Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.08.2024, RV/2100374/2023

Für den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. sind die stärkeren persönlichen Verhältnisse ausschlaggebend, für den ständigen Aufenthalt der Kinder die überwiegende körperliche Anwesenheit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für ***1***, geb. xx.xx.2018, für den Zeitraum von Februar 2019 bis Mai 2022 und für ***2***, geb. yy.yy.2020, für den Zeitraum von Juni 2021 bis Mai 2022, SV-Nr. 123, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) hat für ihre beiden im Spruch genannten Kinder Familienbeihilfe bezogen, für ihren Sohn ***1***, geb. xx.xx.2018 in den ***3***, von November 2018 bis Mai 2022 und für ihre Tochter ***2***, geb. yy.yy.2020 in den ***3***, von Juni 2021 bis Mai 2022.

Zur Vorgeschichte wurde vom Finanzamt im Vorlagebericht vom ausgeführt:
"Am stellte die BF einen Neuantrag für die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ***1*** (ohne Zeitraumangabe). Nach der Vorbehaltsbeantwortung vom bezüglich des Ergänzungsersuchens vom wurde der BF die Familienbeihilfe für 11/2018 bis 11/2019 zuerkannt. Am stellte die BF wieder einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ***1*** ab 12/2019. Als Wohnsitz in Österreich und als Familienwohnsitz wurde nur der inländische Wohnsitz in Adr.3 angegeben, jedoch nicht der Familienwohnsitz in den ***3***. Es erfolgte die Zuerkennung der FBH vom 12/2019 bis 02/2021 und wurde am automatisiert vom 03/2021 bis 06/2021 verlängert. Am erging ein Anspruchsüberprüfungsschreiben (AÜS) an die BF. Dieses wurde jedoch von ihr nicht beantwortet. Am erging ein weiteres AÜS an die BF. Dieses wurde ebenfalls nicht beantwortet. Am erhielt die BF eine Erinnerung bezüglich des Überprüfungsschreibens, welches ebenfalls unbeantwortet blieb. Am stellte die BF einen erneuten Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe (FBH) für ***1*** und einen Neuantrag für ihre Tochter ***2***, geb. yy/2020, ohne Antragszeitraum. Sie hat bei beiden Anträgen nur die inländische Adresse als Wohnsitz angegeben, das Feld mit der Angabe des Familienwohnsitzes wurde nicht ausgefüllt. Damit wurde seitens der BF der Anschein erweckt, es handle sich um einen Inlandssachverhalt. Die FBH wurde für ***1*** ab 07/2021 weitergewährt und MKP-Untersuchungen abverlangt. Die FBH wurde daraufhin von 07/2021 bis 08/2022 zuerkannt. Die FBH wurde für ***2*** von 06/2021 (Datum des Einlangens des Antrages beim Finanzamt) bis 08/2022 zuerkannt, wie sich aus der Mitteilung vom entnehmen lässt."

Auf Grund eines weiteren Anspruchsüberprüfungsschreibens vom betr. den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin und dem ständigen Aufenthalt ihrer Kinder teilte sie im Schreiben vom Folgendes mit:
"Mein Mann, ***4***, arbeitet seit 2018 in den ***3***. Mit zwei Kindern, die seither unsere Familie bereichert haben, habe ich versucht viel Zeit bei ihm zu verbringen. Da beide Kinder noch nicht schulpflichtig sind schätze ich die Zeit, welche diese mit ihrem Vater verbringen können. Das sehe ich auch weiterhin als wichtig an und habe deshalb von einem frühen Beginn des Kindergartens, welchen ich eigentlich für dieses Schuljahr vorgesehen hatte, abgesehen.
Im Sommer 2023 werden wir dann wieder nach Österreich zurückkommen, damit ***1*** sein letztes Kindergartenjahr beginnen kann.
Ich arbeite nach wie vor administrativ für das Ferienhaus in der
***5***, vermiete meine Eigentumswohnung zur Deckung des dafür laufenden Kredites, da unter den aktuellen Umständen nur eine Mietwohnung finanzierbar ist. Ich lasse meine Kinder regelmäßig vom Kinderarzt in Österreich und den ***3*** untersuchen (was letztes Jahr durch Corona etwas erschwert war, da wir nicht in ***6***, sondern nur in der ***5*** waren), die Anmeldung für den Kindergarten ist bereits vorgenommen.
Meine ganze Familie, meine Freunde, mein Lebensmittelpunkt ist nach wie vor in Österreich und wird er bald wieder ausschließlich sein
."
Beigelegt war die Zahlungsbestätigung der Frau ***7*** MSc DO BSc BEd vom über 120 € für die Physiotherapie von ***1***, Bestätigungen des Dr. ***8***, Facharzt für Kinderheilkunde, vom im Mutter-Kind-Pass von ***1*** und von ***2***, Lohn-/Gehaltsabrechnungen für die Beschwerdeführerin als geringfügig beschäftigte Bürohilfe bei ***9*** (seit September 2017) in den Monaten Mai bis August 2022 über 250 € je Monat und von der Bf. ausgefüllte und unterfertigte Meldezettel für sich und ihre Kinder ohne Datum für eine Hauptwohnsitzanmeldung in Adr.2.

Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die Kinder ***1***, geb. xx.xx.2018, für den Zeitraum Februar 2019 bis Mai 2022, und ***2***, geb. yy.yy.2020, für den Zeitraum Juni 2021 bis Mai 2022 rückgefordert. In der Begründung führte das Finanzamt aus:
"Gemäß § 2 Abs. 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland haben.
Sie haben Ihren Wohnsitz an der Adresse
***Bf1-Adr1*** am abgemeldet. Vom - waren Sie mit Hauptwohnsitz an der Adresse Adr.2 (Unterkunftgeber: ***10***, Vater) gemeldet. Vom - waren Sie mit Hauptwohnsitz an der Adresse Adr.3 (Unterkunftgeber: ***11***, Schwester) gemeldet. Seit sind Sie wieder mit Hauptwohnsitz an der Adresse Adr.2 (Unterkunftgeber: ***12***, Mutter) gemeldet.
Bei ständigen Aufenthalt von Ihnen und den Kindern in den
***3*** kann nicht erkannt werden, dass ab Februar 2019 der Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen im Inland gelegen ist. Aus einer Wohnsitzmeldung (bei Familienangehörigen) im Inland und einem möglicherweise vorübergehenden Inlandsaufenthalt zu Besuchszwecken, lässt sich kein Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet ableiten.
Zu
***1***:
Ihr Kind hält sich nicht ständig in Österreich auf, die Familienbeihilfe steht daher nicht zu (§ 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Zu
***2***:
Ihr Kind hält sich nicht ständig in Österreich auf, die Familienbeihilfe steht daher nicht zu (§ 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967)
."

