Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung einer zurückweisenden Beschwerdevorentscheidung wegen eines behaupteten Zustellmangels
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/6100116/2024-RS1 | Eine Zustellvollmacht ist nur in jenen Verfahren zu beachten, in denen auf diese hingewiesen wird. Zwei Haftungsverfahren betreffend denselben Haftungspflichtigen - aber zwei unterschiedliche Primärschuldner - sind diesbezüglich als zwei getrennte Verfahren anzusehen, sodass eine Zustellvollmacht in einem dieser Verfahren nicht automatisch auch im anderen Verfahren gilt. |
RV/6100116/2024-RS2 | Ob eine Zurückweisung "als verspätet" oder "als unzulässig" erfolgt, ist nicht Spruch-, sondern Begründungsbestandteil. Wäre lediglich der eine durch den anderen Zurückweisungsgrund zu ersetzen, liegt folglich keine Unrichtigkeit des Spruchs im Sinne des § 299 BAO vor. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adresse***, über die Beschwerde des Haftungspflichtigen vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 299 BAO auf Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom betreffend den Körperschaftsteuerbescheid der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** für das Jahr 2012 vom , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der Schriftführerin Sabine Hasenöhrl zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) vom Finanzamt Österreich gemäß § 9 iVm §§ 80 ff BAO zur Haftung für Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2012 sowie einen Ersten Säumniszuschlag der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1***, Steuernummer ***Primärschuldnerin1-StNr***, in Höhe von insgesamt 292.050,08 € herangezogen. Dieser Haftungsbescheid wurde zusammen mit den diesem zugrundeliegenden Abgabenbescheiden dem Bf. am (durch Hinterlegung) zu eigenen Handen zugestellt.
Infolge der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger brachte der Bf. am eine Beschwerde gegen den haftungsgegenständlichen Körperschaftsteuerbescheid 2012 der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** bei der belangten Behörde ein.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde diese Beschwerde als verspätet zurück, wobei sie begründend im Wesentlichen ausführte, die Beschwerdefrist habe am geendet, weshalb die am eingebrachte Beschwerde verspätet sei.
Am stellte der Bf. einen Antrag auf Aufhebung dieser Beschwerdevorentscheidung gemäß § 299 BAO, in welchem er begründend zunächst auf die Beschwerde vom verwies und welchen er ergänzend zusammengefasst damit begründete, dass die Beschwerdefrist infolge eines Zustellmangels noch gar nicht zu laufen begonnen habe. Der gegenständliche Bescheid sei dem Bf. nämlich trotz einer aufrechten Zustellbevollmächtigung seiner steuerlichen Vertretung direkt zugestellt worden. Eine direkte Zustellung im Haftungsverfahren sei gemäß § 103 Abs. 1 zweiter Satz BAO nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit zulässig; da im Bescheid aber keine solchen Gründe angegeben und auch sonst keine solchen Gründe ersichtlich seien, erweise sich die direkte Zustellung an den Bf. als unzulässig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag ab, wobei sie begründend im Wesentlichen ausführte, eine Zustellvollmacht müsse immer im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden und folglich nur in jenem Verfahren von der Behörde beachtet werden, in welchem darauf hingewiesen wurde. Das gegenständliche Haftungsverfahren habe aber erst mit der Erlassung des Haftungsbescheides begonnen, weshalb in diesem Verfahren im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch gar keine Zustellvollmacht vorgelegen habe. Eine Vollmacht, die in einem früheren Haftungsverfahren (betreffend eine andere Primärschuldnerin) erteilt wurde, umfasse das gegenständliche