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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.01.2025, RV/7100667/2024

Keine Rückgängigmachung iSd § 17 (1) 4 GrEStG wenn Erbin nach Rechtskraft der Einantwortung zur Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen erbl. Liegenschaft an Kinder überträgt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Notar ***NOTAR***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Grunderwerbsteuer zu ***ERfNr 1***, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Abgabenerklärung - Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß 17 GreStG

Am wurde dem Finanzamt Österreich über FinanzOnline zur ***ErfNr. 1*** der Einantwortungsbeschluss in der Verlassenschaft nach dem am ***TODESTAG*** verstorbenen ***ERBLASSER*** vom angezeigt und dazu erklärt, dass die Steuerschuld für den Erwerb durch Frau ***Bf1*** am entstanden sei und der Wert des Grundvermögens € 280.032,08 betrage.

Mit Schriftsatz vom teilte Notar ***NOTAR*** dem FA dazu unter Berufung auf die von der Bf. erteilte Vollmacht mit, dass aufgrund heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen der Einantwortungsbeschluss nicht fristgerecht beim Finanzamt angezeigt worden sei. Da der Pflichtteil der Kinder des Verstorbenen noch nicht berichtigt worden sei, sei das Pflichtteilübereinkommen vom geschlossen worden, dieses sei am zur ***ErfNr. 2*** selbstberechnet worden. Es werde daher für den Einantwortungsbeschluss der Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuer gem. §17 Abs 1 Z1 GrEStG gestellt und ersucht von Säumniszuschlägen abzusehen.

Grunderwerbsteuerbescheid vom

Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom setzte das FA gegenüber der Bf. Grunderwerbsteuer ausgehend vom Grundstückswert iHv € 280.032,08 mit € 1.850,64 fest.

Der Bescheid wurde wie folgt begründet:

"Die Festsetzung erfolgt vom Grundstückswert (§ 4 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz) auf Grundlage des Pauschalwertmodells gemäß § 2 Grundstückswertverordnung laut den übermittelten Berechnungen.
Ein innerhalb von drei Jahren rückgängig gemachter Erwerbsvorgang liegt nicht vor. Die Voraussetzungen für die Nichtfestsetzung der Steuer gemäß § 17 Abs.1 Zi.1 GrEStG sind daher nicht erfüllt.
Der Antrag vom war abzuweisen.
Da die erworbenen Liegenschaftsanteile aufgrund der freiwilligen Pflichtteilsvereinbarung vom weiterübertragen werden, ist auch § 17 Abs.1 Zi.4 GrEStG nicht anwendbar."

Beschwerde

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde ua. ausgeführt wie folgt:

"§ 2 Abs 1 Z 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 idgF normiert:

Als Erwerb von Todes wegen gilt der Erwerb (...) auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.

Bei den Erwerbern ***A*** und ***B*** stellt somit der Erwerb auf Grund des Pflichtteilsübereinkommen einen solchen Erwerb von Todes wegen dar.

Aus diesem Grund kommt § 17 Abs 1 Z 4 GrEStG zum Tragen und es wurde beantragt, die Steuer nicht festzusetzen.

Bei der Redaktion dieser Bescheidbeschwerde ist dem Einschreitervertreter aufgefallen, dass versehentlich im Antrag Z1 statt richtig Z4 der vorgenannten Gesetzesstelle angeführt wurde und es wird somit der Antrag insoferne präzisiert, als der Antrag nach § 17 Abs 1 Z 4 GrEStG auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gestellt wird.

Die Begründung des hier bekämpften Bescheid führt aus, dass es sich bei dem vorgenannten Pflichtteilsübereinkommen um eine freiwillige Leistung handelt und daher Z 4 leg.cit. nicht zur Anwendung kommt.

