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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.09.2024, RV/7104012/2023

Rechtmäßiger Aufenthalt i.S.d. § 3 Abs. 1 FLAG 1967 nicht nachgewiesen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde der ***1*** ***2***, ***3***, ***4***, nunmehr ***20***, ***21***, vom gegen den Bescheid des Finanzamts Österreich vom , Ordnungsbegriff ***5***, womit der Antrag vom (berichtigt mit BVE vom : Antrag vom ) auf Familienbeihilfe für die im Juli 2010 geborene ***6*** ***2*** ab Dezember 2011 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheids bleibt mit der Maßgabe unverändert, dass der Antrag vom abgewiesen wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Antrag vom

Am langte ein an diesem Tag unterfertigter Antrag auf Familienbeihilfe beim Finanzamt ein. Mit dem Formular Beih 100 beantragte die Beschwerdeführerin (Bf) ***1*** ***2*** Familienbeihilfe wie folgt:

Die Antragstellerin sei russische Staatsbürgerin, privat versichert, sei seit Mai 2014 geschieden, wohne in 1010 Wien, ***7***, bzw. in ***8*** ***9***, ***10***, Estland. Vater des Kindes sei ***11*** ***2***, russischer Staatsbürger. Dieser verzichtete am gemäß § 2a Abs. 1 FLAG 1967 auf die ihm vorrangig zustehende Familienbeihilfe. Beantragt werde Familienbeihilfe ab wegen "Wohnsitz in Österreich" für die im Juli 2010 geborene ***6*** ***2***, ebenfalls russische Staatsbürgerin und asylberechtigt. Diese wohne in 1010 Wien, ***7*** und gehe voraussichtlich bis Juli 2033 zur Schule.

Beigefügt waren Kopien von:

Konventionspass für ***6*** ***2*** vom , Reisepass der Russischen Föderation für ***1*** ***2***, ausgestellt , Identitätskarte der Republik Estland für ***1*** ***2***, ausgestellt , gültig bis (vorübergehendes Aufenthaltsrecht), Meldebescheinigung vom , wonach ***1*** ***2*** seit diesem Tag über einen Nebenwohnsitz in 1010 Wien, ***7*** verfüge.

Meldebescheinigung vom , wonach ***6*** ***2*** seit diesem Tag über einen Hauptwohnsitz in 1010 Wien, ***7*** verfüge.

Konventionspass für ***11*** ***2*** vom , Schulbesuchsbestätigung der Vienna International School, dass ***6*** ***2*** von August 2015 bis diese Schule erfolgreich besucht hat.

Residence Permit betreffend ***6*** ***2***, unleserlich.

Vorhalt

Zu einem aus dem elektronischen Beschwerdeakt des Finanzamts nicht ersichtlichen Zeitpunkt (möglicherweise am , siehe die Begründung des angefochtenen Bescheids) ersuchte das Finanzamt die Bf um Vorlage verschiedener Unterlagen. Eine diesbezügliche Vorlage ist im Akt nicht ersichtlich.

Bescheid

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag "vom " auf Familienbeihilfe für die im Juli 2010 geborene ***6*** ***2*** ab Dezember 2011 ab und begründete dies wie folgt:

Wir haben Sie aufgefordert, uns Unterlagen zu senden. Da Sie das nicht getan haben, kommen Sie Ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach (§ 119 Bundesabgabenordnung). Eine Familienleistung kann daher nicht ausgezahlt werden. Da Sie das Ersuchen um Ergänzung vom nicht beantwortet haben, war wie im Spruch zu entscheiden.

Beschwerde

Mit internem Formblatt des Finanzamts erhob die Bf am Beschwerde gegen den Bescheid vom betreffend Familienbeihilfe und führte aus:

Ich habe alle erforderliche Unterlagen am Postkasten des Finanzamtes am um 18:17 Uhr geworfen und damit ersuche ich im Bearbeitung meiner Unterlagen.

Beigefügt waren Kopien wie folgt:

Abweisungsbescheid vom , offenbar Kuvert dazu, Fotografie vom 16.3., 18:17, eines Kuverts, das in einen Einwurfkasten gegeben wird.

Weiters ein undatiertes Schreiben der Bf unter dem Betreff "Familienbeihilfe" an das Finanzamt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Vielen Dank für Ihr Schreiben vom .

Hiermit möchte ich Ihnen folgende Dokumenten anlegen:

1) Reisedokument von ***6*** ***2***

2) Reisedokument von ***11*** ***2***

3) Reisedokument von ***1*** ***2***

4) Bescheid über Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft von ***6*** ***2***

5) Bescheid über Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft von ***11*** ***2***

6) Geburtsurkunde von ***6*** ***2***

7) Schulbestätigung von ***6*** ***2***

8) Heiratsurkunde

9) Scheidungsurkunde

Ich bitte um eine schriftliche Bestätigung, dass sie alle Unterlagen vollständig angehalten haben und danke Ihnen im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

***1*** ***2***

Beigefügt waren:

Fotografie vom 16.3., 18:17, eines Kuverts, das in einen Einwurfkasten gegeben wird, Konventionspass für ***6*** ***2*** vom , Reisepass der Russischen Föderation für ***1*** ***2***, ausgestellt .

