Keine Beschwerdezinsen, wenn die Festsetzung der von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängigen Abgabe keine Nachforderung ergeben hat.
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 3984/2024 anhängig.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***R1***, den Richter ***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R3*** und ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom betreffend Beschwerdezinsen 2011 Steuernummer ***BFStNr*** in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin u.a. Beschwerdezinsen zur Körperschaftsteuer 2011 festzusetzen. Sie brachte vor, dass sie als Rechtsnachfolgerin der ***A*** AG und Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe i.S.d. § 9 KStG 1988 die Körperschaftsteuerbescheide 2003 und 2004 sowie die Feststellungsbescheide Gruppenmitglied 2005 bis 2010 bekämpft habe. Den diesbezüglichen Beschwerden sei mit den Erkenntnissen des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102222/2022, sowie vom , RV/7102202/2022, ganz bzw. teilweise Folge gegeben worden. Eine mittelbare Folge dieser Erkenntnisse sei gewesen, dass die Körperschaftsteuer 2011 um € 2.968.779,06 reduziert wurde. Es stünden ihr daher Beschwerdezinsen i.S.d. § 205a BAO für die Zeit ab Entrichtung der Körperschaftsteuer bis zur Bekanntgabe des die Abgaben herabsetzenden Bescheides zu.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag ab. Begründend führte sie unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zu dem mit BGBl. Nr. 76/2011 eingeführten § 205a BAO aus, dass die Beschwerdezinsen Nachforderungen i.S.d. § 212a BAO betreffen, also solche, für die die Voraussetzungen einer Aussetzung der Einhebung vorliegen. Einer Aussetzung der Einhebung seien nur Abgabennachforderungen zugänglich, die aus amtswegigen Bescheiden oder aus der Abweichung von einer Abgabenerklärung resultieren. Da aus der Festsetzung der Körperschaftsteuer 2011 keine Nachforderung, sondern eine Gutschrift resultiert, würden die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Einhebung nicht vorliegen, sodass auch kein Anspruch auf Beschwerdezinsen bestehe. Ergänzend verwies die belangte Behörde auf die Entscheidung des , in welcher der enge Zusammenhang zwischen § 205a BAO und § 212a BAO betont werde.
Dagegen richtet sich die gegenständliche, undatiert am eingelangte Beschwerde, in der auch gem. § 272 Abs. 2 Z. 1 BAO die Entscheidung durch den Senat sowie gem. § 262 Abs. 2 lit. a BAO das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung beantragt wurde (die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt). Ergänzend führte die Beschwerdeführerin darin aus, dass sie als Gruppenträgerin für das Jahr 2011 Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen i.H.v. € 21.191.939,00 geleistet habe. Mit dem Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2011 vom sei der zuvor ergangene Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2011 vom gemäß § 295 Abs. 1 BAO unter Berücksichtigung der bereits erwähnten Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes insoweit abgeändert worden, als die Körperschaftsteuer 2011 um den sich hieraus ergebenden Betrag von € 2.968.779,06 herabgesetzt wurde. Den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid hielt sie entgegen, dass § 205a BAO - anders als es § 212a Abs. 1 BAO für die Aussetzung der Einhebung und damit für die Festsetzung von Aussetzungszinsen bedingt - nicht das Bestehen bzw. die Entrichtung einer "Nachforderung" voraussetze. Tatbestandsmäßig sei lediglich eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit (dass diese beiden Begriffe nicht gleichgesetzt werden können, ergebe sich u.a. aus § 198 Abs. 2 S. 2 BAO). Ob die Abgabenschuldigkeit aufgrund einer Nachforderung in einem Festsetzungsbescheid oder - wie hier - in Form von Vorauszahlungen entrichtet wurde, mache keinen Unterschied. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 205a BAO, der das mit dem Beschwerdeverfahren verbundene Zinsrisiko ausgleichen will und den Abgabepflichtigen vor finanziellen Nachteilen aus der Vorfinanzierung von Abgaben schützt, die sich letztlich - im Beschwerdeverfahren - als nicht rechtmäßig erweisen. Soweit in den von der belangten Behörde zitierten Gesetzesmaterialien von "Nachforderungen" die Rede ist, habe der Gesetzgeber augenscheinlich den Standardfall eines Beschwerdeverfahrens vor Augen gehabt, also eine Beschwerde gegen einen Abgabenbescheid, aus welchem eine Nachforderung resultiert. Dies bedeute aber nicht, dass in dem von den Gesetzesmaterialien nicht erwähnten Fall einer bereits durch Vorauszahlungen entrichteten Abgabe keine Beschwerdezinsen festzusetzen wären. Die von der belangten Behörde vertretene Auslegung verstoße auch gegen das allgemeine Sachlichkeitsgebot und damit gegen den Gleichheitssatz (Art. 7 B-VG).