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin wie folgt aus:
"Mein Lebensmittelpunkt ist in Österreich.
Bereits bei meinem Antrag im Jahr 2018 habe ich offen kommuniziert und stets meine Lebenssituation offengelegt. Die Tatsache, dass mein Mann momentan in den
***3*** arbeitet und meine Kinder und ich einen Teil des Jahres bei ihm als Familie verbringen ist daher von Anfang an bekannt.
Es war auch bekannt, dass dies der Fall sein wird, bis mein Sohn zum Pflichtkindergartenjahr, bzw. zur Schule gehen würde.
Die monatelangen Aufenthalte in Österreich als "Besuch" zu titulieren ist dahingehend ungerechtfertigt, als dass ich hier meinen gewohnten Routinen nachgehe und bei meiner Familie lebe. Ich habe Verpflichtungen in Österreich.
In den
***3*** hingegen habe ich nicht einen Tag gearbeitet, habe ich keine Bezüge für die Kinder erhalten und habe keine Verbindlichkeiten. Wenn ist es ein "Besuch" bei meinem Mann, dem Vater meiner Kinder.
2020 sind wir im Februar in die
***3*** geflogen und war mir nach März das Reisen wegen Covid und dann auch wegen einer Frühgeburt im September 2020 (Notkaiserschnitt (SSW 34.1)) lange nicht möglich.
Die Wohnortwechsel kann ich folgendermaßen erklären:
Meine Wohnung, in
***6***, die ich allein besitze, habe ich zwischen 2018 und 2022 vermietet. Aus diesem Grund habe ich mich 2019 im Familienhaus in der ***5*** gemeldet, da ich dort schon immer einen Nebenwohnsitz hatte.
Leider musste ich einen neuen Kredit für die Wohnung in
***6*** nehmen, daher habe ich mich mit meiner Schwester zusammengetan um diesen Kredit zu stemmen und deshalb kurz darauf dort meinen Hauptwohnsitz gehabt.
Ich habe für meine Kinder den Wunsch gehabt und habe diesen nach wie vor, diese am
Adr.2, in der Nähe ihrer Großeltern (79J/81J) in den Kindergarten zu schicken. ***6*** scheint mir aus verschiedenen Gründen momentan nicht passend.
Mit habe ich mich nun wieder in das Familienhaus in der
***5*** umquartiert, da nur bei rechtzeitiger Meldung im Bezirk ein Kindergartenplatz für meinen Sohn gesichert werden kann.
Dem Schreiben ist beigefügt die Anmeldungsbestätigung für ***1*** für den Kindergarten nächstes Jahr.
Wenn Sie ab September 2022 von einer Unterstützung durch die Familienbeihilfe absehen, werde ich dies zur Kenntnis nehmen.
Eine Fortsetzung der Genehmigung zu stoppen ist allerdings etwas anderes als genehmigte Förderungen zurückzufordern.
Zum Abschluss möchte ich daher noch einmal zusammenfassen, dass ich von Anfang an transparent gehandelt habe und durch meine Schreiben, die dem Finanzamt vorliegen, immer meine aktuelle Situation bekanntgegeben habe.
Man hat mir die Familienbeihilfe jährlich genehmigt mit den dazu vorgelegten Informationen. Eine Rückforderung ist daher nicht nachvollziehbar
."
Beigelegt wurde eine undatierte, nicht unterfertigte Bestätigung des Kindergartens Adr.2 für die Anmeldung von ***1*** für das Kindergartenjahr 2023/2024.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Sachverhalt
Sie haben am
xx.xx.2018 Ihr erstes Kind in den ***3*** geboren und sind mit diesem gemeinsam erst im November 2018 nach Österreich eingereist.
Sie und Ihr Sohn ***1*** waren gemeinsam vom - an der Adresse
***Bf1-Adr1*** gemeldet.
Bei dieser Wohnung handelt es sich um Wohnungseigentum, welches bereits ab 2018 vermietet wurde.
In weiterer Folge waren Sie gemeinsam mit dem Kind ***1*** an folgenden Adressen mit Hauptwohnsitz gemeldet:
- lfd.
Adr.2 bei: Mutter ***12***
-
Adr.3 bei: Schwester ***11***
-
Adr.2 bei: Vater ***10***
Das Kind
***2*** war an folgenden Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet:
- lfd.
Adr.2
-
Adr.3
Der Ehegatte ist an folgenden Adressen mit Nebenwohnsitz gemeldet:
seit - lfd.
Adr.2
Sie und Ihr Gatte sind seit als geringfügig Beschäftigte bei dem Dienstgeber
***9*** gemeldet. Dafür erhalten Sie einen monatlichen Lohn in Höhe von 250.- Euro (Lohnzettel Mai - August 2022).
Sie geben an im Rahmen des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses administrative Tätigkeiten für die (im Familienbesitz stehenden)
***9*** auszuführen. Dass diese Tätigkeit einen fortlaufenden Aufenthalt im Inland erfordert wird nicht angegeben und kann auch ausgeschlossen werden.
Der Gatte/Kindesvater übt seit mehr als fünf Jahren eine Beschäftigung in den
***3*** aus. Die Familie verfügt in den ***3*** über eine adäquate Familienwohnung.
Im September 2020 wurde auch das zweite Kind (
***2***) in den ***3*** geboren. Erstmalig hat sich das Kind ***2*** im Mai 2021 in Österreich aufgehalten.
Zu dem in Inland liegenden Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen legen Sie folgende Unterlagen vor:
- Mutter-Kind-Pass Untersuchung des Kindes ***1*** im Februar 2020 und Mai 2021
- Physiotherapiebehandlung ***1*** am in
***6***
- Mutter-Kind-Pass Untersuchungen der Kinder ***1*** und
***2*** im August 2022
- Kindergartenanmeldung von ***1*** für das Kindergartenjahr 2023/24
Der Lebensunterhalt der Familie wird überwiegend mit dem, in den
***3*** erzielten Einkommen des Gatten/Kindesvaters bestritten. Den Kindern sollte ein gemeinsames Aufwachsen im Familienverband ermöglicht werden. Da sich der Kindesvater berufsbedingt ständig in den ***3*** aufhält, ist dies nur dort möglich. Aus diesem Grund haben sich die Eltern auch dazu entschieden, ***1*** nicht für das Kinderjahr 2022/23 zum Kindergartenbesuch in Österreich anzumelden.
Rechtsgrundlage
