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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.11.2024, RV/3100211/2024

Antrag FB-Erhöhung wg. Gendefekt "ab Geburt": Vom Sozialministeriumservice sind die je nach Kindesalter auftretenden Auswirkungen/Funktionsbeeinträchtigungen, nicht die Ursache zu beurteilen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff Nr1, betreffend Abweisung des Antrages auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für den Zeitraum April 2019 - September 2022
zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf:

1. Frau A (= Beschwerdeführerin, Bf) bezieht für die Tochter B, geb. 04/2019, laufend die Familienbeihilfe (FB).

2. Im Akt erliegen zunächst zwei Unterlagen wie folgt:

a) Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice (SMS) "mit Untersuchung" durch Dr.in C, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, vom /, woraus ua. hervorgeht:

" … Derzeitige Beschwerden:
V.a. Perzeptionsstörung
Sprachentwicklungsverzögerung …
…….
Zusammenfassung relevanter Befunde …:
2021-08-13 Entwicklungsneurologische Untersuchung ….
2021-03-18 Neuropädiatrischer Befundbericht ….
2021-03-08 Entwicklungspsychologischer Befund ….
……..
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Entwicklungseinschränkungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr,
Entwicklungsstörung leichten Grades Perzeptionsstörung
Sprachentwicklungsverzögerung (Expressive Sprache)
Verzögertes Erreichen der Meilensteine. Laufalter 21 Monate(soll
18 Mo), … Wahrnehmungsstörung insbesondere die visuomotorische
Entwicklung betreffend. Wahl des mittleren RS wegen einer mäßigen
Entwicklungsstörung der Körperwahrnehmung mit guten Entwicklungsfortschritten
Pos.Nr. GdB 30 %
Gesamtgrad der Behinderung
30 v.H.
…….
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
ja
GdB liegt vor seit:
12/2021 …"

b) SMS-Bescheinigung v. (Metadaten):
GdB: 50 % ab ; Begründung Nachuntersuchung: Unklare Entwicklungsstörung, zur besseren Einschätzung ist eine Verlaufbeurteilung erforderlich.

3. Am hat die Bf mit Formular Beih3 die Gewährung des FB-Erhöhungsbetrages für die Tochter wegen erheblicher Behinderung ("Entwicklungsverzögerung, Perzeptionsproble-matik betr. Körperwahrnehmung, Raumlagewahrnehmung, Koordination, verzögerte sprachliche Entwicklung, MECP2 Duplikationssyndrom") ab Geburt 04/2019 beantragt.

4. In Beantwortung eines Auskunftsersuchens des Finanzamtes hat die Bf im Schreiben v. ausgeführt, die Tochter leide lt. Genetik-Dokumenten seit Geburt an einer Genmutation; folgende ärztliche Befunde wurden vorgelegt:

a) Aufstellung v. einer Vielzahl von Diagnosen und Untersuchungen durch Dr. D, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, im Zeitraum bis ;

b) Zytogenetischer Befund v. , Zentrum Medizinische Genetik OrtX, wonach ein MECP2-Duplikationssyndrom ("Zugewinn in der Chromosomenbande Xq28") vorliegt, und weiter:
Dieses betreffe vorwiegend Buben/Männer verbunden mit schweren globalen Entwicklungs-störungen. Bei Frauen komme es durch X-Inaktivierung zu milderen phänotypischen Ausprägungen, die von einer normalen geistigen Entwicklung über eine leichte Entwicklungs-störung bis zu einer schweren globalen Entwicklungsstörung reiche und mit großer Wahrscheinlichkeit die globale Entwicklungsverzögerung bei der Tochter der Bf erkläre;

c) Molekulargenetischer Befund v. , Zentrum Medizinische Genetik OrtX, worin die MECP2-Duplikation bestätigt wird.

5. Anschließend wurde ein weiteres Sachverständigengutachten beim Sozialministeriumservice angefordert und "aufgrund der Aktenlage" am 22./ durch Dr.in C auszugsweise folgenden Inhalts erstellt:

" .… Zusammenfassung relevanter Befunde …:
- 2023-05-09 Arztbrief 24h EEG- Chromosomenanalyse 5/2022 heterozygote Mikroduplikation
Xq28 die das MECP2-Gen betrifft (MECP2-Duplikationssyndrom) ….
- Zusammenfassung Praxis
D Diagnosen ….
- 2022-12-27 Entwicklungsneurologische Untersuchung OA
DrE ….
……..
Behandlungen …:
Frühförderung … Ergotherapie, Logopädie …

