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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.08.2024, RV/7101224/2024

Geschäftsführerhaftung, Belegaufbewahrungsfrist abgelaufen, lange Zeitdauer im Ermessen zu berücksichtigen

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/13/0108.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Rechtsanwältin RA als Masseverwalterin der Verlassenschaft nach Bf., A-1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde Frau Bf. als spätere Beschwerdeführerin (Bf.) und damalige Geschäftsführerin der G-1 gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 51.253,11 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Fälligkeit
Umsatzsteuer
2005
7.997,52
Umsatzsteuer
11-12/2006
5.353,13
Umsatzsteuer
01-08/2007
7.375,29
Lohnsteuer
2007
4.417,14
Umsatzsteuer
09-12/2007
6.400,00
Säumniszuschlag 1
2007
143,64
Säumniszuschlag 1
2007
147,51
Säumniszuschlag 1
2006
53,67
Körperschaftsteuer
04-06/2008
437,00
Umsatzsteuer
01-04/2008
1.477,15
Säumniszuschlag 2
2007
71,82
Säumniszuschlag 2
2007
73,75
Körperschaftsteuer
07-09/2008
437,00
Säumniszuschlag 3
2007
71,82
Säumniszuschlag 3
2007
73,75
Säumniszuschlag 1
2008
128,00
Säumniszuschlag 1
2008
128,00
Säumniszuschlag 1
2007
159,12
Körperschaftsteuer
10-12/2008
439,00
Lohnsteuer
2008
1.414,11
Dienstgeberbeitrag
2008
513,21
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2008
45,62
Körperschaftsteuer
01-03/2009
437,00
Säumniszuschlag 2
2008
64,00
Säumniszuschlag 2
2008
64,00
Säumniszuschlag 2
2007
79,56
Körperschaftsteuer
04-06/2009
437,00
Säumniszuschlag 3
2008
64,00
Säumniszuschlag 3
2008
64,00
Säumniszuschlag 3
2007
79,56
Körperschaftsteuer
07-09/2009
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2009
439,00
Umsatzsteuer
02-12/2009
141,38
Umsatzsteuer
2009
1.112,90
Körperschaftsteuer
01-03/2010
437,00
Umsatzsteuer
01-02/2010
72,35
Körperschaftsteuer
04-06/2020
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2010
437,00
Säumniszuschlag 1
2006
159,95
Körperschaftsteuer
10-12/2010
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2011
437,00
Umsatzsteuer
2010
1.820,20
Säumniszuschlag 2
2006
79,98
Körperschaftsteuer
04-06/2011
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2011
437,00
Umsatzsteuer
01-06/2011
1.200,00
Körperschaftsteuer
10-12/2011
439,00
Säumniszuschlag 3
2006
79,98
Körperschaftsteuer
01-03/2012
437,00
Umsatzsteuer
07-12/2011
1.200,00
Körperschaftsteuer
04-06/2012
363,00
Körperschaftsteuer
07-09/2012
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2012
439,00
Körperschaftsteuer
04-06/2013
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2013
251,00


Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, der Beweis.

Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergebe sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht hätten entrichtet werden können.

Die Bf. sei im Zeitraum vom D-1 bis D-2 und seit D-3 unbestritten handelsrechtliche Geschäftsführerin der Gesellschaft, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Sie sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für die haftungsgegenständlichen Zeiträume sei die Umsatzsteuer gemeldet und festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden.

In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (, 0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre die Pflicht des Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Er hingegen habe sowohl die Meldung als auch die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es werde in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. ).

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass er die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer einen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO) die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) wie den Abgabepflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er dazutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (vgl. ; ; ).

Da die Bf. ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Letztlich werde auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstreckten. Ebenso seien Zwangs- und Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.

Durch das abgeschlossene Konkursverfahren sei der Abgabenrückstand bei der Firma uneinbringlich geworden.