Diese Feststellung ist insofeme unrichtig, als es keinen Unterschied macht, ob die Leistung freiwillig war oder nicht. Für die Nichtfestsetzung der Steuer ist nur zu prüfen, ob der erste Erwerb (Einantwortung) ein Erwerb von Todes ist, ob die Herausgabe beim Empfänger einen Erwerb von Todes wegen darstellt (Pflichtteilsübereinkommen, dazu sei auf die Ausführungen oben verwiesen) und ob die Frist des § 17 Abs 5 GrEStG eingehalten ist.

Insoferne wird der Antrag gestellt, die Grunderwerbsteuer für den Einantwortungsbeschluss nach ***ERBLASSER*** nicht festzusetzen."

Email Notar vom

Über telefonische Anforderung übermittelte der Notar dem FA mit Email vom das Pflichtteilsübereinkommen vom und teilte mit, dass bei Einantwortung der Verlassenschaft noch kein schriftliches Übereinkommen über die Berichtigung des Pflichtteilsanspruches der beiden erbl. Kinder vorgelegen sei.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall kein Herausgabeanspruch vorgelegen sei. Vielmehr sei mit der Rechtskraft der Einantwortung die Bf. Gesamtrechtsnachfolgerin nach ***ERBLASSER*** geworden. Die Einantwortung vom bewirke den Übergang der Liegenschaftsanteile. Dass im Jahr 2023 der grundsätzlich als Forderungsrecht auf Auszahlung eines Geldbetrages bestehende Pflichtteilsanspruch mittels Vereinbarung durch Übertragung der Liegenschaftsanteile abgedeckt worden sei, stelle keine Herausgabe dar.

Vorlageantrag

Am wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt und ergänzend ausgeführt wie folgt:

"Auf Grund des Pflichtteilsübereinkommen, gleichgültig, ob dieses freiwillig geschlossen wurde (wie gegenständlich) oder auf andere Weise die Pflichtteile zu berichtigen waren, waren die Liegenschaftsanteile herauszugeben.

Die Feststellung der belangten Behörde, dass der Pflichtteil ein Geldanspruch sei, ist ebenfalls zu relevieren: Der Pflichtteil kann natürlich neben der Berichtigung in Geld auch durch jede andere vertretbare Sache, ebenso wie Schenkungen der Leistungen auf den Todesfall berichtigt werden und eine derartige Vereinbarung wie vorliegend ist dann entgegen der Ansicht der belangten Behörde sehr wohl eine Herausgabe iSd § 17 GrEStG.

Wäre das nicht so, würde im umgekehrten Fall jedes Pflichtteilsübereinkommen in einer (noch offenen) Verlassenschaft doppelte Grunderwerbsteuern, einmal beim Erben, einmal beim Pflichtteilsberechtigen) auslösen, was naturgemäß jedoch (auch) nicht der Fall ist."

Vorlage der Beschwerde ans BFG

Am wurde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht - eine Ausfertigung davon wurde auch der Bf. übermittelt - gab das FA eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt ab.

"Gemäß § 17 Abs. 1 Z 4 GrEStG ist die Steuer auf Antrag nicht festzusetzen, wenn das geschenkte Grundstück aufgrund eines Rechtsanspruches herausgegeben werden musste oder ein von Todes wegen erworbenes Grundstück herausgegeben werden musste und dieses beim Empfänger einen Erwerb von Todes wegen darstellt.

Ein von Todes wegen erworbenes Grundstück muss herausgegeben werden, wenn ein anderer Erwerber von Todes wegen einen besseren Rechtstitel hat. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Erbschaftsklage eingebracht wurde (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, § 17 GrEStG 1987 Rz 49c).

Wird der Pflichtteilsanspruch mit einem Grundstück abgegolten, ist zu unterscheiden, ob die Abgeltung des Pflichtteilanspruches nach oder vor Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens erfolgt. Bei einer Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs nach Rechtskraft liegt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG vor.

Bei einer Abgeltung des Pflichtteilsanspruches vor Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens liegt ein Erwerb nach § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG vor und die Steuerschuld entsteht mit der Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens. (Arnold in Arnold/Bodis (Hrsg), Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 (17. Lfg 2020) zu § 1 GrEStG Tz 235d).

