Lebensmittelpunkt in Österreich für einen Teil des Rückforderungszeitraumes nicht als glaubhaft angesehen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des (damaligen) Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (jetzt FA Österreich) vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Jänner 2015 bis Februar 2017, ***1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Rückforderungszeitraum wird auf die Monate Februar 2016 bis Februar 2017 eingeschränkt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist slowakische Staatsbürgerin.
Sie war bis in Österreich beschäftigt. Nach der Kündigung bezog sie Krankengeld, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.
Das Kind ***2*** ***9*** wurde am ***3*** in der Slowakei geboren.
Sowohl die Bf. als auch das Kind waren im Rückforderungszeitraum durchgehend in Österreich gemeldet.
Die Bf. bezog bis in Österreich Wochengeld.
Die Bf. bezog bis in Österreich Kinderbetreuungsgeld und waren daher sie und das Kind in diesem Zeitraum in Österreich versichert.
Ab bezog sie in der Slowakei Elterngeld.
Am richtete die WGKK an die belangte Behörde das Ersuchen, den Anspruch der Bf. auf Familienbeihilfe zu überprüfen, da sie lt. einer Mitteilung der slowakischen Behörden von ***3*** bis sowie ab in der Slowakei gemeldet gewesen sei. Aus diesem in Übersetzung beigefügten Schreiben geht weiters hervor, dass die Bf. ab in der Slowakei Elterngeld bezog und zwar auf Grund der Beschäftigung des Kindesvaters ***9*** in der Slowakei seit 2011 ("wobei der Anspruch auch schon früher gegeben gewesen wäre, wenn sie früher einen Antrag gestellt hätte").
Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***2***, geb. ***3*** den Zeitraum Jänner 2015 bis Februar 2017 von der Beschwerdeführerin (Bf.) zurückgefordert. Als Begründung wurde ausgeführt, dass die Bf. abverlangte Unterlagen nicht vorgelegt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , mit der die Bf. diverse Unterlagen vorlegte und zwar:
Folgende Seiten aus dem Österreichischen Mutter-Kind-Pass:
, Stempel Kinderärztin Wien und Unterschrift "unleserlich", ***4***
4.-7. LW, , Stempel Kinderärztin Wien, Unterschrift "unleserlich", ***4***
3.-5 LM, Kinderärztin Wien, ohne Datum
7.-9. LM, , Kinderärztin Wien
10.-14 LM, , Kinderärztin Wien
Anmeldebescheingung, Kursbesuchsbestätigung Deutsch/2012, Arbeitsbestätigung -, Bezugsbestätigung AMS, Meldebestätigung 1220 Wien, ***13***. 1-39/20/8 seit und wieder ab , eidestattliche Erklärung von zwei in Wien wohnenden Freundinnen, Fr. ***5*** und Fr. ***6***, dass sie die Bf. seit 2012 bzw. 2013 kennen und bis 2017 bei diversen Amtswegen begleitet haben
Inhaltlich brachte die Bf. vor:
Ad Meldungen: Ab Einreise 2011 bis : 1110 Wien, ***7*** gemeinsam mit Fr. P., ab , ab Jänner 2014 ein Zimmer bei einer Freundin, dann bei einem Herrn, von dem sie wegen dessen Alkoholproblemen ausziehen musste, wieder bei der Freundin gemeinsam mit ihrem Sohn bis Februar 2017.
Ad Beschäftigung: bis bei "***8***", dann Kündigung wegen Krankenstand, Arbeitslosengeld
Ad Schwangerschaft und Lebensmittelpunkt: - Mutterschutz, ***3*** Geburt des Sohnes in der Slowakei, der Bruder sei ihr eine große mentale Hilfe gewesen. Nach der Geburt sei sie nach Wien zurückgekehrt. Ihr sei die Anmeldebescheinigung für den Sohn ausgestellt worden, Familienbeihilfe gewährt und nach Antrag am Kinderbetreuungsgeld von der WGKK gewährt worden.