---//---

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde brachte die Bf. vor:

Ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin der Firma habe sich von D-1 bis D-2 und erneut von D-3 bis D-4 erstreckt.

Für Abgaben, die nicht in diesen Zeiträumen entstanden und fällig geworden seien, könne sie daher nicht herangezogen werden. Dies betreffe betragsmäßig den weitaus überwiegenden Teil der Forderungen. Auch für Abgaben, die bescheidmäßig erst nach D-4 festgesetzt worden seien, könne sie nicht haften, da ihr diese während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin nicht bekannt gewesen seien.

Von einer vom Finanzamt angestrengten Haftung für Abgaben der Gesellschaft habe sie erstmals im März 2021 durch einen Pfändungsbescheid erfahren, allerdings habe sie zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis gehabt, worauf die Pfändung (und damit die Haftung) gegründet worden sei. Daher habe sie gegen diesen Pfändungsbescheid Rechtsmittel ergriffen und sei dieser auch mittlerweile aufgehoben worden. Dadurch habe das Finanzamt implizit eingestanden, dass der Bf. noch nie vorher ein Haftungsbescheid zugestellt worden sei. Sie denke, dass mittlerweile Verjährung eingetreten sei, denn für alle Geschäftsjahre, die ihre Geschäftsführungstätigkeit betroffen habe, sei längst Verjährung der Aufbewahrungspflicht der Buchhaltungsunterlagen eingetreten. Tatsächlich hätten zahlreiche Geschäftsunterlagen aufgrund Platzmangels entsorgt werden müssen.

Die Bestimmung des Haftungsbetrages sei nicht nachvollziehbar und mit Sicherheit unrichtig. Dieser sei außerdem um ca. 8.500 EUR höher als der Pfändungsbescheid vom März 2021, obwohl sich seit März 2021 keine neuen Tatsachen hätten ergeben können und auch keine Bescheide aufgeführt seien, die seit März 2021 ausgestellt worden seien.

Sowohl bei der Voranmeldung als auch bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für 2010 und 2011 seien zahlreiche Ausgaben nicht berücksichtigt worden. Daher würden die diesbezüglichen Bescheide ebenfalls angefochten.

Als Geschäftsführerin habe die Bf. stets alles ihr Mögliche unternommen, um den Abgabeverpflichtungen der Firma nachzukommen. Die schuldhafte Verletzung der auferlegten Pflichten werde von ihr zurückgewiesen.

Aufstellung von Steuerbescheiden, die unrichtigerweise im Haftungsbescheid aufgeführt seien:

Betreffend die Abgaben Umsatzsteuer 11-12/2006, Umsatzsteuer 01-08/2007, Säumniszuschlag 2006, Säumniszuschläge 2007 und Lohnsteuer 2007 habe die Bf. in diesen Zeiträumen sowie bei Fälligkeit keine Geschäftsführerfunktion inne und könne ihr für diese Zeiträume kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden.

Zusätzlich seien die Entrichtungen der Körperschaftsteuer 01-03/2012, Lohnabgaben 2008, Umsatzsteuer 01-06/2011, Umsatzsteuer 07-12/2011, Körperschaftsteuer 04-06/2012, Körperschaftsteuer 07-09/2012, Körperschaftsteuer 10-12/2012, Körperschaftsteuer 04-06/2013 und Körperschaftsteuer 07-09/2013 in den Verantwortungsbereich der Masseverwalterin gefallen. Die Bf. habe für diese Zeiträume auch gar keine BuchhaItungsunterlagen gehabt. Warum eine nachträgliche Festsetzung der Lohnabgaben 2008 entstanden sein solle, sei für sie nicht nachvollziehbar.

---//---

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Haftung auf € 48.815,11 herabgesetzt.