Mit Vorlagebericht vom (sohin innerhalb der Dreimonatsfrist des § 262 Abs. 2 lit. b BAO) legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin führte sie ergänzend aus, dass hinsichtlich der Vorauszahlungen keine von der Erledigung einer Beschwerde abhängige Abgabenschuldigkeit vorliege. Bei den Vorauszahlungen und der veranlagten Abgabe handle es sich um unterschiedliche, je für sich einer Bescheidbeschwerde zugängliche Abgabenansprüche. Sie seien daher auch hinsichtlich der Beschwerdezinsen voneinander getrennt zu beurteilen. Zu diesem ergänzenden Vorbringen, dem Vorhaltscharakter zukommt (; , RV/7100054/2023), äußerte sich die Beschwerdeführerin nicht. Bei den im Vorlagebericht enthaltenen Ausführungen, wonach (nur) der später erlassene KöSt-(Veranlagungs)Bescheid mit Bescheidbeschwerde bekämpft worden sei, handelt es sich - wie durch eine telefonische Rückfrage bei der belangten Behörde bestätigt werden konnte - um ein Versehen. Tatsächlich geht der Verfahrensstandpunkt der belangten Behörde dahin, dass - wie auch die Beschwerdeführerin vorbringt - nicht der Körperschaftsteuerbescheid 2011, sondern die Körperschaftsteuerbescheide 2003 und 2004 sowie die Feststellungsbescheide Gruppenmitglied 2005 bis 2010 bekämpft wurden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist seit 2005 Mitglied einer Unternehmensgruppe i.S.d. § 9 KStG 1988. Gruppenträger war ursprünglich die ***A*** AG. Mit Verschmelzungsvertrag vom wurde die Beschwerdeführerin als übernehmende Gesellschaft mit der ***A*** AG als übertragende Gesellschaft zum Stichtag verschmolzen und ist seitdem selbst Gruppenträger.
Mit (noch gegenüber der ***A*** AG ergangenem) Bescheid vom setzte das damalige Finanzamt Wien 1/23 die Körperschaftsteuer-Vorauszahlung 2011 mit € 21.191.939,46, zahlbar mit je einem Viertel (€ 5.297.984,87) am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fest. Mit Bescheid vom wurde die Vorauszahlung auf € 122.369.645,00 erhöht, jedoch mit Bescheid vom nächsten Tage () wieder auf den ursprünglichen Betrag von (gerundet) € 21.191.939,00 reduziert. Die festgesetzten Vorauszahlungen i.H.v. (gerundet) € 5.297.984,00 wurden zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten entrichtet.
