Abstellen des von einer Ärztin gelenkten Kraftfahrzeuges zur Leistung ärztlicher Hilfe
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RV/7500428/2024-RS1 | Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Befreiung von der Parkometergebühr gemäß § 6 lit. d Parkometerverordnung betreffend Ärzte, die zum Zweck der Leistung ärztlicher Hilfe ein Fahrzeug lenken und abstellen, ist zumindest glaubhaft zu machen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Seywald in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51/2005 idgF, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 9/2006 idgF, über die Beschwerde vom gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: MA67/gzInnenteil/2024, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) kraft Gesetzes nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Straferkenntnis vom , Zahl: MA67/gzInnenteil/2024, hat der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) Frau ***Bf1*** (Beschwerdeführerin) angelastet, sie habe die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt, indem sie das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** am um 11:49 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in ***2***, abgestellt habe, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben.
Dadurch habe die beschwerdeführende Partei die Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über die beschwerdeführende Partei gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.
Ferner habe die beschwerdeführende Partei gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG einen Betrag von € 10,00 als Mindestbeitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) betrage daher € 70,00.
Das Straferkenntnis wurde folgendermaßen begründet:
"Sie haben das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug an der im Spruch bezeichneten Örtlichkeit und zur angeführten Zeit in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten/aktivierten Parkschein gesorgt zu haben. Im Fahrzeug befand sich lediglich die "Arzt im Dienst"-Tafel mit der Nr. ***9***.
Bereits vor Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens langte bei der Behörde am eine Eingabe ein, in welcher Sie zusammengefasst einwendeten, dass Sie aufgrund eines medizinischen Notfalls mit dem Auto Ihrer Mutter zu Ihrer Ordination im ***3*** fuhren und aus diesem Grund das "Arzt im Dienst"-Schild rechtmäßig im Fahrzeug hinterlegten. Den Namen Ihres Patienten möchten Sie aus Datenschutzgründen nicht bekannt geben, bitten jedoch um Annullierung der verhängten Strafe.
Da jedoch auf eine Anonymverfügung kein Rechtsmittel eingebracht werden kann, wurde Ihnen die Übertretung mit Strafverfügung vom angelastet und wendeten Sie in Ihrem fristgerecht eingebrachten Einspruch den gleichen Sachverhalt, wie in Ihrer Eingabe vom , ein.
Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom wurden Ihnen die Angaben des Meldungslegers in der Anzeige samt Fotos zur Kenntnis gebracht und Ihnen mitgeteilt, die in Ihrem Einspruch beschriebene ärztliche Hilfeleistung durch konkrete Angaben (z.B. Name, Wohn- und Behandlungsort des Patienten) glaubhaft zu machen.
In Ihrer Stellungnahme brachten Sie hervor, dass Sie am besagten Tag aufgrund eines ungeplanten medizinischen Notfalls mit dem Auto Ihrer Mutter zu Ihrer Ordination im ***3*** fuhren und aus diesem Grund das "Arzt im Dienst"-Schild im Fahrzeug hinterlegten. Die Erkrankung und Namen Ihres Patienten können Sie auf Wunsch des Patienten nicht bekannt geben. Ebenfalls wurde der Vermerk /nachzulesen auch im Praxisplan der Ärztekammer (praxisplan.at)" in Ihrer Stellungnahme angehängt.
Unbestritten blieb somit sowohl Ihre Lenkereigenschaft, als auch, dass das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt an der in Rede stehenden Örtlichkeit abgestellt war.
Dazu wird festgestellt:
Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurparkzone abstellt, muss bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten (§ 5 Abs. 2 der Parkometerabgabeverordnung).
Nach der eng auszulegenden Ausnahmebestimmung des § 6 lit. d Parkometerabgabeverordnung ist die Abgabe für Fahrzeuge, die von Ärzten bei einer Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe gelenkt werden, nicht zu entrichten, sofern sie beim Abstellen mit einer Tafel gemäß § 24 Abs. 5 StVO 1960 gekennzeichnet sind. Dies muss jedoch durch Vorlage geeigneter Beweismittel dargelegt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bei Verfahren hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verwendung der Tafel "Arzt im Dienst" für den straßenpolizeilichen Bereich judiziert, dass die Verwendung einer solchen Tafel zur Inanspruchnahme des privilegierten Abstellens allein nicht ausreicht, sondern die ärztliche Hilfeleistung nachgewiesen werden muss. Bei analoger Anwendung dieser eindeutigen Judikatur im Abgabenrecht bedeutet dies, dass die ärztliche Hilfeleistung auch im Beanstandungszeitpunkt nachgewiesen werden muss, um die Abgabenfreiheit zu beweisen.