Weiters ein Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom , wonach betreffend ***6*** ***2*** dem Antrag auf internationalen Schutz vom gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, stattgegeben und ihr der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG wurde gleichzeitigt festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Vater von ***6*** ***2*** mit Bescheid vom der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei.

Weiters ein Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom , wonach betreffend ***11*** ***2*** dem Antrag auf internationalen Schutz vom gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG wurde gleichzeitigt festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Begründend wurde ausgeführt, dass das Bundesamt auf Grund des amtswegigen Ermittlungsverfahrens zur Ansicht gelangt sei, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Asylberechtigung vorlägen. Auf Grund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Heimatland in Verbindung mit dem Vorbringen des Antragstellers sei die behauptete Furcht vor Verfolgung glaubhaft.

Eine Übersetzung der Geburtsurkunde von ***6*** ***12*** ***2*** (Eltern ***11*** ***13*** ***2*** und ***1*** ***14*** ***2***) samt Original. Eine Schulbesuchsbestätigung der Vienna International School vom , dass ***6*** ***2*** von August 2015 bis diese Schule erfolgreich besucht hat. Eine Übersetzung und Original der Scheidungseintragung der im Jahr 2005 geschlossenen Ehe in das Eheregister vom TT.4.2016, eine Übersetzung und Original der Ehescheidungsurkunde, wonach die Ehescheidung am TT.5.2014 erfolgt sei, ausgestellt TT.5.2014, samt Apostille. Ein Protokoll der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Fünfhaus vom TT.7.2017 in der Personensorgesache ***6*** ***2***.

Auszüge:

Die Mutter teilt mit, dass ihr Hauptwohnsitz in Estland, ***9***, ***10***, ist. Sie hat in 1010 Wien, ***7***, einen Nebenwohnsitz. Sie kommt alle paar Monate nach Wien. Die Eltern teilen einvernehmlich mit, dass ihre Ehe laut Urkunden zu ON 1 in Russland geschieden wurde. Eine Regelung der Obsorge ist bisher nicht erfolgt. Die Mutter ist russische Staatsangehörige. Die Mutter erteilt ihr ausdrückliches Einverständnis, dass der Vater berechtigt ist, für die Tochter ***6*** ***2***, geboren am ***15***, einen Reisepass bzw. Konventionsreisepass ausstellen zu lassen und alle dafür erforderlichen Unterschriften zu leisten und Erklärungen abzugeben.Sollte dies notwendig sein, verpflichtet sich die Mutter ihrerseits, unverzüglich alle dafür weiter nötigen Erklärungen abzugeben und Unterschriften zu leisten. Demnach zieht der Vater seine aktenkundigen Obsorgeanträge betreffend die genannte Tochter zurück. Die Eltern halten fest, dass betreffend die genannte Tochter derzeit einvernehmlich vorgegangen wird. Demnach besteht derzeit kein Bedarf für eine gerichtliche Regelung der Obsorge seitens der Eltern.

Vorhalt vom

Mit Vorhalt vom teilte das Finanzamt der Bf mit:

Ein Anspruch auf Familienbeihilfe kann nur rückwirkend für fünf Jahre geltend gemacht werden, in Ihrem Fall daher nur ab Dezember 2015! Da Ihre Tochter erst ab Juni 2017 über einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich verfügt, kann sich erst ab der Asylzuerkennung ein Familienbeihilfenanspruch ergeben! Da Sie bis dato keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich nachgewiesen haben, ist ein Anspruch grundsätzlich nicht erwiesen! Weiters ist nachzuweisen, seit wann Sie einen ständigen Aufenthalt in Österreich haben, Wohnungsmietvertrag? Wer hat sie um das Kind gekümmert, während Sie im Ausland (Estland?) waren? Die erforderlichen Nachweise sind daher für den Zeitraum ab Dezember 2015 bis aktuell erforderlich, falls Ihr Antrag in diesem Umfang aufrecht bleibt. Nachweis über den rechtmäßigen Aufenthalt (z. B. NAG-Karte). Dienstgeberbestätigung über die Beschäftigung im Ausland (Beschäftigungszeiten) und Einkommensnachweis von Ihnen Nachweis, dass kein bzw. für welchen Zeitraum Anspruch auf eine der österreichischen Familienbeihilfe gleichartigen ausländischen Familienleistung bestand/besteht Nachweis betreffend überwiegende Kostentragung für ***6***

Schreiben vom

Mit Schreiben vom gab die Bf (Adresse ***3***, ***4***) bekannt:

Auf Ihre Fragen gebe ich Ihnen folgende Antworten:

1. Ich bin seit in Österreich (siehe Anlage 1)

2. Meine Tochter ***6*** (geb. ***15***) ist seit dem dauerhaft in Österreich (siehe Anlage 2). Mein Kind und ich haben in anderen Ländern keinen Unterhalt erhalten.