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Entwicklungsstörung mittleren Grades, Sprachentwicklungsstörung
umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen
(Perzeptionsproblematik, sensorische Integration, Koordination,
Aufmerksamkeitsspanne)
Entwicklungsstörung mit leicht verzögertem Erreichen der Meilensteine
nach FG 35 SSW, Laufalter 21 Monate (Soll 18 Mo), Sprechalter 2,5 Jahre, mit
2 Jahren 7 Monaten ca. 20 Wörter (soll 25
Monate), wechselnde Aufmerksamkeit
nach Interesse, kein Hinweis für autistische Störung, freundlich zugewandt,
Rollenspiele. Im Alter von 3,5 Jahren beträgt die Entwicklungsverzögerung
ca. 12 Monate, was ein GdB von 50 % Mittelgradige Entwicklungsstörung
mit ernsthafter sozialer Beeinträchtigung entspricht.
Pos.Nr. GdB 50 %
Gesamtgrad der Behinderung
50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Im Gutachten vom wurde bereits eine syndromale Entwicklungsstörung in Betracht gezogen und längerfristige Entwicklungsauffälligkeiten angenommen. Der ergänzende genetische Befund eines MECP2-Duplikations-Syndroms hat keinen Einfluss auf die Beurteilung des Funktionsniveaus der Entwicklung. Es liegt keine degenerative Erkrankung vor, die Entwicklung ist fortschreitend. Eine Epilepsie konnte zwischenzeitlich mit einem 24 h EEG ausgeschlossen werden, weiters besteht kein Hinweis für eine tiefgreifende Entwicklungs-störung. Das MECP2-Duplikations-Syndrom ist bei Knaben eine schwer verlaufende Störung, hingegen sind Mädchen aufgrund ihres 2. X-Chromosoms häufig mit teilweiser Inaktivierung des Gendefektes nur mild betroffen oder sogar unauffällig in ihrer Entwicklung. Der rückwirkenden Einstufung einer höhergradigen Behinderung von Geburt an kann nicht stattgegeben werden. In der Begutachtung vom (Alter 2 Jahre 9 Monate) wurde keine höhergradige Entwicklungsstörung nachgewiesen und ein Behinderungsgrad von 30 % vergeben. Diese Einschätzung deckt sich mit den regelmäßigen Aufzeichnungen der KIFÄ Fr. Dr.
D mit einer leicht verzögerten Entwicklung im Bereich der expressiven Sprache und Motorik. Die Einschätzung erfolgt auf Anfrage seit Geburt.
…….
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:
ja
GdB liegt vor seit:
10/2022
GdB 30 liegt vor seit:
04/2019
Begründung GdB liegt rückwirkend vor:
rückwirkende Einschätzung seit Geburt nach Funktionsniveau siehe oben

Nachuntersuchung in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Verbesserung der Entwicklung unter intensiver Förderung ist möglich.
Beurteilung mit aktuellen Befunden …."

6. Der Antrag auf Gewährung des FB-Erhöhungsbetrages wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom , Ordnungsbegriff Nr1, für den Zeitraum "April 2019 bis September 2022" abgewiesen, da die Voraussetzung eines GdB von zumindest 50 % - lt. dem gesondert an die Bf übermittelten SMS-Gutachten v. - nicht vorliege.

7. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird vorgebracht:
Entgegen der Gutachterin würden aus der Aufstellung der Diagnosen von Dr. D bereits ab den ersten Lebenswochen unklare, sich dann über die Jahre verdichtende, massive Entwicklungsverzögerungen in allen Bereichen - nicht nur sprachlich und motorisch - hervorgehen. Die massiven geistigen Funktionseinschränkungen, wie sie sich aus dem Entwicklungspsychodiagnostischen Befund nach Untersuchung am ergäben, seien von der Gutachterin nicht berücksichtigt worden; entgegen diesem Befund bestehe für sie "kein Hinweis auf eine tiefgreifende Entwicklungsstörung". Daran anschließend beschreibe der Befund der Entwicklungsdiagnostik v. schwerwiegende, alle Bereiche umfassende Entwicklungsverzögerungen. Die Diagnose MECP2-Duplikations-Syndrom habe dann den massiv ab der Geburt auftretenden Auffälligkeiten bei der Tochter einen Namen gegeben. Die Begründung der Gutachterin, diesbezüglich seien Mädchen milder betroffen, treffe auf die Tochter der Bf nicht zu, da sie alle typischen Symptome dieses Syndroms zeige. Da der Gendefekt ab Geburt vorliege und kontinuierlich, trotz aller verfügbaren Therapien, die Entwicklung der Tochter behindere, stehe der FB-Erhöhungsbetrag ab Geburt zu. Bei einer erforderlichen Neu-Begutachtung werde um Einsatz einer unabhängigen Gutachter:in ersucht.
An Unterlagen wurden nochmals die Aufstellung Diagnosen Dr. D, der Zytogenetische Befund v. sowie der Molekulargenetische Befund v. beigebracht. Weiters vorgelegt wurden:

