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Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 10.09.2024, RS/7100224/2024

Einer E-Mail kommt die Eigenschaft eines Anbringens oder einer Eingabe nicht zu

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei vom (eingelangt am ) wegen behaupteter Verletzung der Pflicht zur Erlassung eines Bescheides durch das Finanzamt Österreich über den Antrag vom auf Refundierung der von ihr bezahlten Umsatzsteuer in Höhe von 1.060 Euro, Steuernummer ***X***, beschlossen:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin brachte am per E-Mail einen Antrag auf Refundierung der Umsatzsteuer betreffend ihrer Photovoltaik-Anlage beim Finanzamt Österreich ein.

Mit E-Mail vom erteilte die Abgabenbehörde der Beschwerdeführerin bezüglich ihres Antrages eine Auskunft und verwies darauf, dass diese nicht in Bescheidform ergehe, weshalb ein Rechtsmittel dagegen unzulässig sei.

Mit E-Mail vom teilte die Beschwerdeführerin der Abgabenbehörde mit, dass Letztere als Erledigung des Refundierungsantrages einen Bescheid zu erlassen hätte, soweit dem Antrag auf Refundierung nicht entsprochen werde.

Mit E-Mail vom teilte die Abgabenbehörde unter anderem mit, dass ein Bescheid nach dem Auskunftspflichtgesetz auf Antrag nur zu erlassen sei, wenn eine Auskunft nicht erteilt worden sei. Da im vorliegenden Fall eine Auskunft erteilt worden sei, werde kein Bescheid erlassen.

Am übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin per E-Mail den am eingebrachten Antrag auf Refundierung der Umsatzsteuer erneut an das Finanzamt Österreich.

Am langte die Säumnisbeschwerde beim Bundesfinanzgericht ein, welche damit begründet wurde, dass seit dem Einlangen des Antrages der Beschwerdeführerin auf Refundierung der Umsatzsteuer bzw bescheidmäßige Bestätigung oder Ablehnung ihres Anspruchs beim Finanzamt Österreich mehr als sechs Monate vergangen seien. Das Finanzamt Österreich habe durch seine Untätigkeit die Pflicht, innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen eines Antrages die Entscheidung in Bescheidform zu erledigen, verletzt. Die rechtsfreundliche Vertretung stellte die Anträge, das Bundesfinanzgericht möge dem Finanzamt Österreich auftragen, innerhalb einer Frist von maximal drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde über den Antrag der Beschwerdeführerin vom zu entscheiden, widrigenfalls selbst über den Antrag der Beschwerdeführerin vom nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entscheiden und feststellen, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf Refundierung der zu Unrecht bezahlten Umsatzsteuer auf die von ihr betriebene Photovoltaik-Anlage an der Adresse ***Bf-Adr*** habe.

Mit E-Mail vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die Abgabenbehörde, mitzuteilen, ob der Antrag vom ausschließlich per E-Mail oder auch per Post der Abgabenbehörde übermittelt worden sei.

Die Abgabenbehörde teilte mit E-Mail vom mit, dass der Antrag vom ausschließlich per E-Mail eingebracht worden sei. Eine Übermittlung per Post sei nicht erfolgt.

II. Das Bundfinanzgericht hat erwogen:

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin brachte am ausschließlich per E-Mail einen Antrag auf Refundierung der Umsatzsteuer betreffend ihrer Photovoltaik-Anlage beim Finanzamt Österreich ein.

Ein Nachweis für die postalische Übermittlung des als E-Mail übermittelten Antrages vom ist nicht vorhanden und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.

Mit Schriftsatz vom (eingelangt am ) übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin dem Bundesfinanzgericht eine Säumnisbeschwerde, wonach das Finanzamt Österreich durch seine Untätigkeit die Pflicht verletzt habe, innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen eines Antrages die Entscheidung in Bescheidform zu erledigen.

Der Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Unterlagen sowie der E-Mail vom der Abgabenbehörde.

2. Rechtliche Würdigung:

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)

Gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der - im gegenständlichen Beschwerdefall nicht wesentlichen - Bestimmungen des Abs 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde gemäß § 85 Abs. 2 BAO nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 86a Abs. 1 BAO können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt.

