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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.08.2024, RV/1100196/2024

Familienbeihilfenanspruch zwischen nicht bestandener Lehrabschlussprüfung und deren Wiederholung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

betreffend den Bescheid des ***FA*** vom hinsichtlich Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ***1*** für April 2023 bis Februar 2024

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin wandte sich in ihrer Beschwerde gegen die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag betreffend ihren Sohn ***1*** und führte aus, ihr Sohn habe die Lehrabschlussprüfung beim 1. Antreten am nicht bestanden, sehr wohl jedoch die Wiederholungsprüfung am .

Sie habe viele Male "mit Wien" telefoniert und erklärt, dass ihr Sohn "im Oktober 2023 die Lehre abgeschlossen" habe. Sie habe die Auskunft erhalten, dass ihr bis Februar 2024 Familienbeihilfe zustehe.

Es erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in welcher seitens der Abgabenbehörde im Wesentlichen erläutert wurde:

Für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich in Berufsausbildung befänden. Der Sohn der Beschwerdeführerin habe die Lehre zum ***2*** absolviert. Das Ende der Lehrzeit sei laut Lehrvertrag auf den gefallen. Die rechtzeitig erfolgte Anmeldung zur Lehrabschlussprüfung () habe den Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Ablegung dieser, für den angesetzten Prüfung, verlängert. Zu diesem Termin habe der Sohn der Beschwerdeführerin die Lehrabschlussprüfung nicht bestanden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe sei daher ab April 2023 erloschen.

Eine Anmeldung zur Wiederholung der Lehrabschlussprüfung sei erst wieder am erfolgt. Die Wiederholungsprüfung habe am stattgefunden und sei vom Sohn der Beschwerdeführerin mit positivem Ergebnis abgelegt worden.

Wer Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen habe, müsse die entsprechenden Beträge gemäß § 26 FLAG 1967 i.V.m. § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurückzahlen. Es handle sich dabei um eine objektive Erstattungspflicht. Subjektive Momente seien für die Rückerstattungspflicht unerheblich.

In der Folge brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und führte aus:

Normalerweise nehme man die Anmeldung zur Lehrabschlussprüfung über Internet vor. Aufgrund eines Systemfehlers der WKO habe die Anmeldung zur Wiederholungsprüfung schriftlich erfolgen müssen.

Sie legte eine Bestätigung der WKO bei, wonach sich ihr Sohn am zur Wiederholungsprüfung angemeldet habe. Die Einladung mit den genauen Prüfungsterminen sei seitens der WKO am versendet worden, ihr Sohn habe am die Lehrabschlussprüfung positiv absolviert. Beigeschlossenen war das Antragsformular des Sohnes, welches das Datum trägt.

II. Ermittlungen durch die Richterin:

Da nach Aktenlage als Termin der Lehrabschlussprüfung beim 1. Antreten einerseits der , andererseits der aufscheint, ersuchte die Richterin das Finanzamt diesbezüglich im Vorhaltswege um Stellungnahme.

Es wurde ihr wie nachstehend geantwortet:

"Laut Mitteilung der WKO vom (siehe Beilage zum Vorlageantrag) ist das Kind ***1*** ***3*** am zur Lehrabschlussprüfung angetreten. Erfahrungsgemäß wird das Lehrabschlussprüfungszeugnis am Tag des Prüfungsantritts von der Prüfungskommission ausgestellt. Laut Bescheid der WKO vom über die Zulassung zur Lehrabschlussprüfung fand am (nur) der theoretische Prüfungsteil (***4***) statt. Aufgrund der obigen Ausführungen ist anzunehmen, dass am der praktische Prüfungsteil, insbesondere in Form des Fachgespräches, stattfand. Auch unter den im Rahmen der automatisierten Datenübermittlung dem Finanzamt zur Verfügung gestellten Lehrlingsdaten scheint der als Prüfungstermin auf (Anm.: Auszug Datenübermittlung angeschlossen).

Aus Sicht des Finanzamtes befand sich das Kind ***1*** ***3*** daher bis einschließlich März 2023 in einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967."

Das Finanzamt gab abschließend seiner Rechtsmeinung Ausdruck, dass der Zeitraum März 2023 aufgrund des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen nicht von einem allfälligen Rückforderungsbescheid zu umfassen wäre.

III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

  • ***1***, der Sohn der Beschwerdeführerin, ist am ***5*** geboren.

  • Am begann er die Lehre als ***2*** im Sektor ***6***.

  • Die Lehrzeit umfasste den Zeitraum von 3,5 Jahren, d. h., bis .

  • Am beantragte er die Zulassung für die Lehrabschlussprüfung.

  • ***1*** trat zur Lehrabschlussprüfung an, die aus einem theoretischen Prüfungsteil am und einem praktischen Prüfungsteil am bestand.

