zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.10.2024, RV/7101448/2020

Bestimmte Vertragsdauer, wenn zwar alle Kündigungsgründe des § 30 MRG vereinbart wurden, deren Anwendbarkeit bzw. Verwirklichung im Rahmen des konkreten Mietverhältnisses aber nicht infrage kommt bzw. unwahrscheinlich ist

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Gebühren 2019 Steuernummer ***BFStNr***, Erf.Nr. ***BfErfNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Gebühr für den Mietvertrag vom mit € 238.219,08 festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Rechtsgeschäftsgebühr für den Mietvertrag zwischen der Beschwerdeführerin als Vermieterin und dem Land ***A*** als Mieter vom mit € 238.373,88 fest. Von der zuvor erfolgten Selbstberechnung durch die Beschwerdeführerin wich die belangte Behörde hierbei insofern ab, als sie ein Mietverhältnis mit bestimmter (30-jähriger) Dauer und anschließender unbestimmter Dauer annahm, weil für das (an sich unbefristete) Mietverhältnis ein 30-jähriger Kündigungsverzicht vereinbart worden sei (die Beschwerdeführerin hatte ihrer Berechnung lediglich eine unbestimmte Dauer zugrundegelegt). Weiters bezog sie in die Bemessungsgrundlage auch ein Entgelt ein, um welches der Hauptmietzins vereinbarungsgemäß angehoben wird, wenn sich die Baukosten für das (von der Beschwerdeführerin erst zu errichtende) Bestandobjekt aus bestimmten, im Vertrag angeführten Gründen erhöhen. Die belangte Behörde erblickte hierin ein Wahlrecht i.S.d. § 22 GebG 1957.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . Darin wird zunächst geltend gemacht, dass nur der Mieter einen (mit 30 Jahren befristeten) Kündigungsverzicht abgegeben habe. Die Beschwerdeführerin als Vermieterin könne den Vertrag dagegen jederzeit kündigen und sei hierbei nur insofern beschränkt, als das Kündigungsrecht aus einem wichtigen Grund i.S.d. § 30 MRG ausgeübt werden muss. Die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 MRG stelle nach der Rechtsprechung des VwGH jedoch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit dar, sodass von einem Vertrag mit unbestimmter Dauer auszugehen sei. Weiters sei auch § 22 GebG 1957 unrichtig angewendet worden, da sich einerseits der Mietzins nur bei Mehrkosten von über € 100.000,00 erhöht hätte (tatsächlich würden die Mehrkosten unter € 100.000,00 liegen) und andererseits diesbezüglich kein Wahlrecht bestanden habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung gab die belangte Behörde der Beschwerde insofern teilweise statt, als die Mietzinserhöhung aufgrund von Baumehrkosten lediglich für einen Zeitraum von 30 Jahren in die Bemessungsgrundlage einbezogen wurde, weil der erhöhte Bestandzins vereinbarungsgemäß nur für die Dauer des Kündigungsverzichts des Mieters zu entrichten sei. Anders als im Erstbescheid qualifizierte sie die diesbezügliche Vereinbarung als bedingte Zahlungsverpflichtung, welche gemäß § 26 GebG 1957 als unbedingte Leistung zu behandeln und daher in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei. Im Übrigen hielt sie an ihrer Auffassung, wonach auch die Beschwerdeführerin weitgehend auf ihr Kündigungsrecht verzichtet habe und für einen Zeitraum von 30 Jahren daher ein Bestandverhältnis mit bestimmter Dauer anzunehmen sei, fest, weil nach der Rechtsprechung eine Beschränkung auf einzelne im Vertrag genannte Kündigungsmöglichkeiten (und damit eine hinreichende Beschränkung des Kündigungsrechtes) anzunehmen sei, wenn nicht alle im § 30 MRG genannten Kündigungsgründe vereinbart werden. Im vorliegenden Fall seien zwar die Kündigungsgründe des § 30 MRG vereinbart worden, doch könne die Bestandgeberin nicht auf alle diese Gründe zurückgreifen, da manche sich lediglich auf Wohnungen beziehen und andere aufgrund des Sachverhaltes von vornherein ausscheiden. Damit stünden lediglich jene Kündigungstatbestände zur Verfügung, die ein Fehlverhalten des Bestandnehmers voraussetzen. Diese Kündigungsmöglichkeiten seien nicht von so umfassender Natur, dass die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Auflösung des Bestandvertrages gegeben ist, weshalb die grundsätzlich vereinbarte Bindung der Vertragsparteien durch die im Vertrag bezeichnete Kündigungsmöglichkeit nicht aufgehoben werden könne.