Eherechtliche Vereinbarung als Vergleich i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Gebührenbescheid gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG 1957 des ***FA*** vom , ***2***, ***3***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Begleitschreiben vom übermittelte der Notar und Vertragserrichter eine Vertragskopie der die zwischen Frau ***1*** und Herr ***4*** (Beschwerdeführer, kurz: Bf) abgeschlossenen eherechtlichen Vereinbarung (Notariatsakt) vom ***5*** und führte aus, ungeachtet dessen, dass nach Ansicht der Vertragsparteien die gegenständliche Vereinbarung keinen Gebührentatbestand erfülle, werde diese aus juristischer Vorsicht im Sinne einer Abgabenerklärung zu einer möglichen Vergleichsgebühr vorgelegt. Soweit nach Ansicht des Finanzamts ein entsprechender Gebührentatbestand (Vergleichsgebühr) erfüllt sei, möge der entsprechende Bescheid direkt an die Vertragsparteien per Adresse ***6***, zugestellt werden.
Mit Bescheid vom setzte das ***FA*** die Gebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG mit 2% von der Bemessungsgrundlage iHv 312.544,00 Euro mit 6.250,88 Euro fest. Die Bemessungsgrundlage setzte sich aus dem unter Punkt Viertens vereinbarten nachehelichen Ehegattenunterhalt iHv 1.968,00 Euro pro Monat, welcher gemäß § 15 Abs. 2 BewG mit dem Neunfachen Jahreswert bewertet wurde, sohin 212.544,00 Euro (1.968,00 x 12 x 9), und der unter Punkt Fünftens genannten Einmalzahlung iHv 100.000,00 Euro zusammen. Dagegen brachte der Bf am Beschwerde ein und führte aus, dass es höchst unwahrscheinlich wäre, dass diese vereinbarten Unterhaltsleistungen jemals gleistet werden würden. Des Weiteren führte er seine finanzielle Lage als Begründung an. Seine Frau und er selbst seien Studenten und würden demnächst Eltern.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und es wurde auf die Möglichkeit der Einbringung eines Ansuchens ums Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO hingewiesen.
Am brachte der Bf wiederum unter Hinweis auf seine finanzielle Situation einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Auch das ergänzende Schreiben vom verweist auf die finanzielle Situation.
Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom wurde mit Bescheid vom abgewiesen, da die Gebühr bereits entrichtet worden ist.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die zwischen ***7*** und Herr ***4*** (Bf) abgeschlossene eherechtliche Vereinbarung (Notariatsakt) vom ***5*** hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"Viertens:
a) Nachehelicher Ehegattenunterhalt:
Die Ehepartner kommen überein, dass im Falle der Auflösung, Nichtigerklärung oder Scheidung der Ehe, wenn zumindest ein gemeinsames noch nicht selbsterhaltungsfähiges Kind vorhanden ist, und der Ehepartner, welcher die hauptsächliche Betreuung jenes nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes innehat, trotz Anspannungsbemühungen weniger als das monatliche Nettomedianeinkommen eines unselbständigen österreichischen Erwerbstätigen in den Erwerb bringt , sohin aktuell weniger als monatlich €1.968,- (Statistik Austria 2021, aktuelles Jahresnettomedianeinkommen netto €23.617,-- monatlich (dividiert durch 12) sohin €1.968,-- https: / /www. Statistik, at/ Statistiken/ bevoelkerung-und-soziales/ einkommen-und-soziale-lage/jaehrliche- personeneinkommen) verdient, der andere Ehepartner diesem zur monatliche Unterhaltsleistung verpflichtet ist, dies gemäß der Formel 40% (abzüglich 4 Prozent je unterhaltsberechtigtem Kind) vom Familiennettoeinkommen abzüglich Eigeneinkommen des schlechter verdienenden Ehepartners. Diese Ehegattenunterhaltsverpflichtung ist nach oben hin gedeckelt, dies mit dem österreichischen Nettomedianeinkommen, aktuell eben monatlich €1.968,--.
