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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.10.2024, RV/2100634/2022

Außergerichtlicher Schulderlass eines Darlehensgläubigers stellt keinen begünstigten Sanierungsgewinn dar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Alois Pichler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch PKF Corti & Partner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Neubaugasse 55, 8020 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Körperschaftsteuer 2020 Steuernummer, ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In ihrer elektronisch eingereichten Körperschaftsteuererklärung wies die beschwerdeführende GmbH einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 1.013.866,33 € aus. Gleichzeitig erklärte sie steuerfreie Sanierungsgewinne von 1.161,815,22 € und offene Verlustabzüge ab 1991 von 858.905,49 €. Im Rahmen des abgabenbehördlichen Vorhalteverfahrens wurde hinsichtlich des geltend gemachten Sanierungsgewinns eine entsprechende Berechnung mit einer verbalen Erläuterung eingereicht. In dieser wird Folgendes ausgeführt:

"Die [Beschwerdeführerin (Bf.)] ist im Jahr 2020 in Zahlungsschwierigkeiten geraten und es drohte die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens. Mit dem Darlehensgeber S. International GmbH konnte diesbezüglich im Laufe des Jahres 2020 außergerichtlich ein gänzlicher Schuldnachlass erreicht werden. Nur durch diesen Schulderlass konnten die Bankverbindlichkeiten fristgerecht getilgt werden und wird das auch in Zukunft möglich sein. Aufgrund der Zahlungsschwierigkeiten war die Gesellschaft sanierungsbedürftig, es entstand die Möglichkeit in eine Zahlungsunfähigkeit zu schlittern, wenn die Bankverbindlichkeiten nicht mehr bedient werden könnten. Der Schuldnachlass war dazu geeignet, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft nachhaltig aufrecht zu erhalten und erfolgte mit dem Ziel, die Gesundung des Unternehmens zu erreichen. Die Anforderungen der Rz 1524-1532 KStR für einen Sanierungsgewinn liegen daher vor.
Es handelt sich bei der Sanierung um eine außergerichtliche Sanierung der Bf. GmbH, dennoch besteht gem. § 206 Abs. 1 lit. b BAO die Befugnis der Abgabenbehörde, von der Abgabenfestsetzung in einer dem § 23a KStG vergleichbaren Weise Abstand zu nehmen (Rz 1538 KStR). Die Steuererklärungen wurden so eingereicht, dass eine Sanierungsgewinnbesteuerung entsprechend dem § 23a KStG in den Steuerformularen beantragt wurde."

Im angefochtenen Bescheid wurde die Körperschaftsteuer unter Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuer von 12.583,06 € mit 50.784 € festgesetzt. Dabei wurde der Verlustabzug nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG in Höhe von 75% berücksichtigt und die begünstigte Besteuerung von Sanierungsgewinnen gemäß § 23a KStG 1988 nicht gewährt.

In ihrer Beschwerde wandte sich die Bf. gegen beide rechtliche Beurteilungen des Finanzamtes und führte u.a. aus:

"1. Verlustabzug bei Vorliegen eines Sanierungsgewinns gem. § 23a KStG:

Für den Verlustabzug gem. § 8 Abs. 4 Z 2 lit. b 1. TS KStG ist Voraussetzung, dass ein Sanierungsgewinn gem. § 23a KStG vorliegt. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass der § 23a KStG idF BGBl 227/2021 noch nicht anzuwenden ist. Das ist jedoch für den Verlustabzug unerheblich, da der davor gültige § 23a Abs. 1 KStG idF BGBl 58/2010 wortgleich lautet. Die beiden Fassungen liegen dieser Beschwerde als Anhang bei. Es kann daher keinen Unterschied ergeben, welche Fassung des §23a KStG zur Anwendung kommt, da beide Fassungen den Sanierungsgewinn wortgleich definieren.

Gemäß gesetzlicher Definition sind Sanierungsgewinne gem. § 23a Abs 1 KStG solche "Gewinne, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge/eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind."
Für das Vorliegen eines Sanierungsgewinns an sich ist es nicht relevant, ob dieser durch ein gerichtliches Sanierungsverfahren oder durch eine außergerichtliche Sanierung entstanden ist, diese Unterscheidung ist nur von Bedeutung für die Inanspruchnahme der begünstigen Besteuerung gem. §23a Abs 2 KStG (siehe Beilage 1 und 2).
Auch die KStR führen in Rz. 992b aus, dass es bei der Anerkennung des Verlustabzugs von 100% auch Gewinne, aus außergerichtlichen Ausgleichen, die Sanierungsgewinne darstellen, begünstigt, wobei es für die Frage der Verrechnungsgrenze ohne Bedeutung ist, dass diese Sanierungsgewinne nicht nach § 23a KStG 1988 besteuert werden.

Im Fall der Bf. liegt ein Sanierungsgewinn gem. § 23a KStG aufgrund einer außergerichtlichen Sanierung vor, der Gewinn ist durch gänzlichen Schulderlass von Fremdkapitalgebernentstanden. Wie im Ergänzungsersuchen ausgeführt, ist die Bf. im Jahr 2021 in Zahlungsschwierigkeiten geraten und es drohte die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens. Mit dem Darlehensgeber S. International GmbH konnte diesbezüglich im Laufe des Jahres 2020 nach intensiven Verhandlungen ein Schuldnachlass erreicht werden, alle anderen Gläubiger werden vollbefriedigt. Nur durch diesen Schulderlass konnten die Bankverbindlichkeiten fristgerecht getilgt werden und wird das auch in Zukunft möglich sein.