Ein Arzt als Beschuldigter in einem Verwaltungsstrafverfahren ist berechtigt, ohne Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht gemäß §54 Abs. 2 Ärztegesetz, selbst ohne mögliche Entbindung, den Namen und den Wohnsitz des Patienten bekannt zu geben.
Sie haben die ärztliche Hilfeleistung zwar eingewendet, jedoch durch keine geeigneten Beweismittel glaubhaft gemacht.
Ihre Einwendungen waren sohin nicht geeignet Sie vom angelasteten Tatvorhalt zu entlasten.
Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaubt bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liegt im gegenständlichen Fall daher nicht vor.
Abgabepflichtige, die ein mehrspuriges Fahrzeug in einer Kurzparkzone abstellen, haben dafür zu sorgen, dass es während der Dauer seiner Abstellung mit einem richtig angebrachten und richtig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder ein elektronischer Parkschein aktiviert ist (§§ 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 der Kontrolleinrichtungenverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 33/2008).
Dieser Verpflichtung sind Sie nicht nachgekommen.
Nach § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes 2006 genügt zur Strafbarkeit des dort umschriebenen Verhaltens Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet, nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.
Auf Grund der Aktenlage war Fahrlässigkeit anzunehmen.
Somit sind sowohl die objektiven, als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit gegeben.
Sie haben die Parkometerabgabe daher nicht entrichtet und somit fahrlässig verkürzt.
Jedes fahrlässige Verkürzen der Parkometerabgabe, d.h. jedes Abstellen eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone, ohne dass hierfür die nach der Parkometerabgabeverordnung vorgeschriebene Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet wird, schädigt in nicht unerheblichem Maße sowohl das öffentliche Interesse an der Entrichtung von Abgaben, als auch an der Erleichterung des innerstädtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenen Parkraumes, dem die Strafdrohung dient.
Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist im Hinblick auf den Sachverhalt - selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen - nicht gerade gering.
Dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist auf Grund der Tatumstände nicht anzunehmen und es kann daher Ihr Verschulden nicht als geringfügig angesehen werden.
Bei der Strafbemessung wurden Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten, soweit diese der Behörde bekannt waren, berücksichtigt. Zudem wurde auf eventuell vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen Bedacht genommen.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis zu EUR 365,00 reichenden Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden ist die verhängte Geldstrafe selbst bei Annahme von ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen, durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind.
Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Verfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs. 2 des VStG 1991."
In der Beschwerde vom wurde ausgeführt:
"Ich möchte gegen die vorgeschriebenen Strafe mit den GZ MA67/gzInnenteil/2024 Einspruch erheben. Auf Grund eines medizinischen Notfalls war ich an diesem Tag mit dem Auto meiner Mutter (Zulassungsinhaberin ***4***) in meiner Ordination an der beschriebenen Adresse (***3***, ***5*** ***Bf1***). Die Behandlung erfolgte in der Ordination, da sich die notwendigen Geräte nur dort befinden und ich diese nicht mitnehmen kann.
Aus diesem Grund war auch mein "Arzt im Dienst" Schild rechtmäßig im Auto aufgelegt. Der Namen der betreffenden Patientin lautet ***6******7***.
Ich bitte daher um Annullierung der verhängten Strafe."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin hat als Lenkerin das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ***1*** am in der im ***8*** Wiener Gemeindebezirk befindlichen, gebührenpflichtigen Kurzparkzone, ***2***, abgestellt, sodass es dort um 11:49 Uhr ohne Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein stand. Das Fahrzeug war mit der das Amtssiegel der Wiener Ärztekammer tragenden Arzt-im-Dienst-Tafel vom , Nummer ***9*** gekennzeichnet. Diese Tafel wurde von der Wiener Ärztekammer, welcher die Beschwerdeführerin angehört, ausgestellt. Die Beschwerdeführerin ist angestellte Ärztin und niedergelassene Ärztin mit den Fachrichtungen ***10*** sowie ***11***. Sie hat ihre Ordination in der Nähe des gegenständlichen Abstellortes. Die Beschwerdeführerin hatte das gegenständliche, auf ihre Mutter zugelassene Kraftfahrzeug gelenkt und am gegenständlichen Ort abgestellt, um zu ihrer Ordination zu gelangen und dort dringend eine unvorhergesehene Behandlung an einer Patientin vorzunehmen.
