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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.09.2024, RV/1100001/2022

Steuerliche Behandlung von Rehabilitationsgeld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Armin Treichl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Bescheid wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung abgeändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zeitraum 05/2014 bis 04/2017 hat die Beschwerdeführerin vom AMS Vorschüsse auf Rehabilitationsgeld erhalten.

Mit Bescheid vom hat die VGKK der Beschwerdeführerin Rehabilitationsgeld vom bis zum zuerkannt.

Der vom AMS bezogene Vorschuss auf das Rehabilitationsgeld wurde mit dem Rehabilitationsgeld gegenverrechnet.

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Österreich der Beschwerdeführerin Einkommensteuer für das Rehabilitationsgeld für den Zeitraum 04/2014 bis 12/2017 vorgeschrieben.

In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:

"Es wird beantragt, die Einkommensteile auszuscheiden, die für Vorjahre nachgezahlt wurden.

Die Gebietskrankenkasse hat 3 Jahre lang kein Krankengeld ausbezahlt, obwohl es mir zugestanden ist.Ich musste von Unterstützungen leben. Dann wurde die Nachzahlung geleistet, doch die Übermittlung der Lohnbescheinigungen sind alle 2017 erfolgt, obwohl sie früheren Zeiträumen zuzurechnen sind. Durch die Zurechnung der Einkommen in die jeweiligen Jahre ergibt sich dann keine Steuernachzahlung.

Es wird die Übermittlung der Lohnzettel beeinsprucht. Die Nachzahlung von 28.412,46 brutto resultiert aus Zeiträumen 2014 bis 2017.Das Geld habe ich gar nicht, bzw nur zum Teil erhalten, da es mit Vorschüssen des Arbeitsmarktservice gegengerechnet wurde.Weitere Unterlagen werde ich nachreichen, sobald ich sie von der PVA, bzw. ÖGK erhalten habe, dies kann It Auskunft der ÖGK längere Zeit dauern, da die Zeiträume bereits archiviert wurden."

Der Beschwerde wurde vom Finanzamt Österreich mittels Beschwerdevorentscheidung vom teilweise stattgegeben. In der Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:

"Bis zur Entscheidung über die Gewährung von Rehabilitationsgeld wird Steuerpflichtigen ein Vorschuss vom Arbeitsmarkservice geleistet. Nach positivem Abschluss des Verfahrens erhalten diese Steuerpflichtigen rückwirkend Rehabilitationsgeld zugesprochen. Die in dem Zeitraum, für welchen rückwirkend Rehabilitationsgeld gewährt wird, vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistungen (Krankengeld, Vorschuss des Arbeitsmarktservice) sind an die jeweiligen Träger zurück zu zahlen und werden bei der Auszahlung des Rehabilitationsgelds vom Krankenversicherungsträger einbehalten.

Der Vorschuss durch das Arbeitsmarkservice (AMS) wird als steuerfreie Leistung (§ 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988) übermittelt. Das Rehabilitationsgeld gilt in jenem Kalenderjahr als bezogen, in dem es dem Steuerpflichtigen zugeflossen ist (vgl. ), auch wenn das Rehabilitationsgeld für vergangene Zeiträume gewährt wird. Es ist gemäß § 69 Abs. 2 EStG 1988 - unter Ausweis eines Siebentels als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 - zu versteuern.

Die im Jahr der Gewährung von Rehabilitationsgeld vom Steuerpflichtigen zu leistenden Rückzahlungen an das Arbeitsmarktservice sind als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 in der Veranlagung zu erfassen.

Der (steuerfreie) Vorschuss des Arbeitsmarktservice ist in Höhe der Rückzahlung steuerpflichtig zu behandeln. Dabei sind neue Lohnzettel gemäß § 69 Abs. 2 EStG 1988 - unter Ausweis eines Siebentels als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 - zu erfassen.

Eine Pflichtveranlagung (§ 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) hat auch bei Erhalt von Bezügen aus der gesetzlichen Krankenversorgung bzw. Rehabilitationsgeld zu erfolgen. In jedem Jahr, in dem ein steuerfreier AMS-Bezug in einen steuerpflichtigen Bezug umgewandelt wird, liegt somit ein Pflichtveranlagungstatbestand vor.

Gemäß Bestätigung der VGKK wurde Ihnen Rehabilitationsgeld rückwirkend für den Zeitraum bis gewährt. Die Rückzahlung an das Arbeitsmarkservice beläuft sich auf € 8.177,90. Das betrifft die Zeiträumen 2015 (€ 678,92), 2016 (€ 5.647,38) und 2017 (€ 1.851,60).

Die gesamte Rückzahlung in Höhe von € 8.177,90 ist bei der Veranlagung 2017 als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Übermittlung des Arbeitsmarktservice für die Jahre 2015-2017 ist in einen Lohnzettel gemäß § 69 Abs. 2 EStG 1988 umzuwandeln.

Da die Veranlagungen 2015 und 2016 keine Nachforderung ergeben, unterbleibt eine Veranlagung."