Die Verbindlichkeit gegenüber der Darlehensgeberin S. International GmbH betrug zum Zeitpunkt des Schulderlasses EUR 1.161.815,22 und umfasste rund 28% der zu diesem Zeitpunkt offenen Verbindlichkeiten. Die S. International GmbH war somit der drittgrößte Gläubiger nach den beiden finanzierenden Bankinstituten.

Durch die drohende Illiquidität und ein damit einhergehendes drohendes Insolvenzszenario war die Bf. im Jahr 2020 sanierungsbedürftig (Rz. 1526 KStR). Der Verzicht der Darlehensgeberin ist unter der Absicht passiert, die Sanierung der Gesellschaft herbeizuführen und eine drohende Insolvenz abzuwenden (Rz. 1527 KStR). Durch den Schulderlass wurde die Ertragskraft der Klientin wesentlich gestärkt und die Vermögenslage deutlich verbessert, das Eigenkapital per wurde erstmals wieder positiv und die EK-Quote betrug Ende 2020 nach dem Schulderlass rund 8%. Die Bf. konnte durch den Schulderlass Ihre Zahlungsfähigkeit aufrechterhalten, die fälligen Bankverbindlichkeiten bedienen und ihre Geschäftstätigkeit in den Jahren 2021 und 2022 fortführen (Rz. 1528 KStR). Die in den Rz. 1524-1532 KStR genannten Kriterien für einen Sanierungsgewinn liegen daher vor.

Auf Basis der obigen Ausführungen ist ersichtlich, dass es sich bei dem Ergebnis aus Schulderlass um einen Sanierungsgewinn gem. § 23a Abs. 1 KStG handelt, weshalb der Verlustabzug im Jahr 2020 nicht 75% sondern in Höhe des Sanierungsgewinns gem. § 8 Abs. 4 Z 2 lit. b 1. Ts. KStG sogar 100% beträgt. Da der Sanierungsgewinn mit EUR 1.161.815,22 den vorhandenen Verlustvortrag übersteigt, ist vom steuerpflichtigen Einkommen 2020 der volle zur Verfügung stehende Verlustvortrag von EUR 858.905,49 in Abzug zu bringen, es verbleibt daher ein zu versteuerndes Einkommen von EUR 154.960,84.

2. Begünstigte Besteuerung gem. §23a KStG in Sanierungsfällen mit außergerichtlicher Sanierung

Des Weiteren wurde im Bescheid begründet, dass keine Anhaltspunkte für die Anwendung des § 206 Abs. 1 lit. b BAO erkennbar seien. Die Rz. 1538 der KStR (sowohl in der Fassung vom als auch in jener vom ) führt zur Abstandnahme der Abgabenfestsetzung aus, dass die Abgabenbehörde befugt ist, auch in Sanierungsfällen im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung die begünstigte Besteuerung gem. § 23a Abs. 2 KStG (idF BGBl 58/2010) anzuwenden, wenn ein Schulderlass vorliegt und die Sanierungsbedürftigkeit, die Sanierungsabsicht und die Sanierungseignung gegeben sind.

Dass ein Schulderlass vorliegt, ist unstrittig, da die gegebenen Darlehen der S. International GmbH zur Gänze erlassen wurden. Wie oben beschrieben liegen auch die drei anderen Kriterien für den Sanierungsgewinn vor, nämlich:
• Sanierungsbedürftigkeit aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Bf. im Jahr 2020.
• Sanierungsabsicht des Schulderlasses, da die Darlehensgeberin nur unter der Absicht der
Gesundung der Bf. auf ihre Forderungen verzichtet hat.
• Sanierungsfähigkeit, weil durch den Schulderlass die Zahlungsfähigkeit aufrecht erhalten
werden könne, die Vermögenslage verbessert werden konnte (pos. Eigenkapital ab 2020) und die Ertragskraft der Bf. verbessert wurde, da wesentliche Zinsbelastungen ab dem Jahr 2020 weggefallen sind. Die Bf. wird in den kommenden Jahren deutlich bessere Ergebnisse erzielen und das positive Eigenkapital weiter ausbauen können.