Im gegenständlichen Fall wurde mit Einantwortungsbeschluss vom der Nachlass der erblichen Witwe aufgrund des Testamentes vom zur Gänze eingeantwortet. Damit liegt ein Erwerb von Todes wegen vor. Mit Pflichtteilsübereinkommen vom wurden die Liegenschaften an Frau ***A*** und Herrn ***B*** weiter übertragen. Der Einantwortungsbeschluss vom erwuchs am in Rechtskraft. Das Pflichtteilsübereinkommen wurde daher nach Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens abgeschlossen und stellt daher keinen Erwerb von Todes wegen dar, sondern ein Rechtsgeschäft unter Lebenden iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG. Weiters liegen keine Beweismittel vor, die für eine Herausgabe des Grundstückes sprechen würden. Vielmehr hat die Witwe die Grundstücke von Todes wegen aufgrund des Testamentes erworben und diese dann freiwillig - im Zuge eines Pflichtteilsübereinkommens zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruches- an die beiden Pflichtteilsberechtigten übertragen.

Da weder ein Herausgabeanspruch noch ein Erwerb von Todes wegen bei den Empfängern vorliegt, liegen die Voraussetzungen gemäß § 17 Abs. 1 Z 4 GrEStG nicht vor.

Das Finanzamt beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Beweiserhebung durch das BFG

Von der zuständigen Richterin des BFG wurde zunächst Beweis erhoben durch Einsicht in die vom FA elektronisch vorgelegten Teile des Bemessungsaktes ***ERfNr 1*** und ergibt sich daraus der oben dargestellte Verfahrensablauf.

Weiters wurde vom BFG noch Beweis erhoben durch Abfragen bei FinanzOnline zu ***ERfNr 1*** und zu ***ErfNr. 2*** sowie eine Abfrage im Zentralen Melderegister.

Ermittlungsauftrag

Am erteilte das BFG dem Finanzamt gemäß § 269 Abs. 2 BAO einen Ermittlungsauftrag und beauftragte es noch ergänzende Ermittlungen über den Zeitpunkt der rechtskräftigen Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens ***GZ*** des Bezirksgerichtes ***BG*** durchzuführen. Zur Begründung führte das BFG aus wie folgt:

"Wie vom Finanzamt im Vorlagebericht vom richtig ausgeführt wurde, kommt es bei der Abgeltung eines Pflichtteilsanspruches durch ein erblasserisches Grundstück für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung darauf an, ob die Abgeltung des Pflichtteilanspruches nach oder vor Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens erfolgt. Bei einer Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs nach Rechtskraft liegt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG vor. Bei einer Abgeltung des Pflichtteilsanspruches vor Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens liegt ein Erwerb nach § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG vor und die Steuerschuld entsteht mit der Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens. (Arnold in Arnold/Bodis (Hrsg), Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 (17. Lfg 2020) zu § 1 GrEStG Tz 235d).

Zum gegenständlichen Fall wird im Vorlagebericht angegeben, dass mit Einantwortungsbeschluss vom der Nachlass der erblichen Witwe aufgrund des Testamentes vom zur Gänze eingeantwortet wurde und dass der Einantwortungsbeschluss vom am in Rechtskraft erwuchs.

Mit Pflichtteilsübereinkommen vom wurden die Liegenschaften an Frau ***A*** und Herrn ***B*** "weiter" übertragen. Dazu heißt es im Vorlagebericht:

"Das Pflichtteilsübereinkommen wurde daher nach Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens abgeschlossen und stellt daher keinen Erwerb von Todes wegen dar, sondern ein Rechtsgeschäft unter Lebenden iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG. Weiters liegen keine Beweismittel vor, die für eine Herausgabe des Grundstückes sprechen würden. Vielmehr hat die Witwe die Grundstücke von Todes wegen aufgrund des Testamentes erworben und diese dann freiwillig - im Zuge eines Pflichtteilsübereinkommens zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruches- an die beiden Pflichtteilsberechtigten übertragen."