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Darin führt sie aus, dass jedenfalls von einer unbestimmten Vertragsdauer auszugehen sei, wenn - wie hier - alle Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG vereinbart wurden, da dann die Kündigungsmöglichkeit eben nicht auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt sei. Nur unterhalb der Schwelle der Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG könne - je nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vereinbarten Kündigungsgründe - eine so starke Bindung in Betracht kommen, dass von einer bestimmten Vertragsdauer auszugehen ist. Die von der belangten Behörde für ihre gegenteilige Auffassung ins Treffen geführten VwGH-Entscheidungen würden von der langjährigen ständigen Rechtsprechung abweichen. Es könne zudem nicht gefordert werden, dass alle Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG auch tatsächlich anwendbar sind. Dies ergebe sich schon daraus, dass die dort aufgezählten Kündigungsgründe sich auf unterschiedliche Sachverhaltsvarianten beziehen und daher nicht alle auf ein bestimmtes Mietverhältnis tatsächlich anwendbar sein können. So würden sich manche Tatbestände ausschließlich auf Wohnungen, andere ausschließlich auf Geschäftsräume bzw. manche Tatbestände ausschließlich auf Hauptmietverhältnisse und andere nur auf Untermietverhältnisse beziehen. Auch von der Rechtsprechung des VwGH werde nicht gefordert, dass alle Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG anwendbar sind, um von einer unbestimmten Vertragsdauer ausgehen zu können, sondern werde lediglich verlangt, dass alle bzw. alle im betreffenden Fall denkmöglichen Kündigungsgründe vereinbart wurden. Die Rechtsansicht der belangten Behörde laufe darauf hinaus, die einzelnen Ziffern des § 30 Abs. 2 MRG danach "abzuzählen", ob sie auf das konkrete Mietverhältnis Anwendung finden können oder nicht. Dass dies eine reine - weitgehend sinnbefreite - Formalübung sei, die mit dem Gewicht und der Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten nichts zu tun hat, ergebe sich auch daraus, dass die Aufzählung in § 30 Abs. 2 MRG nicht taxativ ist, es daher auch wichtige Kündigungsgründe gebe, die dort nicht genannt sind, und weiters daraus, dass die in § 30 Abs. 2 MRG angeführten Sondertatbestände oft bloß unterschiedliche Fallvarianten für ein und denselben Kündigungsgrund abbilden (so etwa würden Z 1 und 2 beide den Fall des Verzugs des Mieters mit seiner Gegenleistung betreffen; Z 6 und 7 würden sich beide auf den Fall beziehen, dass der Mieter das Objekt nicht benötigt; die Z 8 bis 11 würden allesamt Varianten der Eigenbedarfskündigung in verschiedenen Konstellationen darstellen). Die Annahme, die Unanwendbarkeit einzelner der in § 30 Abs. 2 Z 1-16 aufgezählten Kündigungstatbestände auf ein konkretes Mietverhältnis würde das Gewicht und die Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Kündigungsmöglichkeiten reduzieren, sei daher in dieser Form grundlegend falsch. Weiters weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Rechtsansicht der belangten Behörde dazu führen würde, dass die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG stets eine bestimmte Vertragsdauer zur Folge hätte, wenn dem anderen Vertragspartner (typischerweise dem Mieter) für eine bestimmte Zeit keine Kündigungsmöglichkeit zukommt, da seit Abschaffung der Mietvertragsgebühr für Wohnungsmietverträge i.W. nur noch Geschäftsraummietverträge gebührenpflichtig seien, auf welche die Z 5, 6, 8 und 16 des § 30 Abs. 2 MRG von vornherein nicht und die Z 2, 10, 11 und 15 nur in seltenen Sonderkonstellationen anwendbar seien. Letztlich liefe die Rechtsansicht der belangten Behörde insoweit auf eine Ungleichbehandlung hinaus, als eine bestimmte Vertragsdauer nur dann anzunehmen wäre, wenn die Beschränkung auf die (nur zum Teil anwendbaren) Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG auf vertraglicher Vereinbarung beruht, da nur dann von einem Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gem. § 33 TP 5 Abs. 3 S. 2 GebG 1957 gesprochen werden könne. Könne der Vermieter dagegen schon kraft Gesetzes nur aus einem wichtigen Grund i.S.d. § 30 Abs. 2 MRG kündigen, würde ein bloß einseitiger Kündigungsverzicht des Mieters nichts an der unbestimmten Vertragsdauer ändern. Die Einbeziehung der Mietzinserhöhung aufgrund von Baumehrkosten in die Bemessungsgrundlage wird im Vorlageantrag nicht (mehr) bekämpft.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Vertrag vom in der Fassung eines Nachtrages vom räumte das Land ***A*** der Beschwerdeführerin ein Baurecht i.S.d. Baurechtsgesetzes, RGBl Nr. 86/1912, an der Liegenschaft EZ ***XXXXX***, KG ***YYYYY***, für die Zeit ab Einverleibung des Baurechtes im Grundbuch (dies erfolgte am ) bis zum ein. Auf dieser Liegenschaft befindet sich eine bereits in der Vergangenheit von Land ***A*** betriebene Sonderschule für Gehörlose und schwerhörige Kinder. Die Beschwerdeführerin sollte das Schulgebäude vereinbarungsgemäß sanieren und erweitern und sodann dem Land ***A*** vermieten.