Es sind daher alle in Rz. 1538 KStR genannten Kriterien erfüllt, die es der Abgabenbehörde ermöglichen, eine Besteuerung gem. §23a Abs. 2 KStG auch in diesem Fall vorzunehmen. Ein diesbezüglicher Berechnungsvorschlag unsererseits lag schon dem Ergänzungsersuchen bei und ist auch dieser Beschwerde beigelegt.
…"

Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde in beiden Punkten abgewiesen und u.a. ausgeführt:
"…
Um den Begriff des "Sanierungsgewinnes" zu erfüllen, kann in Ausnahmefällen auch der Nachlass eines einzelnen (Haupt-)Gläubigers genügen, wenn der Schulderlass in seiner Wirkung einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme gleichkommt (
95/15/0152; 98/14/0120). Maßgebend ist in derartigen Fällen die Größenrelation der nachgelassenen Forderungen zu den nicht nachgelassenen (Heinrich in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (15. Lfg 2011) Sanierungsgewinne, § 36 EStG Tz 74).
Für den im Rechtsmittel befindlichen Anlassfall ist diesbezüglich festzustellen, dass die Fa. S. International GmbH keinesfalls als Hauptgläubigerin der Beschwerdeführerin (Bf.) angesehen werden kann. Diese Beurteilung ergibt sich zunächst schon aus dem Status zum , wonach - auch nach dem Schulderlass von € 1.161.815,22 - noch immer weitere € 3.286.285,69 an Verbindlichkeiten verbleiben. Der Grad der Entschuldung beträgt daher lediglich 26,12%. Dies stellt ein absolut untergeordnetes Ausmaß dar, welches nach Meinung der Abgabenbehörde zu einer ernsthaften Sanierung nicht ausreicht. Davon abgesehen, handelt es sich bei den verbleibenden Verbindlichkeiten mit einem Teilbetrag von € 2.859.492,97 um Bankschulden, für die kein Sanierungsbemühen gesetzt wurde und die zum weitaus größten Teil eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr aufweisen.
Der Grund für den Erlass der Rückzahlung eines Darlehens, dessen vertragliche Grundlagen dem Finanzamt freiwillig nicht offengelegt werden und daher nach wie vor unbekannt sind, liegt im Übrigen nicht vorrangig im Interesse einer "allgemeinen" Sanierung, sondern im Interesse der hinter beiden Gesellschaften stehenden (und weitgehend identen) Gesellschafter, namentlich von Dr. Ch.H., F.R. sowie der Fa. Y. Verwaltungs- und Beratungs GmbH. Da Darlehensverträge im Bereiche der Fa. S. International GmbH auch sonst als vorrangige Finanzierungsinstrumente Verwendung finden, liegt eine Mittelausstattung vor, die sich im Nahebereich von Eigenmitteln bewegt. Der Verzicht auf die Forderung kann unter derartigen Gesichtspunkten nicht wirklich als typische Sanierungsmaßnahme angesehen werden.
Schon allein auf dieser rein begrifflichen Grundlage bestreitet die Dienststelle das Vorliegen eines begünstigungsfähigen Sanierungsgewinnes. Auf die weiteren diskussionswürdigen Aspekte der Sanierungsabsicht und der Sanierungseignung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen.
Die unmittelbare Steuerentlastung von Sanierungsgewinnen ergibt sich, wenn solche tatsächlich vorliegen, für den Bereich der Körperschaftsteuer aus § 23a Abs. 2 KStG. Diese Gesetzesstelle lautet in der für das Veranlagungsjahr 2020 geltenden Fassung (vor BGBl. I Nr. 227/2021):

Es ist mit Rücksicht auf diese Formulierung offenkundig, dass der Gesetzgeber ausschließlich an jene Vorgänge anknüpfen wollte, die er im Gesetzestext durch ausdrückliche Benennung von außersteuerlichen Normen bezeichnet hat.
Soweit nun die Bf. die in den
EStR 2000 Rz. 1533 iVm Rz. 1538 angeführte Meinung, die Abgabenbehörden seien in Sanierungsfällen im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung befugt, voneiner Abgabenfestsetzung in einer dem § 23a KStG vergleichbaren Weise Abstand zu nehmen, für sich in Anspruch nehmen will, ist dazu anzumerken:
Gemäß Art. 18 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Die
Körperschaftsteuerrichtlinien stellen, wie dies schon aus deren Präambel hervorgeht, einen bloßen Auslegungsbehelf zum Körperschaftsteuergesetz 1988 dar und sollen einer einheitlichen Vorgehensweise dienen. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten können aus den Richtlinien nicht abgeleitet werden.
Hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich einer Norm ausdrücklich und ohne jeden Zweifel umschrieben, ist es der Verwaltung verwehrt, diese Vorschrift - außerhalb von rechtmäßig zustande gekommenen Verordnungen - willkürlich zu erweitern oder zu modifizieren.
Die an den bezeichneten Richtlinienstellen aufzufindende Ansicht steht im offenen Widerspruch zur (hier anzuwendenden) Fassung des § 23a KStG. Die geäußerte Meinung kann sich andererseits aber auch nicht auf § 206 Abs. 1 lit. b BAO stützen. Der Abgabenbehörde stehen keine Beweismittel zur Verfügung und es wurden auch keine Erhebungen durchgeführt, die, noch dazu mit der vom Gesetz verlangten "Bestimmtheit", darauf schließen lassen, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar wäre. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine amtswegige Ermessensentscheidung, die in der Nichtfestsetzung von Abgaben bestehen soll, in keiner Weise erfüllt.