Nach § 2 Abs 1 lit a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder. Dies jedoch nur dann, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten (§ 5 Abs 3 FLAG 1967).
Gemäß § 26 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) ist zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe rückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) auch für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag.
Rechtliche Beurteilung
Bei Aufgabe des Familienwohnsitzes an der Adresse
***Bf1-Adr1*** mit durch Vermietung des Wohnobjektes und weiteren Wohnsitzmeldungen bei verschiedenen Familienangehörigen, kann nicht erkannt werden, dass der Mittelpunkt der Beschwerdeführerin ab Februar 2019 im Bundesgebiet gelegen ist. Das eheliche Leben gemeinsam mit den Kindern erfolgte zumindest ab Februar 2019 in den ***3***.
Dass es sich bei den Aufenthalten in den
***3*** nur um vorübergehende Inlandsabwesenheiten (Urlaube) gehandelt hat, kann nicht erkannt werden, zumal durch die Aufgabe der inländischen Familienwohnung im Jänner 2019 und deren anschließenden Vermietung die Beibehaltung einer (eigenen) selbständigen Familienwohnung im Inland nicht mehr als notwendig erachtet wurde.
Die Frage an welchem Ort der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person liegt, ist anhand von Feststellung zu den engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu beantworten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben.
Bei gemeinsamer ehelicher Haushaltsführung ist somit der gemeinsame Familienwohnsitz von ausschlaggebender Bedeutung. Der gemeinsame Familienwohnsitz von Ihnen, Ihrem Gatten und den Kindern liegt in den
***3***.
Aufgrund folgender Umstände ist von einer Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ab Februar 2019 auszugehen:
- Aufgabe der vormaligen Ehewohnung im Jänner 2019 mit anschließender Vermietung
- Bei aufrechter Ehe verfügt der Gatte/Kindesvater ab Februar 2019 nur mehr über eine Nebenwohnsitzmeldung im Inland
- der Familie stand eine familiengerechte Wohnung zur Benützung in den
***3*** zur Verfügung
- die langjährige Dauer des Beschäftigungsverhältnisses des Kindesvaters im Ausland bedingt eine Verfestigung der Lebenssituation der Familie in den
***3***
- im Inland erwirtschaftet kein Elternteil der Kinder ein, den Familienunterhalt gewährleistendes Erwerbseinkommen
- durch die Geburt der Kinder in den
***3*** erlangten diese auch die ***3***-Staatsbürgerschaft, wodurch eine problemlose (visafreie) Ein- und Ausreise möglich ist
Dass angegeben wird, dass Sie mit den Kindern zum geplanten Kindergartenbesuch von ***1*** ab dem Kindergartenjahr 2023/24 wieder nach Österreich zurückkehren, spielt für die rechtliche Würdigung im gegenständlichen Fall für den relevanten Zeitraum ebenso keine Rolle, wie der Umstand, dass zwischenzeitlich immer wieder Aufenthalte in Österreich gegeben waren. Solche Aufenthalte in Österreich haben, neben dem Besuch der Eltern oder anderer Verwandten, auch dazu gedient in Österreich Behördenwege zu erledigen (Wohnsitzummeldungen) sowie Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen durchführen zu lassen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den objektiven Umständen, dass seit Februar 2019 eine deutlich engere familiäre (Ehegatte) und wirtschaftliche Beziehungen zur
***3*** (Erzielung des Familieneinkommens) vorliegt. Diese engere Beziehung zum Aufenthaltsland ***3*** wird durch die familiären Beziehungen zu entfernteren Angehörigen (Eltern und Geschwister) im Inland nicht aufgewogen. Eine enge wirtschaftliche Inlandsbindung lässt sich aus den, im Rahmen von Vermietung erzielten Einnahmen bzw. aus den Einkünften aus der geringfügigen Beschäftigung im Familienbetrieb nicht ableiten.
Sie weisen in Ihrer Beschwerde auf Ihr Interesse an einem gemeinsamen Familienleben hin in dem die Kinder nicht getrennt von ihrem Vater aufwachsen sollten.
Dass Sie einen, im Inland liegenden Mittelpunkt der Lebensinteressen ausschließlich durch drei Arztbesuche für Mutter-Kind-Pass Untersuchungen und eine physiotherapeutische Behandlung des Kindes im Juni 2022 nachweisen können entspricht nicht der Lebensrealität. Üblicherweise können Personen mit einem, im Inland liegenden Mittelpunkt der Lebensinteressen durch Vorlage diverser Bestätigungen (z.B. Mietvertrag, Entrichtung der Energie-Vorschreibungen, Gemeindegebühr Müll, Rechnungen von Umzugsunternehmen für die Erbringung von Transportleistungen [Möbel, Hausrat] bei Wohnsitzanmeldungen an verschiedenen inländischen Adressen, kinderärztliche Behandlung im Krankheitsfall, ....) ihren ständigen Inlandsaufenthalt klar belegen.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes lässt sich eine Verlegung des Mittelpunktes Ihrer Lebensinteressen ab Februar 2019 an den Tätigkeitsort Ihres Gatten erkennen und ist von einem ständigen Auslandsaufenthalt der Kinder auszugehen.
Bei Nichterfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit a FLAG 1967 (Mittelpunkt der Lebensinteressen) bzw. Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 (Auslandsaufenthalt der Kinder) war die Beschwerde abzuweisen
."

