Beanstandung des abgestellten Fahrzeuges und Aktivierung des elektronischen (Gratis-)parkscheins in derselben Minute
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria Grohe in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51/2005, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 9/2006 in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 24/2012, über die Beschwerde vom gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: MA67/246700591044/2024, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben als gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung erteilt wird.
II. Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Die Auferlegung des Beitrags zu den verwaltungsbehördlichen Kosten des Strafverfahrens entfällt.
IV. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Straferkenntnis vom , Zahl: MA67/246700591044/2024, hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, als belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei ***Bf1*** angelastet, sie habe die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt in dem sie das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** am um 08:00 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1210 Wien, Am Spitz 11, abgestellt habe, ohne dieses zu Beginn des Abstellens mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben.
Dadurch habe die beschwerdeführende Partei die Rechtsvorschrift des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über die beschwerdeführende Partei gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.
Ferner habe die beschwerdeführende Partei gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG einen Betrag von € 10,00 als Mindestbeitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) betrage daher € 70,00.
Das Straferkenntnis wurde folgendermaßen begründet:
"Sie haben das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** abgestellt, sodass es am um 08:00 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien 21, Am Spitz 11 gestanden ist, ohne dieses bei Beginn des Abstellens mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Organstrafverfügung, welche von einem Parkraumüberwachungsorgan der Landespolizeidirektion Wien auf Grund einer eigenen dienstlichen Wahrnehmung gelegt wurde, in die von diesem angefertigten Fotos, sowie in die erteilte Lenkerauskunft.
Bereits am wendeten Sie ein, dass Sie am besagten Tag einen Parkschein über Ihr Handy ausgefüllt hätten. Sie übermittelten einen Screenshot der Buchung und ersuchten um erneute Prüfung.
In dem Einspruch gegen die Strafverfügung wiederholten Sie Ihre Einwände, dass Sie bereits bekannt gegeben hätten, dass Sie einen Parkschein am Handy ausgefüllt hätten. Trotzdem wäre Ihnen eine Strafanzeige zugeschickt worden. Sie würden um erneute Prüfung ersuchen. In der Beilage übermittelten Sie einen Screenshot bzgl. der Buchung.
Unbestritten blieb sowohl Ihre Lenkereigenschaft, als auch, dass das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt an der in Rede stehenden Örtlichkeit abgestellt war.
Zu Ihrem Vorbringen wird Folgendes festgestellt:
Jede*r Lenker*in eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstellt, muss bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten (§ 5 Abs. 2 der Parkometerabgabeverordnung).
Die Aktivierung eines elektronischen Parkscheines erfolgt durch Übermittlung einer SMS oder im Wege einer vom Systembetreiber zur Verfügung gestellten Internet-Applikation über das Internet Protokoll (IP) an das elektronische System. Über das Mobiltelefon bzw. das (mobile) Endgerät ist die beabsichtigte Parkdauer sowie das behördliche Kennzeichen des abgestellten mehrspurigen Kraftfahrzeuges einzugeben, sofern das behördliche Kennzeichen nicht bereits im Zuge der Einrichtung des Benutzerkontos im System erfasst wurde (Abstellanmeldung).
Danach ist die Rückmeldung des elektronischen Systems durch SMS oder im Wege einer vom Systembetreiber zur Verfügung gestellten Internet-Applikation über das Internet Protokoll (IP) über die durchgeführte Transaktion abzuwarten (Bestätigung).
Wird die Abstellanmeldung durch das elektronische System bestätigt, gilt die Abgabe als entrichtet oder darf das mehrspurige Fahrzeug für einen fünfzehn Minuten nicht übersteigenden Zeitraum abgestellt werden (§ 7 Abs. 2 und 3 der Kontrolleinrichtungenverordnung).
Eine Nachschau im HANDY-Parken-System ergab, dass der genannte Parkschein mit der Nummer 483,947,783 am besagten Tag um 08:00 Uhr aktiviert wurde.