ad 2.:
Die Verlustverrechnungsgrenze von 75 % des Gesamtbetrags der Einkünfte ist gem. § 8 Abs. 4 Z 2 lit. b KStG auf bestimmte Gewinne nicht anwendbar. Dazu zählen auch Sanierungsgewinne nach § 23a KStG. Wie bereits oberhalb unter Pkt. 1. dargestellt, betrachtet die ho. Dienststelle den vorliegenden Erlass von Verbindlichkeiten nicht als "Sanierungsgewinn".
Die Gesetzesstelle wurde zwar zwischenzeitig durch BGBl. I Nr. 227/2021 erweitert. Wie sich aus dem Initiativantrag 2080/A XXVII. GP ergibt, sollen Gewinne aus einem Schulderlass künftig auch dann steuerlich begünstigt werden, wenn diese durch Gläubigerverzicht im Rahmen eines außergerichtlichen Sanierungsprozesses erzielt werden, und der vollständigen Verrechenbarkeit zugeführt werden. Diese Regelung gilt aber ausdrücklich erst für Zeiträume ab 2021. Mehrfach verweist der Gesetzgeber in den Materialientexten, wohl im Hinblick auf die sehr unbestimmten
Gesetzesbegriffe, auf "Gläubigerverzichte im Rahmen eines geordneten und strukturierten Sanierungsprozesses". Es ist erkennbar, dass dem Begriff der "Sanierung" nach Inkrafttreten der Neuregelung noch größere Bedeutung zukommen wird als bisher.
…"

Im überreichten Vorlageantrag entgegnet die Bf. Folgendes:
"…
Es ist verwunderlich und den Ausführungen nicht entnehmbar, warum das FAÖ den Schulderlass von rund 26% der Gesamtverbindlichkeiten als "absolut untergeordnetes Ausmaß" ansieht. Die Umsatzsteuer beträgt in Österreich 20% und die Körperschaftsteuer 25%, das FAÖ sieht die Höhe dieser Steuersätze aber sicherlich nicht als von absolut untergeordnetem Ausmaß an. Es ist für ein Unternehmen ein wesentlicher Unterschied und eine erhebliche Liquiditätserleichterung, wenn es 26% der Schulen nicht bedienen muss. Des Weiteren muss in Bezug auf die allgemeine Sanierungsmaßnahme und die Sanierungseignung nicht nur der Schuldnachlass im Jahr 2020, sondern auch die Ersparnis zukünftiger Zinsen berücksichtigt werden. Die Zinsen für die erlassenen Darlehen betrugen in den Jahren 2017-2019 jeweils zwischen EUR 40.000 und EUR 50.000.
Das entspricht rund der Hälfte der pro Jahr zu zahlenden Zinsen für die Bankkredite, weshalb der Wegfall der Zinsen für die erlassenen Darlehen eine wesentliche Stärkung der Liquidität des Unternehmens in den nächsten Jahren bewirkt.
Dass die S. International GmbH kein Hauptgläubiger sei, ergibt sich laut Ansicht des FAÖ aus dem Status per . Dazu ist anzumerken, dass die angeführten Bankverbindlichkeiten mit einem Betrag von EUR 2.071.964,40 gegenüber der R. Bank und mit einem Betrag von EUR 787.528,57 gegenüber der V. Bank ausgewiesen sind. Die S. International GmbH war mit einem Darlehensbetrag von EUR 1.161.815,22 somit der zweitgrößte Gläubiger der Klientin und definitiv ein Hauptgläubiger.
In Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Schulderlasses als Sanierungsgewinn sei an dieser Stelle nochmals auf die Ausführungen in der Beantwortung des Ergänzungsersuchens und in der Beschwerde verwiesen, auf eine nochmalige Darstellung wird an dieser Stelle verzichtet.
Im vom FAÖ zitierten Judikat
95/15/0152 wurde der Rechtssatz formuliert, dass wenn ein teilweiser (in diesem Fall sogar nur 20%) Schulderlass zur Sanierung ausreicht, er auch im Sinne des Gesetzes dem Zweck der Sanierung dient (Rechtssatz liegt dem Vorlageantrag bei). Es ist daher nicht verständlich, warum das FAÖ hier einen Erlass von rund 26% als absolut untergeordnet und damit zur gering ansieht. Es handelt sich daher jedenfalls um eine allgemeine Sanierungsmaßnahme, die auch zur Sanierung geeignet ist (siehe Ausführungen oben und in der Beschwerde).
Die Tatsache, dass bei den Bankschulden keine Erlässe erwirkt wurden, ist damit zu begründen, dass sämtliche Banken dingliche Besicherungen an den Anlagen der Klientin haben. Es gab also für die Banken gar keinen Grund einem Nachlass zuzustimmen, da diese sich im Fall eines Zahlungsausfalls die Anlagen einverleiben und mit deren Erträgen die Rückführung ihrer Kredite bestreiten hätten können. Es ist bei außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen nun
mal so, dass jene Gläubiger, die die schwächste Besicherung aufweisen, die größten Einbußen hinnehmen müssen.