3. ***6*** besuchte den Kindergarten in Wien und dann die VIS-Schule bis August 2020 (siehe Anhang 3). ***6*** besucht derzeit eine Schule in England (siehe Anhang 4).

4. Mein Ex-Ehemann ***11*** ***2*** hat im Juni 2016 in Österreich den internationalen Schutzstatus erhalten und ist seit April 2012 dauerhaft in Österreich. ***6*** erhielt auch in Österreich den internationalen Schutzstatus (Anlage 5).

5. Ich musste Österreich manchmal aus persönlichen Gründen verlassen. Laut unserer Vereinbarung war mein Exmann während meiner Abwesenheit bei dem Kind und hat sich um es gekümmert. Unsere gemeinsamen Sorgerechtspflichten spiegeln sich in der Gerichtsentscheidung wider (siehe Anhang 6).

7. Im Zeitraum von 2011 bis heute arbeite ich nicht.

8. Derzeit ist mein und meines Kindes ständiger Wohnsitz - Österreich (siehe Anlage 7).

Beigefügt waren:

Eine Meldebestätigung vom , wonach ***1*** ***2*** seit diesem Tag ihren Hauptwohnsitz in 1010 Wien, ***16***, hat. Ein Mietvertrag vom , wonach ab eine 133qm große Wohnung in 1010 Wien, ***7***, an die Bf zu einem Hauptmietzins von € 2.2033,03 (Gesamtmiete € 2.835,15) monatlich vermietet wird. Eine Meldebestätigung vom , wonach ***6*** ***2*** seit diesem Tag ihren Hauptwohnsitz in 1010 Wien, ***16***, hat. Die aktenkundige Bestätigung der Vienna International School vom .

Jeweils an die Bf adressiert: Zahlungsbestätigung vom über € 4.1118,00, vom über € 300,00 an die Vienna International School, Rechnung der Vienna International School betreffend Mittagessen 22.2.2106- über € 60,00, - über € 78,00, - über € 195,58.

Eine Bestätigung des St Lawrence College, Ramsgate, Kent, Vereinigtes Königreich, vom , dass ***6*** ***2*** Vollzeitschülerin dieser Schule sei. Ein Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom betreffend ***6*** ***2*** (siehe oben). Ein Protokoll der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Fünfhaus vom (siehe oben). Eine Meldebestätigung vom , wonach ***1*** ***2*** seit diesem Tag ihren Hauptwohnsitz in ***3***, ***4***, hat. Eine Identitätskarte der Republik Estland für ***1*** ***2***, ausgestellt , gültig bis (vorübergehendes Aufenthaltsrecht). Eine Meldebestätigung vom , wonach ***6*** ***2*** seit diesem Tag ihren Hauptwohnsitz in ***3***, ***4***, hat (vorheriger Hauptwohnsitz von bis : 1010 Wien, ***7***).

Unterlagenvorlage vom

Die Unterlagen wurden am wie folgt ergänzt:

Eine Bestätigung an Mrs und Mr ***2***, 1010 Wien, ***7***, vom , wonach Mrs ***2*** für ***6*** ***2*** für das Schuljahr 2015/2016 an Gebühren von bis € 20.938,00 an die Vienna International School bezahlt hat; eine weitere Bestätigung über bezahlte Schulgebühren von € 15.420,00 für das Schuljahr 2016/2017, eine weitere Bestätigung über bezahlte Schulgebühren von € 16.652,00 für das Schuljahr 2017/2018, eine weitere Bestätigung über bezahlte Schulgebühren von € 17.612,00 für das Schuljahr 2018/2019.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet ab:

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 67) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 67 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben.

Aus den von Ihnen vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass Ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen ist Estland ist und der Kindesvater sich überwiegend um ***6*** kümmert.

Gem. § 3 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für jene Kinder, denen ebenfalls Asyl nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Maßgebend für den Beginn des Beihilfenanspruchs ist jener Monat, in dem sowohl die antragstellende Person als auch das Kind über den Asylstatus verfügen. Dieser muss durch Vorlage positiver Asylbescheide dokumentiert werden.

Da weder ein positiver Asylbescheid von Ihnen vorgelegt wurde und der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht in Österreich liegt, war Ihre Beschwerde für den Zeitraum ab Dezember 2015 abzuweisen.

Hinweis: Aus EDV-technischen Gründen ist das Antragsdatum auf dem Abweisungsbescheid () unrichtig - es handelt sich um den Antrag vom . Somit könnte der Anspruch erst ab Dezember 2015 verwirklicht werden.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom stellte die Bf ersichtlich Vorlageantrag:

Für Ihre Beschwerdevorentscheidung vom würde ich gerne, folgende Informationen bereitstellen.

