Fonds für allgemeine Bankrisiken ist Teil der Bemessungsgrundlage
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RV/7102463/2023-RS1 | Hätte der Gesetzgeber neben Rücklagen iSd Art 26 Abs 1 e CRR auch den Fonds für allgemeine Bankrisiken (Art 26 Abs 1 lit f CRR) bei der Bemessungsgrundlage zur Stabilitätsabgabe abziehen lassen wollen, hätte er ihn – weil er sowohl nach CRR als auch nach BWG ein eigener Gliederungsposten neben den Rücklagenposten ist – explizit in das Gesetz aufgenommen oder die Formulierung des § 2 Abs 2 Z 2 StabAbgG weiter gefasst, als den eindeutigen Ausdruck „Rücklagen“ zu verwenden.
Diese Interpretation wird von den Gesetzesmaterialien gestützt, weil sie erläuternd nur jene Bilanzposten aufzählen, die das Wort „Rücklage“ enthalten (vgl 981 BlgNR XXIV. GP). Da weder im Gesetz noch in den Materialien an irgendeiner Stelle Bezug auf den „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ genommen wird, ist er nicht von der Bemessungsgrundlage des StabAbgG abzuziehen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Großbetriebe vom betreffend Stabilitätsabgabe 2017-2020, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Nach einer Außenprüfung beim beschwerdeführenden Kreditinstitut ist strittig, ob der Sonderposten 6A mit der Bezeichnung "Fonds für allgemeine Bankrisiken" (§ 57 Abs 3 BWG) die Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe vermindert, weil er unter § 2 Abs 2 Z 2 StabAbgG (gezeichnetes Kapital und Rücklagen) subsumierbar sei, oder nicht.
Die belangte Behörde führt für ihren Standpunkt ins Treffen, der Fonds für allgemeine Bankrisiken sei im StabAbgG als Abzugsposten nicht explizit aufgelistet und verweist hierzu im Bericht über die Außenprüfung auf "die erläuternden Bemerkungen zu BGBl I StabAbgG"; in der gesonderten Begründung zur Beschwerdevorentscheidung vom führt sie ihre Rechtsansicht näher aus:
Die "erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 981 zu BGBl. I Nr. 111/2020" [korrekt 981 BlgNR XXIV. GP] konkretisierten, dass unter dem Punkt "gezeichnetes Kapital und Rücklagen" die in Anlage 2 zu § 43 BWG genannten Punkte Z 9 (als gezeichnetes Kapital) und Z 10, 11, 12 und 14 (als Rücklagen) zu verstehen seien. Von der durchschnittlichen unkonsolidierten Bilanzsumme als Bemessungsgrundlage (§ 2 Abs 1 StabAbgG) seien die in § 2 Abs 2 StabAbgG genannten Beträge abzuziehen; in dieser Aufzählung sei der "Fonds für allgemeine Bankrisiken" nicht enthalten. Entgegen dem Vorbringen der Bf, die gestützt auf begleitende Materialien betreffend den Ministerialentwurf zu § 2 Abs 2 StabAbgG das Eigenkapital und die gesicherten Einlagen von Z 2 leg cit erfasst sehen wolle, habe der Gesetzgeber eine andere Formulierung gewählt: § 2 Abs 2 Z 2 StabAbgG spreche nicht dezidiert von jeglichem Eigenkapital bzw jeglichen gesicherten Einlagen, sondern von "folgenden Beträgen"; der Gesetzgeber beziehe sich in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage auf den Aufbau einer Bilanz im Sinne des BWG und zähle die unter Z 2 leg cit erfassten Ziffern auf. Der Fonds für allgemeine Bankrisiken sei unter Z 6a auf der Passivseite der Bilanz aufgelistet und in der erschöpfenden Aufzählung des Gesetzgebers somit nicht enthalten. Durch die Formulierung des Gesetzes lasse sich ableiten, dass die Ausnahmen von der Bemessungsgrundlage nach Abs 2 eng auszulegen seien; eine sinngemäße Ausdehnung der Aufzählung durch den Gesetzgeber sei daher nicht möglich.