Beweiswürdigung:
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde vom erstmals Name und Adresse der Patientin, deren Behandlung in ihrer Ordination aufgrund eines medizinischen Notfalles sie schon davor geltend gemacht hatte, genannt. Name und Adresse der genannten Patientin stimmen mit den Daten des Zentralen Melderegisters überein. Damit ist die - von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses u.a. vermisste - Glaubhaftmachung der Leistung ärztlicher Hilfe an einer kranken Person in der Ordination der Beschwerdeführerin als Grund des gegenständlichen Abgestelltseins des mehrspurigen Kraftfahrzeuges erbracht. Das Vorbringen, dass die Patientin sich zur Behandlung in die Ordination, wo sich die notwendigen Geräte befinden, begeben musste, ist glaubwürdig. Mehr als die Glaubhaftmachung kann von der Beschwerdeführerin nicht verlangt werden.
Der restliche Sachverhalt ist unstrittig und durch Folgendes nachgewiesen: Beanstandung durch das Parkraumüberwachungsorgan und von diesem angefertigte Fotos; von der Mutter der Beschwerdeführerin als Zulassungsbesitzerin am erteilte Lenkerauskunft; Praxisplan der Ärztekammer Wien; Auskunft der Wiener Ärztekammer vom zur Ausstellung der gegenständlichen Arzt-im-Dienst-Tafel an die Beschwerdeführerin; Plan des Abstellortes samt Umgebung.
Rechtliche Würdigung:
§ 17 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz (FAG) 2024 ermächtigt bezughabend die Gemeinden, durch Beschluss der Gemeindevertretung u.a. folgende Abgaben auszuschreiben:
"5.Abgaben für das Abstellen mehrspuriger Kraftfahrzeuge in Kurzparkzonen gemäß § 25 StVO 1960. Ausgenommen sind:
…
c)Fahrzeuge, die von Ärzten bei einer Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe gelenkt werden, sofern sie beim Abstellen mit einer Tafel gemäß § 24 Abs. 5 StVO 1960 gekennzeichnet sind;
…"
§ 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"Für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) ist eine Abgabe zu entrichten."
§ 5 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"(1) Die Abgabe gilt mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.
(2) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken."
§ 6 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert bezughabend:
"Die Abgabe ist nicht zu entrichten für:
…d) Fahrzeuge, die von Ärzten bei einer Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe gelenkt werden, sofern sie beim Abstellen mit einer Tafel gemäß § 24 Abs. 5 StVO 1960 gekennzeichnet sind …"
§ 24 Abs. 5 StVO normiert:
"(5) Ärzte, die zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sind, dürfen bei einer Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug für die Dauer der Hilfeleistung auch auf einer Straßenstelle, auf der das Halten oder Parken verboten ist, abstellen, wenn in der unmittelbaren Nähe des Aufenthaltes des Kranken oder Verletzten kein Platz frei ist, auf dem gehalten oder geparkt werden darf, und durch das Aufstellen des Fahrzeuges die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird. Während einer solchen Aufstellung ist das Fahrzeug mit einer Tafel, welche die Aufschrift "Arzt im Dienst" und das Amtssiegel der Ärztekammer, welcher der Arzt angehört, tragen muß, zu kennzeichnen. Außer in diesem Falle ist eine solche Kennzeichnung von Fahrzeugen verboten."
§ 54 ÄrzteG 1998 normiert bezughabend:
"(1) Die Ärztin/der Arzt und ihre/seine Hilfspersonen sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet.