Mit Bescheid vom in der Fassung des Berichtigungsbescheides gemäß § 293 BAO vom wurde gegenüber der Beschwerdeführerin als Gruppenträgerin die Körperschaftsteuer 2011 mit € 948.277,00 festgesetzt, sodass sich gegenüber der bisher vorgeschriebenen Körperschaftsteuer (Vorauszahlung i.H.v. € 21.191.939,00) eine Gutschrift i.H.v. € 20.095.430,00 (lt. Bescheid vom ) zzgl. € 148.232,00 (laut Berichtigungsbescheid vom ), insgesamt sohin € 20.243.662,00 ergab. Mit weiterem Bescheid vom wurde der Bescheid vom gemäß § 295 Abs. 1 BAO dahingehend berichtigt, dass die Körperschaftsteuer 2011 mit € 516.572,00 festgesetzt wurde (Gutschrift sohin € 431.705,00). Mit Bescheid vom wurde schließlich der Bescheid vom gemäß § 295 Abs. 1 BAO dahingehend berichtet, dass die Körperschaftsteuer 2011 mit nunmehr € -2.452.207,00 festgesetzt wurde, sodass sich gegenüber der bisher (mit Bescheid vom ) festgesetzten Steuer eine Gutschrift i.H.v. € 2.968.779,00 ergab.
Die zuletzt genannte Neufestsetzung (Änderungbescheid vom ) beruht darauf, dass die Beschwerdeführerin die Körperschaftsteuerbescheide 2003 und 2004 sowie die Feststellungsbescheide Gruppenmitglied 2005 bis 2010 bekämpft hat und den Beschwerden mit den Erkenntnissen des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102222/2022 und vom , RV/7102202/2022, (teilweise) insofern Folge gegeben wurde, als auch Zinsaufwendungen im Zusammenhang mit Kurssicherungsgeschäften sowie Initial Public Offering (IPO)-Kosten als abzugsfähig anerkannt wurden. Hierdurch erhöhten sich die aus den Jahren 2003 und 2004 resultierenden Verlustvorträge (Vorgruppenverluste i.S.d. § 9 Abs. 6 Z. 4 KStG 1988), die infolge eines jeweils negativen Einkommens in den Jahren 2005 und 2007 bis 2010 und eines zur vollen Verrechnung unzureichenden Einkommens im Jahr 2006 erst bei der KöSt 2011 entsprechend berücksichtigt werden konnten.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sowie zur Unternehmensgruppe gründen sich auf die Einsichtnahme in das Firmenbuch, in die Subjektdaten in der Grunddatenverwaltung der Finanzanwendungen sowie auf das glaubhafte, unwidersprochene Vorbringen der Beschwerdeführerin. Die Feststellungen zu den Vorauszahlungs- und Veranlagungsbescheiden gründen sich auf die diesbezüglichen, von der belangten Behörde vorgelegten Bescheide. Anzumerken ist, dass die (möglicherweise auf einem Versehen beruhende) vorübergehende Anhebung der Vorauszahlung auf € 122.369.645,00 keinerlei Auswirkungen hatte, da sie nur für einen Tag in Kraft war, auf den kein Fälligkeitszeitpunkt entfiel. Dass die Beschwerdeführerin (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) die KöSt-Vorauszahlungen entrichtet hat, wurde von ihr unwidersprochen vorgebracht und konnte auch durch eine amtswegige Einsichtnahme in das Abgabenkonto verifiziert werden. Die Feststellungen zu den Beschwerdeverfahren RV/7102222/2022 und RV/7102202/2022 gründen sich auf die diesbezüglichen amtswegig beigeschafften Erkenntnisse. Dass die daraus resultierende Verringerung der Einkünfte der Beschwerdeführerin im Wege von Verlustvorträgen (erst) für das Jahr 2011 berücksichtigt werden konnten und diese Erkenntnisse daher dafür maßgeblich waren, dass die KöSt mit Bescheid vom neu festgesetzt wurde, hatte Beschwerdeführerin glaubhaft und unwidersprochen vorgebracht. Nachdem dies für das Gericht anhand der vorgelegten Unterlagen nicht überprüfbar war, erfolgte eine telefonische Kontaktaufnahme mit der belangten Behörde, welche zusagte, dies nochmals zu überprüfen und das Gericht zu verständigen, falls das Guthaben lt. Bescheid vom nicht oder nicht zur Gänze auf die erfolgreichen Beschwerden zurückzuführen sein sollte. Eine derartige Verständigung langte in der Folge nicht ein, sodass das Gericht das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin für zutreffend erachtet.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gem. § 205a Abs. 1 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Beschwerdezinsen festzusetzen, soweit eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, herabgesetzt wird.