Begründend wurde ausgeführt:

Die Vertreterhaftung bestehe insbesondere für Abgaben, deren Zahlungstermin (zB Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Vertretertätigkeit falle. Sie bestehe aber auch für noch offene Abgabenschuldigkeiten, deren Zahlungstermin bereits vor der Tätigkeit des betreffenden Vertreters gelegen sei (zB ; ; ).

Die Bf. sei im Zeitraum von D-1 bis D-2 und von D-3 bis D-5 (Konkurseröffnung) unbestritten handelsrechtliche Geschäftsführerin der GmbH und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen.

Bei Übernahme der Geschäftsführertätigkeit habe der übernehmende Geschäftsführer eine Überwachungs- und Erkundungspflicht. Dies bedeute, dass sich der Geschäftsführer bei Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit darüber zu erkunden habe, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei (; 92/17/0178).

Dies wäre ohne großen Aufwand möglich, indem zum Beispiel Buchungsmitteilungen des Finanzamtes vom bisherigen Geschäftsführer abverlangt und eingesehen würden.

Daher sei die Haftungsinanspruchnahme für Abgaben, welche zwischen D-2 und dem D-3 entstanden und fällig geworden seien, rechtens.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer 01-06/2011 und 06-12/2011, sowie der Lohnabgaben 2008 sei eine Haftungsinanspruchnahme insofern zulässig, da die Bf. in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin versäumt habe, ihren Pflichten, Umsatzsteuervoranmeldungen vorzulegen und Lohnabgaben zu melden, nachzukommen, weshalb diese im Zuge einer Schätzung/ Prüfung hätten festgestellt werden müssen. Aus diesem Grund werde die Schuldhaftigkeit an der Vollstreckbarkeit der Umsatzsteuervoranmeldungen 01-06/2011 und 06-12/2011 sowie der Lohnabgaben 2008 ihr zugerechnet.

Allenfalls sei zu sagen, dass die Bf. bei Einhaltung aller Fristen für die Entrichtung der Abgabe aufgrund der dann entstandenen Fälligkeit zur Haftung heranzuziehen gewesen wäre.

Hinsichtlich der folgenden Abgaben erfolge keine Haftungsinanspruchnahme, da diese im Zeitraum des Konkursverfahrens entstanden seien:

Körperschaftsteuer 01-03/2012 fällig am iHv € 437,00
Körperschaftsteuer 04-06/2012 fällig am iHv € 437,00
Körperschaftsteuer 07-09/2012 fällig am iHv € 437,00
Körperschaftsteuer 10-12/2012 fällig am iHv € 439,00
Körperschaftsteuer 04-06/2013 fällig am iHv € 437,00
Körperschaftsteuer 07-09/2013 fällig am iHv € 251,00

Verbleibende Haftungssumme: € 48.815,11

Die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid stelle eine Einhebungsmaßnahme dar. Sie sei nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten sei (vgl. Ritz BAO6, Rz 5 zu § 238).

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjähre das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden sei, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO werde die Verjährung durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechungshandlung eingetreten sei, beginne die Verjährungsfrist neu zu laufen.

§ 9 Abs. 1 IO normiere: Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren werde die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginne von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden sei. Wobei § 9 IO gegenüber den Verjährungsbestimmungen der BAO Vorrang zukomme.

Bereits aus dem Gesetzestext des § 9 Abs. 1 IO ergebe sich, dass die Verjährung nur für jene Abgabenschuldigkeiten unterbrochen werde, die im Insolvenzverfahren angemeldet würden.

Hinsichtlich der im Insolvenzverfahren angemeldeten Abgabenschuldigkeiten habe die Verjährung mit Ablauf des Datums des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien betreffend Aufhebung des Konkurses neu zu laufen begonnen. Der Konkurs sei mit D-6 mangels Kostendeckung gemäß § 123a IO aufgehoben worden.

Da nach Aufhebung des Konkursverfahrens innerhalb der neuen Verjährungsfrist Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 228 BAO gesetzt worden seien, seien diese zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme nicht verjährt.