Jedoch findet Ihre offensichtliche Annahme, die Gültigkeit des elektronischen Parkscheins beginne mit der Sekunde 00 der Minute des Einlangens der Bestätigung - womit Sie gleichsam eine Rückwirkung unterstellen, sodass beispielsweise bei Erhalt der Bestätigungs-SMS um 08:00:58 Uhr die Gültigkeit des Parkscheins um 08:00:00 Uhr beginnen würde - findet im Parkometergesetz und den dazu ergangenen Verordnungen keine Deckung.
Der dem Verwaltungsstrafverfahren zu Grunde liegenden Organstrafverfügung des eingeschrittenen Kontrollorgans zufolge wurde die Kontrolle des von Ihnen abgestellten Kraftfahrzeuges um 08:00 Uhr des genannten Tages durchgeführt. Diese Zeitangabe ist deshalb glaubwürdig, da sich Parkraumüberwachungsorgane bei ihrer Tätigkeit einer Beanstandungssoftware bedienen, die im Zuge einer Beanstandung die aktuelle Uhrzeit zum Zeitpunkt der Abfrage, ob ein elektronischer Parkschein aktiviert wurde, über einen Server bezieht. Diese Daten werden permanent mit den Daten von Handy Parken synchronisiert. Die Systemzeit (Serverzeit) ist daher für Sie in Bezug auf die SMS-Bestätigung und für den Meldungsleger in Bezug auf die Abfrage und den Beanstandungszeitpunkt ident. Da das Überwachungsorgan im Rahmen des Beanstandungsvorganges keine Möglichkeit hat, den Zeitpunkt der Abfrage, ob ein elektronischer Parkschein aktiviert wurde, zu verändern und eine negative Rückmeldung am elektronischen Überwachungsgerät des Meldungslegers ("kein Parkschein aktiviert") eine vorangehende SMS-Bestätigung ausschließt, können Sie die SMS-Rückbestätigung erst nach erfolgter Abfrage durch das Parkraumüberwachungsorgan erhalten haben.
Auf den vom Parkraumüberwachungsorgan angefertigten Fotos ist keine Person zu sehen. Da der Kontrollvorgang des Fahrzeuges noch vor Eintreffen der SMS-Bestätigung bei Ihnen begonnen hat -was sich daraus ergibt, dass der*die Meldungsleger*in eine negative Antwort ("kein Parkschein aktiviert") auf seine Abfrage erhalten hat, ob ein elektronischer Parkschein aktiviert wurde - hätten das Parkraumüberwachungsorgan und Sie einander jedoch wahrnehmen müssen, sofern Sie tatsächlich beim Fahrzeug anwesend gewesen wäre. Wären Sie beim Fahrzeug anwesend gewesen, würde es entweder zu keiner Beanstandung durch das Parkraumüberwachungsorgan gekommen sein oder -im Fall einer Beanstandung - wäre dieser Umstand aktenmäßig festgehalten worden. Der gesamte Arbeitsvorgang des*der Meldungslegers*in (Nachschau nach Parkscheinen, Umrundung des Fahrzeuges, Eingabe der KFZ Daten, Abfrage im System, Abwarten der Rückmeldung des Systems, Drücken des Beanstandungsknopfes am elektronischen Überwachungsgerät, Eingabe des Tatortes, der Ordnungsnummer und des Deliktcodes, Ausdrucken der Beanstandung, Verpacken und Anbringen am Fahrzeug und letztlich die Anfertigung von Fotos dauert so lange, dass diese Amtshandlung einem im oder beim Fahrzeug befindlichen Lenker nicht verborgen bleiben kann.
Daraus folgt zweifellos, dass Sie sich bei Erhalt der SMS-Rückbestätigung bereits vom Fahrzeug entfernt hatten.
Entfernt sich der*die Lenker*in von seinem*ihrem Fahrzeug, gibt er*sie hierdurch klar zu verstehen, dass aus seiner*ihrer Sicht die Phase des Beginns des Abstellens, die zur Abgabenentrichtung zur Verfügung steht, beendet ist und er*sie den Vorgang des Einparkens für abgeschlossen erachtet.
