Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2024, RV/6100117/2023

Besonderer Progressionsvorbehalt für steuerfreie Einkünfte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Recht erkannt:

I.
Der bekämpfte Bescheid vom wird dahingehend abgeändert, dass sein Spruch genauso lautet, wie in der Beschwerdevorentscheidung. Die Einkommensteuer 2021 wird mit EUR 1.034,00 festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FE 2 und damit in die Zuteilungsgruppe 7002. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen

I. Verfahrensgang

Das Finanzamt Österreich (kurz FAÖ) erließ den hier bekämpften Einkommensteuerbescheid 2021 vom auf Basis der Einkommensteuererklärung vom , nachdem es mittels Bedenkenvorhalt vom den Sachverhalt zum Pendlerpauschale bzw. Pendlereuro geklärt hatte. Im Einkommensteuerbescheid führte die Abgabenbehörde aus, dass sie die steuerpflichtigen Einkünfte aufgrund des Bezuges von steuerfreien Leistungen unter Anwendung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auf einen Jahresbetrag umgerechnet habe. Den sich daraus ergebenden Durchschnittssteuersatz habe es auf das steuerpflichtige Einkommen angewendet.

Diesen Bescheid bekämpfte die Beschwerdeführerin (kurz Bf.) mit Beschwerde vom (FinanzOnline). Sie führte aus, sie sei 2021 von Jänner bis Ende September in Bildungskarenz gewesen, um ihr Studium abzuschließen. Im letzten Medizin-Studienjahr habe sie das klinisch praktische Jahr absolviert und dafür eine kleine Aufwandsentschädigung (etwa EUR 600,00 pro Monat) zur Deckung der Lebenskosten erhalten. Im letzten Jahresviertel habe sie wieder bei ihrem Dienstgeber gearbeitet. Die Bildungskarenz habe sich nie mit der Fixanstellung überschnitten.

Das FAÖ adaptierte daraufhin den Einkommensteuerbescheid mit Beschwerdevorentscheidung vom und schied vom Betrag, der auf einen Jahresbetrag hochgerechnet wurde, alle Beträge aus, die parallel zur bzw. in der Bildungskarenz zuflossen.

Das bekämpfte die Bf. mit Schriftsatz vom und brachte vor, die Steuer sei wieder nicht korrekt berechnet worden. Aus ihrem regulären Bruttoeinkommen für drei Monate von EUR 12.689,24 könne sich nie eine Einkommenssteuernachzahlung von über EUR 1.000 ergeben.

Daraufhin forderte das FAÖ mit Schriftsatz vom 17: März 2023 die monatlichen Lohnabrechnungen ihres Arbeitgebers für Jänner bis Dezember 2021 vorzulegen. Dem kam die Bf. am via FinanzOnline nach, legte Monatsabrechnungen für Jänner, Februar und Oktober bis Dezember 2021 vor. Daraus geht - wie sie zusätzlich erläuterte - hervor, dass der Arbeitgeber in den ersten beiden Monaten des Jahres für das Vorjahr geringfügige Überbezüge einbehalten hatte. In den letzten drei Monaten flossen ihr wieder ihre regulären Bruttobezüge von monatlich annähernd EUR 7.000 zu. Damit erzielte sie all ihre Einkünfte von diesem Arbeitgeber in den letzten drei Monaten, in denen ihr keine steuerfreien Bezüge mehr zuflossen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Die Bf. bezog von Jänner bis September 2021 (273 von 365 Tagen) Bezüge für eine Bildungskarenz. Diese betrugen in Summe EUR 15.864,03.

In dieser Zeit bezog sie parallel dazu andere steuerpflichtige Einnahmen. Ab Oktober 2021 war sie wieder regulär berufstätig (92 von 365 Tagen).

Das FAÖ rechnete im Einkommensteuerbescheid 2021 die regulären Bezüge für die letzten drei Monate auf einen Ganzjahresbetrag um (Faktor 92/365), rechnete dem die nicht nur geringen Parallelbezüge der ersten neun Monate hinzu und ermittelte daraus durch Abzug von Sonderausgaben ein Gesamtjahreseinkommen. Daraus errechnete das FAÖ die fiktive Einkommensteuer und daraus einen Durchschnittssteuersatz, den es im Anschluss daran an die steuerpflichtigen Einkünfte anwendete.

2. Rechtliche Beurteilung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO)

2.1. Besonderer Progressionsvorbehalt

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe und an deren Stelle tretenden Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

Erhält der Steuerpflichtige solche steuerfreien Bezüge nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde (§ 3 Abs. 2 EStG 1988).