Qualifizierte Verlängerungshandlungen gemäß § 228 BAO seien gewesen:

Einholung eines Vermögensverzeichnisses am
Termin für persönliche Vorsprache der Haftungspflichtigen am
Einholen eines Firmenbuchauszugs am
Erlassen der Beschwerdevorentscheidung vom

Die Haftungssumme beruhe auf dem aushaftenden Rückstand, welcher ihrem Vertretungszeitraum zuzusprechen sei. Da seit der Ausstellung des ersten Haftungsbescheides am weitere Abgabenrückstände entstanden seien, habe sich die Haftungssumme dementsprechend erhöht.

---//---

Fristgerecht beantragte die Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

---//---

Da die Bf. am D-7 verstorben ist, tritt nunmehr Rechtsanwältin RA als Masseverwalterin der Verlassenschaft an ihre Stelle.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2. Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Verjährung

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird gemäß § 9 Abs. 1 IO die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

Dem Einwand der Bf., dass die haftungsgegenständlichen Abgaben gemäß § 238 BAO verjährt wären, ist die Aktenlage entgegenzuhalten, wonach ab (dem ältesten Fälligkeitstag) bis vorläufig folgende Unterbrechungshandlungen gemäß § 9 Abs. 1 IO sowie § 238 Abs. 2 BAO, die die Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang setzten, gesetzt wurden:


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Unterbrechungshandlung
Datum
Verjährungsfrist verlängert bis
Anmeldung im Konkurs
D-5
D-8
(5 Jahre nach Konkursaufhebung)
Einholung eines Vermögensverzeichnisses
Termin für persönliche Vorsprache
Einholung eines Firmenbuchauszugs
Haftungsbescheid
Beschwerdevorentscheidung


Daraus erhellt, dass eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO nicht eingetreten ist.

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO

- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben (Kausalität)

Abgabenforderungen

Dem Einwand der Bf., dass der Haftungsbetrag nicht nachvollziehbar sei, ist die Aktenlage entgegenzuhalten, wonach sämtliche haftungsgegenständlichen Abgaben bescheidmäßig festgesetzt wurden und in der im Haftungsbescheid angeführten Höhe nach wie vor unberichtigt aushaften.

Davon hatte die Bf. auch Kenntnis, da ihr die Festsetzungsbescheide gleichzeitig mit dem Haftungsbescheid übermittelt wurden.

In einem Fall, in dem weder die Höhe (zur jeweiligen Fälligkeit) der Abgabenschuld bestritten noch vom Haftungspflichtigen Gläubigergleichbehandlung behauptet wird, ist eine Aufgliederung der Abgabenschuld nach den jeweiligen Fälligkeiten nicht geboten ().

Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-6 der über das Vermögen der G-1 am D-5 eröffnete Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben und die Gesellschaft am D-9 im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

Vertreter

Aktenkundig war die Bf. in den Zeiträumen D-1 bis D-2 sowie D-3 bis D-5 (Konkurseröffnung) Geschäftsführerin der genannten GmbH.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Somit oblag der Bf. in diesen Zeiträumen die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen ().

Von ihr wird bestritten, in den Zeiträumen zwischen D-2 und D-3 (Umsatzsteuer 11-12/2006, Umsatzsteuer 01-08/2006, Säumniszuschläge 1 2006 und 2007 sowie Lohnsteuer 2007) sowie ab D-5 (Lohnabgaben 2008, Umsatzsteuern 01-06/2011 und 07-12/2011, Körperschaftsteuern 01-03/2012, 04-06/2012, 07-09/2012, 10-12/2012, 04-06/2013 und 07-09/2013) schuldhaft gehandelt zu haben, da sie in diesen Zeiträumen, in denen die Abgaben fällig bzw. zu entrichten gewesen seien, keine Geschäftsführerfunktion innegehabt habe.