I. Ich bin seit in Österreich (siehe Anlage 1). Meine Tochter ***6*** (geb. ***15***) ist seit auch dauerhaft in Österreich (siehe Anlage 2). Wir sind seit in Wien als Hauptwohnsitzt angemeldet

2. Der Mittelpunkt unserer Lebensinteressen lag in diesem Zeitraum in Österreich:

- Die reguläre Ausbildungsstelle meines Kindes war in Österreich. ***6*** besuchte den Kindergarten in Wien und dann die VIS-SchuIe bis August 2020 ohne Unterbrechungen (siehe Anlage 3). Derzeit besucht ***6*** eine Intematschule in England (siehe Anlage 4) ohne dort einen festen Wohnsitz zu haben.

- ***6*** erhielt auch in Österreich den internationalen Schutzstatus (siehe Anlage 5). Derzeit hat ***6*** den gleichen Status.

- Ich und meine Tochter hatten seit einen unbefristeten Mietvertag für unsere Wohnung.

- Meine persönliche Krankenversicherung wurde in Österreich ausgestellt und ich habe alle medizinischen Leistungen in Österreich erhalten.

- ***6*** sozial- und private Krankenversicherung wurde auch in Österreich ausgestellt (SV Nr ***). (siehe Anlage 6). ***6*** Kinderarzt war in diesem Zeitraum Fr. Dr. ***17***-***18*** ( mob. tel. + 43 699 ***19***).

- Mein Kind und ich haben in anderen Ländern keinen Unterhalt erhalten.

4. Mein Ex-Ehemann und Vater von ***6*** Herr ***11*** ***2*** hat im Juni 2016 in Österreich den internationalen Schutzstatus erhalten und ist seit April 2012 dauerhaft in Österreich.

Nachdem der Vater von ***6***, Herr ***11*** ***2*** einen positiven Asyl-Bescheid erhalten hatte, stellte er im Jahr 2017 einen Familienbeihilfeantrag, jedoch wurde der Antrag abgelehnt, da er und ***6*** damals unter verschiedenen Adressen gemeldet waren, obwohl er die ganze Zeit nach unserer Vereinbarung für sie gesorgt hat (siehe Anlage 7). Nach der Ablehnung des Antrages wurde uns empfohlen Familienbeihilfe von der Mutter zu beantragen.

5. Derzeit sind mein Kind und der Vater meines Kindes, Herr ***11*** ***2*** unter derselben Adresse gemeldet.

6. Wir sind bereit, diesen Antrag im Namen meines Ex-Mannes zu prüfen und einzureichen. Seit 2011 ist er ständig in Österreich gemeldet.

Laut unserer Vereinbarung war mein Ex-Ehemann während meiner Abwesenheit bei dem Kind und hat sich um das Kind gekümmert. Unsere gemeinsamen Sorgerechtspflichten spiegeln sich in der Gerichtsentscheidung wider.

7. Ich musste Österreich manchmal aus persönlichen Gründen verlassen. Laut unserer Vereinbarung war der Vater von ***6*** während meiner Abwesenheit bei der Tochter und hat sich um sie gekümmert. Derzeit arbeite ich in Österreich und nicht im Ausland.

8. Aus diesen Gründen habe ich jetzt den Antrag auf Familienbeihilfe gestellt, jedoch habe ich auch eine negative Antwort bekommen, weil ich inzwischen Zeit in Österreich nicht mit Hauptwohnsitzt angemeldet war (siehe Anlage 8).

Aufgrund der vorgelegten Fakten und Dokumente glaube ich, dass die Mittelpunkt meiner und die Lebensinteressen meiner Tochter in Österreich sind.

Auf dieser Grundlage bitte ich Sie, eine positive Entscheidung über meine Bewerbung für Familienbeihilfeantrag.

Ich bitte um Verständnis für meine Situation und danke Ihnen im Voraus.

Beigefügt waren bereits aktenkundige Unterlagen (Asylbescheid Tochter, Meldedaten, Schulbestätigungen) sowie Gesundheit & Wertvoll Karte Sonderklasse für ***6*** ***2*** und die E-Card für ***6*** ***2***, der Abweisungsbescheid vom an den Vater ***11*** ***2***, wonach dessen Antrag auf Familienbeihilfe vom für ***6*** ***2*** ab Juni 2017 abgewiesen wurde. Die Begründung dazu lautet:

Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

§ 2a Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) normiert, dass der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteils vorgeht, wenn ein Kind zum gemeinsamen Haushalt beider Elternteile gehört. Bis zum Nachweis des Gegenteiles wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

Da laut Zentralen Melderegister die Tochter im Haushalt der Kindesmutter wohnhaft ist, steht der Kindesmutter vorrangig die Familienbeihilfe zu, daher war ihr Antrag auf Familienbeihilfe abzuweisen.

Mitteilung der Bildungsdirektion Wien

Die Bildungsdirektion Wien teilte dem Finanzamt am mit, dass ***6*** ***2*** im aktuellen Schuljahr eine Schule im Ausland besuche.

Beigefügt war eine Bestätigung vom des St Lawrence College, Vereinigtes Königreich, an die Bf:

I am delighted to confirm the senior school place for your daughter, ***6***, in Kirby House at St Lawrence College as a Year 7 boarding pupil, commencing in Michaelmas term, September 2021.