Mit weiterem Vertrag vom vermietete die Beschwerdeführerin dem Land ***A*** das sanierte und erweiterte Gebäude zum Zweck des (weiteren) Schulbetriebes. Festgehalten wurde, dass der Mietvertrag gem. § 1 Abs. 2 Z. 5 MRG (Gebäude mit nicht mehr als zwei selbstständigen Mietobjekten) nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes (MRG) unterliegt (Pkt. 1. des Mietvertrages). Das Gebäude war entsprechend einer als Vertragsbeilage angeschlossenen Leistungsbeschreibung zu errichten (Pkt. 2.1 [1]), die Planung war mit dem Mieter abzustimmen (Pkt. 2.2 [2]) Einreichpläne, Ausführungs- und Detailpläne sowie deren Änderungen bedurften der Freigabe durch den Mieter (Pkt. 2.3 [1]). Änderungswünsche des Mieters mussten grundsätzlich - gegen Übernahme allfälliger Mehrkosten - umgesetzt werden (Pkt. 2.6).

Das Mietverhältnis begann vereinbarungsgemäß mit der Übergabe des Mietgegenstandes an den Mieter () und wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen (Pkt. 4.1). Jede Partei ist berechtigt, den Mietvertrag unter Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalenderjahres mittels eingeschriebenen Briefes zu kündigen (ordentliche Kündigung), wobei jedoch die Beschwerdeführerin als Vermieterin nur aus einem wichtigen Grund i.S.d. § 30 MRG i.d.F. gem. Pkt. 1.1 (2), das ist die Fassung bei Abschluss des Mietvertrages, kündigen kann und der Mieter für die Dauer des Baurechts auf die Ausübung seines ordentlichen Kündigungsrechtes verzichtet (Pkt. 4.2).

Der vereinbarte monatliche Mietzins beträgt € 94.162,81 einschließlich Verwaltung, technischem Gebäudebetrieb, Instandhaltung, Grundsteuer, Versicherung und Baurechtszins (letzterer ist nicht nur von der Beschwerdeführerin an das Land ***A*** als Grundeigentümer zu entrichten, sondern auch vom Land ***A*** als Mieter an die Beschwerdeführerin zu refundieren; Pkt. 5. 1 [1] sowie Schreiben der Beschwerdeführerin an das Land ***A*** vom und [= Mietzinsvorschreibung ab ]). Dieser Betrag erhöht bzw. reduziert sich für die Dauer des Kündigungsverzichtes des Mieters um € 430,00 für jede volle € 100.000,00 um die sich die Baukosten aufgrund von Änderungswünschen des Mieters, aufgrund von Forderungen des Gestaltungsbeirates, aufgrund der notwendigen Umlegung von Leitungen, die im Leitungsplan nicht ersichtlich sind, oder aufgrund der Entfernung von Kampfmitteln und Kriegsrelikten bzw. der Entsorgung von Altlasten und Kontaminationen erhöhen oder verringern (Pkt. 5. 2 [1] u. [2] sowie Beilage ./E des Mietvertrages).

