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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 08.08.2024, RV/4100581/2018

Wohnsitz eines in der Schweiz unselbständig Beschäftigten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***SenV*** als Vorsitzenden, die Richterin***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch E. Igerz & Co Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Bergmannstraße 7, 6850 Dornbirn, und APP Steuerberatung GmbH, Hauptstraße 13, 9871 Seeboden, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach vom bzw. betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012, Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013, Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob der Beschwerdeführer in den Jahren 2012 bis 2015 gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war und Österreich das Besteuerungsrecht an seinen in der Schweiz erzielten Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit hatte.
Im Falle einer unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich ist strittig, ob Werbungskosten für Familienheimfahrten und Kosten der doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden können und ob die dem Beschwerdeführer ausbezahlte Ferienentschädigung eine Sonderzahlung gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 ist.

I. Verfahrensgang

Mit dem an den Beschwerdeführer unter der Anschrift ***Bf1-Adr*** gerichteten Auskunftsersuchen vom forderte die belangte Behörde diesen auf bis das Einkommen für die Kalenderjahre 2011-2014 offenzulegen, Steuererklärungen für diese Jahre ausgefüllt zu retournieren sowie Einkommensnachweise und den Dienstvertrag vorzulegen.

Einlangend mit erklärte der Beschwerdeführer im Schreiben an die belangte Behörde, dass er seit rund vier Jahren in der Schweiz arbeite und dort über einen Wohnsitz verfüge. Bei den Familienbesuchen in Österreich bewohne er sein früheres Jugendzimmer im Elternhaus, welches kein Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO sei. Es wurden zwei Mietverträge, ein Auszug aus dem zentralen Melderegister, eine Kurzaufenthaltsbewilligung für die Schweiz sowie ein Schweizer Führerausweis vorgelegt.

Die belangte Behörde setzte in weiterer Folge mit Bescheiden vom die Einkommensteuer betreffend das Jahr 2012 mit € 25.360,-- sowie betreffend das Jahr 2013 mit € 23.914,-- und mit Bescheiden vom die Einkommensteuer betreffend das Jahr 2014 mit € 24.848,-- sowie betreffend das Jahr 2015 mit € 25.848,-- gegenüber dem Beschwerdeführer fest. Die Auslandseinkünfte des Beschwerdeführers ermittelte die belangte Behörde im Schätzungswege, da der Beschwerdeführer trotz Vorhaltsersuchen durch die belangte Behörde keine Einkommensnachweise abgegeben habe. Die belangte Behörde ging bei Erlassung der Bescheide davon aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich ansässig sei und als Ansässigkeitsstaat Österreich unter Beachtung des Doppelbesteuerungsabkommens das Besteuerungsrecht auf das gesamte Einkommen des Beschwerdeführers habe.

Nach genehmigten Fristverlängerungsansuchen brachte der Beschwerdeführer am Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2012, 2013, 2014 und 2015 ein, beantragte die Bescheide zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, und für den Fall, dass die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt werden, eine mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat.
Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er ledig sei, und seit Anfang 2011 in der Schweiz als Baufacharbeiter arbeite. Seit lebe er in der ***Adr2 CH*** (Schweiz) und zuvor habe er in ***Adr1 CH*** (Schweiz) gewohnt. Das Einfamilienhaus in ***Bf1-Adr*** (Österreich) stehe im Eigentum des Vaters des Beschwerdeführers und ihm selber stehe für den Heimaturlaub lediglich ein Zimmer in demselben zur Verfügung. Aufgrund der langen Fahrtdauer (8 Stunden) verbringe der Beschwerdeführer bloß seinen Urlaub in Österreich und besuche über die Feiertage seine Eltern in Kärnten. Durchschnittlich halte sich der Beschwerdeführer höchstens vier Wochen pro Jahr in Kärnten auf.
Im Juni 2015 habe der Beschwerdeführer in ***Adr2 Ö*** (Österreich), eine Eigentumswohnung erworben, die nach Renovierungsarbeiten seit Anfang 2016 bewohnbar sei. Der Beschwerdeführer habe die Wohnung zu Investitionszwecken erworben. Bei Besuchen in Österreich werde die Wohnung von ihm privat genutzt, es sei aber geplant, die Wohnung in Zukunft zu vermieten. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass er zumindest bis Ende 2015 über keinen Wohnsitz in Österreich verfügt habe.
Außerdem seien die Einkünfte weitaus niedriger als von der belangten Behörde geschätzt. Hierzu legte der Beschwerdeführer Berechnungen für die Jahre 2012 und 2013 vor. Betreffend die Jahre 2014 und 2015 gab der Beschwerdeführer keine Auskunft über seine Einkünfte.

