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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2024, RV/5100553/2024

Wiederaufnahme Neuerungstatbestand

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme § 303 BAO / ESt 2020 und Wiederaufnahme § 303 / ESt 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Bescheide betreffend Arbeitnehmerveranlagung 2020 und 2021 ergingen am bzw. am .

Mit Eingabe vom wurde hinsichtlich Arbeitnehmerveranlagung 2020 eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt und ausgeführt: "Der Bescheid erweist sich als nicht richtig, da das auswärtige Studium der Tochter VN ***1*** ***2*** nicht berücksichtigt wurde. Studium in ***3*** Studium1 Oktober 2020 bis Juli 2021 - dann ersetzt durch Studium in ***4*** Studium2 seit Oktober 2021 bis dato. Im Anhang die Bestätigung des Studienerfolges, auch für den Zeitraum 2020 der Uni ***3***. Es wird beantragt die ag Belastungen für das auswärtige Studium den monatlichen Pauschalbetrag von 110,-- für 3 Monate zu berücksichtigten. Die Kostentragung erfolgte vollständig von mir. Es wurde aufgrund dieses Sachverhalt auch eine Aufhebung des Bescheides 2021 nach § 299 Abs. 1 BAO beantragt."

Mit Eingabe vom wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Arbeitnehmerveranlagung 2021 beantragt und ausgeführt: "Der Bescheid erweist sich als nicht richtig, da das auswärtige Studium der Tochter VN ***1*** ***2*** nicht berücksichtigt wurde. Studium in ***3*** Studium1 Oktober 2020 bis Juli 2021 - dann ersetzt durch Studium in ***4*** Studium2 seit Oktober 2021 bis dato. Im Anhang die Bestätigung des Studienerfolges, auch für den Zeitraum 2020 der Uni ***3***. Es wird beantragt die ag Belastungen für das auswärtige Studium den monatlichen Pauschalbetrag von 110,-- für 12 Monate zu berücksichtigten. Die Kostentragung erfolgte vollständig von mir."

Mit Bescheiden vom bzw. vom wurden die Anträge auf Wiederaufnahme abgewiesen.

Begründend wurde jeweils darauf hingewiesen, dass es sich um keinen Neuerungstatbestand handle.

Mit Beschwerden jeweils vom wurde gegen die Abweisungsbescheide Beschwerde erhoben und ausgeführt: "Ich lege gegen diesen Bescheid fristgerecht eine Beschwerde ein. Begründung: Es handelt sich hier zwar um keinen Neuerungstatbestand, jedoch wurde mir damals auf meine telefonische Anfrage beim Finanzamt keine richtige Auskunft erteilt. In meiner Anfrage erläuterte ich der Mitarbeiterin des Finanzamts, dass meine Tochter in seit Oktober 2020 in ***3*** studiert und sie dort in einer Wohnung untergebracht ist. Diese Mitarbeiterin sagte mir, in diesem Fall kann ich keine Sonderausgaben bzw. Pauschalen geltend machen. Nun erfuhr ich erst heuer von einer Steuerberatung, dass hier sehr wohl ein Pauschalbetrag für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes geltend gemacht werden kann. Daraufhin beantragte ich eine Wiederaufnahme gern. § 303 BAO. Nun wurde dieser abgewiesen. Ich bitte Sie, unter Berücksichtigung der Falschinformation seitens der Mitarbeiterin des Finanzamts, um Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens"

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden abgewiesen und jeweils ausgeführt: "Gemäß §303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein, durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Neuhervorgekommene Tatsachen und Beweise sind jene, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bekannt waren.

Da das Wissen über verwirklichte Sachverhalte beim Abgabepflichtigen in der Regel anzunehmen ist, folgt daraus, dass Wiederaufnahmsanträge aus Rechtsgründen abzuweisen sind, weil die tatbestandsmäßige Voraussetzung der fehlenden Kenntnis von den Wiederaufnahmsgründen beim Antragsteller - außer bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - nicht gegeben ist.

Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern es soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Umstände, die der Partei im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt waren, jedoch bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund. Ihre Beschwerde war daher abzuweisen."

Mit Vorlageanträgen vom wurde jeweils ausgeführt: "Ich bin mit der Beschwerdevorentscheidung nicht einverstanden und stelle hiermit den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht."

Die Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Arbeitnehmerveranlagungsbescheide 2020 und 2021 vom und vom wurden rechtskräftig.

In den Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom und vom wurde vorgebracht, die Tochter des Bf. habe ab Oktober 2020 zunächst in ***3***, dann in ***4*** studiert. Diesbezüglich sei aufgrund einer falschen telefonischen Rechtsauskunft der Pauschalbetrag für auswärtige Berufsausbildung nicht geltend gemacht worden.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig. Strittig ist, ob eine Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 303 Abs. 1 lit. b BAO lautet Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

§ 303 Abs. 2 BAO lautet: Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

Streit zwischen den Parteien des gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht darüber, ob die Abweisung der Wiederaufnahmeanträge des Bf. hinsichtlich Arbeitnehmerveranlagung 2020 und 2021 zu Recht erfolgt ist.

Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichts folgendes festzuhalten:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; ; ) hat ein Antrag auf Wiederaufnahme - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm § 303 Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers (hier: des Bf.) zu beurteilen ist.

Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag einer Partei ist daher, dass es sich um Tatsachen handelt, die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bereits existent waren, dem Antragsteller aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt wurden.

Im gegenständlichen Fall sind dem Bf. die Ausbildungskosten für auswärtige Berufsausbildung für seine Tochter bereits lange vor Einreichung der gegenständlichen Wiederaufnahmeanträge bekannt gewesen und somit nicht neu hervorgekommen. Damit liegt aber die tatbestandsmäßige Voraussetzung des § 303 Abs. 1 lit. b BAO - das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln - für die seitens des Bf. beantragten Wiederaufnahmen der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2020 und 2021 nicht vor, weshalb das Finanzamt die Anträge zu Recht abgewiesen hat.

Unwesentlich ist somit, dass dem Bf. die korrekte Rechtsansicht zur Absetzbarkeit eines Pauschbetrages betreffend auswärtige Berufsausbildung nicht bekannt war.

An diesem Ergebnis vermag auch die Argumentation des Bf. in den Beschwerden, telefonisch falsche fachliche Auskünfte einer Mitarbeiterin des Finanzamtes erhalten zu haben, nichts zu ändern. Insofern sich der Bf. dabei nämlich auf den Grundsatz von Treu und Glauben bezieht, ist ihm zu entgegnen, dass letzterer einen Vollzugsspielraum voraussetzt (Ritz, BAO 6, § 114 Tz 8), der aber im hier zu beurteilenden Fall nicht gegeben ist (da bereits die tatbestandsmäßige Voraussetzung des § 303 Abs. 1 lit. b BAO für die beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorliegt, siehe oben)

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall ergibt sich die Rechtsfolge der Abweisung der Beschwerde aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; ; ; siehe oben), weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100553.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at