I am pleased to acknowledge receipt of the completed and signed Acceptance Form and confirm that deposit funds currently held on account from Junior School will be transferred accordingly.

A Welcome Pack will be sent to you in due course containing all the information you will require before ***6*** enters the Senior School.

I wish ***6*** every success and I can assure you we will be doing all we can to encourage and support her in the time ahead.

Should you have any queries, please do not hesitate to contact a member of the Admissions team ...

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Österreich, Dienststelle Wien 12/13/14 Purkersdorf (FA08), die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte dazu aus:

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Am stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Dezember 2011. Dem Antrag wurde unter anderem eine Schulbesuchsbestätigung des Kindes beigelegt, aus der ersichtlich war, dass das Kind von August 2015 bis Juni 2020 die Vienna International School in 1220 Wien besuchte. Mit Vorhalt vom wurden folgende Unterlagen abverlangt: Geburtsurkunde von ***6***, Heiratsurkunde, Scheidungsurkunde und Unterhaltszahlungen ab Scheidung, Asylbescheid über Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (alle Seiten), Einkommensnachweis, Nachweis betreffend überwiegende Kostentragung mit einer Aufstellung, Kindergartenbesuchsbestätigung und Schulbesuchsbestätigung des Kindes.

Mit langte erneut der Antrag vom ein (alle Dokumente ident). Da der Vorhalt somit nicht beantwortet wurde, wurde der Antrag am abgewiesen.

In der Beschwerde vom führte die Beschwerdeführerin aus, dass alle Unterlagen am beim Finanzamt eingebracht wurden und fügte der Beschwerde folgende Unterlagen bei: Reisepässe der Beschwerdeführerin, des Kindesvaters und des Kindes, Asylbescheide des Kindesvaters und des Kindes, Geburtsurkunde des Kindes, Schulbesuchsbestätigung des Kindes, Heirats- und Scheidungsurkunde. Mit einem weiteren Vorhalt wurde die Beschwerdeführerin am ersucht bekanntzugeben, wer sich während Ihrer Auslandsaufenthalte (Estland) um das Kind kümmert. Weiters wurde um Vorlage folgender Unterlagen der Beschwerdeführerin ersucht: Nachweis über den rechtmäßigen Aufenthalt, Einkommensnachweis, Nachweis der überwiegenden Kostentragung für das Kind sowie ein Nachweis, dass kein bzw. für welchen Zeitraum Anspruch auf eine der österreichischen Familienbeihilfe gleichartigen ausländischen Familienleistung bestand/besteht.

Am erging dir Beschwerdevorentscheidung mit Abweisung der Beschwerde, da aus sämtlichen Unterlagen hervorging, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin in Estland liegt und sich der Kindesvater vorwiegend um das Kind kümmert. Weiters wurde kein rechtmäßiger Aufenthalt der Beschwerdeführerin nachgewiesen. (Der Kindesvater und das Kind verfügen ab Juni 2017 über eine unbefristete Asylberechtigung) Der Vorlageantrag langte am ein. Zusätzlich wurden dem Finanzamt am Unterlagen der Bildungsdirektion Wien übermittelt, aus denen hervorgeht, dass das Kind die Schule "St. Lawrence College" im Vereinigten Königreich besucht.

Beweismittel: - Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe vom , - Vorhalt vom , Abweisungsbescheid vom , - Beschwerde vom , Vorhalt vom , - Vorhaltsbeantwortung vom , - Nachreichung vom , - Beschwerdevorentscheidung vom , - Vorlageantrag vom , - Mail der Beschwerdeführerin an die Bildungsdirektion Wien vom , - Mitteilung der Bildungsdirektion Wien an das Finanzamt vom , - Schulbestätigung des Kindes vom

Stellungnahme:

Die Bf. beantragte im 12/2020 rückwirkend die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihre Tochter ab 08/2015. Dazu ist vorweg festzuhalten, dass Familienbeihilfe nur maximal 5 Jahre rückwirkend beantragt werden kann (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).

Darüber hinaus ist für die Zuerkennung einer österreichischen Familienbeihilfe erforderlich, dass sich sowohl diePartei (=Bf.) als auch das Kind rechtmäßig in Österreich aufhalten (§ 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967). Für das Kind wurde ein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich erst ab Juni 2017 nachgewiesen, sodass bis zu diesem Zeitpunkt keinesfalls ein Beihilfenanspruch bestehen kann. In Ansehung der Bf. ist darüber hinaus festzuhalten, dass diese zwar einen rechtmäßigen Aufenthalt des Exgatten und des Kindes in Österreich ab 06/2017 belegt hat, dass aber ob der Bf. selbst ein solcher rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich nicht nachgewiesen worden ist. Darüber hinaus ist aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, dass das Kind beim von der Bf. geschiedenen Kindesvater haushaltszugehörig ist und auch deswegen kein Beihilfenanspruch der Bf. besteht.