Mit Berufungsvorentscheidungen vom wurden die Beschwerden betreffend Einkommensteuerbescheid 2012 sowie Einkommensteuerbescheid 2013 von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom wurden die Beschwerden betreffend Einkommensteuerbescheid 2014 sowie Einkommensteuerbescheid 2015 von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen.
Die belangte Behörde begründet sämtliche Berufungsvorentscheidungen damit, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers jedenfalls in Österreich läge, der Beschwerdeführer habe seit einen Nebenwohnsitz in ***Bf1-Adr*** sowie einen zusätzlichen Nebenwohnsitz in ***Bf1 Adr3 Ö*** gemeldet, und scheine nach wie vor als aktives Mitglied in der Mitgliederliste der Landjugend auf. Außerdem habe der Beschwerdeführer laut Kaufvertrag vom in ***Adr2 Ö*** eine Eigentumswohnung, über die er verfügen und jederzeit benützen könne.

Mit wurde elektronisch um Verlängerung der Frist für die Einreichung des Vorlageantrages betreffend der Einkommensteuer 2012 und 2013 bis zum ersucht. Mit wurde elektronisch um Verlängerung der Frist für die Einreichung des Vorlageantrages betreffend der Einkommensteuer 2014 und 2015 bis zum ersucht. Beide Ansuchen wurden von der belangten Behörde genehmigt.

Sämtliche Vorlageanträge die Streitjahre betreffend gingen am bei der belangten Behörde ein. Nach Wiedergabe des Sachverhaltes und Verweis auf die rechtlichen Grundlagen (Art. 4 Abs. 1 DBA Österreich Schweiz, § 1 EStG 1988, § 26 BAO) führte der steuerliche Vertreter aus, dass das im Elternhaus bzw. im Haus des Großvaters zur Verfügung gestellte Zimmer nicht als Wohnung geeignet gewesen sei. Mangels österreichischen Wohnsitz könne der Beschwerdeführer in Österreich nicht unbeschränkt steuerpflichtig sein. Beantragt wurde eine Festsetzung der Einkünfte des Beschwerdeführers mit "Null", in eventu für die Jahre 2012 und 2013 die Festsetzung der Einkommensteuer gemäß den den Vorlageanträgen angeschlossenen Berechnungen. Ein Eventualantrag wurde ebenso für die Jahre 2014 und 2015 gestellt, wobei die Nachreichung der Unterlagen in Aussicht gestellt wurde.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde gegen die streitgegenständlichen Bescheide dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In ihrem Vorlagebericht beantragt die belangte Behörde bezogen auf die Jahre 2012 und 2013 die teilweise Stattgabe der Beschwerden und Ansatz der Besteuerungsgrundlagen laut der vom Beschwerdeführer mit den Beschwerden übermittelten Unterlagen. Nicht zu berücksichtigen seien jedoch die vom Beschwerdeführer beantragten Familienheimfahrten und die Kosten der doppelten Haushaltsführung, da der Beschwerdeführer bereits seit dem Jahr 2011 in der Schweiz arbeite und dem Beschwerdeführer als ledigen Abgabepflichtigen diese Ausgaben nur für eine Übergangsphase von sechs Monaten zustünden. Weiters sei die Ferienentschädigung nicht als steuerlich begünstigt zu beurteilen, da kein Nachweis darüber vorliege, dass es sich um Sonderzahlungen gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 handelt.
Betreffend die Jahre 2014 und 2015 beantragt die belangte Behörde mangels Übermittlung von Besteuerungsunterlagen durch den Beschwerdeführer die Abweisung der Beschwerden.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache mit der Gerichtsabteilung 5010 zugewiesen.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, unter anderem die in den Vorlageanträgen angekündigten Unterlagen vorzulegen. Dies erfolgte erst in der am abgehaltenen Senatsverhandlung, wobei der vom Bundesfinanzgericht als Zeuge geladene Vater des Beschwerdeführers aufgrund einer Erkrankung der Verhandlung fern blieb.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der am ***tt.mm.jjjj*** geborene Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, alleinstehend und kinderlos, arbeitete in der Zeit von 2011 bis 2020 als Tunnelbauarbeiter in der Schweiz und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Während seiner Zeit in der Schweiz bezog der Beschwerdeführer seine Einkünfte von der ***AG***. In den Jahren 2011 bis 2015 war der Beschwerdeführer bei der Tunnelbaustelle ***T1***, von 2016 bis 2017 bei der Tunnelbaustelle ***T2***, im Zeitraum 2018 bis 2019 beim Tunnelbauprojekt ***T3*** und danach bis zu seiner Rückkehr nach Österreich auf Baustellen in ***T4 und T5**** tätig.