Haftungsverfahren nicht. Der Spruch der Beschwerdevorentscheidung, deren Aufhebung begehrt wurde, erweise sich somit als richtig, weshalb der Antrag abzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. am fristgerecht Beschwerde, wobei er begründend zunächst auf seinen Aufhebungsantrag verwies und ergänzend zusammengefasst ausführte, der Bf. sei über den Abgabenanspruch betreffend Körperschaftsteuer 2012 der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** nicht vollständig informiert worden, da nur der Körperschaftsteuerbescheid 2012 dem Haftungsbescheid beigelegt gewesen sei, aber nicht auch der Beschluss des Bundesfinanzgerichtes, mit welchem das Beschwerdeverfahren der Primärschuldnerin gegen denselben Bescheid (wegen Wegfalls der Rechtsfähigkeit) eingestellt worden sei. Infolge dieser unvollständigen Bekanntmachung sei der Haftungsbescheid rechtswidrig und liege eine mangelhafte Zustellung vor, die auf das gegenständliche Verfahren betreffend den Körperschaftsteuerbescheid 2012 der Primärschuldnerin durchschlage.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde diese Beschwerde als unbegründet ab, wobei sie begründend zunächst ihre bisherigen Ausführungen wiederholte und ergänzend zusammengefasst ausführte, der mit dem Haftungsbescheid übermittelte Körperschaftsteuerbescheid 2012 stelle die Haftungsgrundlage dar und nicht der Formalbeschluss des Bundesfinanzgerichtes, mit welchem das Beschwerdeverfahren der Primärschuldnerin eingestellt wurde, zumal durch diesen Beschluss keine Änderung des gegenständlichen Körperschaftsteuerbescheides eingetreten sei; daher sei es nicht notwendig gewesen, diesen Beschluss dem Bf. zusammen mit dem Haftungsbescheid zur Kenntnis zu bringen.
Am brachte der Bf. rechtzeitig einen Vorlageantrag ein, in welchem er zusammengefasst vorbringt, die Behörde habe sich in der Beschwerdevorentscheidung vom nicht mit dem materiellen Vorbringen auseinandergesetzt, welches durch den Verweis im Aufhebungsantrag auf die frühere Beschwerde ebenfalls zur Sache des gegenständlichen Verfahrens gehöre, worin ein schwerer Begründungsmangel der Beschwerdevorentscheidung vom zu erblicken sei.
Am legte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht führte die Behörde ergänzend zum bisherigen Vorbringen aus, das Vorbringen des Bf. in der Beschwerde vom betreffend Nichtübermittlung eines Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes sei unbeachtlich, da es außerhalb der Sache des gegenständlichen Verfahrens liege.
Aufgrund einer Unzuständigkeitsanzeige der Gerichtsabteilung 7018 vom wurde die gegenständliche Rechtssache neu verteilt und infolgedessen der Gerichtsabteilung 4013 zugeteilt. Da die gegenständliche Beschwerde (materiell) ein Körperschaftsteuerverfahren betrifft und die bereits in der Gerichtsabteilung 7018 anhängige Beschwerde ein Haftungsverfahren, sind die beiden Beschwerden nicht derselben Zuteilungsgruppe zuzuordnen und stellen folglich keine "verbundenen Fälle" laut Punkt 3.3.1. der geltenden Geschäftsverteilung dar, die in der Gerichtsabteilung 7018 zusammenzufassen wären.
Am fand die im Vorlageantrag vom Bf. beantragte mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht (Außenstelle Salzburg) statt, zu welcher der Bf. und die belangte Behörde mit Ladung vom geladen wurden. Der anstelle des Bf. erschienene Vertreter des Bf. wies im Zuge der Verhandlung auf das materielle Beschwerdevorbringen hin, wonach die von der belangten Behörde bei der ***Primärschuldnerin1*** durchgeführte Gewinnerhöhung vielmehr bei der ***Primärschuldnerin2*** vorzunehmen gewesen wäre. Folglich bestünde ein (inhaltlicher) Zusammenhang zwischen den Haftungsverfahren bezüglich der Abgabenschulden dieser beiden Gesellschaften und seien diese nicht als zwei getrennte Haftungsverfahren zu behandeln.