a) Entwicklungspsychodiagnostischer Befund der Universitätsklinik für Pädiatrie v. , Untersuchung :
Lt. dortiger "Zusammenfassung" liegt bei der Tochter aktuell, verglichen mit ihrer korrigierten Altersnorm, eine durchschnittliche Sprachentwicklung vor; fein- und grobmotorisch befinde sie sich (noch) im Durchschnitt. Kognitiv und in der expressiven Sprachentwicklung sind die Meilensteine der Entwicklung noch nicht erreicht. Es werden Kontrollen und eine Frühförderung empfohlen.

b) Entwicklungsdiagnostik-Befund der Kinderpsychologischen Praxis Mag. F v. :
Laut "Zusammenfassung" zeige die Tochter in ihrer Gesamtentwicklung deutlich unterdurchschnittliche Leistungen, dies mit einer Verzögerung beim Entwicklungsalter von rund 8 bis 10 Monaten. Verschiedene Maßnahmen (Ergotherapie, Frühförderung, Logopädie) werden angeraten.

8. Das Finanzamt hat daraufhin beim Sozialministeriumservice ein weiteres Sachverständigen-gutachten angefordert, das am 2./ "aufgrund der Aktenlage" durch Dr.in C wie folgt erstellt wurde:

"… Zusammenfassung relevanter Befunde …:
es wurden keine neuen Befunde vorgelegt
Kinderklinik
OrtX
(Anmerkung: zitiert wird aus der "Zusammenfassung" lt. Entwicklungspsychodiagnostischem Befund der Universitätsklinik für Pädiatrie v. , siehe oben)
..….
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Entwicklungsstörung mittleren Grades, Sprachentwicklungsstörung
umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen
(Perzeptionsproblematik, sensorische Integration, Koordination,
Aufmerksamkeitsspanne)
Entwicklungsstörung mit leicht verzögertem Erreichen der Meilensteine
nach FG 35 SSW (Gemini), Laufalter 21 Monate (Soll 18 Mo), Sprechalter 2,5
Jahre, mit 2 Jahren 7 Monaten ca. 20 Wörter (soll 25
Monate),
wechselnde Aufmerksamkeit nach Interesse, kein Hinweis für autistische
Störung -
freundlich zugewandt, Rollenspiele. Im Alter von 3,5 Jahren beträgt die Entwicklungsverzögerung ca. 12 Monate, was eine GdB von 50 % einer
mittelgradigen Entwicklungsstörung mit ernsthafter sozialer
Beeinträchtigung entspricht.
Pos.Nr. GdB 50 %
Gesamtgrad der Behinderung
50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Für die Begutachtung wird das Funktionsdefizit ex post beurteilt. Es werden für den Zeitraum von Geburt bis Sept. 2022 keine neuen Befunde nachgereicht. Der genetische Befund ist für eine rückwirkende Einschätzung nicht entscheidend und wurde fachlich im Vorgutachten ausreichend berücksichtigt. Entgegen der Behauptung der KM habe ich selbstverständlich eine langjährige Expertise als klinische Genetikerin mit Zusatzfach Humangenetik und kann auch komplexe genetische Syndrome und Befunde interpretieren (i.a. potentielle skewed X-Inaktivation im zentralen Nervensystem, Mosaikbefund etc.). Es kann auch widerlegt werden, dass im Alter von korrigiert 18 Monaten eine "massive geistige Beeinträchtigung" vorgelegen hat. Die Bayley Diagnostik vom beurteilt keinen IQ (Intelligenzquotient, Kognition) sondern einen EQ (Entwicklungsquotient), da die Kleinkinder zur standardisierten kognitiven Testung noch viel zu jung sind, was auch der Versuch 6/2022 von Mag.
F gezeigt hat (ausschließlich Beobachtung/deskriptiv). Die Entwicklung wurde mit 18 Monaten im Bereich der rezeptiven Sprache (Sprachverständnis), Fein- und Grobmotorik noch im Bereich der Norm, in der expressiven Sprache waren die Meilensteine noch nicht erreicht. Diese Befunde schließen eine schwerwiegende, massive Entwicklungsstörung aus. Ex post wurde kein Untersuchungs-ergebnis vorgelegt, das eine tiefgreifende Entwicklungsstörung oder einen Entwicklungsrück-stand von mehr als 1 Jahr nur annähernd und objektiv unterstützen würde, daher lag unverändert keine höhergradige Behinderung vor.
…….
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:
ja
GdB liegt vor seit:
10/2022
GdB 30 liegt vor seit:
04/2019
…..
Nachuntersuchung in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Verbesserung der Entwicklung unter intensiver Förderung ist möglich.
Beurteilung mit aktuellen Befunden …."

9. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung der bezughabenden Bestimmungen nach § 8 Abs. 5 und Abs. 6 FLAG 1967 samt Rechtsprechung ua. dazu, dass das Finanzamt grundsätzlich an die SMS-Sachverständigengutachten gebunden sei, wird begründend ausgeführt, dass das neuerlich eingeholte, der Bf gesondert zugehende Gutachten zu keiner Änderung der bisherigen Einschätzung geführt habe.

10. Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag wird eingewendet:
Die Voraussetzungen für den FB-Erhöhungsbetrag (GdB mind. 50 %, nicht nur vorübergehende Behinderung) träfen zu, da der Gendefekt kausal für die umfassende Entwicklungsverzögerung der Tochter sei. Die wiederum selbe Gutachterin sei nicht unabhängig und habe bloß ihr Vorgutachten bestätigt. Die Aussage, es seien keine neuen Befunde nachgereicht worden, treffe nicht zu, da erstmals die Liste der Diagnosen der behandelnden Kinderärztin beigelegt worden sei. Die Expertise der Gutachterin auf dem Gebiet Genetik werde bezweifelt; es treffe nicht zu, dass der genetische Befund ausreichend berücksichtigt worden und für die Einschätzung nicht entscheidend sei. Mit dem eingesetzten Test Bayley III werde sehr wohl die geistige/kognitive Komponente bemessen. Lt. Testung durch Mag. F sei nicht das Alter (zu jung) sondern vielmehr die deutliche Entwicklungsverzögerung ausschlaggebend gewesen, dass die Messung der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Tochter nicht möglich gewesen sei.

11. Zu dem Vorbringen im Vorlageantrag wurde seitens des Sozialministeriumservice am folgende ergänzende Stellungnahme abgegeben:
"Die Gutachten von Prof. Dr. C sind schlüssig. Es sei angemerkt, dass nach der Einschätzungsverordnung keine Diagnosen eingeschätzt werden, sondern die damit einhergehenden Funktionseinschränkungen."

12. Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) hat die Bf auf Ersuchen mehrere (oben dargelegte) SMS-Gutachten (in Langfassung) sowie - neben mehreren bereits im Akt erliegenden Befunden und der Liste der Diagnosen Dr. D - einen neuen Befund Entwicklungsdiagnostik der Mag. F v. beigebracht. Bei der Untersuchung im Alter von 4 Jahren 10 Monaten zeige die Tochter leichte Fortschritte in der sozialen Kommunikation, Motorik sowie Sprache. Die Kognition könne aufgrund der ausgeprägten Schüchternheit und des Rückzuges in der Testung nicht ausreichend gemessen werden.
Im Begleitschreiben vom wird ua. nochmals vorgebracht, dass die zugrunde liegenden Befunde von der Gutachterin Dr. C teils unvollständig oder fachlich inkorrekt interpretiert worden seien. Sie sei bei jeder Begutachtung eingesetzt worden, was einer objektiven Beurteilung widerspreche.