Beim Papierparkschein liegt es auf der Hand, dass, wenn sich der*die Lenkerin vom Fahrzeug entfernt, ohne den entwerteten Parkschein gemäß § 5 Wiener Parkometerverordnung gut sichtbar anzubringen, die Parkometerabgabe nicht ordnungsgemäß entrichtet wurde. Gleiches gilt für elektronische Parkscheine. Nach § 7 Abs. 3 Wiener Parkometerverordnung gilt die Abgabe in diesem Fall erst dann als entrichtet, wenn die Abstellanmeldung durch das elektronische System bestätigt wird. Die Parkometerabgabe ist mit der Verwirklichung des "Abstellens" zu entrichten. Entfernt sich der*die Lenker*in ohne diese Pflicht zu erfüllen, vom "abgestellten Fahrzeug" (ohne die Aktivierungsbestätigung abzuwarten), verwirklicht er*sie bereits den Tatbestand der Abgabenverkürzung nach § 4 Wiener Parkometergesetz (vgl. ).
Da der Parkschein erst nach Beanstandung aktiviert wurde und Sie die Bestätigung der Abstellanmeldung durch das elektronische System offensichtlich nicht abgewartet haben, wurde der in § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung normierten Verpflichtung zur Entrichtung der Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges nicht entsprochen.
Dies war gegenständlich nach den Feststellungen des Parkraumüberwachungsorgans, gegen deren Richtigkeit im Hinblick darauf, dass dieses zur Wahrheit verpflichtet ist sowie dessen Eingaben in das elektronische Überwachungsgerät zeitgleich in der zentralen Datenbank erfasst werden und damit einer ständigen Kontrolle unterliegen, keine Bedenken bestehen, der Fall.
Dass die Parkscheinaktivierung in derselben Minute wie die Beanstandung erfolgt ist, ändert daher nach den vorliegenden Verhältnissen an der nicht zeitgerechten Aktivierung nichts.
Da die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges (also unverzüglich, bevor sich der Lenker vom Fahrzeug entfernt) zu entrichten ist und die Abgabe bei Verwendung elektronischer Parkscheine (erst) als entrichtet gilt, wenn die Abstellanmeldung durch das elektronische System bestätigt wird, haben Sie den Tatbestand der Abgabenverkürzung nach § 4 Parkometergesetz 2006 verwirklicht, die objektive Tatseite ist daher gegeben (vgl. ).
Ihre Einwendungen waren sohin nicht geeignet Sie vom angelasteten Tatvorhalt zu entlasten.
Sie haben sohin den Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach der im Spruch zitierten Bestimmung verwirklicht und war die angelastete Übertretung daher als erwiesen anzusehen.
Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaubt bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.
Nach § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 genügt zur Strafbarkeit des dort umschriebenen Verhaltens Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könnte, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.
Aufgrund der Aktenlage war Fahrlässigkeit anzunehmen.
Somit sind sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit gegeben.
Sie haben daher die Parkometerabgabe nicht entrichtet und somit fahrlässig verkürzt.
Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu EUR 365,00 zu bestrafen (§ 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006).
Die verhängte Geldstrafe soll durch ihre Höhe dazu geeignet sein, Sie wirksam von einer Wiederholung abzuhalten.
Grundlage für die Bemessung der Strafe sind gemäß § 19 VStG die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Jedes fahrlässige Verkürzen der Parkometerabgabe, d.h. jedes Abstellen eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone, ohne dass hierfür die nach der Parkometerabgabeverordnung vorgeschriebene Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet wird, schädigt in nicht unerheblichem Maße sowohl das öffentliche Interesse an der Entrichtung von Abgaben, als auch an der Erleichterung des innerstädtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenen Parkraumes, dem die Strafdrohung dient.
Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist im Hinblick auf den Sachverhalt - selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen - nicht gerade gering.
Dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist auf Grund der Tatumstände nicht anzunehmen und es kann daher Ihr Verschulden nicht als geringfügig angesehen werden.