Demgegenüber bringt die Bf vor, der Fonds für allgemeine Bankrisiken sei eindeutig eine Rücklage und zähle bei der Berechnung der Eigenmittel zum TIER 1-Kapital (hartes Eigenkapital). In Art 26 Abs 1 lit f der Capital Requirements Regulation (CRR) sei der Fonds für allgemeine Bankrisiken explizit angeführt und stehe daher mit ausgegebenen Kapitalinstrumenten, einbehaltenen Gewinnen und Rücklagen auf derselben Stufe. Auch die Literatur messe ihm Rücklagencharakter zu (Dellinger, BWG-Kommentar (2017) § 57 Tz 20). Aus allgemeiner steuerrechtlicher Sicht sei der Fonds für allgemeine Bankrisiken als Eigenkapital zu betrachten, denn es handle sich um Gewinnverwendung (Lachmayer, SWK 2017, 86). Nach den Materialien zum Ministerialentwurf (234/ME XXIV. GP) zu § 2 StabAbgG sei die Stabilitätsabgabe von der um das Eigenkapital und gesicherte Einlagen verminderten Bilanzsumme zu berechnen. Dass der Fonds für allgemeine Bankrisiken nicht in der Aufzählung der erläuternden Bemerkungen enthalten ist, liege an der untypischen Position zwischen Rückstellungen und Ergänzungskapital, die historische Gründe habe und sich nicht auf die Qualität als Eigenkapital auswirken könne. Darüber hinaus komme der Aufzählung in den erläuternden Bemerkungen nur demonstrativer Charakter zu.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf ist eine Bank, die in den Erklärungen zur Stabilitätsabgabe 2017-2020 bei der Berechnung den Fonds für allgemeine Bankrisiken basierend auf § 2 Abs 2 Z 2 StabAbgG von der Bemessungsgrundlage abgezogen hat. In den dazu ergangenen Bescheiden hat die belangte Behörde diese Bilanzposition wieder hinzugerechnet.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Strittig ist lediglich die Rechtsfrage.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs 2 StabAbgG ist die Bilanzsumme des Kreditinstitutes nach den Vorschriften der §§ 43 ff BWG und der Anlage 2 zu § 43 BWG zu ermitteln. Die Bilanzsumme ist unter anderem um gezeichnetes Kapital und Rücklagen zu vermindern (Z 2 leg cit).
Die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute (Capital Requirements Regulation, CRR) sieht in ihrem Titel I (Bestandteile der Eigenmittel) in Art 26 Abs 1 vor, dass zum "harten Kernkapital" folgende Posten gehören:
a) Kapitalinstrumente, die die Voraussetzungen des Artikels 28, oder gegebenenfalls des Artikels 29 erfüllen,
b) das mit den Instrumenten nach Buchstabe a verbundene Agio,
c) einbehaltene Gewinne,
d) das kumulierte sonstige Ergebnis,
e) sonstige Rücklagen,
f) der Fonds für allgemeine Bankrisiken.
Die unter den Buchstaben c bis f genannten Posten werden nur dann als hartes Kernkapital anerkannt, wenn sie dem Institut uneingeschränkt und unmittelbar zur sofortigen Deckung von Risiken oder Verlusten zur Verfügung stehen.
Gemäß § 43 Abs 2 BWG sind die Bilanzen aller Kreditinstitute und Kreditinstitute-Verbünde mit Ausnahme der Bausparkassen entsprechend der Gliederung der in der Anlage enthaltenen Formblätter aufzustellen.
Die Passivseite der Bilanz ist gemäß dieser Anlage wie folgt zu gliedern:
1. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten
2. Verbindlichkeiten gegenüber Kunden
3. Verbriefte Verbindlichkeiten
4. Sonstige Verbindlichkeiten
5. Rechnungsabgrenzungsposten
6. Rückstellungen
6a. Fonds für allgemeine Bankrisiken
7. Ergänzungskapital (Teil 2 Titel I Kapitel 4 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013)
8. Zusätzliches Kernkapital (Teil 2 Titel I Kapitel 3 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013)
darunter: Pflichtwandelschuldverschreibungen gemäß § 26a BWG
8b. Instrumente ohne Stimmrecht gemäß § 26a BWG
9. Gezeichnetes Kapital
10. Kapitalrücklagen
11. Gewinnrücklagen
a) gesetzliche Rücklage
b) satzungsmäßige Rücklagen
c) andere Rücklagen
12. Haftrücklage gemäß § 57 Abs. 5 BWG
13. Bilanzgewinn/Bilanzverlust
14. unversteuerte Rücklagen (aufgehoben mit BGBl. I Nr. 118/2016)
§ 57 Abs 3 BWG lautet: "Kreditinstitute dürfen auf der Passivseite ihrer Bilanz zur Sicherung gegen allgemeine Bankrisiken einen Sonderposten 6A mit der Bezeichnung "Fonds für allgemeine Bankrisiken" bilden. In diesen Fonds können jene Beträge eingestellt werden, die das Kreditinstitut zur Deckung besonderer bankgeschäftlicher Risiken aus Gründen der Vorsicht für geboten erachtet. Die Zu- und Abgänge des Fonds sind in der Bilanz des Kreditinstitutes gesondert auszuweisen. Der Fonds muss dem Kreditinstitut zum Ausgleich von Verlusten unbeschränkt und sofort zur Verfügung stehen."