Diese Ausführungen sind für das Bundesfinanzgericht widersprüchlich. Wenn der Einantwortungsbeschluss vom tatsächlich erst am in Rechtskraft erwachsen ist, kann das Verlassenschaftsverfahren noch nicht zuvor beendet gewesen sein und wäre der Abschluss des Pflichtteilsübereinkommens somit noch vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens erfolgt.

Der zu ON 6 vorgelegte Einantwortungsbeschluss enthält eine beschlussmäßige Bestätigung des Bezirksgerichtes ***BG*** vom , dass der Einantwortungsbeschluss vom rechtskräftig und vollstreckbar ist, ohne aber anzugeben, seit wann die Rechtskraft gegeben ist.

Da der Zeitpunkt der Rechtskraft hier entscheidungswesentlich ist, wird dem Finanzamt gemäß § 269 Abs. 2 BAO ein Ermittlungsauftrag erteilt und es beauftragt noch ergänzende Ermittlungen über den Zeitpunkt der rechtskräftigen Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens ***GZ*** des Bezirksgerichtes ***BG*** durchzuführen.

Stellungnahme des FA vom

Am gab das FA zum Ermittlungsauftrag eine Stellungnahme ab und übermittelte sein an das Bezirksgericht ***BG*** gerichtetes Ersuchen samt Beantwortung. Nach Auskunft des Bezirksgerichtes ***BG*** sei der Einantwortungsbeschluss vom betreffend Verlassenschaft nach ***ERBLASSER*** seit dem rechtskräftig. Das Pflichtteilsübereinkommen vom sei tatsächlich nach Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens abgeschlossen worden und liege daher ein Rechtsgeschäft unter Lebenden iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der am ***TODESTAG*** verstorbene ***ERBLASSER*** war im Zeitpunkt seines Todes Eigentümer von Anteilen an drei Liegenschaften:

- 46/804 Anteile an der ***EZ 1***, verbunden mit Wohnungseigentum an Wohnung 5

- 56/1140-Anteile an der ***EZ 2*** verbunden mit Wohnungseigentum an Wohnung mit Terrasse 7 und

- 87/6100-Anteile an der ***EZ 3***.

Im Zeitpunkt des Todes des Erblassers hatte die Bf. ihren Hauptwohnsitz in ***ADRESSE*** und dienten ihr die drei erbl. Liegenschaften nicht als Hauptwohnsitz.

Der Erblasser hinterließ insgesamt 3 pflichtteilsberechtigte Personen: seine Ehegattin ***Bf1*** (die nunmehrige Bf.) und die beiden Kinder ***A*** und ***B***.

Aufgrund des Testamentes vom gab die Bf. zum ganzen Nachlass eine bedingte Erbantrittserklärung ab und wurde ihr der gesamte Nachlass mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***BG*** vom eingeantwortet. In Punkt 3 des Einantwortungsbeschlusses wurde angeordnet, dass nach dem Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung ob den drei erbl. Liegenschaftsanteilen Grundbuchseintragungen vorzunehmen sein werden und je die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Bf., welche zum Kreis der gesetzlichen Erben gehört, vorzunehmen ist.

Am erwuchs der Einantwortungsbeschluss in Rechtskraft und wurde damit das Verlassenschaftsverfahren beendet.

Im Zeitpunkt der Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses am waren die Pflichtteilsansprüche der beiden Kinder noch nicht berichtigt und gab es bis dahin auch keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen der Bf. als Alleinerbin und den beiden Kindern, in welcher Form die Pflichtteilsansprüche erfüllt werden.

Eine grundbücherliche Durchführung des mit der Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses erfolgten Erwerbes des außerbücherlichen Eigentums an den erbl. Liegenschaftsanteilen durch die Bf. unterblieb bis zum Abschluss des Pflichtteilsübereinkommens.