Dazu ist zu den nachstehenden Abgaben Folgendes festzustellen:


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Abgabe
Zeitraum
Fälligkeit
Zahlungsfrist
Umsatzsteuer
2005
Umsatzsteuer
11-12/2006
Umsatzsteuer
01-08/2007
Säumniszuschlag 1
2007
---
Säumniszuschlag 1
2007
---
Säumniszuschlag 1
2006
---


Hinsichtlich dieser Abgaben fiel sowohl die Fälligkeit als auch die nach den später ergangenen Bescheiden zuerkannten Zahlungsfristen in den Zeitraum zwischen der Geschäftsführung der Bf.

Allerdings lässt sich daraus für die Bf. nichts gewinnen, da sich ein Geschäftsführer bei seiner Übernahme der Vertretertätigkeit darüber zu unterrichten hat, ob und in welchem Ausmaß der von ihm nunmehr Vertretene bisher seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (zB ), weil die Pflicht der Gesellschaft zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet ().


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Abgabe
Zeitraum
Fälligkeit
Zahlungsfrist
Lohnsteuer
2007
Umsatzsteuer
09-12/2007


Bei diesen Abgaben lagen die Zahlungsfristen ohnehin innerhalb der Vertretertätigkeit der Bf., weshalb hier ebenfalls eine Verpflichtung der Bf. zur Entrichtung gegeben war.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe
Zeitraum
Fälligkeit
Zahlungsfrist
Lohnsteuer
2008
Dienstgeberbeitrag
2008
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2008
Umsatzsteuer
01-06/2011


Die Zahlungsfristen der obenstehenden Abgaben lagen aufgrund der im Konkurs erfolgten Festsetzung zwar außerhalb ihrer Geschäftsführertätigkeit, allerdings fielen die Zahlungsverpflichtungen aufgrund der bereits früher eingetretenen Fälligkeiten noch in den Aufgabenbereich der Bf., da sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (), weshalb bei Selbstbemessungsabgaben nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebend ist, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird ().


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe
Zeitraum
Fälligkeit
Umsatzsteuer
07-12/2011
Körperschaftsteuer
01-03/2012
Körperschaftsteuer
04-06/2012
Körperschaftsteuer
07-09/2012
Körperschaftsteuer
10-12/2012
Körperschaftsteuer
04-06/2013
Körperschaftsteuer
07-09/2013


Hingegen waren die vorstehenden Abgaben erst während des laufenden Insolvenzverfahrens fällig, weshalb der Bf. an deren Nichtentrichtung keine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann.

Dem Vorbringen der Bf., dass bei der Festsetzung der Umsatzsteuern 2010 und 2011 zahlreiche Ausgaben nicht berücksichtigt worden seien, muss entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hat ().

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ nur dann zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung erstreckender Abgabenbescheid vorangegangen ist ().

Bringt der Haftungspflichtige sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerden ein, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden (), da von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (; ).

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Seitens der Bf. wurde nicht vorgebracht, dass die Primärschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum über keine finanzielle Mittel mehr verfügt habe bzw. wurde auch nicht behauptet, es seien sämtliche Gläubiger gleichbehandelt worden. Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ergeben sich auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal in den Jahren 2007 und 2008 noch Löhne ausbezahlt wurden und in den zuletzt eingereichten Jahresabschlüssen 2005 und 2006 liquide Mittel von € 74.775,98 bzw. € 92.282,82 ausgewiesen waren.

Grundsätzlich wäre es an der Bf. als Vertreterin der GmbH, der als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeiträumen der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().