Bei der Strafbemessung wurden Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten, soweit diese der Behörde bekannt waren, berücksichtigt. Zudem wurde auf eventuell vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen Bedacht genommen.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis zu EUR 365,00 reichenden Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden ist die verhängte Geldstrafe selbst bei Annahme von ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind.
Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Verfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs. 2 des VStG 1991."
In der Beschwerde vom wurde ausgeführt:
"ich habe die Strafanzeige erhalten, worin steht, dass ich am um 08:00 Uhr mein Auto Am Spitz 11 ohne Parkschein geparkt hatte. Jedoch habe ich an dem Tag um die Uhrzeit einen Parkschein über mein Handy ausgefüllt. Dennoch wurde mir eine Strafanzeige zugeschickt. Daher schicke ich Ihnen anbei ein Screenshot von den Daten des Parkscheins. Die Nummer des Parkscheins ist auch angegeben. Ich bitte Sie die Daten nochmals zu überprüfen."
Der Magistrat der Stadt Wien legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Das kontrollierende Parkraumüberwachungsorgan hat das Abstellen des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen ***1*** am um 08:00 Uhr in der im 21. Wiener Gemeindebezirk befindlichen, gebührenpflichtigen Kurzparkzone, Am Spitz 11, ohne Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein beanstandet.
Ebenfalls am um 08:00 Uhr hat die beschwerdeführende Partei die Rückmeldung des elektronischen Systems "Handy Parken" für den elektronischen 15-Minuten-Parkschein mit der Bestätigungsnummer 483947783 erhalten.
Nicht bestritten werden der Abstellort des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges und der Beanstandungszeitpunkt.
Die beschwerdeführende Partei geht aber davon aus einen gültigen elektronischen Parkschein gebucht zu haben.
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den eigenen dienstlichen Wahrnehmungen des Kontrollorgans, den Anzeigedaten und den aktenkundigen Fotoaufnahmen des gegenständlichen Kraftfahrzeugs am Abstellort.
Rechtsgrundlagen:
§ 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"Für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) ist eine Abgabe zu entrichten."
§ 5 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"(1) Die Abgabe gilt mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.
(2) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken."
§ 4 Wiener Parkometergesetz 2006 normiert:
"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen."
"(3) Die sonstigen Übertretungen der Gebote und Verbote dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 120 Euro zu bestrafen."
§ 7 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung normiert:
"(1) Abgabepflichtige, die ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer Kurzparkzone abstellen, haben dafür zu sorgen, dass während der Dauer seiner Abstellung ein elektronischer Parkschein aktiviert ist.
(2) Die Aktivierung eines elektronischen Parkscheines erfolgt durch Übermittlung einer SMS oder im Wege einer vom Systembetreiber zur Verfügung gestellten Internet-Applikation über das Internet Protokoll (IP) an das elektronische System. Über das Mobiltelefon bzw. das (mobile) Endgerät ist die beabsichtigte Parkdauer sowie das behördliche Kennzeichen des abgestellten mehrspurigen Kraftfahrzeuges einzugeben, sofern das behördliche Kennzeichen nicht bereits im Zuge der Einrichtung des Benutzerkontos im System erfasst wurde (Abstellanmeldung). Danach ist die Rückmeldung des elektronischen Systems durch SMS oder im Wege einer vom Systembetreiber zur Verfügung gestellten Internet-Applikation über das Internet Protokoll (IP) über die durchgeführte Transaktion abzuwarten (Bestätigung).
(3) Wird die Abstellanmeldung durch das elektronische System bestätigt, gilt die Abgabe als entrichtet oder darf das mehrspurige Kraftfahrzeug für einen fünfzehn Minuten nicht übersteigenden Zeitraum abgestellt werden."
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Parkometerabgabe unverzüglich nach dem Abstellen des Fahrzeuges zu entrichten. Entfernt sich ein Lenker, ohne diese Pflicht zu erfüllen, vom abgestellten Fahrzeug, so verwirklicht er bereits den Tatbestand der Abgabenverkürzung nach dem Wiener Parkometergesetz (vgl. ).