Am schloss die Bf. mit ***A*** und ***B*** ein Pflichtteilübereinkommen ab und übertrug sie zur Erfüllung der Pflichtteilsansprüche nach ***ERBLASSER*** die ihr außerbücherlich gehörenden 87/6100 Anteile an der Liegenschaft ***EZ 3*** unter Vorbehalt eines Fruchtgenussrechtes an ***A*** zu 61/6100 Anteilen und an ***B*** zu 26/6100 Anteilen.

Weiters übertrug die Bf. die ihr außerbücherlich gehörenden 46/804 Anteile verbunden mit Wohnungseigentum an W 5 an der Liegenschaft ***EZ 1***, und die ihr gehörenden 56/1140 Anteile verbunden mit Wohnungseigentum an Wohnung mit Terrasse 7 an der Liegenschaft ***EZ 2*** an Herrn ***B***.

Die Grunderwerbsteuer für den Erwerb der Liegenschaftsanteile durch ***A*** und ***B*** wurde unter ***ErfNr. 2*** selbstberechnet. Dabei wurde von erklärt, dass es sich um einen "Erwerb durch § 26a Abs .1 Z. 1 GGG Personenkreis (§ 7 Abs. 1 Z. 2 lit. d + § 7 Abs. 1 Z. 2 lit. a) inkl. Verlassenschaften" handle für den die Steuerschuld am entstanden sei. Als "Veräußerer" wurde jeweils die Bf. (und nicht der Erblasser oder dessen Verlassenschaft) angegeben.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Einsicht in die vom FA elektronisch vorgelegten Teile der Bemessungsaktes ***ERfNr 1***, insbesondere auf den Inhalt des Einantwortungsbeschlusses und des Pflichtteilsübereinkommens vom sowie die mit der Stellungnahme des Finanzamtes dem BFG am vorgelegten Unterlagen. Die Tatsache, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Pflichtteilsübereinkommens am der Einantwortungsbeschluss vom bereits in Rechtskraft erwachsen war (Rechtskraft am ) und das Verlassenschaftsverfahren somit beendet war, deckt sich auch mit dem eigenen Vorbringen der Bf. und ist somit davon bei der rechtlichen Beurteilung auszugehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage

Gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG 1987 unterliegen der Grunderwerbsteuer, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen, u.a. die folgenden Rechtsvorgänge:

1. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet,

2. die Erwerbung des Eigentumes, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 7a GrEStG 1987 sind von der Besteuerung ausgenommen

der Erwerb einer Wohnstätte oder eines Anteiles an dieser
- durch Erbanfall,
- durch Vermächtnis,
- durch Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs, wenn die Leistung an Erfüllung Statt vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens vereinbart wird,
- durch Schenkung auf den Todesfall oder
- gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 WEG
durch den Ehegatten oder eingetragenen Partner, wenn das Grundstück dem Erwerber im Zeitpunkt des Todes als Hauptwohnsitz gedient hat und soweit die Wohnnutzfläche 150 m² nicht übersteigt.

Die Steuerschuld entsteht gemäß § 8 Abs. 1 GreStG 1987 grundsätzlich sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.

Gemäß § 8 Abs. 4 GrEStG 1987 entsteht bei Erwerben durch Erbanfall die Steuerschuld mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Einantwortung und bei Erwerben durch Vermächtnis mit Bestätigung des Verlassenschaftsgerichts gemäß § 182 Abs. 3 Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003, in der jeweils geltenden Fassung.

Gemäß § 17 Abs. 1 GrEStG 1987 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt

1. wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird,

2. wenn der Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden,

3. wenn das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründen sollte, ungültig ist und das wirtschaftliche Ergebnis des ungültigen Rechtsgeschäftes beseitigt wird,

4. wenn das geschenkte Grundstück aufgrund eines Rechtsanspruches herausgegeben werden musste oder ein von Todes wegen erworbenes Grundstück herausgegeben werden musste und dieses beim Empfänger einen Erwerb von Todes wegen darstellt.