Im Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:

"Es wird die Vorlage beantragt und begehrt, dass nach dem Vorbringen in der Beschwerde veranlagt wird, insbesondere die Verteilung des Rehageldes nach Anspruchsjahren und nicht nach Zufluss.

Ich weise darauf hin, dass ich vom Existenzminimum lebe und nicht verstehe, warum ich für Leistungen, die ich drei Jahre nicht erhalten habe, teilweise von Angehörigen unterstützt werden musste, nun Steuern zahlen muss.

Die genaue Begründung werde ich noch nachreichen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im Zeitraum 05/2014 bis 04/2017 hat die Beschwerdeführerin vom AMS einen Vorschuss auf Rehabilitationsgeld erhalten.

Mit Bescheid vom hat die VGKK der Beschwerdeführerin Rehabilitationsgeld vom bis zum zuerkannt.

Der vom AMS bezogene Vorschuss auf das Rehabilitationsgeld wurde mit dem Rehabilitationsgeld gegenverrechnet.

2. Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt steht außer Streit.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , welches in BGBl. I 134/2021 am veröffentlicht wurde, zu Recht erkannt:

"I. Die Wortfolge "von Pensionen" in § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich Bundesgesetz vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, idF BGBl. I Nr. 112/2011 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Die aufgehobene Wortfolge ist in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden."

Artikel 140 Abs 7 B-VG lautet:

"(7) Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden."

Weder am (Entscheidungsdatum des VfGH) noch am (Kundmachungsdatum im Bundesgesetzblatt) war die Beschwerde der Beschwerdeführerin beim Bundesfinanzgericht anhängig; vielmehr wurde das Beschwerdeverfahren erst am durch das Einlangen der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Beschwerde beim Bundesfinanzgericht anhängig. Punkt IV des Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes ist daher auf den Fall der Beschwerdeführerin nicht anwendbar.

Der Tatbestand (=Auszahlung des Rehabilitationsgeldes) wurde vor dem verwirklicht. Somit ist die alte, als verfassungswidrig erkannte, Rechtlage im gegenständlichen Fall anzuwenden.

§ 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 ist hier daher idF BGBl. I Nr. 112/2011 mit folgendem Wortlaut anzuwenden:

"2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen:

- Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird,"

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit dem zu diesem Gesetzeswortlaut ergangenen Erkenntnis vom , Zl. Ro 2017/15/0025 die Ansicht verworfen, wonach Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld unter die Nachzahlung von Pensionen gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 einzustufen wären. Laut VwGH ist das Rehabilitationsgeld unter § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988 ("Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung") und nicht unter § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 ("Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung") zu subsumieren.

Aufgrund des für den vorliegenden Fall anzuwendenden Wortlautes des § 19 Abs. 1 EStG 1988 ist hier dessen Grundregel maßgebend:

"Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind."

Die auf einem Anspruch des Jahres 2017 beruhende Nachzahlung des Rehabilitationsgeldes ist im Jahr 2018 zugeflossen. Dem Hauptbegehren der Beschwerdeführerin nach einem Ausscheiden dieses Anteiles der Nachzahlung aus der Bemessungsgrundlage für 2018 ist daher nicht zu entsprechen.

Jedenfalls handelt es sich durch die Subsumtion unter § 25 Abs. 1 EStG 1988 beim erhaltenen Rehabilitationsgeld um steuerbare Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

§ 69 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung bestimmt u.a.:

"… bei Auszahlung von Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG … sind 25% Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge 30 Euro täglich übersteigen. … Zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren haben die Versicherungsträger bis zum 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84) auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel gesondert als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 auszuweisen."

Der Bezug von Rehabilitationsgeld stellt daher einen Bezug gemäß § 69 Abs. 2 EStG 1988 dar. Damit liegen hier die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 vor. Deshalb ist das Ergehen des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2018 vom rechtmäßig, obwohl ihm kein Antrag (Steuererklärung) zugrundeliegt.

Der VwGH hat am Ende der Begründung zu seiner Entscheidung zu Zl. Ro 2017/15/0025 ausgeführt:

"Bemerkt wird, dass das eigentliche Beschwerdebegehren (laut Vorlageantrag) offenbar auf die Berücksichtigung der einbehaltenen "AMS-Gelder" als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 gerichtet war. Nach § 23 Abs. 8 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 idF BGBl. I Nr. 68/2014, AlVG 1977, gilt der Vorschuss für den Fall, dass Rehabilitationsgeld nicht zuerkannt wird, als Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Wird hingegen - wie im Revisionsfall - Rehabilitationsgeld zuerkannt, ist die Leistung des Arbeitsmarktservice gemäß § 23 Abs. 1 AlVG 1977 als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte Leistung zu beurteilen. Dessen Rückzahlung (im Wege der Legalzession nach § 23 Abs. 6 AlVG 1977) ist gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zu berücksichtigen."

Die Einnahmen sind im gegenständlichen Fall dem Jahr des Zuflusses zuzurechnen. In den Vorjahren erhaltene Vorschüsse sind als Werbungskosten anzusetzen.

Die Beschwerde war daher im Umfang der Beschwerdevorentscheidung abzuändern.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall wurde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes umgesetzt, Eine ordentliche Revision an den Verwalungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100001.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at