Solange sie mit ihrem Sohn in Österreich gemeldet gewesen sei, bis Februar 2017, habe sie ihren Lebensmittelpunkt in Österreich gehabt.
Sie habe auch ihren Freundes-und Bekanntenkreis in Österreich gehabt. Namentlich genannte Freundinnen könnten beweisen, dass sie sich in Österreich aufgehalten habe.
(dazu wurden die o.a. eidesstattlichen Erklärungen vorgelegt)
Wörtlich wird vorgebracht:
"Nachdem ich den Druck nicht mehr ausgehalten habe und mir die Leistung aus der WKGG -
Kinderbetreuungsgeld eingestellt wurde und somit auch die Krankenversicherung für uns
beide, kehrte ich mit meinem Sohn in die Slowakei zurück. Mein Bruder mit seiner Familie
hat uns am Anfang geholfen……………."
Am erging an die Bf. eine Vorhalt, wonach für die Beschwerdeerledigung noch folgende Unterlagen erforderlich seien:
"Alle Kontoauszüge von Ihnen ab 10/2014-2/2017 lückenlos
Meldenachweis des Kindes ab 2/17-lfd (SK oder Ö?); Wiegekarte des Kindes
Nachweis über Mutter-Kind-Pass Untersuchungen ab 5/16
von Österreich (wann bis wann ?)
E 9 Formular 2015-2017 von Ihnen von SK."
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom wiederum mit der Begründung abgewiesen, dass die abverlangten Unterlagen nicht vorgelegt worden seien und die Bf. somit ihre Mitwirkungspflicht gem. § 115 BAO verletzt habe.
Am stellte die Bf. einen Vorlageantrag, in dem sie vorbrachte, nie ein Ergänzungsersuchen erhalten zu haben. Weiters stellte sie den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Dieser Antrag wurde mit Schreiben der Bf. vom zurückgezogen.
Zu den abverlangten Unterlagen wurde ausgeführt:
"1. Zu meinen Kontoauszügen vom 2014 - 2017 teile ich Ihnen folgendes mit: Ich habe
mich wirklich bemüht, zu diesen Kontoauszügen zu kommen. Meine ehemalige Bank
teilte mir mit, dass sie mir die Kontoauszüge per E-Mail senden werden. Bevor sie es
machen, werden sie mich informieren ob es kostenpflichtig ist oder nicht. Im Falle,
dass sie kostenpflichtig wären, hängt es einfach von der Summe ab. Denn es kann
wirklich sehr teuer sein. Ich werde die Finanzbehörde auf jeden Fall darüber
informieren.
2. Meldezettel aus der Slowakei von meinem Sohn seit Februar 2017 lege ich bei.
3. Wiegekarte bzw. Bestätigung von Kinderarzt seit Mai 2016 lege ich bei.
4. Mutterkindpass aus Österreich lege ich bei
5. Formular E9 für das Jahr 2015 bis 2017 wird nachgesendet, da ich erst den Antrag
beim unsere Steuerbehörde stellen müsste"
Zu der "Wiegekarte" ist zu bemerken, dass die Bf. Kopien aus lt. handschriftlichem Vermerk "Zdravotny Zaznam" (wörtlich übersetzt "Krankenakte") vorlegte. Das erste darauf ersichtliche Datum ist der in Stempelform, gefolgt vom und mehrere Einträge aus dem Jahr 2017.
Im Vorlagebericht der belangten Behörde vom wird folgender Sachverhalt festgestellt:
"Die Bf., eine slowakische Staatsbürgerin, reiste im Jahr 2011 nach Österreich ein. Während ihrer Aufenthalte in Österreich lebte Sie bei Freundinnen und Bekannten und meldete sich auch an deren Adressen an.
Vom bis war die Bf. bei ***17*** als Stubenmädchen beschäftigt. DiesesArbeitsverhältnis wurde, nach Angaben der Bf., aufgrund eines langen Krankenstandes vom Arbeitgeber aufgekündigt.