2. Begünstigte Besteuerung im Sinne des § 23a KStG:
In Bezug auf die Anwendung der begünstigen Besteuerung für Sanierungsgewinn auch auf solche für einen Sanierungsgewinn aus außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen führt das FAÖ Folgendes aus:
Hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich einer Norm ausdrücklich und ohne jeden Zweifel umschrieben, ist es der Verwaltung verwehrt, diese Vorschrift - außerhalb von rechtmäßig zustande gekommenen Verordnungen - willkürlich zu erweitern oder zu modifizieren.
Die an den bezeichneten Richtlinienstellen aufzufindende Ansicht steht im offenen Widerspruch zur (hier anzuwendenden) Fassung des § 23a KStG. Die geäußerte Meinung kann sich andererseits aber auch nicht auf § 206 Abs. 1 lit. b BAO stützen.
Die vom Finanzamt angesprochene, hier anzuwendende Fassung des §23a KStG ist jene in der Fassung nach Änderung durch das BGBl 58/210, gültig vom bis . Das FAÖ meint hierzu, dass die in der Beschwerde bezeichneten Richtlinienstellen im offenen Widerspruch zu dieser Fassung stehen. Jedoch finden sich die Rz 1533 und 1538 KStR wortgleich auch in der 5. Fassung (gültig -) und in der 6. Fassung (gültig -) der KStR. Beide Fassungen liegen dem Vorlageantrag bei. Es scheint daher verwunderlich, dass von März 2018 bis November 2021 Ausführungen in den KStR enthalten sein sollen, die in offenem Widerspruch zum KStG stehen. Die
Richtlinien führen in beiden Fassungen wortgleich aus, dass die Behörde befugt ist, auch in außergerichtlichen Sanierungen von der Abgabenfestsetzung in einer dem § 23a KStG entsprechenden Weise Abstand zu nehmen.
… "

Mit Vorlagebericht wurde die gegenständliche Beschwerde unter Hinweis auf die in der Beschwerdevorentscheidung dargestellten Entscheidungsgründe dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig und ergibt sich aus der Aktenlage. Das von der belangten Behörde erwähnte Naheverhältnis der Gesellschafter der Bf. und jener der Gläubigergesellschaft S. International GmbH wurde nicht weiter bestritten und wird daher als gegeben angenommen. Ebenso kann der Grad der Entschuldung mit rd. 26% angenommen werden.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung ergibt sich auf Grund der Aktenlage und des zahlenmäßig unbestrittenen Vorbringens der Parteien.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtsquellen
KStG 1988

§ 8

(4) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen:
1.
Ausgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 1 und 6 bis 9 des Einkommensteuergesetzes 1988.
2. Der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988 nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
a) Der Verlustabzug steht nur im Ausmaß von 75% des Gesamtbetrages der Einkünfte zu. Insoweit die Verluste im laufenden Jahr nicht abgezogen werden können, sind sie in den folgenden Jahren unter Beachtung dieser Grenze abzuziehen.
b) Lit. a ist in folgenden Fällen insoweit nicht anzuwenden, als im Gesamtbetrag der Einkünfte enthalten sind:

- Sanierungsgewinne gemäß § 23a,

- Gewinne, die in Veranlagungszeiträumen anfallen, die von einem Insolvenzverfahren betroffen sind,
- Gewinne aus der Veräußerung sowie der Aufgabe von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen,
- Liquidationsgewinne gemäß § 19,
- Beträge, die gemäß § 9 Abs. 6 Z 7 oder nach § 2 Abs. 8 Z 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 nachzuversteuern sind,
- Beträge gemäß § 6 Z 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, ausgenommen jene nach § 6 Z 6 lit. a letzter Satz des Einkommensteuergesetzes 1988.

c) Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden.

Sanierungsgewinne
§ 23a
(1) Zu den Einkünften gehören Sanierungsgewinne, das sind Gewinne, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind.
(2) Sind im Einkommen Sanierungsgewinne enthalten, die durch Erfüllung der Sanierungsplanquote nach Abschluss eines Sanierungsplans gemäß §§ 140 bis 156 der Insolvenzordnung (IO) entstanden sind, gilt für die Berechnung der Steuer Folgendes:
1. Es ist die rechnerische Steuer sowohl einschließlich als auch ausschließlich der Sanierungsgewinne zu ermitteln.
2. Der Unterschiedsbetrag ist mit jenem Prozentsatz zu vervielfachen, der dem Forderungsnachlass entspricht (100% abzüglich Sanierungsplanquote).
3. Das Ergebnis ist von der nach Z 1 ermittelten Steuer einschließlich der Sanierungsgewinne abzuziehen.

Die hier noch nicht anzuwendende spätere Fassung BGBl. I Nr. 227/2021 hat folgenden Wortlaut:

Sanierungsgewinne
§ 23a
(1) Zu den Einkünften gehören Sanierungsgewinne, das sind Gewinne, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind.
(2) Sind im Einkommen Sanierungsgewinne enthalten, die durch Erfüllung der Sanierungsplanquote nach Abschluss eines Sanierungsplans gemäß §§ 140 bis 156 der Insolvenzordnung (IO)
oder einer vergleichbaren außergerichtlichen Sanierung entstanden sind, gilt für die Berechnung der Steuer Folgendes:
1. Es ist die rechnerische Steuer sowohl einschließlich als auch ausschließlich der Sanierungsgewinne zu ermitteln.
2. Der Unterschiedsbetrag ist mit jenem Prozentsatz zu vervielfachen, der dem Forderungsnachlass entspricht (100% abzüglich Sanierungsplanquote).
3. Das Ergebnis ist von der nach Z 1 ermittelten Steuer einschließlich der Sanierungsgewinne abzuziehen.