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf den Baurechtsvertrag vom samt Nachtrag vom sowie auf den Mietvertrag vom , insbesondere auf die jeweils angeführten Punkte dieses Mietvertrages und die sonstigen jeweils angeführten Urkunden. Das Datum der Einverleibung des Baurechtes wurde dem offenen Grundbuch entnommen, jenes der Übergabe des Mietobjektes an den Mieter dem Schreiben der Beschwerdeführerin an die belangte Behörde vom . Der festgestellte Sachverhalt ist im Übrigen zwischen den Parteien unstrittig. Strittig ist die gebührenrechtliche Dauer des Mietvertrages, also eine Rechtsfrage.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilw. Stattgabe)

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 GebG 1957 sind Bestandverträge mit 1 % der Bemessungsgrundlage zu vergebühren. Diese Bemessungsgrundlage beträgt bei unbestimmter Vertragsdauer das Dreifache des Jahreswertes (= Jahresmietzins einschließlich Nebenkosten und ggf. Umsatzsteuer), bei bestimmter Vertragsdauer das entsprechend vervielfachte, höchstens jedoch 18-fache des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht (§ 33 TP 5 Abs. 3 GebG 1957). Ist die Vertragsdauer zunächst bestimmt und schließt sich daran eine unbestimmte Vertragsdauer an, beträgt die Bemessungsgrundlage das entsprechend vervielfachte (höchstens 18-fache) des Jahreswertes für die bestimmte Dauer zuzüglich des dreifachen Jahreswertes für die unbestimmte Dauer (; Kombination von bestimmter und unbestimmter Vertragsdauer).

Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, hängt davon ab, ob beide Vertragsteile für eine bestimmte Dauer an den Vertrag gebunden sind oder nicht. Ein Bestandverhältnis, das zwar der Form nach auf eine bestimmte Zeit eingegangen worden ist, aber dennoch vor Ablauf dieser Zeit von zumindest einem Vertragspartner beliebig aufgelöst werden kann, ist demnach in seiner Dauer unbestimmt (). Demgegenüber ist ein formal auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag als solcher auf bestimmte Dauer anzusehen, wenn das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist (). In diesem Sinne wurde judiziert, dass die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG grundsätzlich keine derartige Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit darstellt, sodass in einem solchen Fall von einer unbestimmten Vertragsdauer auszugehen ist. Dagegen steht die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag nach dem letzten Satz des § 33 TP 5 Abs 3 GebG nicht entgegen ( m.w.N.). Was hierbei eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe im Einzelfall zu prüfen (; , 90/15/0034; , Ra 2017/16/0111).

Wenngleich die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 MRG grundsätzlich noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten darstellt, entspricht es doch der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des VwGH, dass auch in einem solchen Fall eine entsprechende Gewichtung und Prüfung der Wahrscheinlichkeit der Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe zum Ergebnis führen kann, dass von diesen Tatbeständen realistischerweise nur einige wenige in Betracht kommen, der Vertrag daher lediglich aus einzelnen Gründen (also nicht schrankenlos) auflösbar ist und damit von einer bestimmten Dauer auszugehen ist (; , Ra 2018/16/0040; , Ro 2018/16/0004; , Ra 2019/16/0182; , Ra 2022/16/0042).