Letztendlich hält sich das Kind seit dem Schuljahr 2020/2021 ständig im Ausland auf, sodass ab diesem Zeitpunkt keinesfalls ein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe zum Tragen kommen kann.

Da eine rückwirkende Beantragung von Familienbeihilfe maximal 5 Jahre rückwirkend gesetzlich zulässig ist, das Kind sich erst ab 06/2017 rechtmäßig in Österreich aufhält, die Bf. hinsichtlich ihrer eigenen Person überhaupt keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich nachgewiesen hat, das Kind bei der Kindesmutter nicht haushaltszugehörig ist und das Kind ab dem Schuljahr 2020/2021 sich ständig im Ausland (Vereinigtes Königreich und damit einem Drittstaat) aufhält, besteht kein Anspruch der Bf. auf österreichische Familienbeihilfe. Das Finanzamt beantragt daher, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zentrales Melderegister

Das Bundesfinanzgericht erhob im Zentralen Melderegister, dass die Bf unverändert seit März 2014 einen Nebenwohnsitz in 1010 Wien, ***7*** hat. Seit April 2024 ist ihr Hauptwohnsitz ***20***, ***21***. Die Hauptwohnsitze zuvor waren ***3***, ***4*** (2021 - 2024) und 1010 Wien, ***16*** (2011 - 2014). Laut ZMR ist weiterhin Staatsangehörigkeit Russische Förderation, Reisedokument ist der Reisepass der Russischen Förderation, ausgestellt . Vermerkt ist: "Zugezogen von Estland, verzogen nach Lettland".

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Verfahrensrechtliches

Antragsdatum

Vorerst ist festzuhalten, dass mit der Beschwerdevorentscheidung vom der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert wurde, dass das richtige Antragsdatum (in Übereinstimmung mit der Aktenlage) ist.

Abweisungsbescheid Vater

Die Mutter hat mit ihrem Vorlageantrag einen an den Vater ergangenen Abweisungsbescheid vom vorgelegt, wonach dessen Antrag vom auf Familienbeihilfe für ***6*** ***2*** ab Juni 2017 mit der Begründung abgewiesen wurde, dass laut ZMR die Tochter bei der Mutter haushaltszugehörig gewesen sei und daher der Mutter vorrangig Familienbeihilfe zustehe. Ermittlungen zum Sachverhalt gehen aus diesem Bescheid nicht hervor.

§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 lautet:

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

(3) Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person

a)deren Nachkommen,

b)deren Wahlkinder und deren Nachkommen,

c)deren Stiefkinder,

d)deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

§ 2a FLAG 1967 lautet:

§ 2a. (1) Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

(2) In den Fällen des Abs. 1 kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden.

Der Abweisungsbescheid an den Vater entfaltet im gegenständlichen Verfahren keine Bindungswirkung. Rechtlich ist festzuhalten, dass die Regelungen des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 i.V.m. § 2a FLAG 1967 voraussetzen, dass überhaupt ein gemeinsamer Haushalt gegeben ist und der andere Elternteil alle anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, was etwa bei fehlendem Aufenthaltstitel gemäß § 3 FLAG 1967 nicht der Fall ist. Ein Abweisungsbescheid betreffend Familienbeihilfe gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat (vgl. ). Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ; ). Unter Beachtung der Regelung des § 10 Abs. 3 FLAG 1967 könnte daher einem neuerlichen Antrag des Vaters nicht die Einwendung der entschiedenen Sache entgegengehalten werden, wenn sich aus der gegenständlichen Entscheidung ergibt, dass ein Anspruch der Mutter nicht besteht.

Zeitraumbezogene Darstellung

Der besseren Übersichtlichkeit wegen wird im Folgenden über den Beschwerdezeitraum (Dezember 2011 bis laufend) zeitraumbezogen entschieden.

Dezember 2011 bis November 2015

Der Antrag auf rückwirkende Familienbeihilfe wurde am gestellt.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

Nach § 10 Abs. 3 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. Mit Ablauf dieser Frist ist der Anspruch auf Familienbeihilfe für weiter zurückliegende Zeiträume erloschen (vgl. ). Die Begrenzung des Beihilfenanspruches für vergangene Zeiträume ist vom Zeitpunkt des Antrages um Beihilfengewährung an zu berechnen (vgl. ). Die Fünfjahres­frist des § 10 Abs. 3 FLAG 1967 ist vom Datum des Antrags des antragstellenden Elternteils und nicht des (früheren) Antrags des anderen Elternteils zu rechnen (Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020, § 10 Rz 9 unter Hinweis auf ). Da der gegenständliche Antrag im Dezember 2020 gestellt wurde, bedeutet das, dass hinsichtlich der Monate Dezember 2011 bis November 2015 eine Gewährung von Familienbeihilfe nicht möglich ist.

Dezember 2015 bis Mai 2017

§ 3 FLAG 1967 lautet:

§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.

(6) Personen, denen aufgrund der Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene (Vertriebenen-VO), BGBl. II Nr. 92/2022, gemäß § 62 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, haben Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen ein solches vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt.