2. Sachverhalt
Der Bf. war seit September 2003 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin1-RNF*** (FN ***Primärschuldnerin1-RNF-FN***). Seit September 2009 war er zudem alleiniger Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin1*** (FN ***Primärschuldnerin1-FN***), an der er seither auch zumindest mittelbar (über die ***Primärschuldnerin1-RNF***) 100 % der Geschäftsanteile hielt. Mit Beschluss vom wurde die ***Primärschuldnerin1*** als übertragende Gesellschaft mit der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als übernehmende Gesellschaft verschmolzen.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom ***Mitte 2014***, Gz. ***Gz Konkurs***, wurde über die ***Primärschuldnerin1-RNF*** der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss vom ***Ende 2014*** wurde dieser infolge eines rechtskräftigen Sanierungsplans aufgehoben. Mit Beschluss des Firmenbuchgerichtes vom ***Mitte 2021*** wurde die ***Primärschuldnerin1-RNF*** gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht.
Nach einer Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO erließ das Finanzamt ***Finanzamt*** am gegenüber der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1***, Steuernummer ***Primärschuldnerin1-StNr***, zu Handen des Bf. einen neuen Sachbescheid betreffend Körperschaftsteuer 2012, aus welchem eine Steuernachforderung in Höhe von 280.000 € resultierte. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben, welche zunächst mit abweisender Beschwerdevorentscheidung vom erledigt und infolge eines Vorlageantrages dem Bundesfinanzgericht vorgelegt wurde. Mit Beschluss vom , RV/6100510/2018, wurde dieses Beschwerdeverfahren infolge des zwischenzeitlich eingetretenen Wegfalls der Rechtspersönlichkeit der ***Primärschuldnerin1-RNF*** eingestellt.
Außerdem war der Bf. - neben mehreren anderen, nicht verfahrensgegenständlichen Kapitalgesellschaften - auch Gesellschafter-Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin2*** (FN ***Primärschuldnerin2-FN***), die mittlerweile wie die meisten anderen Kapitalgesellschaften, an denen der Bf. beteiligt bzw. deren Geschäftsführer er war, gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht wurde.
Der Haftungsbescheid vom und der streitgegenständliche Körperschaftsteuerbescheid 2012 wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch beim Postamt hinterlegt. Die Abholfrist begann am zu laufen.
Der Bf. bzw. die von ihm vertretenen verfahrensgegenständlichen Kapitalgesellschaften haben gegenüber der belangten Behörde im Zeitpunkt der fraglichen Bescheidzustellung () folgende Zustellvollmachten erteilt:
***Bf*** (Bf.) in seinen persönlichen Abgabenangelegenheiten, Steuernummer ***Bf-StNr1***: Vollmacht für ***Steuerberater1*** seit betreffend die nach § 213 Abs. 1 BAO gemeinsam verbuchten Abgaben (Einkommensteuer, Umsatzsteuer)
***Bf*** (Bf.) im Haftungs- bzw. Vollstreckungsverfahren betreffend Abgabenschulden der ***Primärschuldnerin2***, Steuernummer ***Primärschuldnerin2-StNr***:
Vollmacht für die Deloitte-MPD-QUINTAX Steuerberatungs GmbH seit (elektronische Bekanntgabe der Zustellvollmacht durch die Vertreterin)Für ***Bf*** (Bf.) im Haftungsverfahren betreffend Abgabenschulden der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1***, Steuernummer ***Primärschuldnerin1-StNr***, wurde hingegen keine Zustellvollmacht erteilt. Dieses Verfahren war dem Bf. und seinen steuerlichen Vertretern bis zur strittigen Bescheidzustellung unbekannt.
Die vorher bestehenden Zustellvollmachten der ***Primärschuldnerin1-RNF*** (Steuernummer ***Primärschuldnerin1-RNF-StNr***) bzw. ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** (Steuernummer ***Bf-StNr1***) für ***Steuerberater1*** sind mit dem Untergang der Gesellschaft im Jahr 2021 erloschen.
Die streitgegenständlichen Erledigungen (Haftungsbescheid des Bf. vom und Körperschaftsteuerbescheid der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** für 2012 vom ) sind der Deloitte-MPD-QUINTAX Steuerberatungs GmbH bis zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Entscheidung () nicht im Original zugegangen.
3. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zu den erwähnten Kapitalgesellschaften und den Beziehungen des Bf. zu diesen ergeben sich unmittelbar aus dem Firmenbuch, in welches das Gericht von Amts wegen Einsicht nahm (Personenabfrage nach dem Bf. und Firmenbuchauszüge zu FN ***Primärschuldnerin1-RNF-FN***, ***Primärschuldnerin2-FN*** sowie ***Primärschuldnerin1-FN***). Die Feststellungen zum Abgaben- und Beschwerdeverfahren der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** gründen auf den Inhalten des diesbezüglichen Veranlagungsakts, insbesondere dem Körperschaftsteuerbescheid 2012 vom und dem Einstellungsbeschluss des Bundesfinanzgerichtes vom . Welche Zustellvollmachten der Behörde im Zeitpunkt der strittigen Zustellung bekannt waren, ergibt sich ebenfalls unmittelbar aus den jeweiligen Veranlagungsakten.
Dass dem Bf. und seinen steuerlichen Vertretern das gegenständliche Haftungsverfahren betreffend Abgabenschulden der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** bis zur strittigen Bescheidzustellung unbekannt war, ergibt sich aus den vorgelegten Akten, aus denen ersichtlich ist, dass die belangte Behörde diesbezüglich vor der strittigen Bescheidzustellung keinerlei Korrespondenz mit dem Bf. oder seinen Vertretern in Bezug auf dieses Verfahren führte. Gegenteiliges hat der Bf. auch nie behauptet; vielmehr verwies er stets lediglich auf das Einschreiten der Deloitte-MPD-QUINTAX Steuerberatungs GmbH im Haftungs- bzw. Vollstreckungsverfahren betreffend Abgabenschulden der ***Primärschuldnerin2***. Dass der Bf. keine Zustellvollmacht im gegenständlichen Verfahren erteilen konnte, ist notwendige Folge seiner damaligen Unkenntnis von diesem Verfahren.
Dass die streitgegenständlichen Erledigungen der steuerlichen Vertretung bis zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Entscheidung nicht im Original zugegangen sind, hat diese selbst in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bestätigt. Dass diese Erledigungen tatsächlich entsprechend dem Rückschein ab zur Abholung durch den Bf. bereit standen, wurde im gesamten Verfahren nie bestritten.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zur "Sache" des gegenständlichen Verfahrens
Dem gegenständlichen Verfahren liegt ein Antrag des Bf. auf Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 299 BAO zugrunde. Bei der Aufhebung auf Antrag bestimmt die Partei den Aufhebungsgrund. Sie gibt im Aufhebungsantrag an, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig hält. Die Sache, über die im Rechtsmittelverfahren gegen den Bescheid, mit welchem ein solcher Antrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, wird durch die Partei im Aufhebungsantrag festgelegt (Ritz/Koran, BAO7, § 299 Rz 28a; ; , 2012/13/0123; , Ra 2014/15/0056).
Im Beschwerdeverfahren kann ein mangelhaft begründeter Aufhebungsantrag ergänzt bzw. richtiggestellt werden, es kann allerdings kein anderer (neuer) Aufhebungsgrund herangezogen werden (vgl. ; , 2012/13/0116 zur Aufhebung von Amts wegen).
Als Aufhebungsgründe hat der Bf. im Aufhebungsantrag angeführt:
Zustellmangel (dass die Direktzustellung an den Bf. erfolgte, obwohl eine Zustellvollmacht vorgelegen habe sowie keine Ermessensbegründung hinsichtlich der Direktzustellung vorliege und die Direktzustellung auch tatsächlich nicht zweckmäßig sei)
Materielle Unrichtigkeit des in Beschwerde gezogenen Körperschaftsteuerbescheides 2012 (durch den pauschalen Verweis auf die Begründung der Beschwerde vom im Aufhebungsantrag wurde dieser Grund auch Gegenstand des Aufhebungsverfahrens)
Diese Gründe bilden somit auch die Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens. Der in der Beschwerde gegen die Abweisung des Aufhebungsantrages erstmals vorgebrachte weitere Grund (auf den Körperschaftsteuerbescheid 2012 durchschlagende Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides, da nur dieser Bescheid, aber nicht auch der Einstellungsbeschluss des Bundesfinanzgerichtes zusammen mit dem Haftungsbescheid übermittelt worden sei) findet keine Deckung in den Gründen, welche die Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bilden. Mit diesem außerhalb der Sache gelegenen Grund hat sich das erkennende Gericht folglich nicht auseinanderzusetzen.