§ 206 BAO
Die Abgabenbehörde kann von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen,
a) soweit Abgabepflichtige von den Folgen eines durch höhere Gewalt ausgelösten Notstandes betroffen werden, vor allem soweit abgabepflichtige Vorgänge durch Katastrophenschäden (insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden) veranlasst worden sind;
b) soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird
c) wenn in einer Mehrheit von gleichgelagerten Fällen der behördliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zur Höhe der festzusetzenden Abgabe steht.

3.1.2. rechtliche Überlegungen

Die Rechtsentwicklung zum Sanierungsgewinn ist vielschichtig und auch durchaus kontrovers.

Die Anfänge der Begriffsbildung finden sich in der deutschen Rechtsprechung. Der RFH behandelte Sanierungsgewinne bei natürlichen Personen zunächst als außerbetriebliche Gewinne, der Schulderlass ist demnach ein Vorteil im Privatvermögen gewesen, der vom Schuldner steuerneutral in den Betrieb eingelegt wurde (RFH , VI A 297/27, RStBl 1927, 197). Auch die betriebliche Veranlassung, jedoch unter Steuerfreiheit, wurde vertreten (RFH , VI A 1499/28, RStBl 1929, 86M , VI A 968/31m RStBl 1932, 160). Hinsichtlich juristischer Personen ging der RFH hingegen von der Steuerpflicht des Sanierungsgewinnes aus (RFH , RStBl 1929, 228). Als Reaktion darauf und zur Gleichstellung juristischer mit natürlichen Personen erfolgte seitens der Verwaltung auch für Körperschaften eine Steuerfreistellung im Erlasswege (Runderlass vom , RStBl 1930, 78). Legalisiert wurde diese Praxis durch § 11 Abs. 4 dKStG 1934 (RGBl I 1934, S 1031) bzw § 3 Nr 66 dEStG (BGBl I 1976, S 2597) in Form einer Steuerbefreiung für den als betrieblich angesehenen Sanierungsgewinn. Der BFH ging zunächst davon aus, dass ein Sanierungsgewinn durch Verluste und Verlustvorträge aufgezehrt wird (BFH , VI 35/61 U, BStBl III 1961, 516). Seit dem Beschluss des Großen Senats (BFH , GrS 2/67, BStBl II 1968, 666) schied der Sanierungsgewinn jedoch bereits bei der Einkünfteermittlung als steuerfrei aus.

In Österreich wurde zunächst die Formulierung des dKStG 1934 übernommen und in § 12 Z 3 KStG 1966 bzw § 22 Abs 5 KStG 1966 (ab , BGBl 1972/441) fortgeführt. Im EStG wurde die Steuerbefreiung mit normiert (§ 36 EStG 1972, BGBl 1972/440). § 36 EStG 1988 (BGBl 1988/400) und § 23 Z 1 KStG 1988 (idF BGBl 1989/660) lauteten sodann - von systembedingten Unterschieden abgesehen - wortgleich: Bei der Ermittlung des Einkommens […] sind nach Abzug der Sonderausgaben […] jene Einkommensteile auszuscheiden, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind. Es wurde somit der Weg über die Steuerbarkeit, aber Steuerfreiheit eingeschlagen (vgl auch die EB zum EStG 1988, ErläutRV 621 BlgNR 17. GP 85), jedoch mit der Wirkung einer Tarifvorschrift, da der Abzug des steuerfreien Sanierungsgewinnes erst nach Verrechnung mit den anderen Einkunftsarten sowie den Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen zu erfolgen hatte.

Sowohl in Deutschland (Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform, BGBl I 1997, S 2590) als auch in Österreich (StruktAnpG 1996, BGBl 1996/201) wurden die Begünstigungsvorschriften über den Sanierungsgewinn mit aufgehoben. Begründet wurde die Abschaffung in Österreich mit dem Wegfall einer zeitlichen Schranke für den Verlustvortrag: Die Weiterführung der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne hätte bei dieser Konzeption im Ergebnis eine steuersystematisch nicht begründbare Doppelwirkung: Die Verluste wären einerseits steuerwirksam abzugsfähig, der Nachlass der durch die Verluste begründeten Verbindlichkeiten bliebe hingegen steuerfrei (ErläutRV 72 BlgNR 20. GP 268, 274).