Am ***3*** wurde der Sohn der Bf., ***9*** ***2***, in der Slowakei geboren. Die Bf. lebte direkt nach der Geburt bei ihrem Bruder in der Slowakei.
Der Kindesvater, ***9*** ist und war in der Slowakei wohnhaft. Seit übt er auch eine Erwerbstätigkeit in der Slowakei aus. Ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kindesvater bestand nicht.
Im Rahmen der Mutter-Kind-Untersuchungen wurden im Jahr 2015 fünfmal Ärzte in Österreich besucht.
***9*** ***2*** war von ***3*** bis in der Slowakei gemeldet. Vom bis war er an einer österreichischen Adresse gemeldet. Ab. wurde er wieder an einer slowakischen Adresse angemeldet.
Im Zeitraum ***3*** bis war das Kind zudem in der Slowakei krankenversichert. Im Zeitraum bis war er wieder in Österreich krankenversichert. Ab wurde er aber wiederum in der Slowakei angemeldet.
Auch die Bf. meldete sich ab wieder zur slowakischen Krankenversicherung an. Ab wurde ihr zudem in der Slowakei Elterngeld ausgezahlt. "
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. ist slowakische Staatsbürgerin.
Sie hat bis in Österreich gearbeitet.
Danach bezog sie Krankengeld, Arbeitslosengeld und Notstandhilfe.
Am ***3*** kam ihr Sohn ***2*** ***9*** in der Slowakei (***4***) zur Welt.
Von bis bezog sie Wochengeld.
Lt. vorliegendem Auszug aus dem Zentralen Melderegister war die Bf. im Zeitraum bis durchgehend mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Im Detail liegen folgende Meldungen vor:
- , ***11***, 1110 Wien, Unterkunftgeberin ***12*** (P),
- , ***13***., 1220 Wien, Unterkunftgeberin ***14*** (S),
- , ***15***, 1150 Wien, Unterkunftgeber ***16*** (G)
- , ***13***., 1220 Wien, Unterkunftgeberin ***14*** (S).
Im strittigen Zeitraum waren die Bf. und ihr Sohn durchgehend in Wien 1220, ***13*** gemeldet.
Unmittelbar nach der Geburt und nach ihrer Rückkehr in die Slowakei wohnte die Bf. bei ihrem Bruder.
Bis wurde in Österreich Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt. Dann wurde der Bezug eingestellt. Diesbezüglich ist beim Arbeits-und Sozialgericht Wien ein Verfahren anhängig.
Ab bezog die Bf. in der Slowakei Elterngeld. Anspruchsbegründend war für die slowakischen Behörden die Beschäftigung des Kindesvaters Milos ***9***. Dieser arbeitet und lebt ebenfalls in der Slowakei und zwar in der gleichen Stadt wie die Bf. nunmehr.
Ab diesem Zeitpunkt waren sie und das Kind in der Slowakei krankenversichert.
Im Österreichischen Mutter-Kind-Pass finden sich zwei Eintragungen aus ***4*** (Geburtsort des Kindes) und drei weitere Untersuchungen in Wien, zuletzt am .
Ärztliche Untersuchungen in der Slowakei wurden ab Juni 2016 nachgewiesen.
2. Beweiswürdigung
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Gem. § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB. ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132). Ritz, BAO6, § 167 Tz 8).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 2 Abs. 8 FLAG 1967 lautet:
"Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."
Eine Person kann nach der geltenden Rechtsprechung zwar mehrere Wohnsitze haben, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG (vgl. ; ).
Die polizeiliche Ab- und Anmeldung (§ 1 Abs. 1 MeldeG) ist dabei nicht entscheidend () und kann lediglich ein Indiz darstellen bzw. in Zweifelsfällen einen Begründungsanhalt bieten ().
Zunächst stellen die auf die einzelnen Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten ein bedeutsames quantitatives Kriterium dar, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person besteht ().
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem er regelmäßig mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt die Führung eines gemeinsamen Haushaltes voraus ().