  • Er bestand die Lehrabschlussprüfung nicht.

  • Am meldete er sich zur Wiederholungsprüfung an und erhielt die Zulassung dazu am .

  • Am schloss er die Lehrabschlussprüfung mit positivem Ergebnis ab.

  • ***1*** war bis als Arbeiterlehrling angemeldet, ab als Arbeiter.

  • Er erzielte im Jahr 2023 ein Einkommen i.H.v. € 21.881,59.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt mit Sozialversicherungsdatenauszug sowie auf die Ermittlungen der Richterin (siehe oben).

3. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben die für einen Beruf ausgebildet werden.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Berufsausbildungsgesetz endet das Lehrverhältnis mit Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit.

Strittig ist: Erfolgte die Rückforderung an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag samt anteiligen Geschwisterstaffelbeträgen für ***1*** für den Zeitraum April 2023 bis Februar 2024 zu Recht?

Die Absolvierung einer Lehre ist eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967. Im dualen Ausbildungssystem besteht die Lehrausbildung aus der Ausbildung im Lehrbetrieb und der Ausbildung in der Berufsschule. Beides zusammen stellt die Lehre dar. Die Berufsausbildung in einem Lehrberuf erstreckt sich jedenfalls auf die Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches.

Im Streitfall endete die Lehrzeit laut Lehrvertrag vom am . Aufgrund der rechtzeitig beantragten Zulassung zur Lehrabschlussprüfung mit dem zugeteilten End-Prüfungstermin , verlängerte sich die Zeit der Berufsausbildung des Sohnes der Beschwerdeführerin bis zu diesem Datum und stand unstrittig Familienbeihilfe bis einschließlich März 2023 zu.

Für die Wiederholungsprüfung meldete sich der Sohn der Beschwerdeführerin zwar rechtzeitig an (), jedoch war seine Lehrzeit gemäß § 14 BAG beendet. Im Lehrbetrieb wurde er ab als Arbeiter - nicht mehr als Lehrling - geführt, eine Pflicht zum Berufsschulbesuch bestand nicht mehr. Es kann daher ab nicht mehr davon gesprochen werden, dass er noch in Berufsausbildung stand.

Mangels überwiegender zeitlicher Auslastung des Sohnes zu Ausbildungszwecken stand daher im Zeitraum zwischen der nicht bestandenen Lehrabschlussprüfung im März und ihrer Wiederholung mit positivem Ergebnis im Oktober 2023 Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag und anteiliger Geschwisterstaffel nicht zu. Das bloße Warten auf die Lehrabschlussprüfung ohne Berufsschulbesuch verwirklicht nicht das Bild einer Berufsausbildung nach dem Verständnis des FLAG (vgl. und ).


Zur Frage der Anspruchsberechtigung ab November 2023 ist auszuführen:

Soweit die Beschwerdeführerin vorgebracht hat, es sei ihr "in Wien" mitgeteilt worden, dass ein Familienbeihilfenanspruch bis Februar 2024 bestehe, beruht diese Auskunft möglicherweise darauf, dass die Beendigung der Berufsausbildung - unzutreffend - mit Oktober 2023 angenommen wurde und nach bis geltender, älterer Rechtslage (§ 2 Abs. 1 lit. d idF BGBl. I Nr. 90/2007) Familienbeihilfe bis drei Monate nach jeder Berufsausbildung gewährt wurde.

Nach nunmehr geltender Rechtslage (§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 220/2021) besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung. Der Gesetzgeber versteht unter dem "Abschluss der Schulausbildung" insbesondere eine Schulausbildung, die mit Matura abgeschlossen wird. Die "Schulausbildung" ist somit ein engerer Begriff einer "Berufsausbildung". Daher steht nach Abschluss einer Berufsausbildung, die keine Schulausbildung ist, keine Familienbeihilfe zu (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 2 Rz 116 ff.).

Für den Sohn der Beschwerdeführerin bedeutet dies, dass er nicht seine Schulausbildung, sondern seine Berufsausbildung abgeschlossen hat und zwar nicht im Oktober 2023, sondern im März 2023 (siehe dazu Ausführungen oben). Für eine Gewährung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag im Zeitraum November 2023 bis Februar 2024 besteht daher keinerlei Rechtsgrundlage.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 begründet eine objektive Rückzahlungspflicht zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge irrelevant. Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, dass der unrechtmäßige Bezug allenfalls ausschließlich durch das Finanzamt verursacht wurde. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.

Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe, ist gemäß § 33 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 i.V.m. § 26 Abs. 1 FLAG 1967 auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der in Streit stehenden Rechtsfrage findet Deckung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (Berufsausbildung) bzw. in der klaren Gesetzeslage (§ 26 Abs. 1 FLAG 1967).

Feldkirch, am

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