In der Folge zeigte sich jedoch, dass sich in der Verwaltungspraxis erhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Einbringlichkeit der voll steuerpflichtigen Sanierungsgewinne ergaben. Die deutsche Finanzverwaltung reagierte darauf mit einem Erlass, der die Steuerstundung des vollen Sanierungsgewinnes mit dem Ziel eines Steuererlasses vorsieht (dBMF , GZ IV A 6 - S 2140 - 8/03). Die österreichische Finanzverwaltung reagierte schon im Jahr 1999 mit einem Erlass, der - gestützt auf § 206 lit b BAO - die Finanzämter anwies, die Steuer im Ausmaß des Übersteigens der Ausgleichsquote nicht festzusetzen ( GZ 14 0206/1-IV/14/99, AÖF 1999/180, anwendbar ab 1998), zunächst eingearbeitet in die EStR 2000 Rz 7250 ff, nunmehr KStR 2013 Rz 1522 ff. Aufgrund der Rechtsunsicherheit, die dadurch entsteht, dass Erlassmeinungen keine allgemein verbindlichen Normen darstellen, auf die sich der Steuerpflichtige zur Rechtsdurchsetzung berufen kann (; zuletzt ), wurde die Verwaltungspraxis schließlich per auf eine gesetzliche Grundlage gestellt (§ 36 EStG bzw. § 23a KStG idF BGBl I 2003/71). In Deutschland wiederum hat der BFH die bestehende Regelung als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beurteilt (BFH GrS 1/15, BStBl II 17, 393). In der Folge wurde mit dem JStG 18 (BGBl I 18, 2338) ab eine neue gesetzliche Regelung geschaffen (vgl § 3a dEStG, auch für Körperschaften anwendbar gem § 8 Abs 1 dKStG).

Auf § 206 BAO gestützt konnte nach bisheriger Verwaltungspraxis von der Abgabenfestsetzung auch dann Abstand genommen werden, wenn die Sanierung nicht im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, sondern außergerichtlich erfolgte (vgl KStR 2013 Rz 1538). Ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auf eine steuerliche Begünstigung des außergerichtlichen Sanierungsgewinns besteht jedoch nicht (vgl ). (vgl. Körperschaftsteuer: Kommentar, Lachmayer/Strimitzer/Vock § 23a KStG, Rz. 4-6).

Ab der hier noch nicht anzuwendenden Veranlagung 2021 wurde eine gesetzliche Grundlage für die Begünstigung außergerichtlicher Sanierungsgewinne geschaffen. Inhaltlich sollen dadurch sämtliche Gewinne aus einem Schulderlass, die durch Gläubigerverzichte im Rahmen eines geordneten und strukturierten Sanierungsprozesses erzielt werden. Von einer Vergleichbarkeit werde nach den EB 2080/A BlgNR XXVII. GP 65) dann auszugehen sein, wenn Gläubiger, die zumindest 50% des Gesamtobligos (§ 224 Abs. 3 C UGB) vertreten, an der außergerichtlichen Sanierung teilnehmen. Damit setzen sich die Gesetzmaterialien, ob es sich um eine allgemeine Sanierungsmaßnahme handle, deutlich in Widerspruch zur Judikatur des VwGH (), die dazu neigt, eine 50%-Grenze nicht schematisch und unbesehen anzuwenden und auch einer Minderheit oder eines Hauptgläubigers die Wirkung einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme im Einzelfall zukommen lässt (). Derartige Schulderlässe können allerdings auch an anderen Bedingungen scheitern, wenn es beispielsweise an einem einheitlichen Sanierungskonzept mangelt. Ein solches ist, wie die belangte Behörde in ihren Ausführungen der Beschwerdevorentscheidung anklingen lässt, nicht weiter erkennbar, zumal sich die Bf. zum Vorliegen einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme und der Sanierungsabsicht eher bedeckt hält. Der Verzicht eines unbesicherten Gläubigers im Nahebereich der Gesellschafter der Bf. stellt noch keine allgemeine Sanierungsmaßnahme dar, sondern lediglich einen partiellen Forderungsverzicht. Der hier von der Bf. erhobene Einwand, dass durch den Verzicht und Wegfall der Zinsen eine wesentliche Stärkung der Liquidität des Unternehmens bewirkt wurde, wird in seiner Allgemeinheit nicht geteilt, weil der bloße Wegfall von Verbindlichkeiten für sich genommen noch keine zusätzlichen Barmittel mit sich bringt. Im Übrigen sind die Vereinbarungen mit der S. International GmbH beim Eingehen der Zahlungsverpflichtungen, was Sicherheiten und Verzinsung der hingegebenen Darlehensbeträge betrifft, nicht näher bekannt. Daher war anzunehmen, dass die Bf. auf Grund ihrer Ertragslage diese Verbindlichkeiten ohnehin nicht vollständig rückführen können wird. In diese Richtung gehen auch die Ausführungen des Finanzamtes, die diese Mittel im Nahebereich der Eigenmittel ansieht, zumal es eine primäre Aufgabe der Gesellschafter ist, ihre Gesellschaft mit entsprechenden Mitteln auszustatten. Dies kann in Form von Einlagen oder (nachrangiger) Gesellschafterdarlehen geschehen. Offenbar hat eine den Gesellschaftern nahestehende Gläubigergesellschaft an der Einbringlichkeit ihrer Forderung gezweifelt, für sich keine Einbringungschancen mehr gesehen und daher einen Schulderlass vorgenommen. Eine Qualifizierung als steuerfrei gebliebener Sanierungsgewinn wird bei einem Forderungsverzicht durch einen Gesellschafter mangels betrieblicher Veranlassung abgelehnt, selbst dann wenn die Gesellschaft unstreitig sanierungsbedürftig ist. (Petra Schwarzinger, ecolex 1997, 529 unter Hinweis auf: BFH , BStBl II 1968, 720). Die anderen Gläubiger waren in diese Maßnahme offenbar nicht involviert. Unverständlich bleiben in diesem Zusammenhang auch die Beschwerdeausführungen (Beschwerde vom ), dass die Bf. im Jahr "2021" in Zahlungsschwierigkeiten geraten und die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens drohte. Warum diese erst 2021 aufgetreten sind, ist nicht ganz verständlich. Welchen Einfluss der im Jahr 2020 ausgesprochener Verzicht auf die Liquidität der Bf. gehabt hat, bleibt offen, zumal die strittigen Darlehensbeträge schon längere Zeit - möglicherweise seit 2014 hingegeben wurden und die "Unterbilanz" (buchmäßige Überschuldung) schon seit Jahren z.B. (-) 58.331,46 € vorliegt.

