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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.01.2025, RV/3100843/2018

Haftung nach § 82 EStG ohne inländische Betriebsstätte nach § 81 EStG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Deloitte Tirol Wirtschaftsprüfungs GmbH, Wilhelm-Greil-Straße 15, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen die Haftungsbescheide gem § 82 EStG des ***FA*** vom betreffend Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer für die Jahre 2014 und 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die angefochtenen Haftungsbescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Mittelpunkt der gegenständlichen Entscheidung steht die Rechtsfrage, ob eine Haftung nach § 82 EStG ausgesprochen werden kann, wenn im Inland keine Betriebsstätte im Sinne des § 81 EStG besteht.

I. Verfahrensgang

Im Rahmen einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben sind vom prüfenden Organ die aus dem Prüfbericht vom ersichtlichen Feststellungen getroffen worden.

Das Finanzamt folgte diesen Feststellungen und erließ am die angefochtenen Haftungsbescheide, mit denen die beschwerdeführende Partei (im Folgenden: bfP) als Arbeitgeberin für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer in Anspruch genommen wurde, sowie Bescheide über die Festsetzung von Säumniszuschlägen.

In der nach Fristverlängerung rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom brachte die steuerliche Vertreterin der bfP zusammengefasst vor, dass die bfP ein britischer Reiseveranstalter sei und in Großbritannien Pauschalreisen nach ***Ort 1*** verkaufe. Die Konzerngesellschaften der bfP, die ***x GmbH*** sowie die ***y GmbH***, hätten zwei Hotels sowie eine Bar in ***Ort 1*** betrieben. Das Personal, welches vor Ort zum Einsatz komme, stamme aus Großbritannien. Dieses werde von der bfP nach Österreich entsandt und den Konzerngesellschaften zum Betrieb der Hotels und der Bar überlassen. Es werde dadurch keine lohnsteuerliche Betriebsstätte begründet, jedoch sei freiwillig eine österreichische Lohnverrechnung geführt worden und die Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt worden.
Ferner habe die bfP dem Finanzamt offengelegt, dass sie die Vereinfachungsregelung nach dem Expatriates-Erlass (Rz 1038 LStR) anwende und die betroffenen Dienstnehmer dem Finanzamt iSd Erlasses gemeldet. Demzufolge liege kein Wiederaufnahmegrund vor und seien die Haftungsbescheide aufzuheben. Weiters handle es sich bei der Vereinfachungsregelung um eine vom BMF kundgemachte Rechtsmeinung, auf deren Richtigkeit die bfP vertraut habe. Die Abgabenbehörde habe überdies eine gesetzeswidrige Ermessensübung getroffen und daher unrechtmäßig Haftungsbescheide erlassen. Unabhängig davon sei die von der bfP gewählte Abrechnungsmethode jedenfalls durch den Erlass gedeckt. Schließlich sei die bfP auch aufgrund des § 7b Abs 1 AVRAG verpflichtet gewesen, die nach Kollektivvertrag vorgesehenen Sonderzahlungen ab dem Jahr 2015 monatlich aliquot auszubezahlen und somit nach dem Tarif zu versteuern. § 7b Abs 1 AVRAG iVm § 67 Abs 10 EStG 1988 beschränke daher überdies die Niederlassungs- bzw Dienstleistungsfreiheit durch eine wirtschaftliche und steuerliche Schlechterstellung, ohne dass dafür sachlich gerechtfertigte Gründe vorlägen.
Mit Beschwerde wurde eine Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen die Haftungsbescheide 2014 und 2015 als unbegründet abgewiesen.

Schließlich wurde mit Schriftsatz vom die Vorlage der Beschwerde hinsichtlich der Haftungsbescheide 2014 und 2015 an das Bundesfinanzgericht beantragt.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Eingabe vom wurden die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Entscheidung durch den Senat zurückgezogen und ergänzend vorgebracht, dass es sich bei der geprüften Lohnverrechnung des bfP um eine gem Rz 927 LStR freiwillig geführte Lohnverrechnung eines Personalüberlassers handle. Die bfP habe daher im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über keine Betriebsstätte iSd § 81 EStG 1988 im Inland verfügt und könne daher auch nicht zur Haftung herangezogen werden.

In diesem Zusammenhang brachte die Abgabenbehörde nach Übermittlung der Eingabe der bfP am im Wesentlichen vor, dass sich aus § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung eindeutig ergebe, dass im Falle der Entlastung an der Quelle bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung in Verbindung mit einem Befreiungsbescheid das ausländische Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen bzw. der inländische Gestellungsnehmer (Beschäftiger) für die überlassenen Arbeitskräfte die Arbeitgeberpflichten zu erfüllen habe und insbesondere auch § 82 EStG 1988 (= Arbeitgeberhaftung) zur Anwendung komme. Mit der Quellenentlastung bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung gehe daher auch eine Haftung des ausländischen Beschäftigers für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer einher. Unabhängig davon, ob es sich im Beschwerdefall um eine freiwillige Lohnverrechnung im Sinne der Rz 927 der LStR handle, hafte der ausländische Arbeitgeber aufgrund der Bestimmungen der DBA-Entlastungsverordnung.