Hierbei sind die einzelnen Ziffern des § 30 Abs. 2 MRG nicht danach "abzuzählen", ob sie auf das konkrete Mietverhältnis Anwendung finden können oder nicht, sondern es ist auch zu prüfen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie zu einer Vertragsauflösung führen, also dass der Kündigungsgrund eintritt und dass auch tatsächlich gekündigt wird. Im vorliegenden Fall handelt es sich beim Bestandobjekt um eine Schule. Es ist daher zu prüfen, ob sich die vereinbarten Kündigungsgründe des § 30 MRG bei einem derartigen Objekt verwirklichen können, sowie gegebenenfalls ob deren Verwirklichung im Belieben der Beschwerdeführerin als Vermieterin steht und ob von einer Verwirklichung und einer tatsächlichen Kündigung mit einiger Wahrscheinlichkeit auszugehen ist. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass alle Tatbestände des § 30 MRG anwendbar sind. Um von einer Auflösungsmöglichkeit im Belieben sprechen zu können, müssen aber doch einige Gründe in Betracht kommen und deren Verwirklichung auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben.

Kündigungsgründe, die nicht unter einen der Tatbestände des § 30 Abs. 2 MRG fallen und trotzdem als ausreichend "wichtig" anzusehen sind, um von der Generalklausel des § 30 Abs. 1 MRG (bzw. vormals § 19 Abs. 1 MG) erfasst zu sein, wurden von der Rechtsprechung bislang nur sehr eingeschränkt anerkannt. Bejaht wurde ein Kündigungsgrund i.S.d. Generalklausel etwa bei Existenzgefährdung des Bestandgebers, die nur durch die Aufkündigung abgewendet werden kann (EvBl 1955/24 = Miet 3910/30), etwa wenn vom Bestandobjekt eine Gesundheitsgefährdung ausgeht () oder wenn sonst der notwendige Unterhalt des Bestandgebers beeinträchtigt wäre () bzw. der unabwendbare Existenzverlust drohen würde (). Weiters wurde ein Kündigungsgrund bei eigenmächtiger Besetzung zusätzlicher Räume (EvBl 1973/201 = Miet 25.267) und bei Bedarf für Dienstnehmer unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen () bejaht. Soweit diese Gründe nicht ein Verhalten des Bestandnehmers voraussetzen, also nicht im Belieben des Bestandgebers stehen und aus diesem Grund von vornherein ausscheiden (vom Bestandobjekt ausgehende Gesundheitsgefährdung, Besetzung zusätzlicher Räume), ist deren Eintritt als so unwahrscheinlich einzuschätzen, dass von einer Kündigung im Belieben der Bestandgeberin nicht gesprochen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses jemals eine Gefährdung der Existenz der Beschwerdeführerin bewirken könnte oder dass sie gar einen solchen Zustand herbeiführen würde, um das Vertragsverhältnis aufkündigen zu können. Angesichts dessen, dass es sich beim Mietobjekt um ein Schulgebäude handelt, ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin dieses jemals zur Unterbringung von Dienstnehmern benötigen wird. Ein im Rahmen des § 30 Abs. 1 MRG als Kündigungsgrund weiters anerkanntes öffentliches Interesse setzt voraus, dass es sich beim Bestandgeber um ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechtes handelt. Handelt es sich beim Bestandgeber - wie hier - um eine juristische Person des Privatrechts, kommt ein öffentliches Interesse nicht als Kündigungsgrund infrage ().

Von den in § 30 Abs. 2 MRG genannten Kündigungsgründen scheiden die Z. 5, 6, 8 und 16 von vornherein aus, da sie eine Wohnungsmiete voraussetzen und daher auf die (als Geschäftsraummiete zu qualifizierende) Vermietung eines Schulgebäudes nicht anwendbar sind.

Ebenso wenig anwendbar sind die Z. 10, weil der Mietgegenstand nicht zur Unterbringung von Arbeitnehmern des eigenen Betriebes bestimmt war, und die Z. 11, weil der Mietgegenstand nicht einer Gebietskörperschaft gehört. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das mietgegenständliche Gebäude zwar ursprünglich im Eigentum des Landes ***A*** und damit einer Gebietskörperschaft stand, mit Begründung des Baurechtes aber Eigentum der Beschwerdeführerin wurde, bei der es sich unzweifelhaft nicht um eine Gebietskörperschaft handelt.

Die Z. 12 setzt ein Untermietverhältnis voraus und kommt daher im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil es sich bei der Beschwerdeführerin um die Eigentümerin des vermieteten Gebäudes handelt und demnach Hauptmiete vorliegt.