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) mit der ergänzenden Begründung:
"Ich möchte bei diesem Vorlageantrag nicht nur eine Stellungnahme abgeben, sondern insbesondere eine Beschreibung der familiären, persönlichen Situation unter Berücksichtigung der globalen Geschehnisse darbringen.
Ich hoffe die folgenden Schilderungen führen zu einer Entscheidung, welche meine Familie, meine Kinder und mich, vor schwerwiegenden Folgen des Rückforderungsantrages verschont.
Zuerst möchte ich eine Rückmeldung zur Beschwerdevorentscheidung machen:
Im gesamten Text wurden die Argumente der Rückforderung wiederholt, allerdings meiner Meinung nach nicht auf mein Schreiben vollends eingegangen. Das ist möglicherweise der Tatsache zu schulden, dass in einem kurzen Schreiben oft Sachverhalte nicht in dem Ausmaß ausgeführt werden, dass es einer außenstehenden Person vollends verständlich/ersichtlich ist. Daher möchte ich hier Vieles im Detail ausführen und hoffe damit mehr Verständnis zu erwecken und eine menschliche Entscheidung zu erwirken, welche nicht nur dem Buchstaben des Gesetzes folgt, sondern auch die realistischen Möglichkeiten "meiner" Welt berücksichtigt.
Es war und ist Österreich meine Heimat, mein Zuhause und immer mein Lebensmittelpunkt.
Ich habe nie meine persönlichen Verträge, welche an Österreich gebunden sind, zu irgendeinem Zeitpunkt aufgegeben. Nach wie vor zahle ich monatlich für eine private Gesundheitsvorsorge (Merkur, für die Kinder und mich), Pensionsversicherung, Rechtsschutzversicherung, Handy Vertrag, Kredit.
In meinem ersten Antrag und Begleitschreiben habe ich meine damalige Lebenssituation bereits beschrieben und bin grundsätzlich davon ausgegangen, dass die darauffolgende Auszahlung der Familienbeihilfe unter Berücksichtigung des erwähnten Schreibens erfolgte.
Hier eine Ausführung bis in die Gegenwart.
Im Jahr 2017, ca. drei Monate schwanger, sind mein Mann und ich auf eine lang geplante Reise gegangen, welche uns über
***13*** (4 Wochen) in die ***3*** geführt hat. Nach einer Blutung und folgender Diagnose einer Plazenta praevia in ***13*** wurde ich in ***3*** sofort engmaschig betreut. Bei einem erneuten Organscreening wurde festgestellt, dass sich die Plazenta verschoben hatte, ein Stück der Nabelschnur fehlte und sich die freiliegenden Blutgefäße an die Gebärmutterhalsöffnung gelegt hatten. Eine Vasa praevia. Reisen jeder Art wurden mir sofort untersagt und eine Aufnahme in das Spital mit der 30. Schwangerschaftswoche verordnet. Die letzten 5 Wochen der Schwangerschaft verbrachte ich innerhalb der Station, bevor in der 35. SSW ein Kaiserschnitt durchgeführt wurde.
Das Kind kam in die Frühchen Station.
Zum Glück konnten meine Eltern, welche mir äußerst nahe sind, sich die Zeit nehmen und mich in dieser Zeit vor Ort unterstützen.
Im Herbst desselben Jahres bin ich aus dem Staat
***3***, wo mein Mann arbeitet, mit meinem Sohn ***1*** nach Österreich geflogen.
Leider hatte ich nach Ankunft einen epileptischen Anfall, was die Rückreise unglücklich enden ließ.
Ich habe den Hauptwohnsitz zu dieser Zeit für meinen Sohn und mich bei meiner Mutter! In der
***5*** gehabt, wo wir auch jetzt wieder gemeldet sind. (Adr.2)
Auf Grund der Verlagerung des Hauptwohnsitzes meines Mannes in die
***3***, musste ich den Kredit für meine Wohnung in ***6*** refinanzieren. Das war mir nur mit Hilfe meiner Schwester möglich, da ich allein nicht über die entsprechenden Mittel verfüge und aus diesem Grund verlegte ich den Hauptwohnsitz zu ihr.
Im April 2019 flog ich wieder zu meinem Mann. Im Herbst darauf wieder nach Österreich.
Leider war dieses Mal die Rückreise bereits in London unterbrochen, wo ich vier Anfälle bei der Landung und Ankunft am Flughafen hatte. Ich musste mit meinem eineinhalb Jahre alten Sohn ins Spital, bevor ich glücklicherweise am nächsten Tag nach
***6*** weiterfliegen konnte und durfte.
Alleine mit meinem Kind zu fliegen war keine Option mehr. Mein Mann kam daher zum zweiten Geburtstag von ***1*** nach
***6*** damit ich mit ihm zurückfliegen konnte.
Wie sich kurz darauf herausstellte, war ich Ende Februar 2020, schwanger in die
***3*** gereist.
Anfang März wurden die Auswirkungen der Corona-Krise bekannt. Der Flugverkehr wurde weitgehend eingestellt,
Nach einer eher schmerzhaften Schwangerschaft, welche auf Grund der Coronabestimmungen auch noch kompliziert wurde, kam das Kind,
***2***, statt Ende Oktober Mitte September, in der 34. Schwangerschaftswoche auf die Welt.
Nach vier Tagen unerträglicher Schmerzen wurde wegen einer spontanen Uterusruptur ein Notkaiserschnitt vorgenommen. Glück, dass meine Tochter und ich dieses Ereignis gesund überstanden.
Es war weder für meinen Sohn ***1*** noch für meine Tochter
***2*** geplant in den ***3*** geboren zu werden. Es ist passiert. Ein Vorteil? Ein Nachteil? In meiner jetzigen Situation scheint es nur von Nachteil zu sein... ich hoffe das bleibt nicht immer so.
Mein Herz ist auf jeden Fall zerrissen. Unverstanden, nicht gesehen, fühle ich mich, sehe ich mich in einer Situation, in der ich weder vor noch zurück kann. Die Belastung ist sehr groß, die Auswirkungen dieser Entscheidung weitreichender als die Steuerschuld, die Rückforderung für das Kindergeld die sich dazu drängt, es ist überwältigend.
Nach der Frühchen-Station sind wir auf Grund der globalen Situation vorerst in
***3*** geblieben.
Sobald das Reisen etwas leichter war, sind wir, bereits im April 2021, wieder nach Österreich zurückgekommen.
Mein Mann musste bald wieder zurück zur Arbeit, ich bin mit den Kindern noch länger in Österreich geblieben.
Mit einer Sondergenehmigung, welche bei den Behörden der
***3*** für meine Schwester eingereicht werden musste, konnte ich in Ihrer Urlaubszeit, im Frühsommer, mit ihr als Begleitperson, wieder in die ***3*** reisen.
Auf Grund der Flugproblematik sind wir im gleichen Jahr mit meinem Mann erst im Dezember wieder nach Österreich zurückgekommen.
2022 konnte ich dank meiner Schwester Ende Juni wieder nach Österreich fliegen... zu einer Zeit, in der bereits keine Familienbeihilfe mehr ausgezahlt wurde.
Mein Mann stellt einen adäquaten Wohnraum für die Familie in den
***3*** zur Verfügung und zahlt, wie bei jeder anderen aufrechten Ehe üblich, für den Lebensunterhalt. Das ist, so meine ich, unabhängig davon, wo das Einkommen erzielt wird, ob in der Schweiz, in Deutschland, Belgien, Österreich oder eben den ***3***.
Da ich außer meiner geringfügigen Beschäftigung keine ausreichende Einnahmequelle habe, ist gerade der genannte Umstand der Grund, warum es mir/uns nicht möglich ist in Österreich eine eigene/zweite Wohnung, oder ein eigenes Haus für die Familie zu finanzieren.
Umso mehr freue ich mich, dass meine Eltern mir den Raum schenken, dass ich bei Ihnen meine Kinder aufziehen darf und diese ab September den Kindergarten am
Adr.2 besuchen dürfen.
Ich bitte Sie auf Grund der detaillierten Beschreibung meiner Situation um erneute Prüfung des Falles.
Bis zur abschließenden Erledigung bitte ich erneut um Aussetzung der Rückzahlung.
Im Glauben, dass nicht nur die Tage der physischen Anwesenheit in Österreich zählen, sondern vor allem Absicht und Mensch, hoffe ich auf einen für meine Familie positiven Abschluss
."