Bei einer alleinstehenden, alleinerziehenden Mutter besteht die stärkste persönliche Beziehung zu dem Ort, an dem diese mit ihrem Kind wohnt.
Die der Lebensgestaltung dienenden wirtschaftlichen Beziehungen treten diesfalls hinter diese persönlichen Bindungen eindeutig zurück, weil ihnen in der Regel eine geringere Bedeutung als den persönlichen Beziehungen zukommt (; vgl. zu vor: Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, Rz. 14 ff. zu § 2).
Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Bf. im Zeitraum Jänner 2015 bis Februar 2017 ihren Lebensmittelpunkt in Österreich hatte. Die belangte Behörde stellte dies mit der Begründung in Abrede (siehe den Vorlagebericht vom ), dass die Bf. für die Geburt wieder in die Slowakei zu ihrem Bruder zog und damit die engeren persönlichen Beziehungen zur Slowakei bestünden.
Das Bundesfinanzgericht erachtet jedoch das Vorbringen der Bf. als glaubwürdig, wonach sie sich zwar noch eine Zeit lang nach der Geburt bei ihrem Bruder aufhielt, jedoch dann nach Österreich zurückkehrte. Dafür sprechen zunächst die Mutter-Kind-Pass Untersuchungen bis inkl. November 2015. Die Entfernung von Wien in die Heimatstadt der Bf. (***10***), beträgt lt. Recherche im Internet (google) rund 300 km bei einer rund dreistündigen Fahrzeit. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Bf. diese Strecke mit einem Säugling zwischen (vermutlich) März 2015 (siehe Eintrag im Mutter-Kind-Pass der Österreichischen Kinderärztin ab dem 3. Lebensmonat, aber ohne Datum der Untersuchung) und November 2015 dreimal auf sich nahm um den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich vorzutäuschen.
Auch bezog sie zunächst bis Jänner 2016 Kinderbetreuungsgeld und waren somit sie und ihr Sohn in Österreich versichert und finanziell abgesichert.
Obwohl, wie bereits ausgeführt, die polizeiliche Meldung nur ein Indiz für den Ort, an dem sich der Lebensmittelpunkt allenfalls befindet, ist, ist zu den oben im Detail angeführten Meldungen der Bf. in Wien auszuführen, dass sich diese mit ihren Angaben in der Beschwerde decken. Diese Feststellung betrifft einerseits ihre Aussage,
wonach sie
- ab Jänner 2014 ein Zimmer bei einer Freundin bewohnte (Anm.: Frau S in 1220 Wien)
- bei einem Herrn wohnte, der ein Alkoholproblem hatte und von dem sie ausziehen musste (Anm.: Herr G. in 1150 Wien bis )
- wieder bei der Freundin gemeinsam mit ihrem Sohn wohnte (Anm.: Frau S. in 1220 Wien, ab ).
Es ist verständlich, dass die Bf. für die Geburt und die unmittelbare Zeit danach die familiäre Nähe suchte, das heißt jedoch nicht, dass aus dieser Tatsache der Schluss gezogen werden kann, sie habe ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft in die Slowakei verlegt
Genaue Angaben jedoch, wann sie nach der Geburt des Sohnes und nach der Rückkehr nach Österreich ihren Lebensmittelpunkt endgültig in die Slowakei verlegte, bleibt die Bf. allerdings schuldig. Hinsichtlich dieses Zeitpunktes unterliegt das Vorbringen der Bf. daher ebenfalls der freien Beweiswürdigung durch das Bundesfinanzgericht.