Wenn die Behörde den Angaben des Meldungslegers mehr Glauben als den Angaben des Beschwerdeführers schenkt, weil jener auf Grund seines Diensteides und seiner Verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliegt und bei deren Verletzung mit straf- und dienstrechtlichen Sanktionen rechnen müsse, hingegen den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Beschuldigen keine derartigen Pflichten bzw Sanktionen treffen, und außerdem keine Veranlassung gesehen werden kann, dass der Meldungsleger eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig habe belasten wollen, so ist diese Argumentation durchaus schlüssig (, mwN).
Es kommt bei der Verwendung des Systems "Handy Parken" insbesondere darauf an, ob eine Person, die ein Fahrzeug lenkt, die Bestätigung seiner elektronischen Parkscheinbuchung im Fahrzeug abgewartet hat.
Da sowohl das PDA (Personal Digital Assistent, ein kleiner tragbarer Computer) des kontrollierenden Parkraumüberwachungsorgans als auch das System "Handy Parken" ihre Systemzeit vom selben Server beziehen, ist die Systemzeit sowohl für die beschwerdeführende Partei hinsichtlich der Buchungsbestätigung als auch für das Kontrollorgan hinsichtlich der Abfrage und des Beanstandungszeitpunkts identisch und nicht beeinflussbar.
Der gesamte Arbeitsvorgang des Parkraumüberwachungsorgans (Nachschau nach Parkscheinen, Umrundung des Fahrzeuges, Eingabe der Fahrzeugdaten, Abfrage im System, Abwarten der Rückmeldung des Systems, Drücken des Beanstandungsknopfes am PDA, Eingabe des Tatortes, der Ordnungsnummer und des Deliktcodes, Ausdrucken des Etiketts mit den für den Kontrollvorgang erforderlichen Daten, welches auf die Organstrafverfügung geklebt wird, Verpacken und Anbringen der Organstrafverfügung am Fahrzeug) dauert so lange, dass diese Amtshandlung einem im Fahrzeug befindlichen Lenker nicht verborgen bleiben kann.
Dazu kommt, dass eine negative Rückmeldung am PDA des Meldungslegers (kein Parkschein aktiviert) eine vorangehende Buchungsbestätigung ausschließt. Das Etikett, mit den für den Kontrollvorgang erforderlichen Daten, welches auf die Organstrafverfügung geklebt wird, kann auch nur dann ausgedruckt werden, wenn die PDA-Abfrage nach einem elektronischen Parkschein korrekt durchgeführt wurde.
Während das Kontrollorgan - insbesondere durch drei zum Beanstandungszeitpunkt angefertigte Fotos dokumentiert - zum Zeitpunkt der Abfrage keine Person im oder zumindest in unmittelbarer Nähe beim Fahrzeug wahrgenommen hat, hat die beschwerdeführende Partei nicht einmal behauptet die Bestätigung der Parkscheinbuchung beim oder zumindest in der unmittelbaren Nähe ihres Fahrzeuges abgewartet zu haben.
Somit geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung nach § 45 Abs. 2 AVG davon aus, dass sich die beschwerdeführende Partei von ihrem Fahrzeug entfernt hat bevor die Aktivierung des elektronischen 15-Minuten-Parkschein mit der Nummer 483947783 vom System "Handy Parken" bestätigt wurde.
§ 45 VStG regelt die (Voraussetzungen für die) Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, gegebenenfalls unter Ermahnung des Beschuldigten. Die Einstellung kann von der Behörde jederzeit (bis zur Erlassung eines Straferkenntnisses) verfügt werden. Steht schon vor der Einleitung eines Strafverfahrens fest, dass ein Einstellungsgrund iSd § 45 VStG vorliegt, so hat die Behörde davon abzusehen, das Strafverfahren einzuleiten. Erlässt die Verwaltungsstrafbehörde ein Straferkenntnis, obwohl die Einstellung zu verfügen gewesen wäre, so hat die Berufungsbehörde das Straferkenntnis mit Bescheid zu beheben und das Verfahren mit Bescheid einzustellen; in gleicher Weise haben ab die Verwaltungsgerichte vorzugehen (vgl Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 45 Rz 1).