13. In diesem Zusammenhalt wird ergänzend festgehalten, dass in einem anderen Beschwerdefall in Zhg. mit einem Gendefekt () von der Gutachterin Dr. C auf Ersuchen des BFG mit Schreiben v. ua. folgende Stellungnahme abgegeben worden war:
"Als Fachärztin für Kinder-und Jugendheilkunde habe ich u.a. das Zusatzfach Humangenetik erworben, Habilitation mit genetischen Publikationen, leite die Fachgruppe klinische Genetik in der Österreichischen- Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, bin Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Humangenetik und der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik. Ein CV und die Bestätigung einer Fortbildung mit Abschlussprüfung 10/2020 u.a. über DDX3X von Prof. XX (USA) liegt bei."
Dazu wurden ein Curriculum vitae (CV) sowie eine Teilnahmebestätigung an einer Fortbildungsveranstaltung 2020 vorgelegt, bei welcher ua. das DDX3X-Syndrom seitens Prof. XX (USA) behandelt wurde. Aus dem CV geht ua. hervor, dass die als Gutachterin für das Sozialministeriumservice tätige Dr. C seit 1995 Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde ist, seit 1997 mit dem Additivfach Humangenetik, Habilitation am ("Localization of Cancer Susceptibility Genes"), und seit 2008 mit dem Additivfach Endokrinologie und Diabetes. Sie war seit 1994 Oberärztin an der Diabetes- und Endokrinologischen Ambulanz, insbes. auch befasst mit der Betreuung von Patienten mit seltenen Erkrankungen, und leitete zudem seit 2009 die Ambulanz für Klinische Genetik und Pädiatrische Osteologie. Ua. seit 2016 war sie Leiterin der österreichischen Arbeitsgruppe für klinische Genetik.

II. Sachverhalt:

Für die Tochter der Bf, B geb. 04/2019, war zunächst mit Gutachten des Sozialministeriumservice vom eine leichte Entwicklungsstörung und mit Gutachten vom eine Entwicklungsstörung mittleren Grades attestiert worden. Der Grad der Behinderung/GdB wurde ab Geburt mit 30 % und ab 10/2022 mit 50 % bescheinigt.

Nachdem die Bf im Feber 2023 für die Tochter den FB-Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung "ab Geburt" beantragte, wurden im Zuge des Verfahrens mehrere ergänzende SMS-Gutachten angefordert und am , und erstellt sowie am nochmals eine Stellungnahme abgegeben. Unter Berücksichtigung der laufend von der Bf nachgereichten Unterlagen, Befunde oä. wurde von der Gutachterin das bisherige Ergebnis - GdB 50 % ab 10/2022 - jeweils, nach meist ausführlicher Auseinandersetzung mit den "relevanten Befunden" und durchgeführten Untersuchungen, bestätigt.
Die abschließende Stellungnahme des SMS v. weist darauf hin, dass nach der Einschätzungsverordnung/EVO die mit der Diagnose einhergehenden Funktionseinschrän-kungen beurteilt werden.

III. Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere den obbezeichneten, eingangs im Detail dargestellten insgesamt fünf SMS-Sachverständigengutachten und der SMS-Stellungnahme vom .

IV. Rechtslage:

1.) Gesetzliche Bestimmungen:

FB-Grundbetrag:

Gemäß § 2 Abs. 1Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe
lit a) für minderjährige Kinder; …

FB-Erhöhungsbetrag:

Nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, um bestimmte monatliche Beträge.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 idgF. gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren (idF BGBl I 2022/226, in Geltung ab . "von voraussichtlich mehr als sechs Monaten"). Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung/EVO) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren (ab : "spätestens alle fünf Jahre") neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (ab : "wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist").

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Die EinschätzungsVO (EVO) idF BGBl II 251/2012 lautet auszugsweise:

"Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die
Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. …
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die
Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. …
….

Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. …"

In der Anlage zur EVO werden unter Abschnitt "03 Psychische Störungen" unter Pos. Nr. 03.02 erfasst "Entwicklungseinschränkungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr", nämlich "des Sprechens und der Sprache, des Kommunikationsvermögens, schulische Fertigkeiten, motorische Funktionen sowie kombinierte umschriebene Entwicklungseinschränkungen und typische Begleiterscheinungen wie emotionale Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, ADHS …"
Eine "Entwicklungsstörung leichten Grades", Pos. Nr. , mit einem GdB von 30 - 40 % liegt vor bei: leichter bis mäßiger sozialer Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen, beispielsweise Schulausbildung und alltägliche Tätigkeiten, Freizeitaktivitäten; in Teilbereichen Unterstützungsbedarf beim Lernen.
Eine "Entwicklungsstörung mittleren Grades", Pos. Nr. , mit einem GdB von 50 - 80 % liegt vor bei: ernsthafter und durchgängiger sozialer Beeinträchtigung in 1 bis 2 Bereichen; globalem Unterstützungsbedarf beim Lernen; kombinierter umschriebener Entwicklungs-störung; GdB 50 - 60 %: alleinige kognitive Beeinträchtigung; 70-80 %: zusätzliche motorische Defizite.