Mit § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 494/1991 wird für Anbringen im Sinne des § 86a Abs. 1 erster Satz BAO, die in Abgaben-, Monopol- oder Finanzstrafangelegenheiten an das Bundesministerium für Finanzen, an den unabhängigen Finanzsenat, an eine Finanzlandesdirektion, an ein Finanzamt oder an ein Zollamt gerichtet werden, die Einreichung unter Verwendung eines Telekopierers (Telefaxgerätes) zugelassen.

Mit der Verordnung BGBl. II Nr. 97/2006 (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006 ) wird die automationsunterstützte Datenübertragung in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen, geregelt. Nach § 1 Abs. 2 der FOnV 2006 ist die automationsunterstützte Datenübertragung für die Funktionen zulässig, die dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online zur Verfügung stehen. Gemäß § 5 FOnV 2006 sind andere als die in den Funktionen gemäß § 1 Abs. 2 dem jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung gestellten Anbringen, ungeachtet einer allfälligen tatsächlichen Übermittlung in FinanzOnline, unbeachtlich.

Da § 85 und § 86a BAO und die auf Grund § 86a BAO ergangenen beiden erwähnten Verordnungen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einer
E-Mail nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung zugängliche Eingabe handelt (vgl. etwa , VwSlg 8.102/F, das zur insoweit vergleichbaren Steiermärkischen Landesabgabenordnung ergangene Erkenntnis und ).

Ein mit einem E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen.

Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einem solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt (vgl ).

Gemäß § 284 Abs 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben werden. Hiezu ist jeder Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Im Hinblick darauf, dass der Antrag auf Refundierung der Umsatzsteuer betreffend ihrer Photovoltaik-Anlage von der Beschwerdeführerin beim Finanzamt Österreich am ausschließlich per E-Mail eingebracht wurde und einer E-Mail die Eigenschaft eines Anbringens oder einer Eingabe nicht zukommt (vgl ), löste der erwähnte, mit E-Mail eingebrachte Antrag der Beschwerdeführerin keine Entscheidungspflicht der Behörde aus. Da von Seiten der Abgabenbehörde somit keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorlag, war die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung vor, ist diese zwingend zu erlassen. Dem Verwaltungsgericht ist es daher verwehrt, auf das materielle Beschwerdevorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen.

Gemäß § 274 Abs 3 Z 1 BAO kann der Senat ungeachtet eines Antrages von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig (…) zurückzuweisen ist (§ 260).

Abs 5 leg cit lautet: "Obliegt die Entscheidung über die Beschwerde dem Einzelrichter und hat nach Abs 1 eine mündliche Verhandlung stattzufinden, so sind Abs 3 (…) sinngemäß anzuwenden; hierbei sind die Obliegenheiten und Befugnisse des Senatsvorsitzenden dem Einzelrichter auferlegt bzw eingeräumt.

§ 272 Abs 4 lautet: "Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegen auch zunächst (…) Zurückweisungen (§ 260), (…).

Der Einzelrichter kann trotz rechtzeitigen Antrages eine mündliche Verhandlung unterlassen, wenn eine Formalentscheidung über die Beschwerde (zB Zurückweisung) zu erfolgen hat.
§ 274 Abs 3 gestattet das Unterbleiben beantragter mündlicher Verhandlungen. Die Durchführung liegt auch bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung im Ermessen (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 274 Tz 11f).

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 7f).

Unter "Billigkeit" versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben". Zur Zweckmäßigkeit gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 7 und die dort zitierte Judikatur). Bei der Ermessensübung ist zudem das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung zu beachten.

Im Hinblick darauf, dass überwiegende Parteiinteressen nicht erkennbar sind, die der Unterlassung der beantragten mündlichen Verhandlung entgegenstünden und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Rechtsfolge eines mit einer E-Mail eingebrachten "Anbringens" aus der zitierten Judikatur ergibt, wurde aus verwaltungs-ökonomischen Gründen sowie aufgrund des Gebotes der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit das Ermessen dahingehend geübt, dass von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über die Rechtsfolgen eines mit einer E-Mail eingebrachten "Anbringens" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Bezüglich der Unterlassung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde durch das Bundesfinanzgericht eine Ermessensentscheidung getroffen und dabei über die von Judikatur und Literatur herausgearbeiteten Grenzen der Ermessensübung nicht hinausgegangen. Auch diesbezüglich war somit keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 2 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 5 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
E-Mail
Anbringen
Eingabe
Verweise





Ritz/Koran, BAO 7. Aufl., § 274 Tz 11f
Ritz/Koran, BAO 7. Aufl., § 20 Tz 7f
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RS.7100224.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at