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind.
Gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG, kann die Behörde, anstatt die Einstellung zu verfügen, dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Neuregelung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I 2013/13, kann auf die gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 1 VStG idF vor der genannten Novellierung zurückgegriffen werden (zB ; ).
Die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG setzt demnach voraus, dass die dort genannten Umstände kumulativ vorliegen (vgl etwa ). Um eine Einstellung des Verfahrens nach dieser Vorschrift oder eine Ermahnung iSd § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG vornehmen zu können, müssen die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sein (zB ; ; ).
Von einem geringen Verschulden kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB ; ; Ra 20104/02/0087, mwN) in den Fällen gesprochen werden, in denen das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass es dem Bf. nicht darauf angekommen ist, sich der Entrichtung der Parkgebühr zu entziehen. Handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Parkschein doch unbestritten um einen 15-Minuten-Gratisparkschein und bestand daher auch überhaupt keine Verpflichtung zur Entrichtung einer Parkometerabgabe (siehe den der Beschwerde beigelegten Screenshot von den Daten des Parkscheins). Demzufolge ist der Tatbestand der Abgabenverkürzung im Sinne des § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 nicht verwirklicht.
Das entgegen § 7 Abs. 2 Wiener Kontrolleinrichtungsverordnung erfolgte Weggehen vom abgestellten Fahrzeug vor Einlangen der Aktivierungsbestätigung kann jedoch das Tatbild des § 4 Abs. 3 Parkometergesetz 2006 verwirklichen.
Die Bestätigung der Abstellanmeldung erfolgte zweifelsfrei in der identen Minute wie die Beanstandung durch das Kontrollorgan. Dem Bf. ist somit lediglich vorzuwerfen, dass er für die wohl in einer in Sekundenbereichen liegenden Zeitspanne nicht beim Fahrzeug geblieben ist, um die Aktivierungsbestätigung abzuwarten und das Fahrzeug in Folge in der identen Minute beanstandet wurde. Damit bleibt aber das vom Bf. zu verantwortende Tatverhalten und die Folge deutlich hinter dem typisierten Unrechts- und Schuldgehalt des ihm angelasteten Verkürzungstatbestandes zurück.
Nach Ansicht der entscheidenden Richterin ist im Ergebnis in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation das Verschulden so gering, dass mit einer Ermahnung im Sinne des § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG das Auslangen gefunden werden kann. Das Einlangen der Aktivierungsbestätigung ist vom Lenker im oder beim Fahrzeug abzuwarten (§ 7 Abs. 2 Wiener Kontrolleinrichtungsverordnung). Der Ausspruch einer Ermahnung war daher aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, zumal der Bf. dadurch zur künftigen Rechtsbefolgung angehalten werden soll. Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist das kumulative Vorliegen beider in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien, nämlich ein geringfügiges Verschulden und lediglich unbedeutende Folgen der Tat. Diese Voraussetzung sind nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts erfüllt, weswegen gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG eine Ermahnung auszusprechen war.
§ 44 VwGVG normiert:
"(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn
3. im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde […] und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat."
[...]
Zur Unzulässigkeit der Revision
Art. 133 B-VG normiert:
"(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
(6) Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben:
1. wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;
2. die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; […]"
§ 25a VwGG normiert:
"(4) Wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache
1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und
2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde,
ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig."
Weil nach § 4 Abs. 1 des Wiener Parkometergesetzes 2006 lediglich eine Geldstrafe von bis zu € 365 und keine primäre Freiheitsstrafe verhängt werden darf, ist eine Revision durch die beschwerdeführende Partei schon aus diesem Grund unzulässig (vgl. VwGH, , Ra 2022/16/0080, mwN).
Die Revision für die belangte Behörde ist unzulässig, da entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7500424.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at