2.) Bescheinigung:

Zum Nachweis obgenannter Voraussetzungen ist eine Bescheinigung des Sozialministerium-service (vormals Bundessozialamt) iSd § 8 Abs. 6 FLAG zwingend erforderlich.

Die Abgabenbehörden sowie der UFS, nunmehr das Bundesfinanzgericht, sind an die Feststellungen der im Wege des Sozialministeriumservice/SMS erstellten Gutachten gebunden (vgl. ; ; u.a.).
Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig und vollständig anzusehen sind (vgl. ; und 2009/16/0310; , mwN).
Das BFG hat die Beweiskraft - insbesondere Nachvollziehbarkeit bzw. Schlüssigkeit - der Gutachten zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen ().

Es ist nicht rechtswidrig, wenn das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen sich bei der Erstattung von Bescheinigungen gem. § 8 Abs. 6 FLAG zur Berufsausübung berechtigter Ärzte als Amtssachverständige bedient, die in die bei dieser Behörde gem. § 90 KOVG 1957 zu führende Sachverständigenliste, nicht aber in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen eingetragen sind. Weder das Behinderteneinstellungsgesetz noch das FLAG enthalten eine Regelung, wonach ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtungen bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an ().

Auch ein "reines Aktengutachten" kann dabei ausreichend sein. Der Sachverständige hat sich bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes jener Hilfsmittel zu bedienen, die seine Wissenschaft entwickelt hat, um ein verlässliches Gutachten abzugeben. Die vom Sach-verständigen bei der Aufnahme des Befundes anzuwendende Methode hängt ausschließlich von objektiven fachlichen Gesichtspunkten ab (s. ).

Die Beurteilung des Behinderungsgrades eines Kindes hängt bei gleichbleibendem Krankheitsbild auch vom Alter des Kindes ab. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes etwa stellt sich je nach Alter - Kindergartenalter oder Schulalter - verschieden dar, da die jeweils zu beherrschenden und erwarteten Fähigkeiten des Kindes sich wesentlich voneinander unterscheiden. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes ist daher immer im Vergleich zum Entwicklungsstand gleichaltriger gesunder Kinder zu sehen. So kann schon im Kindergarten-alter ein gewisser Entwicklungsrückstand vorliegen, der sich bis zum Schulalter vergrößern und einen höheren Behinderungsgrad herbeiführen kann (vgl. ).

(siehe zu vor in: Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Aufl., Rzn. 11, 29, 31, 32 zu § 8)

V. Erwägungen:

In gegenständlichem Beschwerdefall wurden seitens der Fachärztin des Sozialministerium-service insgesamt fünf ärztliche Sachverständigen-Gutachten (samt Vidierung und sohin Zustimmung durch den leitenden Arzt) sowie eine Stellungnahme erstellt:

1. Nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung in § 8 Abs. 5 FLAG ist eine "erhebliche Behinderung" nicht nach der zugrunde liegenden Ursache, sondern nach der vorhandenen Funktionsbeeinträchtigung zu beurteilen, worauf insbesondere in der abschließenden SMS-Stellungnahme v. auch ausdrücklich hingewiesen wird.
Auch nach § 1 der anzuwendenden EinschätzungsVO ist unter Behinderung die "Auswirkung" der Funktionsbeeinträchtigung zu verstehen und ist das Ausmaß dieser Auswirkungen als Grad der Behinderung zu beurteilen.

Es ist der Bf zunächst dahin Recht zu geben, dass "der Gendefekt kausal für die umfassende Entwicklungsverzögerung der Tochter" ist (siehe lt. Vorlageantrag) und besteht weder offenkundig für die Sachverständige noch auch für das BFG ein Zweifel daran, dass bei der Tochter der Bf von Geburt an ein Gendefekt vorliegt, was aufgrund der Berücksichtigung diesbezüglicher Befunde (betr. das "MECP2-Duplikationssyndrom") in den ausführlichen Begründungen der SMS-Gutachten v. und zum GdB deutlich hervorkommt. Unter Bedachtnahme darauf, dass wohl eine Vielzahl von Krankheiten genetisch angelegt sind, allerdings oft sehr viel später zutage treten, ändert dies aber gleichzeitig nichts daran, dass sich der Grad der Behinderung auch hinsichtlich seiner zeitlichen Festlegung, also ab wann der jeweilige GdB vorliegt, keinesfalls nach der ursprünglichen kausalen Ursache, sondern nur nach der jeweils (je nach Alter) vorhandenen Beeinträchtigung richten kann. Das - unbestrittene - Vorliegen einer Entwicklungsstörung seit Geburt aufgrund des Gendefektes ist sohin in obigem Sinne nicht, wie die Bf vermeint, dem Eintritt bereits einer erheblichen Behinderung ab Geburt gleichzuhalten.