In weiterer Folge ersuchte das Bundesfinanzgericht die Abgabenbehörde erneut um Stellungnahme. Das Ersuchen vom bezog sich auf den bislang objektivierbaren Sachverhalt, insbesondere das Fehlen einer inländischen Betriebsstätte und das ergänzende Vorbringen der bfP vom , dass im gegenständlichen Fall kein Befreiungsbescheid nach der DBA-Entlastungsverordnung erlassen wurde.

Trotz Ersuchens um Fristverlängerung seitens des Finanzamtes wurde keine Stellungnahme abgegeben und kein Befreiungsbescheid vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die bfP ist eine britische Reiseveranstaltern mit Sitz in ***Ort GB*** und hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Pauschalreisen nach ***Ort 1*** überwiegend an britische Touristen verkauft.

Die Konzerngesellschaften der bfP (***x GmbH*** bzw ***x1 GmbH*** sowie die ***y GmbH***) haben in ***Ort 1*** zwei Hotels und eine Bar betrieben. Die GmbHs haben ihren Sitz im Inland.

Das in den Hotels bzw im Gastronomiebetrieb eingesetzte Personal wurden von der bfP an die Konzerngesellschaften in Österreich überlassen. Das Personal, welches aus Großbritannien stammte, war nur saisonal im Inland tätig (in der Regel von Anfang Dezember bis Ende April) und nur beschränkt steuerpflichtig.

Die bfP hat die Lohnverrechnung für die nach Österreich entsandten Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis übernommen. Bei der Lohnverrechnung berücksichtigte die bfP die direkt vom Lohn einbehaltenen Kostenbeiträge für die Bereitstellung der Unterkunft als Werbungskosten und minderte damit die Lohnsteuerbemessungsgrundlage.

Im Inland begründete die bfP weder eine Betriebsstätte nach § 81 EStG 1988 noch befand sich die Geschäftsleitung im Inland.

Ein Befreiungsbescheid iSd § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung wurde von der Abgabenbehörde nicht erlassen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Akt. Im Übrigen wurde der entscheidungswesentliche Sachverhalt der Abgabenbehörde mit Ersuchen um Stellungnahme vom bekanntgegeben, wobei keine Einwände oder Gegendarstellungen mehr erhoben wurden.

Unstrittig ist, das die bfP im Inland keine Betriebstätte gem § 81 EStG 1988 begründet hat. Ebenso ist unstrittig, dass die entsandten Dienstnehmer beschränkt steuerpflichtig im Inland waren.

Die Feststellung, dass kein Befreiungsbescheid iSd § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung erlassen wurde, beruht auf dem glaubwürdigen Vorbringen der bfP. Ferner ergeben sich aus der Aktenlage keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen. Auch konnte die Abgabenbehörde trotz Aufforderung keinen Befreiungsbescheid vorlegen.

Insofern konnte das Gericht die Feststellungen bedenkenlos treffen, die im Übrigen von keiner Partei substantiiert bestritten wurden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Gemäß § 47 EStG 1988 in der damals geltenden Fassung wird die Einkommensteuer bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81) des Arbeitgebers besteht. […]

Gemäß § 78 Abs 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und gemäß § 79 Abs 1 EStG 1988 spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates an das Finanzamt abzuführen.

Gemäß § 81 Abs 1 EStG 1988 gilt als Betriebsstätte für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn jede vom Arbeitgeber im Inland für die Dauer von mehr als einem Monat unterhaltene feste örtliche Anlage oder Einrichtung, wenn sie der Ausübung der durch den Arbeitnehmer ausgeführten Tätigkeit dient.

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Der Umstand, dass die Voraussetzungen des § 83 Abs 2 Z 1 und 4 oder Abs 3 vorliegen, steht einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht entgegen.

Besteht im Inland keine Betriebsstätte iSd § 81 EStG 1988 ist eine Haftung gem § 82 EStG 1988 ausgeschlossen (Hofstätter - Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 82 Tz 2 und 7; Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 82).

Wie festgestellt wurde, hatte die bfP im Inland keine Betriebsstätte iSd § 81 EStG 1988, insofern bestand keine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer und somit kann die bfP auch nicht gem § 82 EStG 1988 zur Haftung herangezogen werden.

Die Haftungsbescheide waren daher aufzuheben. Eine weitere Auseinandersetzung mit den übrigen Punkten, insbesondere der Frage, ob § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung in Verbindung mit § 82 EStG 1988 eine Haftung begründen könnte, erübrigte sich. Dies ergibt sich daraus, dass das Vorliegen eines Befreiungsbescheides eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung darstellt, ein solcher Bescheid aber nicht erlassen wurde.

Ebenso ist es für die Entscheidung in diesem Beschwerdeverfahren unerheblich, ob die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente zutreffen, da die Bescheide bereits aus dem Grund aufzuheben waren, dass keine Betriebsstätte im Inland vorlag.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolgen ergeben sich eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt demnach nicht vor. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100843.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100843.2018

Fundstelle(n):
YAAAF-43942