind."

Das Bundesfinanzgericht folgt Lenneis/Wanke a.a.O., die überzeugend argumentieren, dass § 65 Abs. 1 Z 2 dt EStG vergleichbar mit § 4 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 ist und weder die deutsche Kürzungsbestimmung noch die österreichische den gänzlichen Ausschluss der Leistungen vorsieht. § 4 Abs. 2 FLAG 1967 sieht lediglich die Kürzung des Betrags der Leistung um die Höhe des Betrags einer in einem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung vor, sodass § 4 Abs. 2 FLAG 1967 die vom EuGH geforderten Voraussetzungen erfüllt und insoweit unionsrechtskonform und demnach auch im vorliegenden Fall anzuwenden ist.

Normzweck des § 4 FLAG 1967 ist die Vermeidung der Kumulierung gleichartiger Beihilfen nach den Rechtsordnungen mehrerer Staaten für ein und dasselbe Kind.

Innerstaatlich wie auch unionsrechtlich gilt der Grundsatz, die Beihilfe bzw Zulage nur einmal zu gewähren und gleichartige Ansprüche anzurechnen (vgl. z.B. ; ).

Wenn aber die ausländische Beihilfe, auf die die Gattin des Bf. Anspruch hatte, niedriger ist als die österreichische Familienbeihilfe, besteht ein Anspruch auf Gewährung der Ausgleichszahlung im Sinne des § 4 FLAG 1967. Da die Ausgleichs(Differenz)zahlung als Familienbeihilfe gilt, wird mit ihr gemeinsam auch der Kinderabsetzbetrag ausbezahlt.

Demzufolge hat die belangte Behörde zu Recht die polnische Familienleistung "500+" auf die österreichische Kinderbeihilfe angerechnet, sodass die Differenz(Ausgleichszahlung) an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag um diesen Betrag zu vermindern war.

Da die Differenz(Ausgleichs)zahlung vorerst in voller Höhe zuerkannt wurde und erst nachträglich die Zuerkennung der polnischen Familienleistung "500+" bekannt wurde, waren die Voraussetzungen für die Rückforderung nach § 26 FLAG 1967 gegeben.

Die objektiv zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag waren rückzufordern.

Der Rückforderungszeitraum umfasst somit Juni 2022 bis Juli 2023. Die Rückforderung beträgt 500,00 PLN monatlich je Kind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit Rechtsfragen zu beurteilen waren, folgt die Entscheidung den gesetzlichen Grundlagen und der Judikatur.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 4 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 53 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise






BFG, RV/7104342/2017
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103138.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103138.2024

Fundstelle(n):
MAAAF-44636