2. Bei Kindern kann der GdB bzw. die Funktionsbeeinträchtigung bei gleichbleibendem Krankheitsbild insbesondere altersbedingt sehr wohl fortschreitend variieren, wobei der Entwicklungsrückstand immer im Vergleich zum Entwicklungsstand gleichaltriger gesunder Kinder zu sehen sein wird (siehe ). Es ist daher durchaus als schlüssig zu erachten, wenn zunächst (nur) eine "leichte Entwicklungsverzögerung" mit einem GdB von 30 % diagnostiziert wurde, die sich mit fortschreitendem Alter der Tochter - im Hinblick auf den zu vergleichenden Entwicklungsstand - ca. ab dem Alter von 3,5 Jahren (ab 10/2022) hin zu einer "Entwicklungsstörung mittleren Grades" geändert hat, weil ab diesem Alter die Entwicklungsverzögerung im Vergleich ca. 12 Monate betragen hat. Demgegenüber hatte zuvor zB die sprachliche Entwicklungsverzögerung (lediglich) rund 6 Monate betragen (siehe im SMS-Gutachten v. : 20 Wörter im Alter der Tochter von 31 Monaten bei einem Soll von 25 Monaten).
Die Bf spricht in der Beschwerde selbst davon, dass "aus der Aufstellung der Diagnosen von Dr. D bereits ab den ersten Lebenswochen unklare, sich dann über die Jahre verdichtende, massive Entwicklungsverzögerungen in allen Bereichen - nicht nur sprachlich und motorisch - hervorgehen" sowie dass "der Gendefekt ab Geburt vorliege und kontinuierlich, trotz aller verfügbaren Therapien, die Entwicklung der Tochter behindere". Das bestätigt wiederum, dass sich die aus dem Gendefekt resultierenden Beschwerden der Tochter über die Jahre fortschreitend verschlechtert haben. Auch ergeben sich aus dem Entwicklungspsychodia-gnostischen Befund v. , nach Untersuchung am , entgegen dem Dafürhalten der Bf noch keine "massiven geistigen Funktionseinschränkungen", sondern ist vielmehr davon die Rede (siehe dortige Zusammenfassung), dass das Mädchen zum aktuellen Untersuchungs-zeitpunkt verglichen mit ihrer korrigierten Altersnorm in der rezeptiven Sprachentwicklung wie auch in der fein- und grobmotorischen Entwicklung im Durchschnitt liegt; kognitiv seien zwar die Meilensteine der Entwicklung noch nicht erreicht, wobei laut kognitiver Skala (Bayley Scales) der Testwert von 55 sich bei einem Rahmen von 55-72 zwar an der unteren Grenze, jedoch noch im Durchschnitt befunden hat.

Es ist daher insgesamt als schlüssig und nachvollziehbar zu erachten, wenn in den SMS-Gutachten die, verursacht durch den zugrunde liegenden Gendefekt, in ihrer Stärke altersbedingt jeweils hervorkommenden Auswirkungen so beurteilt wurden, dass erst ca. ab dem Alter von 3,5 Jahren ua. eine verstärkt hervortretende Verzögerung im kognitiv-sprachlichen Bereich (Entwicklungsverzögerung im Verhältnis zum sonst üblichen Entwicklungsstand von Kindern im Ausmaß von rund 1 Jahr) und damit ab dieser Zeit der GdB mit 50 % festzustellen war.

3. Dem Einwand im Vorlageantrag, die im SMS-Gutachten v. getroffene Aussage zu nicht vorgelegten neuen Befunden sei im Hinblick auf die erstmals vorgelegte Liste der Diagnosen der behandelnden Kinderärztin unzutreffend, kommt keine Berechtigung zu.
Die Liste der Diagnosen der Dr. D v. wurde dem Finanzamt bereits zusammen mit dem Schreiben der Bf v. vorgelegt und wurde im Rahmen des am erstellten SMS-Gutachtens unter "relevante Befunde"(als "Zusammenfassung-Praxis D Diagnosen") sowie in der dortigen Begründung (arg.: " … Diese Einschätzung deckt sich mit den regelmäßigen Aufzeichnungen der KIFÄ Fr. Dr. D mit einer leicht verzögerten Entwicklung …") ohnehin bereits berücksichtigt.