Nicht festgestellt werden konnte, ob der Beschwerdeführer über einen befristeten oder einen unbefristeten Dienstvertrag verfügte.

Seinen Hauptwohnsitz hatte der Beschwerdeführer ab seiner Geburt bis in ***Bf1-Adr*** (Österreich) im Wohnhaus seiner Eltern, wo er in diesem Zeitraum auch wohnte. Ihm stand in diesem Zeitraum ein Kinderzimmer zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Vom Beschwerdeführer wurde das Wohnzimmer, das Bad und WC im Haus der Eltern mitbenutzt. Vor seinem Umzug in die Schweiz bezahlte der Beschwerdeführer Kostgeld an seine Eltern.
Mit wurde ein Verzug in den Nicht EU Raum im Zentralen Melderegister vermerkt und gleichzeitig der bisherige Hauptwohnsitz als Nebenwohnsitz gemeldet.
Der Beschwerdeführer meldete der Meldebehörde für die Zeit ab einen weiteren Nebenwohnsitz in ***Bf1 Adr3 Ö*** (Österreich) in dem Haus seines Großvaters. Im Haus seines Großvaters lebte der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt.
Ab mietete der Beschwerdeführer in der Schweiz (***Adr1 CH***) eine 2,5 Zimmer Wohnung samt Keller, welche er allein bewohnte. Der Mietvertrag hierzu wurde auf unbefristet Zeit abgeschlossen und war zu jedem Monatsende (ausgenommen 31.12.) mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündbar.
Im Jahr 2014 zog der Beschwerdeführer in der Schweiz um und mietete ab eine 2,5 Zimmer Wohnung in ***Adr2 CH***, in der er wiederum alleine lebte. Der Mietvertrag war ebenso zu jedem Monatsende mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündbar. Eine feste Vertragsdauer oder ein Mietende wurden im Mietvertrag nicht vereinbart.
Mit Vertrag vom kaufte der Beschwerdeführer eine Wohnung in Österreich, welche im Herbst 2015 renoviert wurde und ab 2016 bewohnbar war.
Ab 2016 stand dem Beschwerdeführer in der Schweiz keine Wohnung zur Verfügung. Bis zu seinem Rückzug nach Österreich nächtigte er in Unterkünften auf der jeweiligen Baustelle.
Ab wurde die Adresse ***Bf1-Adr*** (Österreich) erneut als Hauptwohnsitz im Zentralen Melderegister vermerkt und hatte der Beschwerdeführer ab einen österreichischen Arbeitgeber.

Der Beschwerdeführer nahm beim Umzug in die Schweiz im Jahr 2011 die meisten persönlichen Sachen aus seinem Zimmer in ***Bf1-Adr*** mit. Der Fernseher verblieb jedoch im Kinderzimmer. Während seiner Tätigkeit in der Schweiz besuchte der Beschwerdeführer seine Eltern ein- bis zweimal im Monat in Österreich. Einen Schlüssel für das Haus seiner Eltern besaß der Beschwerdeführer in dieser Zeit nicht. Die Besuche in Österreich fanden nur nach vorheriger telefonischer Rücksprache und Zustimmung durch die Eltern statt. Der Beschwerdeführer übernachtete im Zuge dessen in seinem ehemaligen Kinderzimmer, das in der Zwischenzeit auch von seiner Schwester bei ihren Besuchen bei den Eltern genutzt wurde. Vom Beschwerdeführer wurde das Wohnzimmer, das Bad und WC im Haus der Eltern mitbenutzt. Im streitgegenständlichen Zeitraum wurde vom Beschwerdeführer kein Kostgeld an seine Eltern bezahlt.