(7) Personen, denen aufgrund der Vertriebenen-VO gemäß § 62 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, haben zumindest für die Zeit des bewaffneten Konflikts in der Ukraine den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach § 2 Abs. 8 im Bundesgebiet.

Gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann, wenn sich diese nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten. Seit dem Pensionsharmonisierungsgesetz (ab ) stellt § 3 FLAG 1967 seinem klaren Wortlaut nach für die Anspruchsvoraussetzungen der Familienbeihilfe darauf ab, ob tatsächlich bereits Asyl gewährt worden ist (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020, § 3 Rz 249 unter Hinweis auf ; , 2006/15/0346; , 2008/15/0134; , 2008/15/0177; , 2008/15/0309; , 2007/15/0162), also der Status als Asylberechtigter zuerkannt wurde (vgl. -K/12). Ein derartiger rechtmäßiger Aufenthalt gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 ist für ***6*** ***2*** für den Zeitraum Dezember 2016 bis Mai 2017 nicht nachgewiesen. ***6*** ***2*** wurde erst mit Bescheid vom der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Daher kann für ***6*** ***2*** erst ab Juni 2017 (§ 10 Abs. 1 FLAG 1967) Familienbeihilfe bei Vorliegen aller anderen Anspruchsvoraussetzungen gewährt werden.

Juni 2017 bis August 2021

§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 lautet:

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a)für minderjährige Kinder,

...

§ 2 Abs. 8 FLAG 1967 lautet:

(8) Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

***6*** ***2*** besuchte in der Zeit von Juni 2017 bis August 2021 eine Schule in Österreich und hielt sich gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 rechtmäßig in Österreich auf. Es besteht daher für diesen Zeitraum grundsätzlich ein Anspruch auf Familienbeihilfe. Laut dem von der Bf vorgelegten Protokoll der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Fünfhaus vom in der Personensorgesache ***6*** ***2*** hatte die Mutter in Österreich nur einen Nebenwohnsitz. Ihr Hauptwohnsitz befand sich in Estland, die Mutter kam nur alle paar Monate nach Wien. Jedenfalls bis 2021 ging die Mutter nach ihren Angaben keiner Arbeit in Österreich nach (Schreiben vom ). Womit die (aufwendigen) Lebenshaltungskosten finanziert wurden, ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Es kann zumindest fraglich sein, ob die Mutter tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt in Österreich hatte und hat.

Gleichfalls spricht nach der Aktenlage und den Ausführungen der Mutter einiges dafür, dass ***6*** ***2*** beim Vater ***11*** ***2*** und nicht bei der Mutter ***1*** ***2*** ganz oder in bestimmten, bisher nicht feststehenden Zeiträumen haushaltszugehörig war, sodass dem ebenfalls seit Juni 2017 asylberechtigtem Vater, soweit dieser den Haushalt überwiegend geführt hat, gemäß § 2 Abs. 2, § 2a, § 3 Abs. 1 FLAG 1967 ein primärer Anspruch auf Familienbeihilfe zukäme.

All dies kann aber dahingestellt bleiben, da die Bf, die russische Staatsbürgerin und somit Drittstaatsangehörige ist, trotz mehrfacher Aufforderung durch das Finanzamt keinerlei Nachweise dafür vorgelegt hat, dass sie sich gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat und aufhält. Meldungen nach dem MeldeG oder das Anmieten von Wohnungen haben keinen Einfluss darauf, ob ein rechtmäßiger Aufenthalt gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 vorliegt. Personen, die weder die österreichische Staatsbürgerschaft noch die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates der EU (oder eines Vertragsstaates des EWR oder die Schweizer Staatsbürgerschaft) besitzen (Drittstaatsangehörige und Staatenlose), müssen zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen für die FB auch die in § 3 FLAG 1967 festgelegten Bedingungen erfüllen.

Bei ausländischen Staatsangehörigen und Staatenlosen genügt ein inländischer Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ( § 2 Abs. 1 FLAG 1967) sowie der Mittelpunkt der Lebens­interessen im Inland ( § 2 Abs. 8 FLAG 1967) für den Anspruch auf die Familienbeihilfe nicht. Bei Fremden (Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen), die FB beantragen, müssen zusätzlich die in § 3 Abs. 1 FLAG 1967 angeführten qualifizierten Voraussetzungen vorliegen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020, § 3 Rz 139 f.). Die näheren Voraussetzungen, unter denen die Aufenthaltstitel nach § 8 und 9 NAG zu erteilen sind, sind für Drittstaatsangehörige insbesondere in § 41 ff NAG und für EU-, EWR- und Schweizer Bürger insbesondere in § 51 ff NAG geregelt (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020, § 3 Rz 129).

Im Gegensatz zur Aufenthaltsbewilligung, die für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck ausgestellt wird (§ 8 Abs. 1 Z 10 NAG), zielt die Niederlassung auf einen dauerhaften Aufenthalt im Inland ab (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020, § 3 Rz 129).