4. Wenn der Gutachterin wiederholt die fachliche Eignung für die Beurteilung des vorliegenden Gendefektes abgesprochen wird, so ist zunächst nochmals darauf zu verweisen, dass bei Feststellung der "erheblichen Behinderung" die zugrunde liegende Ursache nicht maßgebend ist (siehe oben).
Abgesehen davon verfügt Dr. C als Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde daneben über eine Zusatzqualifikation im Fach "Humangenetik" und ist als langjährige Ambulanzleiterin, darunter der Ambulanz für Klinische Genetik, ua. auch mit der Betreuung von Patienten mit einer seltenen Erkrankung befasst. Insofern besteht daher für das BFG keine Veranlassung, die fachliche Qualifikation der begutachtenden Ärztin in Zweifel zu ziehen.

5. Dem Vorbringen, es fehle der Gutachterin an Objektivität, ist zu entgegnen, dass weder nach den Regelungen im Behinderteneinstellungsgesetz noch im FLAG ein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten Teilgebietes (vgl. ) besteht. Aus diesem Grund steht es weder dem Finanzamt noch dem BFG zu, eine Gutachtensanforderung etwa dahingehend zu stellen, das SMS wolle einen "anderen geeigneten" Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragen. Dem diesbezüglichen Beschwerdebegehren ("Bei einer erforderlichen Neu-Begutachtung werde um Einsatz einer unabhängigen Gutachter:in ersucht") konnte daher von vorneherein nicht entsprochen werden. Es obliegt vielmehr allein dem Sozialministeriumservice, sich aus deren eigener Sachverständigenliste von zur Berufsausübung berechtigter Ärzte zwecks Erstattung der Bescheinigungen gem. § 8 Abs. 6 FLAG zu bedienen.

6. Nach oben dargelegter VwGH-Judikatur hat sich die Tätigkeit der Behörden im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig und vollständig anzusehen sind und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen.

Von der nochmaligen Einholung eines ergänzenden Gutachtens, dies im Hinblick auf den mit Schreiben der Bf vom neu beigebrachten Entwicklungs-neuropsychologischen Befund v. (nach Untersuchung am ), kann nach Ansicht des BFG als wenig zweckdienlich Abstand genommen werden, da es sich um einen außerhalb des Streitzeitraumes (bis 10/2022) gelegenen Untersuchungs- bzw. Befundungszeitpunkt handelt.

7. Gegenständlich wurden unter Berücksichtigung der jeweils vorliegenden relevanten Befunde mehrere SMS-Gutachten erstellt und wurde übereinstimmend der GdB mit zunächst 30 % und ab mit 50 % bescheinigt.

Im Hinblick auf die nach objektiv fachlichen Gesichtspunkten getroffenen, meist ausführlichen Begründungen wie auch unter Bedachtnahme auf das Obgesagte ist nach Ansicht des BFG ua. mangels etwaig erkennbarer Widersprüche von einer insgesamt schlüssigen, nachvollziehbaren und vollständigen Begutachtung durch eine fachlich geeignete Sachverständige auszugehen.

8. Wie oben ausgeführt, ist das Bundesfinanzgericht an die Feststellungen der im Wege des Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden.
Wenn daher zufolge dieser Begutachtung mehrfach festgestellt wurde, dass der Grad der Behinderung bei der Tochter zunächst 30 % und erst ab 50 % beträgt, dann liegt bei der Tochter das in § 8 Abs. 5 FLAG bestimmte Kriterium für eine "erhebliche Behinderung", dass nämlich der Grad der Behinderung zumindest 50 % betragen muss, nicht wie beantragt "ab Geburt" sondern erst ab dem Zeitpunkt vor.

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte daher der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen, unter welchen der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zusteht, ergeben sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen.
Der Gesamtgrad der Behinderung sowie der Zeitpunkt, ab wann dieser vorliegt, ist seitens des Sozialministeriumservice festzustellen; das BFG ist an die diesbezüglich erstellten ärztlichen Gutachten grundsätzlich gebunden. Eine allfällige "Unschlüssigkeit" der Gutachten ist gegenständlich für das BFG nicht erkennbar. Da es sich dabei um eine Tatfrage handelt, liegt gegenständlich keine Rechtsfrage von "grundsätzlicher Bedeutung" vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 1 Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010
§ 2 Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010
§ 4 Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100211.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at