Zur Veranschaulichung ein Rechenbeispiel:
Sollte der betreuende Ehepartner € 1.800,-- netto verdienen und der andere Ehepartner €10.000,-- netto, dann hat der betreuende Ehepartner von einem Kind nicht auf 36% (40%-4%) des Familiennettoeinkommens, also €4.248,-- Anspruch, sondern nur auf €1.968,--. Somit wird nur €1.968,-- an Ehegattenunterhalt, und nicht der Betrag von €2.448,- überwiesen.
b) Die Ehepartner erklären weiters keine Unterhaltsansprüche gegen den anderen Ehegatten geltend zu machen, welche über die oben genannten Beiträge hinausgehen und verzichten jedenfalls, ausgenommen nachfolgend Punkt Viertens c) auf jeden nachehelichen Unterhalt nach dem 5. Lebensjahr des jüngsten, gemeinsamen Kindes. Dies gilt auch für den Fall unverschuldeter Not und jede sonstige Änderung der Umstände.
c) Die Vertragsparteien kommen Weiters überein, dass im Falle der Auflösung oder Scheidung der Ehe, wenn zwar kein gemeinsames Kind vorhanden ist, die ehe aber zumindest 9 Jahre gedauert hat, ebenfalls eine Ehegattenunterhaltsverpflichtung nach den vorstehend Punkt 4.a. angeführten Parameter besteht….."
Der Bf wendet ein, sie seien davon ausgegangen, dass die Einmalzahlung eventuell als Bemessungsgrundlage herangezogen werden könnte, jedoch nicht die Vereinbarung über die Unterhaltszahlung. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass die Bedingungen für eine tatsächliche Unterhaltszahlung jemals eintreten würden. Sie seien bereit, die Gebühr zu zahlen, müssten diese jedoch über einen Konsumkredit finanzieren, da ihr Studienbudget aktuell zur Gänze von den Lebenserhaltungskosten ausgeschöpft werde und keinen weiteren Rahmen zulasse. Sie ersuchten daher um eine Herabsetzung des Betrags auf maximal 2000 Euro. Weiters wird eingewendet, dass die Gebührenfestsetzung beide Ehepartner in eine finanzielle Notlage bringe, da sie beide noch Studenten seien und im Übrigen baldige Jungeltern. Vorgelegt wurden die Schwangerschaftsbestätigung sowie die Studien- und Kostenbestätigungen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den darin enthaltenen Urkunden und ist nicht strittig. Für das Bundesfinanzgericht haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln, womit das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annimmt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gem. § 33 TP 20 GebG 1957 unterliegen außergerichtliche Vergleiche einer Rechtsgeschäftsgebühr. Diese beträgt, wenn der Vergleich über (gerichts-) anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird, 1% und in allen übrigen Fällen 2% des Gesamtwertes der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Da das GebG 1957 den Begriff des Vergleiches nicht definiert, ist diesbezüglich auf die zivilrechtliche Definition in § 1380 ABGB zurückzugreifen (; , 2006/16/0136). Demnach handelt es sich beim Vergleich um eine konstitutive Vereinbarung, mit der durch beiderseitiges Nachgeben der Vertragsparteien strittige oder zweifelhafte Rechte einverständlich neu festgelegt werden. Der Vergleich bereinigt sohin ein strittiges oder zweifelhaftes Rechtsverhältnis und dient damit v.a. der Beilegung oder Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten (; , 2006/16/0136; , 2011/16/0122). Hierbei ist es nicht erforderlich, dass bereits bestehende bzw. der Vereinbarung vorangegangene Streitigkeiten bereinigt werden, sondern liegt ein Vergleich auch dann vor, wenn mit der Vereinbarung pro futuro gegensätzliche Interessen der Vertragsparteien ausgeglichen werden sollen (). Die durch den Vergleich bereinigte Ungewissheit betrifft in einem solchen Fall daher zukünftige Rechts- oder Tatsachenfragen ().
In diesem Sinne qualifiziert die ständige Rechtsprechung solche Vereinbarungen, die Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse der Ehegatten im Fall der Scheidung regeln, als durch die Scheidung bedingte und - da Bedingungen gemäß § 17 Abs. 4 GebG 1957 unbeachtlich sind - gebührenpflichtige Vergleiche i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957. Da die Folgen einer Scheidung gesetzlich nicht im Einzelnen festgelegt sind und derartige Vereinbarungen grundsätzlich der Disposition der Ehegatten unterliegen, steht bei Abschluss einer solchen Vereinbarung typischerweise noch nicht fest, ob und in welcher Höhe im Fall der Scheidung ein Ehegatte dem anderen zum Unterhalt oder zu sonstigen Leistungen verpflichtet sein wird. Dies gilt insbesondere für die einvernehmliche Scheidung, bei der eine Einigung u.a. über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehegatten sogar Scheidungsvoraussetzung ist (§ 55a Abs. 2 EheG). Bei einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung handelt es sich daher um die Regelung (zukünftiger) zweifelhafter Rechte mit Streitvermeidungsfunktion, bei der die Ehegatten zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit waren (vgl. ; ; , 2000/16/0332; , 2003/16/0117).