Da es sich bei den Beschwerdezinsen um das "Gegenstück" zu den Aussetzungszinsen i.S.d. § 212a Abs. 9 BAO handelt, argumentiert die belangte Behörde, dass Beschwerdezinsen nur dann gebühren, wenn ohne Entrichtung der Abgaben eine Aussetzung der Einhebung (und damit bei Erfolglosigkeit der Beschwerde die Vorschreibung von Aussetzungszinsen) in Frage gekommen wäre. Da im vorliegenden Fall sämtliche Bescheide, mit denen die Körperschaftsteuer 2011 festgesetzt wurde, eine Gutschrift ergeben haben komme in Ermangelung einer Nachforderung eine Aussetzung nicht in Betracht, sodass auch keine Beschwerdezinsen gebühren. Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass es keinen Unterschied machen könne, ob die Abgabenschuldigkeit aufgrund einer Nachforderung in einem Festsetzungsbescheid oder - wie hier - in Form von Vorauszahlungen entrichtet wurde.
Mit den Voraussetzungen der Festsetzung von Beschwerdezinsen hatte sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2016/13/0034, auseinanderzusetzen. Darin verwies er unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zum Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76/2011 (1212 BlgNR 24. GP f), mit welchem § 205a BAO eingeführt wurde, auf den engen Zusammenhang dieser Bestimmung mit § 212a Abs. 9 BAO. Demnach sollte durch die Schaffung des § 205a BAO der Umstand beseitigt werden, dass gem. § 212a Abs. 9 BAO nach der Rechtslage vor dem Abgabenänderungsgesetz 2011 das Zinsrisiko im Zusammenhang mit Rechtsmitteln gegen Abgabenbescheide einseitig den Abgabepflichtigen traf: Wurde gem. § 212a BAO die Einhebung strittiger Abgabenbeträge ausgesetzt, fielen Aussetzungszinsen an, wenn sich die Nachforderung als rechtmäßig erwies. Entrichtete der Abgabepflichtige dagegen die strittigen Abgabenbeträge und erwies sich die Abgabennachforderung letzlich als rechtswidrig, erfolgte die daraus resultierende Abgabengutschrift nach der früheren Rechtslage unverzinst. Durch § 205a BAO sollte nun ein Beschwerdeführer, der den strittigen Abgabenbetrag bezahlt, jenem gleichgestellt werden, dem für die Dauer des Beschwerdeverfahrens eine Aussetzung der Einhebung zugebilligt wurde. Daraus folgerte der Verwaltungsgerichtshof, dass Beschwerdezinsen nur dann festgesetzt werden können, wenn - ohne Bezahlung der Abgabenschuld - eine Aussetzung der Einhebung möglich gewesen wäre:
"25 Besteht hingegen keine Abgabenschuldigkeit, weil sich - wie hier (Veranlagung mit 0 EUR) - aus dem Bescheid keine Nachforderung (eine aus einer Abgabenfestsetzung resultierende Zahlungsverpflichtung; vgl. das Erkenntnis vom , 2002/17/0238, mwN) ergibt, ist bei einer Bekämpfung dieses Bescheides eine Aussetzung der Einhebung (mangels Nachforderungsbetrages) nicht möglich, auch Aussetzungszinsen fallen in einem derartigen Fall nicht an. Mangels Nachforderung kommt eine Entrichtung nicht in Frage, sodass auch Beschwerdezinsen nicht in Betracht kommen."