In den streitgegenständlichen Jahren verfügte der Beschwerdeführer über keinen Wohnsitz iSd. § 26 BAO im Inland.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen hinsichtlich des Geburtsdatums, der Staatsbürgerschaft, der Familien- und Arbeitsverhältnisse des Beschwerdeführers basieren auf den vorgelegten Aktenteilen, auf der Einsichtnahme des Gerichtes in das Abgabeninformationssystem des Bundes sowie auf den Aussagen des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung. Sie sind zwischen den Parteien unstrittig und ergaben sich es auch für das Bundesfinanzgericht keine Anhaltspunkte, diese in Zweifel zu ziehen.

Keine Feststellung konnte das Bundesfinanzgericht hinsichtlich des zugrundeliegenden Dienstvertrages treffen, da dieser trotz Aufforderung sowohl der belangten Behörde als auch des Bundesfinanzgerichtes dem Bundesfinanzgericht nicht vorgelegt wurde.

Aufgrund der Eintragungen im Zentralen Melderegister, der vorgelegten Mietverträge, des Kaufvertrages vom , der vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Belege und des Vorbringens des Beschwerdeführers, welches sich auch mit der glaubwürdigen Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung deckt, wurden die Feststellungen betreffend die Wohnverhältnisse des Beschwerdeführers getroffen.

Die weiteren Feststellungen hinsichtlich des Umzuges des Beschwerdeführers, die Umstände bei seinen Besuchen in Österreich und eines fehlenden inländischen Wohnsitzes gründen auf folgenden Überlegungen: Das Beweisverfahren im Abgabenrecht wird vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung beherrscht (§ 167 BAO). Das hat zur Folge, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Randordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz, BAO- Kommentar, Tz 2 zu § 166, Tz. 6 und 8 zu § 167 mwN).
Der Senat sah aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens keine Veranlassung, von einem Wohnsitz des Beschwerdeführers in Österreich auszugehen. Denn der Senat schenkte den Ausführungen des Beschwerdeführers Glauben, dass er bei seinem Umzug in die Schweiz den Großteil seiner persönlichen Sachen mitnahm. Unter Bedachtnahme darauf, dass er in der Schweiz einen unbefristeten Mietvertrag für eine 2,5 Zimmer Wohnung abschloss, geht der Senat davon aus, dass er den bis dahin von den Eltern abgeleiteten Wohnsitz in Österreich aufgab. Für diese Annahme spricht auch, dass das Tunnelbauprojekt ***T1***, bei welchem der Beschwerdeführer tätig war, für einen längeren Zeitraum, nämlich bis 2015 geplant war. Für den Senat war es nachvollziehbar und glaubhaft, dass der Beschwerdeführer als ein volljähriges Kind mit eigener Wohnung im Ausland seine Eltern gelegentlich besuchte, hierfür sich bei seinen Eltern jedoch telefonisch erkundigte, ob der von ihm ins Auge gefasste Besuchstermin für die Eltern passte, und sich ihre Zustimmung für die Benützung des Elternhauses während seines Aufenthaltes in Österreich einholte. Im Einklang hierzu stehen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach das ehemalige Kinderzimmer seit Umzug des Beschwerdeführers auch von der Schwester als Übernachtungsmöglichkeit bei ihren Besuchen der Eltern diente und der Beschwerdeführer über keinen Schlüssel für das Haus der Eltern verfügte.
Aus dem Umstand, dass die Eltern die Besuchsanfragen des Beschwerdeführers nie ablehnten, kam der erkennende Senat entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer einem inländischen Wohnsitz habe, war doch den glaubwürdigen Ausführungen des Beschwerdeführers zu folge die Hauptintention des Beschwerdeführers für seine Besuche in Österreich seine Eltern zu treffen. In Zusammenschau mit der Aussage des Beschwerdeführers in der Verhandlung, dass er seine Besuche nach den Terminen der Eltern richtete, ging das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Besuchstermine von beiden Seiten aus akkordiert waren.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 26/2009 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat nach § 26 Abs. 1 BAO jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Artikel 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen StF: BGBl. Nr. 64/1975 (in der Folge: DBA-CH) normiert folgendes:
1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.
2. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes:
a) Die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
b) Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
c) Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragstaaten oder in keinem der Vertragstaaten, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.
d) Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragstaaten oder keines Vertragstaates, so verständigen sich die zuständigen Behörden der Vertragstaaten gemäß Artikel 25.