§ 3 Abs. 2 EStG 1988 hat den Zweck, eine über die Steuerfreistellung des Bildungsgeldes hinausgehende Progressionsmilderung bei jenen Arbeitseinkünften zu vermeiden, die der Empfänger eines Arbeitslosengeldes allenfalls in Zeiträumen eines solchen Jahres erzielt, in denen er kein Arbeitslosengeld erhält. Solche Arbeitseinkünfte sollen nicht deswegen geringer besteuert werden, weil der Steuerpflichtige während eines Teiles des Jahres statt der Arbeitseinkünfte steuerfreies Arbeitslosengeld bezogen hat (vgl. ). Da nämlich bei Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung eine gleichmäßige Verteilung der Einkünfte auf sämtliche Monate des Kalenderjahres vorgesehen und der so ermittelte "Monatslohn" für die Steuerermittlung maßgebend ist, wird dieser fiktive Monatslohn entsprechend geringer, wenn in die Verteilung Zeiträume einbezogen werden, in denen keine Arbeitseinkünfte bezogen wurden. Solche Zeiträume sollen durch die Hochrechnung neutralisiert werden ().

Ziel dieser Regelung ist die Vermeidung einer unverhältnismäßigen Absenkung der Steuerprogression durch die Miteinbeziehung der steuerfreien Bezüge in das Jahreseinkommen. Mit dem Hochrechnungsverfahren soll vermieden werden, dass das verfügbare Nettoeinkommen eines teilweise Arbeitslosen höher ist als das eines ganzjährig Beschäftigten (vgl. ).

Steuerfrei sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen. Dazu zählt neben dem Krankengeld während der Arbeitslosigkeit aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Normierung auch - wie hier - das Weiterbildungsgeld bei Bildungskarenz und bei Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts (§ 26 Abs. 8 AlVG; vgl. auch Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG18, § 3 Rz 23 sowie ). Da es sich beim Weiterbildungsgeld damit um eine steuerfreie Geldleistung des Arbeitsmarktservice handelt und derartige Ersatzleistungen zur Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 führen, kann dem FAÖ bei der in seiner Berufungsvorentscheidung vorgenommenen Hochrechnung nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Hier bezog die Bf. parallel zu den steuerfreien Einkünften auch steuerpflichtige Einkünfte von der ***AG 2*** (Summe aus der Kennzahl 245 vom 8. Jänner bis 5. März und 17. Mai bis EUR 2.365,15), der ***AG 3*** (Kennzahl 245 von 1. bis EUR 505,28) und vom ***AG 4*** (Kennzahl 245 vom 15. bis EUR 1.090,86) von in Summe etwa EUR 3.961,52. Diese Teilbeträge waren zwar bei ihrer Auszahlung jeweils isoliert gesehen so gering, dass dafür keine laufende, monatliche Lohnsteuer anfiel, in der Gesamtbetrachtung sind diese Bezüge aber in Höhe des in der Beschwerdevorentscheidung errechneten Durchschnittssteuersatzes von 27,56% der Einkommensteuer zu unterziehen. Im Kern resultiert die festgesetzte Einkommensteuer deshalb nicht aus einer erhöhten Besteuerung der ***AG 1***-Bezüge, sondern aus der Nacherfassung der in Summe nicht nur geringen Zahlungen der anderen Arbeitgeber.

Der Vollständigkeit halber sei hier auch erwähnt, dass eine Kontrollrechnung, bei der auf eine Hochrechnung der Einkünfte aus Oktober bis Dezember 2021 verzichtet wird, dafür aber die steuerfreien AMS-Leistungen in die Besteuerung mit eingezogen werden, eine Einkommensteuernachforderung von EUR 2.502,00 ergibt, was die vom FAÖ festgesetzte Einkommensteuer von EUR 1.034,00 erheblich übersteigen würde. Auch dieser Vergleich untermauert die Richtigkeit der Vorgangsweise des FAÖ.

Ist eine Entscheidung des FAÖ zu bestätigen, die in einer Beschwerdevorentscheidung getroffen wurde, so ist der Beschwerde insofern zu entsprechen und auszusprechen, dass der bekämpfte Erstbescheid im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abgeändert wird. Dies ist hier der Fall, weshalb der bekämpfte Bescheid vom in der Form abgeändert wird, wie es bereits vom FAÖ in der Beschwerdevorentscheidung vom erfolgte.

2.2. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt im Allgemeinen dann nicht vor, wenn sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung auf einen eindeutigen Gesetzeswortlaut zu stützen vermag ( mit weiteren Nachweisen) bzw. die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt, nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100117.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at