Wie die Beschwerdeführerin festhält, hatte die Revisionswerberin in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden (Umsatzsteuer-)Fall keine Umsatzsteuervorauszahlungen geleistet. Die (Jahres-)Umsatzsteuer wurde zunächst mit € 0,00 und in der Folge aufgrund eines Rechtsmittels der späteren Revisionswerberin mit einem Vorsteuerüberhang festgesetzt. Der Fall wäre nicht anders zu beurteilen gewesen, wenn die Revisionswerberin Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtet hätte. Der Erstbescheid hätte dann ein Guthaben in Höhe dieser Vorauszahlungen ergeben und wäre diesfalls eine Aussetzung der Einhebung (und damit auch Aussetzungszinsen bzw. - spiegelbildlich - Beschwerdezinsen) ebenfalls nicht in Betracht gekommen. Es muss sich vielmehr aus jenem Bescheid, der unmittelbar oder mittelbar angefochten ist, eine Zahlungsverpflichtung ergeben, damit - bei Erfüllung dieser Zahlungsverpflichtung und nachträglicher Herabsetzung der Abgabenschuldigkeit - Beschwerdezinsen entstehen können. Dass sich die Zahlungspflicht - wie bei der Umsatzsteuervorauszahlung - unmittelbar aus dem Gesetz oder - wie hier - aus einem anderen Bescheid (Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid) ergibt, ist nicht hinreichend (so auch zum Fall eines laufend gem. § 43 FLAG 1967 entrichteten Dienstgeberbeitrages der in der Folge aufgrund eines Rechtsmittels mit € 0,00 festgesetzt wurde: ).
Dass Vorauszahlungen nicht als "Entrichtung" einer Abgabenschuldigkeit i.S.d. § 205a Abs. 1 BAO betrachtet werden können, ergibt sich auch daraus, dass die Beschwerdezinsen für den Zeitraum ab Entrichtung bis zur Bekanntgabe des die Abgabe herabsetzenden Bescheides bzw. Erkenntnisses festzusetzen sind: Werden Vorauszahlungen geleistet und wird in der Folge die Abgabe erklärungsgemäß mit einem im Vergleich zur Summe der Vorauszahlungen geringeren Betrag festgesetzt, ist das daraus resultierende Guthaben nicht zu verzinsen. Wird dagegen die Abgabe zunächst in Höhe der Summe der Vorauszahlungen festgesetzt und erst aufgrund eines Rechtsmittels reduziert, wäre das daraus resultierende Guthaben nach Auffassung der Beschwerdeführerin zu verzinsen, und zwar entsprechend der gesetzlichen Anordnung des § 205a Abs. 1 BAO ab dem Zeitpunkt der Entrichtung. Dies würde jedoch auf eine im Gesetz nicht vorgesehene Verzinsung des Unterschiedsbetrages zwischen Vorauszahlung und festgesetzter Abgabe hinauslaufen und zudem einen Wertungswiderspruch (Verzinsung für den Zeitraum zwischen Entrichtung und erstinstanzlichem Bescheid, wenn antragsgemäße Veranlagung erst aufgrund eines Rechtsmittels erfolgt; keine Verzinsung für denselben Zeitraum, wenn antragsgemäße Veranlagung bereits mit dem erstinstanzlichen Bescheid erfolgt) bedeuten, der dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen ist.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass Beschwerdezinsen in Ermangelung einer Nachforderung nicht festzusetzen sind.
Für die hier streitgegenständliche Körperschaftsteuer ist zudem folgendes zu beachten:
§ 24 Abs. 3 Z. 1 KStG 1988 verweist hinsichtlich der Veranlagung und Entrichtung der Körperschaftsteuer auf die sinngemäß anzuwendenden Vorschriften des EStG 1988, insbesondere auf § 45 EStG 1988, sodass auch auf die Körperschaftsteuer vierteljährlich zu entrichtende, bescheidmäßig festzusetzende Vorauszahlungen zu leisten sind (Bieber in Bergmann/Bieber, KStG, Rz 5 zu § 24, m.w.N.), die bei der nachfolgenden Veranlagung anzurechnen sind. Die zu § 45 EStG 1988 ergangene Judikatur und Literatur ist daher auf KöSt-Vorauszahlungen und -Veranlagungen übertragbar. Demnach handelt es sich bei der Vorauszahlung für ein bestimmtes Kalenderjahr um eine Abgabenschuld, die von der Jahres-Steuerschuld für dasselbe Kalenderjahr zu unterscheiden ist (Peyerl in Jakom, EStG, Rz 6 zu § 45). Im Verfahren betreffend Festsetzung von Vorauszahlungen einerseits und in jenem betreffend Festsetzung der Jahressteuer andererseits geht es nicht um dieselbe "Sache" (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, Anm. 10 zu § 45). Der Veranlagungsbescheid setzt daher den Vorauszahlungsbescheid des betreffenden Jahres nicht außer Kraft (; , 97/13/0090); gegen Vorauszahlungsbescheide gerichtete Beschwerden werden durch Erlassung des Veranlagungsbescheides weder unzulässig noch gegenstandslos (; , RV/6100491/2014). Der Vorauszahlungsbescheid und die Verpflichtung zur Entrichtung der darin festgesetzten Vorauszahlungen bleiben vielmehr so lange aufrecht, als es nicht zu einer bescheidmäßigen Änderung der Vorauszahlungen kommt (Sturma in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, Rz 1 zu § 45).