(2) Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht, wenn
… 4. die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen
… b) der Rechtspflege …
unbedingt erforderlich ist"
Ein Arzt, gegen den ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde, kann sich nicht mit Erfolg auf die in § 54 ÄrzteG 1998 normierte Schweigepflicht berufen und die Bekanntgabe des Namens und der Adresse des von ihm besuchten Patienten verweigern, da eine solche Verpflichtung nicht besteht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt durch Interessen .... der Rechtspflege gerechtfertigt ist. Gibt ein Arzt in einem solchen Fall Name und Adresse des von ihm besuchten Patienten bekannt, so begeht er weder eine Übertretung nach § 136 iVm § 54 ÄrzteG 1998, noch verstößt er gegen § 121 StGB (vgl. , Rechtssatz Nr. 5 mwN).
Bei einer Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe muss es sich um einen konkreten Fall der Leistung ärztlicher Hilfe handeln, weshalb die Fahrt in die gewöhnliche Ordination oder gewöhnlichen Dienst im Krankenhaus, ohne dass ein Hilferuf dorthin erfolgt, nicht darunterfällt (, mit Verweis auf Kammerhofer, Arzt im Dienst, KJ 1968, S. 70).
§ 4 Wiener Parkometergesetz 2006 normiert bezughabend:
"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen. …"
§ 45 VStG normiert bezughabend:
"(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2.der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
…"
Die belangte Behörde lastete der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid (Straferkenntnis) die Verletzung von § 5 Abs. 2 (Wiener) Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 (Wiener) Parkometergesetz 2006 an.
§ 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung (insbesondere: "Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten") ist die Verwaltungsvorschrift (hier: Gebotsnorm) im Sinne des § 44a Z 2 VStG, deren Verletzung die belangte Behörde der Beschwerdeführerin anlastet. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist der Ausnahmetatbestand des § 6 lit. d Parkometerabgabeverordnung erfüllt und die Beschwerdeführerin hatte gegenständlich die Parkometerabgabe nicht zu entrichten, sodass sie § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung nicht verletzt hat.
§ 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 (insbesondere: "Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird") ist die angewendete Gesetzesbestimmung im Sinne des § 44a Z 3 VStG (Strafsanktionsnorm), welche die Übertretung der Verbotsnorm oder Gebotsnorm zur Verwaltungsübertretung macht und die Strafdrohung enthält. Da die Beschwerdeführerin hier mangels Verpflichtung zur Entrichtung der Parkometerabgabe diese Abgabe weder (vorsätzlich) hinterzogen noch fahrlässig verkürzt haben kann, hat sie das Tatbild des § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 nicht erfüllt.
Folglich ist die Beschwerdeführerin nicht zu bestrafen und das angefochtene Straferkenntnis ist ersatzlos aufzuheben. Damit wäre das Verwaltungsstrafverfahren aber noch nicht abgeschlossen. Da gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG und Art. 130 Abs. 4 Satz 1 B-VG das Verwaltungsgericht in Verwaltungsstrafsachen eine (komplette) Entscheidung in der Sache zu treffen hat, wird in der vorliegenden Entscheidung (Erkenntnis) auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ausgesprochen (vgl. , Rechtssatz 1 und ).
Zum Entfall einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
§ 44 VwGVG normiert:
"(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist."
Es war keine mündliche Verhandlung durchzuführen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu Kostenentscheidung:
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
Da der Beschwerde stattgegeben wird, ist kein Verfahrenskostenbeitrag hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Art. 133 B-VG normiert bezughabend:
"(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
(6) Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben:
1. wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;
2. die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; […]"
§ 25a VwGG normiert:
"(4) Wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache
1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und
2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde,
ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig."
Weil nach § 4 Abs. 1 des Wiener Parkometergesetzes 2006 lediglich eine Geldstrafe von bis zu 365 Euro und keine primäre Freiheitsstrafe verhängt werden darf, ist eine Revision durch die beschwerdeführende Partei unzulässig (vgl. VwGH, , Ra 2022/16/0080, mwN).
Die (ordentliche) Revision für die belangte Behörde ist unzulässig, weil für die vorliegende Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes Tatfragen (Sachverhaltsfeststellungen, Beweiswürdigung), welche keine Rechtsfragen sind, maßgebend waren (vgl. ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | Art. 130 Abs. 4 Satz 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 45 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 24 Abs. 5 StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 24 StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 § 54 ÄrzteG 1998, Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 6 lit. d Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 44a Z 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 44a Z 3 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7500428.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at