Einleitend ist festzuhalten, dass Doppelbesteuerungsabkommen bloß eine Schrankenwirkung insofern entfalten, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird. Die Frage, ob eine Person in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, richtet sich nicht nach Doppelbesteuerungsabkommen, sondern ausschließlich nach den inländischen steuerrechtlichen Vorschriften ( mwN).

Es ist sohin nach innerstaatlichem Recht zu prüfen, ob im streitgegenständlichen Fall unbeschränkte Steuerpflicht besteht, ob also der Beschwerdeführer im Streitzeitraum einen Wohnsitz in Österreich hatte.

Das Bestehen eines Wohnsitzes ist steuerrechtlich stets an die objektive Voraussetzung des Besitzes - hier gleichbedeutend mit dem Innehaben - einer Wohnung geknüpft. Der Wohnsitzbegriff des Steuerrechtes knüpft an die tatsächliche Gestaltung der Dinge an. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (, mwN).

Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, das heißt, dass er die Wohnung grundsätzlich jederzeit für eigene Wohnzwecke nutzen kann, ohne die Zustimmung einer anderen Person einholen zu müssen (Marschner in Jakom EStG, 17. Aufl. (2024), § 1, III., RZ 30).

Das fallweise, wiederkehrende Wohnen bei der Mutter, bei dem ein Zimmer auf Grund einer jeweiligen Willensentscheidung der Mutter zur Verfügung gestellt wird, stellt kein Innehaben einer Wohnung iSd § 26 Abs. 1 BAO dar (; -I/04).

Im gegenständlichen Fall verlegte der Beschwerdeführer festgestelltermaßen seinen Wohnsitz 2011 von seinem Elternhaus in Österreich in die Schweiz, wo er durch den Bezug seiner 2,5 Zimmer Wohnung, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entsprach, erstmals einen eigenen Hausstand gründete. In Österreich verfügte er somit über keinen eigenen Hausstand, sondern hatten lediglich die Eltern des Beschwerdeführers in Österreich ihren Wohnsitz, welche er regelmäßig besuchte.
Das ehemalige Kinderzimmer, das der Beschwerdeführer während seiner Besuche in Österreich bewohnte, vermittelte ihm keinen Wohnsitz in Österreich, da es ihm nach dem festgestellten Sachverhalt erst nach der jeweiligen Willensentscheidung der Eltern zur Verfügung stand. Im Übrigen stand das ehemalige Kinderzimmer nicht ausschließlich ihm zur Verfügung, da es bei Aufenthalten der Schwester ebenfalls von ihr als Gästezimmer genutzt wurde und er für das Elternhaus keinen Schlüssel besaß.
Dass der Beschwerdeführer ein Bankkonto in Österreich und ein österreichisches Wertkartenhandy besaß, war für die Beurteilung, ob ein österreichischer Wohnsitz im Sinnes des § 26 BAO gegeben ist, nicht von Bedeutung.

Da sohin ein Wohnsitz im Sinn des § 26 Abs. 1 BAO in Österreich nicht ableitbar ist, fehlt es an einem in Österreich bestehenden Anknüpfungspunkt für das Besteuerungsrecht der Republik Österreich für die ausländischen Einkünfte. Eine unbeschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 2 EStG 1988 ist somit zu verneinen.

Mangels inländischem Wohnsitz kommt es auch nicht darauf an, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet (Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-CH). Auf das Vorbringen der belangten Behörde bzw. des Beschwerdeführers zu diesem Punkt war daher nicht weiter einzugehen. Ebenso kann eine Auseinandersetzung zur strittigen Nichtberücksichtigung der Werbungskosten bzw. von Sonderzahlungen unterbleiben.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ließ sich im vorliegenden Erkenntnis von der im Erkenntnis zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur leiten, weshalb die Revision an den VwGH nicht zuzulassen war. Schließlich ist zur Frage des Wohnsitzes bzw. dessen Aufgabe allgemein darauf zu verweisen, dass eine in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung des Bundesfinanzgerichts der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht zugänglich ist. Ob die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Nachweis bzw. der Glaubhaftmachung des Wohnsitzes bzw. der Wohnsitzaufgabe in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ( mwN), weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100581.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at