Durch weitere Ermittlungen hat das Bundesfinanzgericht festgestellt, dass lt. Familienbeihilfen-Datenbank seit Juni 2022 keine Familienbeihilfe von der Beschwerdeführerin bezogen wurde. Deshalb geht das Bundesfinanzgericht (BFG) davon aus, dass die Kinder auch das Kindergartenjahr 2023/2024 nicht in Österreich besuchten.
Der Sohn der Beschwerdeführerin wurde im Februar 2024 sechs Jahre alt.
Lt. aktueller Abfrage im Zentralen Melderegister ist die Bf. seit wieder mit Hauptwohnsitz in ***Bf1-Adr1*** gemeldet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Nach § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 26 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Abs. 2: Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. […]

Der gewöhnliche Aufenthalt verlangt grundsätzlich die körperliche Anwesenheit des Betreffenden. Man kann nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben (vgl. ; ; ; ).

Eine Person hat den Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (§ 2 Abs. 8 letzter Satz).
Im Erkenntnis vom , hat der Verwaltungsgerichtshof dargetan, dass die auf die einzelnen Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten ein bedeutsames quantitatives Kriterium dafür seien, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person bestehe (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 14).

Zur Frage wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person befindet, hat der VwGH im Erkenntnis vom , 89/14/0054, auch ausgesprochen:
"Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem er regelmäßig mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt allerdings im Regelfall die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie als weiteren Umstand das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen voraus (vgl. Zl. 83/16/0177 = VwSlg. Nr 6006/F sowie die darin zitierte Vorjudikatur; ferner vom , Zl. 86/16/0198, , Zl. 88/16/0068 und , Zl. 88/16/0229).
Bei von der Familie getrennter Haushaltsführung kommt es auf die Umstände der Lebensführung, wie etwa eine eigene Wohnung, einen selbständigen Haushalt, gesellschaftliche Bindungen, aber auch auf den Pflichtenkreis einer Person und hier insbesondere auf ihre objektive und subjektive Beziehung zu diesem an (vgl. Zl.
2365/78, 2051/79 = VwSlg. Nr 5401/F)."