Mit der Beschwerdevorentscheidung, deren Aufhebung begehrt wird, hat die belangte Behörde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Von den beiden geltend gemachten Aufhebungsgründen ist zunächst nur der Zustellmangel zu prüfen, da selbst die materielle Unrichtigkeit des Körperschaftsteuerbescheides 2012 nicht geeignet wäre, eine Aufhebung der streitgegenständlichen Beschwerdevorentscheidung zu tragen, wenn der behauptete Zustellmangel nicht vorliegt und die Beschwerde folglich zu Recht zurückgewiesen wurde.
4.2. Zum Vorliegen des behaupteten Zustellmangels
Strittig ist, ob der Bf. seiner steuerlichen Vertretung auch im Haftungsverfahren des Bf. betreffend die ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** vor Zustellung des dieser Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheides eine Zustellvollmacht erteilt hat und infolgedessen die Direktzustellung an den Bf. unwirksam war.
Festgestellt wurde, dass der Bf. bzw. die von ihm vertretenen Körperschaften zum Stichtag in folgenden Verfahren Zustellvollmachten erteilt hatten:
***Steuerberater1*** war in den persönlichen Abgabenverfahren des Bf. betreffend die nach § 213 Abs. 1 BAO gemeinsam verbuchten Abgaben (Einkommensteuer, Umsatzsteuer) bevollmächtigt.
Die Deloitte-MPD-QUINTAX Steuerberatungs GmbH war im Haftungs- und Vollstreckungsverfahren betreffend den Bf. als Haftungspflichtigen für die Abgabenschulden der ***Primärschuldnerin2*** bevollmächtigt.
Die von der ***Primärschuldnerin1-RNF*** bzw. ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** erteilten Vollmachten waren bereits erloschen.
Das Haftungsverfahren des Bf. für Abgabenschulden der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** begann erst mit der Zustellung des Haftungsbescheides und der diesem zugrundeliegenden Abgabenbescheide. Nach den Feststellungen wurde zuvor keine Zustellvollmacht für dieses Verfahren erteilt; mangels entsprechender Kenntnis des Bf. von einem solchen Verfahren wäre dies auch kaum denkbar.
Nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Zustellvollmacht nur in jenen Verfahren zu beachten, in denen auf diese hingewiesen wird. Beispielsweise sind ein Abgabenverfahren und ein Finanzstrafverfahren diesbezüglich als zwei getrennte Verfahren zu behandeln (), wie auch zwei verschiedene Finanzstrafverfahren gegen dieselbe beschuldigte Person im Verhältnis zueinander (). Selbst eine Bevollmächtigung "für alle Verfahren vor der Abgabenbehörde des Bundes" ist für ein Haftungsverfahren nicht von Bedeutung, solange nicht in diesem konkreten Haftungsverfahren auf die erteilte Zustellvollmacht hingewiesen wird (; vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 9 ZustG Tz 19).
Nach der zuvor zitierten höchstgerichtlichen Judikatur sind Abgaben- und Haftungsverfahren für Zwecke des § 9 ZustG als zwei getrennte Verfahren anzusehen, weshalb weder die Zustellvollmacht der steuerlichen Vertretung des Bf. in seinen persönlichen Abgabenverfahren noch jene im Abgabenverfahren der ***Primärschuldnerin1-RNF*** als Rechtsnachfolgerin der ***Primärschuldnerin1*** für das gegenständliche Haftungsverfahren maßgeblich sind. Dasselbe gilt für das gegenständliche Haftungsverfahren und das Haftungsverfahren betreffend die Abgabenschulden der ***Primärschuldnerin2***, welche - analog zur oben zitierten Judikatur betreffend zwei verschiedene Finanzstrafverfahren - als zwei getrennte Verfahren anzusehen sind, sodass eine Zustellvollmacht in einem dieser Verfahren nicht automatisch auch im anderen Verfahren gilt. Auf einen allfälligen inhaltlichen Zusammenhang zwischen diesen beiden Haftungsverfahren kommt es dabei nicht an.