Von § 23a KStG 1988 sind somit nur Vermögensvermehrungen, die im Zuge eines gerichtlichen Ausgleichs oder Zwangsausgleichs entstanden sind, erfasst. Vermögensvermehrungen außerhalb der normierten Insolvenzverfahren werden von § 23a KStG 1988 nicht erfasst (Lang, KStG, § 23a Rz. 9).

Die derzeit gültige Regelung ist eine Tarifvorschrift, die eine begünstigte Besteuerung in Form der teilweisen Nichtfestsetzung der Steuer auf Sanierungsgewinne vorsieht, und zwar in Höhe der Zwangsausgleichs- bzw. Ausgleichsquote. Damit wird der Staat hinsichtlich der Erfüllung seiner Abgabenforderung im Rahmen eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens wie andere Gläubiger gestellt, da die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer im gleichen Ausmaß erlassen wird, in dem auch die (übrigen) Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten (Lang, KStG, § 23a Rz. 14).

Soweit sich dies dem Vorbringen der Parteien entnehmen lässt, erfolgte weder ein gerichtlicher Ausgleich noch ein Zwangsausgleich. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Vorgangsweise nach § 23a KStG 1988 sind daher nicht gegeben.

Eine Steuerfreistellung nach dem KStG 1988 hat daher nicht zu erfolgen.

Fraglich könnte allenfalls sein, ob in Anwendung des § 206 BAO eine Abstandnahme von der Festsetzung von Abgaben vorzunehmen ist.

Die Körperschaftsteuerrichtlinien des BMF (KStR 2000 Rz 1487a) verweisen hinsichtlich einer allfälligen erlassmäßigen Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung gemäß § 206 BAO auf EStR 2000 Rz 7268.

Im Zusammenhang mit der Verrechtlichung der "vergleichbaren außergerichtlichen Sanierung iSd. § 36 EStG und § 23a KStG verweisen Hayden/Egger/Lobinger, RdW 2023/160 bzw. RdW 2023, 219 u.a. darauf hin, dass zwar von einer "vergleichbaren außergerichtlichen Sanierung" gesprochen wird, jedoch nicht ausdrücklich gesagt wurde, was darunter zu verstehen sei. Die Autoren verweisen im Wesentlichen auf die in den Gesetzesmaterialen genannte 50%-Regel, die von der schon älteren Judikatur des VwGH nicht schematisch geteilt wird. Vermögensvermehrungen außerhalb strukturierter Verfahren werden von § 23a nicht erfasst, selbst wenn diese die Definition des Sanierungsgewinns gem. Abs. 1 erfüllen (Gruber in: WU-KStG3 (2022) § 23a Rz. 9).
Daher besteht keine Veranlassung einer über die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen ausdehnenden Auslegung. Das Bundesfinanzgericht bzw. der Unabhängige Finanzsenat haben in der Entscheidungspraxis darauf hingewiesen, dass erlassmäßige Regelungen des BMF für ihn keine beachtliche Rechtsquelle darstellen (zu außergerichtlichen Schuldnachlässen etwa , oder ), was freilich nicht ausschließt, dass im Fall eines außergerichtlichen Schuldnachlasses die Voraussetzungen nach § 206 lit. b BAO vorliegen können. Es kommt daher auch eine Vorgangsweise nach § 206 lit. b BAO nicht in Betracht. Es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar wäre.

§ 8 Abs. 4 Z 2 lit. a sieht eine Verrechnungsgrenze für bestehende Verlustvorträge in einem Höchstausmaß von 75 % des Gesamtbetrages der Einkünfte vor. Ein dadurch entstehender Überhang ist in den Folgejahren unter Beachtung dieser Grenze abzuziehen (). Mit dem AbgÄG 2014 wurde diese Begrenzung für die Besteuerung natürlicher Personen abgeschafft, nicht jedoch für Körperschaften, was wohl nur aus budgetären Überlegungen erklärbar sein dürfte (vgl. dazu kritisch Raab/Renner in R/S/V, KSt32 § 8 Tz 1361; Schlager/Titz, RdW 2014, 65).

Da kein Sanierungsgewinn iSd. § 23a KStG 1988 erblickt wurde, sind auch die Ausnahmen der einschränkenden Bestimmungen über den Verlustabzug gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 lit. b erster Ts. KStG 1988 nicht anzuwenden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise






BFH , VI 35/61 U
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 7250 ff
KStR 2013, Körperschaftsteuerrichtlinien 2013 Rz 1522 ff


KStR 2013, Körperschaftsteuerrichtlinien 2013 Rz 1538
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100634.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at