Z. 13 ermöglicht die Vereinbarung weiterer wichtiger Kündigungsgründe. Zusätzliche Gründe für eine ordentliche Kündigung wurden im vorliegenden Vertrag nicht vereinbart. Das in Pkt. 4.3 vereinbarte Rücktrittsrecht steht nicht der Beschwerdeführerin als Vermieterin, sondern dem Mieter zu und kann zudem nur vor Übergabe des Mietgegenstandes ausgeübt werde, also gerade nicht während der Zeit von der Übergabe bis zum Ende des Baurechtes, für die eine bestimmte Vertragsdauer im Raum steht.

Die Z. 1, 2, 3, 4 und 7 setzen ein (vertragswidriges) Verhalten des Bestandnehmers voraus. Wenn und solange sich der Bestandnehmer vertragskonform verhält kann der Bestandgeber den Vertrag aus diesen Gründen nicht aufgrund freier Entscheidung auflösen. Z. 2 ist hier überdies auch aus dem Grunde nicht anwendbar, weil der Bestandzins nicht in Dienstleistungen besteht. Angesichts dessen, dass es sich beim Mieter um ein Bundesland handelt, ist auch nicht sehr wahrscheinlich, dass ein Mietzinsrückstand (Z. 1) auftritt und ist zudem angesichts dessen, dass das Land ***A*** das Gebäude zum Betrieb der Sonderschule für gehörlose und schwerhörige Kinder benötigt, nicht davon auszugehen, dass es dieses an einen Dritten weitergibt (Z. 4) oder anderweitig bzw. gar nicht verwendet (Z. 7).

Die Z. 14 und 15 setzen einen behördlich bewilligten bzw. beabsichtigten Abbruch oder Umbau des Gebäudes voraus. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gebäude unmittelbar vor Übergabe an den Mieter saniert und erweitert wurde. Es handelt sich daher praktisch um einen "Neubau" und ist demnach in absehbarer Zeit nicht davon auszugehen, dass es in einen solchen Zustand gerät, dass es aus den Mieteinnahmen nicht mehr erhalten werden kann, sondern abgerissen werden muss (Z 14) oder dass die Beschwerdeführerin es abbricht/umbaut, um ein neues/geändertes Gebäude zu errichten (Z 15). Zudem erfordern diese beiden Tatbestände, dass sich das Bestandobjekt in einem "Miethaus" befindet. Nach Auffassung des Gerichtes ist darunter ein Gebäude mit mehreren Wohnungen und/oder Geschäftsräumlichkeiten zu verstehen und kann demnach das hier vorliegende Schulgebäude nicht als "Miethaus" betrachtet werden.

Der Kündigungsgrund der Z. 9 liegt schließlich dann vor, wenn die Beschwerdeführerin das Bestandobjekt für sich selbst (Verwandte in gerader Linie hat sie als juristische Person naturgemäß nicht, sodass ein Bedarf solcher Personen jedenfalls ausscheidet) dringend benötigt und dem Bestandnehmer Ersatz beschafft wird. Nachdem es sich beim Mietobjekt um ein Schulgebäude handelt und nicht ersichtlich ist, inwiefern die Beschwerdeführerin als Wohnbaugesellschaft ein derartiges Gebäude für sich selbst dringend benötigen sollte, ist die auch Verwirklichung dieses Kündigungsgrundes als äußerst unwahrscheinlich einzuschätzen.