Auch im vorliegenden Fall haben die Ehegatten eine solche Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen. Durch den Vertrag vom ***5*** sollten zukünftige, von verschiedenen - im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bekannten - Faktoren abhängige und damit ungewisse Ansprüche einer einvernehmlichen Regelung unterzogen werden. Dass der Vereinbarung kein Streit vorausgegangen ist, spielt nach dem oben Gesagten keine Rolle, sondern besteht die Bereinigungsfunktion darin, dass die Ehegatten eine Regelung getroffen haben, die von den ungewissen zukünftigen Ansprüchen abweichen kann und liegt hierin das für einen Vergleich wesentliche beiderseitige Nachgeben.
Laut Punkt Viertens der Vereinbarung besteht bereits während aufrechter Ehe ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt, welcher sich in Anlehnung an die Rechtsprechung aus 40% des Familiennettoeinkommens abzüglich des Einkommens des (weniger verdienenden) unterhaltsberechtigten Ehepartners ergibt, wobei sich die 40% für jedes unterhaltspflichtige Kind um 4% reduzieren. Diese Regelung entspricht im Prinzip den gesetzlichen Vorgaben.
Allerdings wird laut Punkt Viertens a) ein nachehelicher Ehegattenunterhalt vereinbart, wobei dem hauptbetreuungspflichtigen Ehepartner eines nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes, welcher weniger als monatlich 1.968,00 Euro verdient, eine monatliche Unterhaltsleistung von 40% - abzüglich 4 Prozent je unterhaltsberechtigtem Kind - vom Familiennettoeinkommen, abzüglich Eigeneinkommen des schlechter verdienenden Ehepartners, zusteht. Diese Ehegattenunterhaltsverpflichtung ist nach oben hin gedeckelt, dies mit dem österreichischen Nettomedianeinkommen, aktuell monatlich 1.968,00 Euro. Damit kann der Ehepartner, welchem der andere Ehepartner zur monatlichen Unterhaltsleistung verpflichtet ist, nicht mehr als maximal das Nettomedianeinkommen (derzeit 1.968,00 Euro) erhalten. Hiebei ist von einer Vereinbarung über den Unterhalt für den Fall, dass ein Ehepartner gemeinsame Kinder betreut und ein geringeres Einkommen erzielt als der andere Ehepartner, auszugehen. Die Ehegatten haben daher mit dieser Vereinbarung eine unklare (zukünftige) Sach- und Rechtslage durch beiderseitiges Nachgeben bereinigt.
Da die Dauer der Unterhaltspflicht ungewiss ist, handelt es sich um eine Leistung von unbestimmter Dauer, die gemäß § 15 Abs. 2 BewG 1955 mit dem 9-fachen Jahreswert zu veranschlagen ist.
In Punkt Fünftens des Vertrages wird der Ehefrau mit Geburt des ersten Kindes ein einmaliger Betrag von 100.000,00 Euro zugesichert, welcher sich um 2% für jedes Jahr erhöht. Eine Auszahlung dieses Betrages ist nur im Falle einer Scheidung vorgesehen und ist binnen 180 Tagen auszuzahlen. Hie bei handelt es sich um eine Unterhaltsvereinbarung in Form einer Kapitalforderung, welche gemäß § 14 Abs. 1 BewG 1955 mit ihrem Nennwert anzusetzen ist. Die Bedingung der Scheidung hat gemäß § 26 GebG 1957 außer Acht zu bleiben. Infolge der Fälligkeitsfiktion des § 26 GebG 1957 sind Zinsen i.S.d. § 14 Abs. 3 BewG 1955 nicht abzuziehen (Bergmann/Pinetz, GebG, 2. Aufl. (2020), Rz. 19 zu § 26; Twardosz, GebG, Rz. 14 zu § 26 in ).
Hinsichtlich der Argumentation der finanziellen Belastung der Eheleute ist zu sagen, dass diese im Verfahren hinsichtlich der Festsetzung der materiell rechtlichen Gebühr keine Berücksichtigung finden kann, jedoch allenfalls relevant für ein Nachsichtsansuchen sein kann.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass Vereinbarungen zwischen Ehegatten, welche die Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse im Falle der Scheidung regeln, als Vergleiche i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957 gebührenpflichtig sind, ist durch die o.a. höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 17 Abs. 4 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 15 Abs. 2 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 14 Abs. 1 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 26 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102980.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at