Bürger aus Drittstaaten benötigen ebenso wie Staatenlose - sofern sie nicht begünstigte Familienangehörige von EU-/EWR-/Schweizer Bürgern sind, auf sie nicht das Asylgesetz Anwendung findet oder es sich um einen bereits assoziationsintegrierten ausländischen Staatsbürger handelt - einen Aufenthaltstitel nach § 8 NAG (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020, § 3 Rz 133).

Der rechtmäßige Aufenthalt in Österreich aus anderen Gründen, ohne dass ein rechtmäßiger Aufenthalt nach § 8, 9 NAG oder nach § 54 Asylgesetz 2005 vorliegt, reicht nicht aus, um Anspruch auf Familienbeihilfe i.S. § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 zu begründen (vgl ). Ein drittstaatsangehöriger Anspruchsberechtigter und ein drittstaatsangehöriges anspruchsvermittelndes Kind müssen, wenn sie nicht begünstigte Drittstaatsangehörige sind, vielmehr über einen Aufenthaltstitel nach § 8 NAG verfügen; dieser ist konstitutiv für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. -K/12; ; , RV/7104253/2015).

Gemäß § 20 NAG beginnt die Wirksamkeit des Aufenthaltstitels nach § 8 NAG bei Erstaus­stellung mit dem Ausstellungsdatum. Eine rückwirkende erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels ist nicht vorgesehen. Die bloße Antrag­stellung oder Antragsbestätigung ist noch kein Aufenthaltstitel iS § 8 NAG, ein Aufenthaltstitel i.S. § 8 NAG liegt erst ab Beginn dessen Gültigkeit vor. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein nach § 8 NAG rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich gegeben (vgl. ; , 2008/18/0094; , 2009/18/0061; , 2010/16/0175; ).

Mangels Nachweises eines rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 bestand für den Zeitraum Juni 2017 bis August 2021 jedenfalls kein Anspruch der Bf auf Familienbeihilfe für ***6*** ***2***. Da somit kein Anspruch der Mutter in diesem Zeitraum besteht, stünde dem Anspruch des Vaters eine allfällige (gänzliche oder teilweise) Haushaltszugehörigkeit der Tochter bei der Mutter nicht entgegen (vgl. etwa ), wenn die Tochter (auch) bei ihm haushaltszugehörig war oder er der Tochter den überwiegenden Unterhalt geleistet hat. Dies ist in diesem Verfahren aber nicht zu prüfen.

September 2021 bis laufend

§ 5 Abs. 3 FLAG 1967 lautet:

(3) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Nach der Aktenlage befindet sich ***6*** ***2*** seit September 2021 in einem Internat im Vereinigten Königreich.

Die Gleichstellung des Vereinigten Königreichs mit Mitgliedstaaten der EU (Übergangszeitraum) endete gemäß Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft ("Brexit-Abkommen") mit . Art. 32 Abs. 1 Buchst. d des Austrittsabkommens sieht die Weitergewährung von Familienleistungen, auf die zum ein Anspruch bestanden hat, vor ()

Zum hielt sich ***6*** ***2*** nicht ständig im Vereinigten Königreich auf. Die Weitergewährungsregelung kommt daher nicht zum Tragen. Seit September 2021 hält sich ***6*** ***2*** ständig in einem Drittstaat auf. Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 steht ein ständiger Auslandsaufenthalt des Kindes einem Anspruch auf Familienbeihilfe entgegen. Die Bestimmung ist verfassungskonform (vgl. ; ). Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa ; ; ). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebens­interessen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit.

Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. ).

Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. ). Das bloße Verbringen der Ferien in Österreich bzw. fallweise kurze Besuche in Österreich während des Schuljahres sind jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch ein ständiger Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird (vgl. ; ; ; ; ). Auch wenn der Auslandsaufenthalt zu Ausbildungszwecken erfolgte, ändert dies nichts daran, dass sich das Kind während der Auslandsausbildung ständig i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im Ausland, also einem Drittland, aufhält (vgl. ; ; ; ; ). Der VwGH hat eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als einen vorübergehenden Aufenthalt angesehen (vgl. ). Ein Aufenthalt von mehr als sechs Monaten ist jedenfalls ein ständiger Auslandsaufenthalt gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 (vgl. etwa und ).

Daher steht für ***6*** ***2*** gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 keine Familienbeihilfe zu.

Für den fehlenden nachgewiesenen rechtmäßigen Aufenthalt gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 gilt das für den Zeitraum Juni 2017 bis August 2021 Gesagte.

Abweisung der Beschwerde

Da die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) aufzeigt, ist die Beschwerde unbegründet abzuweisen, wobei hinsichtlich des Antragsdatums der Spruch im Sinne der Beschwerdevorentscheidung zu berichtigen ist.

Zustellung

Die Zustellung dieser Entscheidung erfolgt an den derzeitigen Hauptwohnsitz laut ZMR in Wien.

Revisionsnichtzulassung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Sie folgt vielmehr der dargestellten Rechtsprechung.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104012.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at