Entstehen der Steuerschuld für den Erwerb von Todeswegen durch die Bf am

Die Erwerbungsart für das Eigentum, also die "rechtliche Übergabe und Übernahme" iSd §§ 380, 425 ABGB, liegt bei unbeweglichen Sachen gemäß § 431 ABGB idR in der Einverleibung im Grundbuch (Eintragungsgrundsatz). Der Eintragungsgrundsatz ist allerdings durch eine Reihe von Ausnahmetatbeständen durchbrochen und sind nach der Maßgabe dieser Ausnahmetatbestände auch außerbücherliche Eigentumserwerbe vorgesehen (vgl Mader in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 431 Rz 18). So bewirkt insbesondere in dem in § 436 ABGB genannten Fall der Einantwortung nach hA bereits diese (außerbücherliches) Eigentum des wahren Erben an Liegenschaften des Erblassers; die von § 436 ABGB geforderte Einverleibung (oder Urkundenhinterlegung) hat demnach nur deklarative Bedeutung (vgl Mader in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 436 Rz 6 mwN). Der Eigentumsübergang erfolgt somit bereits mit der Rechtskraft der Einantwortung, mit der die Universalsukzession des Erben nach dem Erblasser eintritt (vgl unter Hinweis auf Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 819 Rz 1).

Erfolgt - wie im vorliegenden Beschwerdefall - die Einantwortung aufgrund des letzten Willens des Verstorbenen (Testament), ist strittig, ob in diesem Zusammenhang der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 oder jener des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG 1987 erfüllt wird. So kann dem VfGH zufolge das Testament - da dieses als Rechtsgeschäft von Todes wegen einzustufen ist - als Rechtsgeschäft iSd § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 betrachtet werden. Der grunderwerbsteuerbare Erwerb wird diesfalls bereits mit der Erbantrittserklärung auf Grund des Testamentes getätigt und wird mit der Abgabe der Erbantrittserklärung somit ein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht (vgl ; vgl auch Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band II: Grunderwerbsteuer [15. Lfg 2016] zu § 1 GrEStG 1987 Rz 244.11).

Demgegenüber wird in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend die mit BGBl I 2014/36 erfolgte Ergänzung des § 8 GrStG 1987 um einen Abs 4 zum Ausdruck gebracht, dass bei einem Erwerb durch Erbanfall ungeachtet des jeweiligen Erbrechtstitels der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG 1987 zur Anwendung kommen solle (vgl ErläutRV 101 BlgNR XXV. GP 4).

Indem § 8 Abs 4 GrEStG 1987 für (sämtliche) Erwerbe durch Erbanfall die Steuerschuld mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Einantwortung entstehen lässt und diese Bestimmung dem § 8 Abs 1 GrEStG 1987 insoweit als lex specialis derogiert, kann die Abgrenzung zwischen den Tatbeständen des § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 und des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG 1987 dahingestellt bleiben. Dass das Eigentumsrecht niemals im Grundbuch einverleibt worden ist, ist für die Erhebung der Grunderwerbsteuer ohne Bedeutung (vgl ).

Die Grunderwerbsteuerschuld für den Erwerb der erbl. Liegenschaftsanteile durch die Bf. ist daher am mit Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses vom entstanden.

Die Spezialbestimmung über das Entstehend der Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen hat zur Folge, dass für den Erben bei einem Verkauf der Liegenschaft oder sonstigen Übertragungen der erbl. Liegenschaft (wie zB zur Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen) vor Einantwortung - anders als früher im Bereich der Erbschaftsteuer, bei der die Steuerschuld nach § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955 grundsätzlich bereits mit dem Tod des Erblassers entstand und es auf den Umfang und die Zusammensetzung des Vermögens im Todeszeitpunkt ankam (vgl. ua , 0362) - gar keine Grunderwerbsteuerschuld entsteht. Die Schlussfolgerung der Bf. im Vorlageantrag, wonach die Ansicht des Finanzamtes auch im Fall der Berichtigung des Pflichtteils durch Herausgabe einer erbl. Liegenschaft in einer noch offenen Verlassenschaft doppelte Grunderwerbsteuern, einmal beim Erben, einmal beim Pflichtteilsberechtigen auslösen würde, trifft daher nicht zu, zumal es diesfalls beim Erben nicht zum Entstehen einer Grunderwerbsteuerschuld kommt.