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes treten die der Lebensgestaltung dienenden wirtschaftlichen Beziehungen (vgl. etwa ) hinter diese persönlichen Bindungen eindeutig zurück. Den wirtschaftlichen Beziehungen kommt nämlich in der Regel eine geringere Bedeutung als den persönlichen Beziehungen zu. Entscheidend ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt (s ).

Nach der ständigen Rechtsprechung kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben (vgl. ).

Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person wird regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 16).

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass von der einschränkenden Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 Personen unabhängig von der Staatsbürgerschaft, somit auch österreichische Staatsbürger erfasst sind. Auch ihnen erwächst kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland, außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, aufhalten (vgl. und ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. dazu insbesondere ) ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen (vgl. etwa , mit weiteren Nachweisen, sowie Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 5 Rz 9). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Diese nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellende Beurteilung ist nach objektiven Kriterien zu treffen. Ein Aufenthalt im genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Ein gewöhnlicher Aufenthalt an einem Ort schließt jedoch nicht einen oder mehrere Wohnsitze an anderen Orten aus, denn ein Mensch kann mehrere Wohnungen innehaben und damit sind gleichzeitig mehrere Wohnsitze möglich.

Die Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ist nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach den objektiven Kriterien der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit zu beantworten (vgl. und , sowie Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 5 Rz 9). Auf eine allfällige Absicht, dass die Kinder nach einiger Zeit in Österreich bleiben, kommt es demnach nicht an.

Nur vorübergehende Abwesenheiten unterbrechen das Verweilen und damit den gewöhnlichen Aufenthalt nicht (vgl. ).

Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt. Daher unterbricht auch das Verbringen der Ferien in Österreich den ständigen Aufenthalt im Ausland nicht (u.a. , , sowie weiters , und ).

Begibt sich eine Person, die sich im Inland aufhält, vorübergehend ins Ausland, so führt dies insbesondere dann nicht zu einer Beendigung (Unterbrechung) des Laufes der sechsmonatigen Aufenthaltsfrist, wenn der Auslandsaufenthalt das übliche Maß einer Urlaubsreise und/oder Geschäftsreise nicht überschreitet und die für den Inlandsaufenthalt maßgebenden Gründe darauf schließen lassen, dass die Person nach Beendigung ihres vorübergehenden Auslandsaufenthaltes wiederum ins Inland zurückkehren wird. Ein derartiger vorübergehender Auslandsaufenthalt hat lediglich eine Hemmung des sechsmonatigen Fristenlaufes zur Folge (vgl. ).

Laut VwGH-Erkenntnis vom , 2011/16/0195, ist für die Frage, ob ein Aufenthalt ein vorübergehender oder ein ständiger ist, von einer ex ante - Betrachtung auszugehen (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom , 2012/16/0008).

Das Bestehen und auch das Nichtbestehen des Anspruches auf Familienbeihilfe für ein Kind kann je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ; ; ).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; ; ; , vgl. auch Ritz/Koran, BAO Kommentar7, § 167 Rz 8).

Im hier zu beurteilenden Fall wurde der Bf. die Familienbeihilfe für den Sohn von November 2018 bzw. für beide Kinder von Juni 2021 bis Mai 2022 gewährt.

Der Sohn der Beschwerdeführerin wurde am xx.xx.2018 in den ***3*** geboren und nach dem Beschwerdevorbringen war der Ehegatte der Bf. seit dem Jahr 2018 in den ***3*** berufstätig. Der Familie steht dort seitdem eine familiengerechte Wohnung zur Verfügung und der Ehegatte und Kindesvater erzielt ein entsprechendes Erwerbseinkommen um den Unterhalt der Familie zu gewährleisten. Im September 2020 kam die Tochter in den ***3*** zur Welt.

Die Eigentumswohnung der Bf. in ***6*** wurde ab Februar 2019 vermietet und die Beschwerdeführerin meldete sich und ihr(e) Kind(er) in der Folge abwechselnd bei ihren Eltern und bei ihrer Schwester mit Hauptwohnsitz an, ihr Ehegatte hatte nur mehr einen Nebenwohnsitz bei seinen Schwiegereltern.

Seit der Geburt des Sohnes gab die Bf. folgende Inlandsaufenthalte an:
- November 2018 bis April 2019,
- Herbst 2019 bis Februar 2020,
- April 2021 bis Frühsommer 2021,
- ab Dezember 2021 ohne Angabe der Rückreise und
- ab Ende Juni 2022 ohne Angabe der Rückreise.

Die Beurteilung des Gesamtbildes der Verhältnisse betreffend den Mittelpunkt des Lebensinteresses der verheirateten Beschwerdeführerin ergibt, dass im streitggst. Zeitraum die persönlichen Beziehungen, die Umstände, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, jedenfalls in den ***3*** gelegen sind, wo sie mit ihrer Familie lebte.