Nachdem es sich bei der Vorauszahlung einerseits und der Jahressteuer andererseits um unterschiedliche Abgaben handelt, die unabhängig voneinander mit Rechtsmittel bekämpft und abgeändert werden können, muss auch für die Frage, ob eine Abgabenschuldigkeit i.S.d. § 205a Abs. 1 BAO entrichtet ist sowie ob sie von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt und in der Folge herabgesetzt wurde, zwischen diesen beiden Abgabenarten unterschieden werden. Mit den Zahlungen von vier mal € 5.297.984,00 im Jahr 2011 hat die Beschwerdeführerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin die mit den Vorauszahlungsbescheiden vom , und festgesetzten Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen 2011 entrichtet. Diese Vorauszahlungen waren von keiner Bescheidbeschwerde abhängig und wurden demzufolge auch nicht herabgesetzt. Die Beschwerden zu RV/7102222/2022 und RV/7102202/2022 haben vielmehr (mittelbar über Verlustvorträge) zu einer Herabsetzung der Jahres-Körperschaftsteuer 2011 mit Bescheid vom geführt. Auf diese Jahressteuer hatte die Beschwerdeführerin jedoch keine Zahlungen geleistet, da auch alle dem Bescheid vom vorangegangenen Bescheide, mit denen die Jahres-Körperschaftsteuer 2011 festgesetzt wurde, eine Gutschrift ergeben haben.
Da somit die aufgrund erfolgreicher Beschwerden herabgesetzte Jahres-Körperschaftsteuer 2011 nicht entrichtet war und die tatsächlich entrichtete Körperschaftssteuer-Vorauszahlung 2011 weder von einer Bescheidbeschwerde abhängig war noch herabgesetzt wurde, liegen auch aus diesem Grund die Voraussetzungen für die Festsetzung von Beschwerdezinsen gem. § 205a BAO nicht vor.
Soweit die Beschwerdeführerin ausführt, eine verfassungskonforme Auslegung gebiete ein gegenteiliges Ergebnis, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im o.a. Erkenntnis keine Bedenken im Hinblick auf die Sachlichkeit der Regelung hatte und sich daher nicht veranlasst sah, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu richten. Vielmehr würde die von der Beschwerdeführerin vertretene Auslegung zu einem bedenklichen Wertungswiderspruch führen (s. oben).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dass Beschwerdezinsen nur festgesetzt werden können, wenn aus dem (unmittelbar oder mittelbar von einer Beschwerde abhängigen) Bescheid eine Nachforderung resultiert, da andernfalls auch (die das Gegenstück zu den Beschwerdezinsen bildenden) Aussetzungszinsen nicht entstehen können, hat der Verwaltungsgerichtshof durch die zitierte Entscheidung klargestellt. Dieser Rechtssatz ist verallgemeinerungsfähig, sodass ungeachtet der Unterschiede zum gegenständlichen Fall (Umsatzsteuervorauszahlungen nicht entrichtet) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 205a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Zitiert/besprochen in | Fiala in AVR 2024/14 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102052.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at