Gemäß § 132 Abs. 1 BAO sind Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörigen Belege sieben Jahre aufzubewahren; darüber hinaus sind sie noch so lange aufzubewahren, als sie für die Abgabenerhebung betreffende anhängige Verfahren von Bedeutung sind, in denen diejenigen Parteistellung haben, für die aufgrund von Abgabenvorschriften die Bücher und Aufzeichnungen zu führen waren oder für die ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt wurden. Soweit Geschäftspapiere und sonstige Unterlagen für die Abgabenerhebung von Bedeutung sind, sollen sie sieben Jahre aufbewahrt werden. Diese Fristen laufen für die Bücher und die Aufzeichnungen vom Schluss des Kalenderjahres, für das die Eintragungen in die Bücher oder Aufzeichnungen vorgenommen worden sind, und für die Belege, Geschäftspapiere und sonstigen Unterlagen vom Schluss des Kalenderjahres, auf das sie sich beziehen; bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr laufen die Fristen vom Schluss des Kalenderjahres, in dem das Wirtschaftsjahr endet.

Allerdings kommt dem Einwand der Bf., dass längst "Verjährung" der Aufbewahrungspflicht eingetreten sei, Berechtigung zu, da die Pflicht zur Aufbewahrung der Bücher, Aufzeichnungen und Belege für die haftungsgegenständlichen Jahre 2005-2013 gemäß § 132 Abs. 1 BAO ab dem bis spätestens am abgelaufen war.

Es kommt auch keine Verlängerung der Aufbewahrungspflicht nach dem zweiten Halbsatz des § 132 Abs. 1 BAO in Betracht, weil diese einerseits nur für die die Abgabenerhebung, und daher nicht die Einhebung, betreffende anhängige Verfahren Anwendung findet und andererseits auch keine Identität zwischen der Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer besteht, die in beiden Verfahren (Abgabenfestsetzung und Haftung als Einhebungsmaßnahme) Parteistellung haben könnten. Darüber hinaus war im Zeitpunkt des Ablaufes der Belegaufbewahrungspflicht auch noch gar kein Haftungsverfahren anhängig (Haftungsbescheid vom ) und die Bf., an die zwar am ein Ersuchen um Darlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse erging und am ein Termin zur persönlichen Vorsprache im Finanzamt gerichtet wurde, infolge der daraufhin erst nach Ablauf von mehr als fünf Jahren erfolgten Haftungsinanspruchnahme davon ausgehen durfte, dass das Finanzamt von ihrer Heranziehung zur Haftung Abstand nahm.

Nach Ablauf der siebenjährigen Aufbewahrungspflicht kann im gegenständlichen Fall der späten Haftungsinanspruchnahme somit kein Nachweis für die Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten gefordert werden.

Der Bf. kann das Nichtvorhandensein der Unterlagen und somit die fehlende Möglichkeit zur Erstellung einer Liquiditätsrechnung zur Darlegung der Gleichbehandlung der liquiden Mittel nicht vorgeworfen werden.

Im Hinblick auf die zu Recht unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Haftungsinanspruchnahme für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden - mit Ausnahme der Lohnsteuern, da für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz gelten, weil nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat (; ) - nicht in Betracht.

Folgende Abgaben verbleiben daher:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
2007
4.417,14
Lohnsteuer
2008
1.414,11
Summe
5.831,25


Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Begriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einhebung der Abgaben, beizumessen ().

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ; ) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen.

Die Fälligkeiten der vom Haftungsausspruch betroffenen Lohnsteuern liegen nunmehr 16-17 Jahre zurück. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin stand im Zeitpunkt der Aufhebung des Konkursverfahrens, somit am D-6, fest. Der Haftungsbescheid erging erst mehr als 8 Jahre danach (). Für das lange Zuwarten bis zur Erlassung des Haftungsbescheides lagen keine Gründe vor.

Der Obliegenheit, angesichts lange verstrichener Zeit resultierende Unbilligkeiten hintanzuhalten, wurde auch in zahlreichen Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes (zB ) insofern Rechnung getragen, als die Haftung im Rahmen der Ermessensentscheidung aufgehoben wurde.

In Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit war der Beschwerde daher im Rahmen des Ermessens stattzugeben und der Haftungsbescheid aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 132 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101224.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at