Keine Rückgängigmachung des Erwerbes der Bf. iSd § 17 Abs. 1 Z 4 GrEStG 1987 durch Abschluss des Pflichtteilsübereinkommens

Durch Abschuss des Pflichtteilsübereinkommens der Bf. mit ***A*** und ***B*** wurden weitere grunderwerbsteuerpflichtige Rechtsvorgänge (Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG) verwirklicht, für die der allgemeinen Bestimmung des § 8 Abs. 1 GreStG am die Grunderwerbsteuerschuld entstanden ist.

Dem entsprechend wurde auch in den zu ***ErfNr. 2*** vorgenommenen Selbstberechnungserklärungen richtig angegeben, dass "Veräußerer" bei diesen Erwerbsvorgängen die Bf. (und nicht der Erblasser oder dessen Verlassenschaft) ist.

Die Anwendbarkeit der Befreiung nach § 17 Abs. 1 Z. 4 GrEStG 1987 hat zwei Voraussetzungen:
- dass ein von Todes erworbenes Grundstück herausgegeben werden musste und
- dass dieses beim Empfänger einen Erwerb von Todes wegen darstellt.

Im gegenständlichen Fall fehlt es schon an der erstgenannten Voraussetzung, weil die pflichteilsberechtigten Kinder keinen Anspruch auf Herausgabe der erbl. Liegenschaftsanteile hatten.

Der Pflichtteilsberechtigte ist kein Erbe. Sein Anspruch ist eine Forderung auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlasswertes in Geld, er hat jedoch keinen Anspruch auf Herausgabe bestimmter Nachlassgegenstände. Beim Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch (vgl. 550/72; , 0130). Die Bf. hätte die Pflichtteilsforderungen der Kinder somit auch durch Übertragung andere Vermögensgegenstände erfüllen können.

Wie vom Finanzamt im Vorlagebericht vom richtig ausgeführt wurde, kommt es bei der Abgeltung eines Pflichtteilsanspruches durch ein erblasserisches Grundstück für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung darauf an, ob die Abgeltung des Pflichtteilanspruches nach oder vor Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens erfolgt. Bei einer Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs nach Rechtskraft liegt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG vor. Bei einer Abgeltung des Pflichtteilsanspruches vor Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens liegt ein Erwerb nach § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG vor und die Steuerschuld entsteht mit der Rechtskraft des Verlassenschaftsverfahrens (Arnold in Arnold/Bodis (Hrsg), Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 (17. Lfg 2020) zu § 1 GrEStG Tz 235d).

Das Pflichtteilsübereinkommen wurde im gegenständlichen Fall erst nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens abgeschlossen und haben daher ***A*** und ***B*** die erbl. Liegenschaften nicht von Todes wegen nach dem Vater (sondern durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden mit ihrer Mutter) erworben und fehlt somit hier auch die zweite Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 Z. 4 GrEStG. Der Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb der Bf. wurde daher vom Finanzamt zu Recht abgewiesen.

Die im angefochtenen Bescheid angesetzte Bemessungsgrundlage (Grundstückswert der erbl. Liegenschaftsanteile) und der Steuersatz sind unstrittig. Die Befreiung nach § 3 GrEStG Abs. 1 Z 7a 1987 wurde hier trotz Erwerbes durch die Ehegattin zu Recht nicht angewandt, da der Bf. die erworbenen Liegenschaften nicht als Hauptwohnsitz gedient haben.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist im vorliegenden Fall unzulässig, weil sich die maßgebliche Rechtslage unmittelbar und klar aus dem Gesetz ableiten lässt und sich die getroffene Entscheidung auf die oben zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen konnte.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100667.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100667.2024

Fundstelle(n):
SAAAF-43983