Dass es sich beim Mietobjekt um ein Schulgebäude handelt, macht es auch unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin das Mietverhältnis aus anderen Gründen - soweit diese überhaupt theoretisch in Betracht kommen - aufgekündigt. Als Mieter für ein Schulgebäude kommen nur Gebietskörperschaften oder private Bildungseinrichtungen in Betracht. Das gegenständliche Schulgebäude wurde zudem maßgeblich nach den Wünschen und Bedürfnissen des Landes ***A*** als Betreiber der darin ansässigen Sonderschule für gehörlose und schwerhörige Kinder ausgestaltet. Es dürfte daher äußerst schwierig sein, nach einer Aufkündigung einen Ersatzmieter zu finden, sodass die Beschwerdeführerin bestrebt sein wird, allfällige Probleme (z.B. vertragswidriges Verhalten des Mieters) auf andere Weise als durch Kündigung zu lösen. Auch angesichts der gegenständlichen vertraglichen Konstruktion (Einräumung eines Baurechtes und Zurückmietung des Gebäudes nach Sanierung), die für das Land ***A*** offenbar eine Art "Finanzierungsmodell" darstellt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass seitens der Beschwerdeführerin ernsthaft daran gedacht ist, das Mietverhältnis während seiner Laufzeit aufzulösen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die vereinbarten Kündigungsgründe auf das hier vorliegende Bestandverhältnis schon grundsätzlich nicht anwendbar sind, ein (vertragswidriges) Verhalten des Bestandnehmers voraussetzen oder in ihrer Verwirklichung bzw. tatsächlichen Umsetzung so unwahrscheinlich sind, dass von einer beliebigen Auflösbarkeit des Vertrages für die Bestandgeberin nicht gesprochen werden kann. Da auch der Mieter für die Dauer des Baurechtes den Vertrag nicht aufkündigen kann sind für den Zeitraum vom Vertragsbeginn () bis zum beide Vertragsteile gebunden, sodass insoweit gebührenrechtlich von einem Vertrag auf bestimmte Zeit auszugehen ist und die 18-fache Jahresleistung die Gebührenbemessungsgrundlage bildet. Danach kann der Mieter das Bestandverhältnis frei aufkündigen, sodass sich an die bestimmte Dauer eine unbestimmte Dauer anschließt und der Bemessungsgrundlage für die bestimmte Dauer die Bemessungsgrundlage für die unbestimmte Dauer (3-fache Jahresleistung) hinzuzuzählen ist (vgl. ; , Ra 2022/16/0042).

Dass - worauf die Beschwerdeführerin hinweist - all dies nur dann gilt, wenn die Beschränkung auf die Kündigungsgründe des § 30 MRG auf vertraglicher Vereinbarung beruht, nicht aber wenn der Vermieter schon kraft Gesetzes nur aus den dort genannten wichtigen Gründen kündigen kann, erklärt sich daraus, dass nur im Falle vertraglicher Vereinbarung von "einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen" gesprochen werden kann. Im vorliegenden Fall unterliegt das Mietverhältnis nicht dem MRG. Die vertragliche Vereinbarung der Kündigungsgründe des § 30 MRG in Verbindung mit dem Umstand, dass deren Verwirklichung als unwahrscheinlich einzuschätzen ist, beschränkt daher das ansonsten freie Kündigungsrecht der Beschwerdeführerin und bewirkt, dass diese (ebenso wie der Mieter für die Dauer des Baurechtes) an den Vertrag gebunden ist und daher für diese Zeit von einer bestimmten Vertragsdauer auszugehen ist.

Der Beschwerde war daher - wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung - lediglich insofern teilweise Folge zu geben, als die Erhöhung des Bestandzinses infolge Baumehrkosten lediglich für die Dauer des Kündigungsverzichtes des Mieters (also für die bestimmte Vertragsdauer) in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen war. Die Bemessungsgrundlage beträgt daher (€ 94.162,81 + € 430,00) x 216 Monate + € 94.162,81 x 36 Monate = € 23.821.908,12. Die 1 %ige Rechtsgeschäftsgebühr beträgt demnach € 238.219,08, sodass sich unter Berücksichtigung des selbst berechneten Betrages von € 33.898,61 eine Nachforderung i.H.v. € 204.320,47 ergibt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die hier strittige Rechtsfrage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach auch dann, wenn alle Kündigungsgründe des MRG vereinbart sind, ein Vertragsverhältnis mit bestimmter Dauer vorliegen kann, wenn eine entsprechende Gewichtung und Prüfung der Wahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe ergibt, dass eine Kündigung nicht im Belieben des Vermieters steht bzw. nicht sehr wahrscheinlich ist. Ob die Gewichtung und Prüfung der Kündigungsgründe zu einem solchen Ergebnis führt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab und ist zudem i.d.R. eine Tatsachenfrage. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung war daher nicht zu klären.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 5 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101448.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at