Der Bf ist insoweit beizupflichten, als den Gesetzesmaterialien keine taxative Aufzählung unterstellt werden kann - schon deshalb nicht, weil sie nur zur Auslegung dienen und damit keine normative Kraft entfalten. Es ist ihr auch zuzustimmen darin, dass der Fonds für allgemeine Bankrisiken zum Eigenkapital zählt und einen ähnlichen Charakter wie eine Rücklage hat; dafür spricht neben dem Wortlaut von Art 26 Abs 1 CRR (betreffend Eigenkapital) auch, dass die Mittel aus diesem Bilanzposten gemäß § 57 Abs 3 BWG dem Kreditinstitut unbeschränkt und sofort zur Verfügung stehen müssen.
Allerdings sind gemäß § 2 Abs 2 Z 2 StabAbgG eben nur "gezeichnetes Kapital und Rücklagen" abzuziehen. Weder handelt es sich beim Fonds für allgemeine Bankrisiken um gezeichnetes Kapital (was auch nicht vorgebracht worden ist), noch ist er eine Rücklage.
Die Tatsache, dass er Eigenkapital darstellt, hilft der Bf nicht weiter, denn gemäß ihrer Argumentation, nach den Materialien zum Ministerialentwurf (234/ME XXIV. GP) zu § 2 StabAbgG sei die Stabilitätsabgabe von der um das Eigenkapital und gesicherte Einlagen verminderten Bilanzsumme zu berechnen, müsste auch der Bilanzgewinn abgezogen werden, was unbestrittenermaßen nicht der Fall ist. Damit muss der Hinweis auf "das Eigenkapital" als überschießende Vereinfachung in den Materialien des Ministerialentwurfes gewertet werden.
Die Tatsache, dass der Fonds Ähnlichkeit mit einer Rücklage hat - weil er Eigenkapital darstellt, aber weder dem gezeichneten Kapital noch dem Bilanzgewinn zugerechnet werden kann - reicht jedoch nicht aus, um ihn auch tatsächlich unter den Begriff der Rücklagen zu subsumieren. Sowohl das BWG als auch die CRR kennen als Bilanzposten einerseits Rücklagen (vgl Z 10-12 der Bilanzgliederung gemäß § 43 Abs 2 BWG und Art 26 Abs 1 lit e CRR) und andererseits den Fonds für allgemeine Bankrisiken (vgl Z 6a der Bilanzgliederung gemäß § 43 Abs 2 BWG und Art 26 Abs 1 lit f CRR).
Hätte der Gesetzgeber neben Rücklagen iSd Art 26 Abs 1 e CRR auch den Fonds für allgemeine Bankrisiken (Art 26 Abs 1 lit f CRR) bei der Bemessungsgrundlage zur Stabilitätsabgabe abziehen lassen wollen, hätte er ihn - weil er sowohl nach CRR als auch nach BWG ein eigener Gliederungsposten neben den Rücklagenposten ist - explizit in das Gesetz aufgenommen oder die Formulierung des § 2 Abs 2 Z 2 StabAbgG weiter gefasst, als den eindeutigen Ausdruck "Rücklagen" zu verwenden.
Diese Interpretation wird von den Gesetzesmaterialien gestützt, weil sie erläuternd nur jene Bilanzposten aufzählen, die das Wort "Rücklage" enthalten (vgl 981 BlgNR XXIV. GP). Da weder im Gesetz noch in den Materialien an irgendeiner Stelle Bezug auf den "Fonds für allgemeine Bankrisiken" genommen wird, ist er nicht von der Bemessungsgrundlage des StabAbgG abzuziehen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die hier gegenständliche Streitfrage stellt eine Rechtsfrage dar, die über den Einzelfall hinaus bedeutend ist. Da noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu existiert, war die Revision zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 43 BWG, Bankwesengesetz, BGBl. Nr. 532/1993 § 2 Abs. 2 Z 2 StabAbgG, Stabilitätsabgabegesetz, BGBl. I Nr. 111/2010 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102463.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at