Da somit im vorliegenden Verfahren vor der Zustellung des Haftungsbescheides und der diesem zugrundeliegenden Abgabenbescheide keine Zustellvollmacht erteilt wurde, geht der Einwand des Bf., es würde aufgrund der Direktzustellung an ihn ein Zustellmangel vorliegen, ins Leere. Die Zustellung an den Bf. durch Hinterlegung war mit Beginn der Abholfrist () rechtswirksam.
4.3. Conclusio
Da der behauptete Zustellmangel nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht vorliegt, sondern die Zustellung des Haftungsbescheides und der diesem zugrunde liegenden Abgabenbescheide vielmehr rechtswirksam mit erfolgte, erweist sich der zurückweisende Spruch der Beschwerdevorentscheidung, deren Aufhebung begehrt wurde, als richtig. Die belangte Behörde hat den dagegen gerichteten Aufhebungsantrag folglich zu Recht abgewiesen, weshalb auch die Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid abzuweisen war.
Im Übrigen erscheint dem erkennenden Gericht das Beschwerdevorbringen auch unschlüssig: Wenn man dem Beschwerdevorbringen folgte, wonach der Körperschaftsteuerbescheid 2012 aufgrund eines Zustellmangels dem Bf. nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, müsste ebenso auch der Haftungsbescheid, welcher in einer Sendung mit dem Körperschaftsteuerbescheid 2012 übermittelt wurde, dem Bf. nie rechtswirksam zugestellt worden sein. Das Beschwerderecht des Haftungspflichtigen gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch setzt aber voraus, dass der Haftungsbescheid ihm gegenüber wirksam ergangen ist (vgl. ). Selbst wenn man dem Beschwerdevorbringen also vollinhaltlich folgte, wäre die Beschwerde vom sohin - mangels Legitimation des Einschreiters - zurückzuweisen gewesen. Da der Zurückweisungsgrund ("verspätet" oder "unzulässig") nicht Spruch- sondern Begründungsbestandteil ist, könnte mangels Unrichtigkeit des Spruchs auch in diesem Fall keine Aufhebung gemäß § 299 BAO erfolgen (vgl. ).
Aus demselben Grund musste das erkennende Gericht die Entscheidung über die (bei einer anderen Gerichtsabteilung desselben Gerichts anhängigen) Beschwerde des Bf. gegen die Abweisung eines Antrages gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des gegenständlichen Haftungsbescheides nicht abwarten. Zwar ist es grundsätzlich so, dass zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid und erst dann über die Beschwerde gegen den Abgabenbescheid zu entscheiden wäre, da die Beschwerdelegitimation im Verfahren gegen den Abgabenbescheid von der Entscheidung über den Haftungsbescheid abhängt (vgl. ; , 2009/16/0260; , 2012/16/0049; , Ra 2019/13/0029). Jedoch ist es für das erkennende Gericht zum einen fraglich, ob diese Judikatur überhaupt auf Aufhebungsanträge gemäß § 299 BAO übertragbar ist. Zum anderen ist im Gegensatz zu den zitierten Entscheidungen ausgeschlossen, dass die Entscheidung über die Aufhebung des Haftungsbescheides einen Einfluss auf das hier gegenständliche Verfahren haben könnte: Würde der Haftungsbescheid nämlich aufgehoben oder zum "Nichtbescheid" erklärt, so erwiese sich die Zurückweisung der gegenständlichen Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2012 erst recht wieder als richtig, wenn auch aus einem anderen Grund. Würde er hingegen - aus welchen Gründen auch immer - nicht aufgehoben, könnte diese Entscheidung keinerlei Bindungswirkung für das hier gegenständliche Verfahren entfalten; insbesondere würde sie der vorliegenden Entscheidung nicht entgegenstehen.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4.4. Zur Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das vorliegende Erkenntnis der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100116.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at