Die polizeiliche Ab- und Anmeldung (§ 1 Abs. 1 MeldeG) ist nicht entscheidend, diese hat lediglich Indizwirkung (vgl. ).
Im beschwerdeggst. Zeitraum hatte die Bf. weder eine eigene Wohnung noch einen selbstständigen Haushalt, da sie ihre Eigentumswohnung in ***6*** vermietete.

Auch die nachgewiesenen Arztbesuche im Zsh mit den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen der Kinder während der Aufenthalte im Inland können den Beschwerdestrandpunkt nicht stützen.

Die Beschwerdeführerin ist zwar in Österreich im Unternehmen ihres Vaters als geringfügig beschäftigt gemeldet (250 €/Monat) und erzielt auch Mieteinkünfte aus der Vermietung der eigenen Wohnung, diesen wirtschaftlichen Beziehungen kommt jedoch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nur eine weitergehenden Zwecken dienende Funktion zu. Ihre stärkeren persönlichen bzw. familiären Beziehungen spielten sich jedoch nach Ansicht des BFG an ihrem Familienwohnsitz in den ***3*** ab.

Bei dieser Sachlage wird also den persönlichen Beziehungen der Bf. zu ihrer Familie in den ***3*** das Übergewicht beigemessen. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes treten die geringen wirtschaftlichen Beziehungen im Inland und die Besuche der Eltern und der Schwester hinter diese persönlichen Bindungen mit der engeren Familie zurück. Die wirtschaftlichen Beziehungen treten hier nach Auffassung des BFG hinter diese persönlichen Bindungen eindeutig zurück.

Der Umstand, dass die Bf. mit ihren Kindern einige Wochen oder Monate in Österreich verbrachte, hat nicht zur Folge, dass durch diese Aufenthalte der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. und der ständige Aufenthalt ihrer Kinder im Ausland unterbrochen wurde.

Das Bundesfinanzgericht sieht es in einer ex-ante-Betrachtung als erwiesen an, dass die Kinder der Bf. sich im beschwerdeggst. Zeitraum in Österreich unter Umständen aufgehalten haben, die erkennen lassen, dass sie im Inland nur vorübergehend verweilen.
Dass der Aufenthalt der Kinder im Inland länger als sechs Monate gedauert habe, hat die Bf. weder behauptet noch nachgewiesen.

Vielmehr haben die Kinder weder das Kindergartenjahr 2022/2023 noch das Kindergartenjahr 2023/2024 - wie zuletzt von der Beschwerdeführerin angekündigt -in Österreich verbracht.

Daher vertritt das Bundesfinanzgericht die Ansicht, dass die Beschwerdeführerin den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG 1967 und ihre Kinder den ständigen Aufenthalt iSd § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im beschwerdeggst. Zeitraum am gemeinsamen Familienwohnsitz in den ***3*** und nicht in Österreich hatten.
Diesbezüglich wird auch auf die detaillierten Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.

Da aber die Familienbeihilfe in diesem Zeitraum von der Beschwerdeführerin bezogen wurde, musste diese rückgefordert werden.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. etwa ; ; ; ; ; ; ; ).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142). Allenfalls im Bereich der Strafbarkeit nach § 29 (oder nach § 146 StGB) relevante subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung der Familienbeihilfe sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl. etwa ; ; ; ; ; ; ; ). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ); (vgl. auch Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 12f).

Die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen ist also von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft.

Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 bis 3 FLAG 1967 ist keine Ermessensentscheidung. Billigkeitsüberlegungen sind im Rückforderungsverfahren nach § 26 Abs. 1 bis 3 vom Finanzamt oder vom BFG nicht anzustellen (vgl. und , jeweils unter Hinweis auf ).
Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (vgl. ; ; ; ; ; ; ; ; ; ); (vgl. auch Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 15f).

Bezüglich der Kinderabsetzbeträge ist festzustellen, dass diese gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 dann gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige auch Familienbeihilfe bezieht. Der Kinderabsetzbetrag ist somit derart mit der Familienbeihilfe verknüpft, dass ein unrechtmäßiger Bezug der Familienbeihilfe auch den gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrag unrechtmäßig macht. Die Kinderabsetzbeträge waren somit zusammen mit der Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG zurückzufordern.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

Abschließend darf informativ auf § 26 Abs. 4 FLAG 1967 hingewiesen werden, wonach die Oberbehörden ermächtigt sind, in Ausübung des Aufsichtsrechts die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Beihilfenbezuges abzusehen. Eine derartige Maßnahme fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien. Es liegt an der Beschwerdeführerin, sich mit einer entsprechenden Anregung an dieses Ministerium zu wenden. Es muss aber beachtet werden, dass es sich dabei um eine Maßnahme des Aufsichtsrechtes handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht.

Weiters wird auf die Möglichkeit hingewiesen, beim Finanzamt einen Antrag gemäß § 212 BAO auf Zahlungserleichterung und gemäß § 236 BAO auf Nachsicht einzubringen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde und das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise


















































ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100374.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at