Wie bereits mehrfach ausgeführt kann aus der polizeilichen Meldung bis in Wien allein, nicht der Lebensmittelpunkt in Österreich abgeleitet werden, wie die Bf. offenbar vermeint. Zu den von ihr vorgelegten eidestattlichen Erklärungen 2-er Freundinnen, wonach sie die Bf. kennen und sie auf Amtswegen bis 2017 begleitet haben, ist auszuführen, dass daraus ein Lebensmittelpunkt in Österreich nicht abgeleitet werden kann. Diese Erklärungen gehen weder auf die Wohnsituation ein, noch sind "Amtswege" in Österreich auch nach ihrer Rückkehr in die Slowakei auszuschließen. Im Übrigen ist fraglich, inwiefern die Bf. für diese Zwecke der Hilfe von Freundinnen, insbesondere noch im Jahr 2017, bedurfte, zumal sie bereits seit 2011 in Österreich lebte und von einer gewissen Lebenserfahrung im Umgang mit Behörden auszugehen ist und offenbar der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig ist.
Auf Grund des Akteninhaltes steht unzweifelhaft fest, dass der Bf. bis von der WGKK Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt wurde. Sie und das Kind waren daher (nach dem Bezug von Wochengeld) bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls in Österreich versichert und verfügte die Bf. über gewisse Geldmittel um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Mit wurde die Auszahlung eingestellt, offenbar da der WGKK Zweifel an der Anspruchsberechtigung auf Kinderbetreuungsgeld kamen. Die Bf. verlor somit den Krankenversicherungsschutz für sich und ihr Kind und die Existenzmittel.
Es ist davon auszugehen, dass sie daher aus diesem Grund sich und das Kind ab bei der slowakischen Krankenversicherung anmeldete.
Ab bezog sie slowakisches "Elterngeld", wobei anspruchsbegründend die Beschäftigung des Kindesvaters in der Slowakei war. Die slowakischen Behörden teilten in einem Schreiben aus dem Jahr 2018 an die WGKK mit, dass dieser Anspruch auch schon früher bestanden hätte, wenn ein entsprechender Antrag gestellt worden wäre.
In der Beschwerde brachte die Bf. selbst vor:
Nachdem ich den Druck nicht mehr ausgehalten habe und mir die Leistung aus der WKGG -
Kinderbetreuungsgeld eingestellt wurde und somit auch die Krankenversicherung für uns
beide, kehrte ich mit meinem Sohn in die Slowakei zurück. Mein Bruder mit seiner Familie
hat uns am Anfang geholfen……………."
Auf Grund dieses Vorbringens steht für das Bundesfinanzgericht fest, dass das Ausbleiben finanzieller Mittel und das Ende der Krankenversicherung Anlass für die Bf. waren, Österreich zu verlassen, d.h. den Lebensmittelpunkt hier aufzugeben und in der Slowakei neu zu begründen.
Ein weiteres Indiz dafür, dass die Bf. ihren Lebensmittelpunkt jedenfalls ab Februar 2016 in die Slowakei verlegte sind von ihr selbst dokumentierte Arztbesuche mit dem Kind in der Slowakei ab Juni 2016. Arztbesuche ab 2016 mit dem Kind in Österreich wurden nicht nachgewiesen.
Das Bundesfinanzgericht geht daher auf in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Bf. ab Februar 2016 mit ihrem Kind in der Slowakei lebte, zumal sie dort versichert war, über Existenzmittel und ein entsprechendes familiäres Umfeld verfügte. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang, dass die Bf. zwar offenbar mit dem Kindesvater nicht im gemeinsamen Haushalt lebte, eine gewisse Nahebeziehung aber dennoch bestanden haben muss, war doch dessen Beschäftigung in der Slowakei anspruchsbegründend für das ab gewährte Elterngeld und trägt das Kind der Bf. , obwohl unehelich geboren, dessen Familiennamen. Lt. Recherche im Internet über google.at konnte auf der Website www.sem.admin.ch auf dem Ländermerkblatt für die Slowakische Republik festgestellt werden, dass der Familienname eines unehelich geborenen Kindes mittels Vereinbarung der Eltern festgelegt wird.
Im Übrigen ist auszuführen, dass die Bf., selbst wenn sie und das Kind während des Bezuges von Wochengeld bis in der Slowakei gewohnt hätten, dieser Bezug als eine einer Beschäftigung gleichgestellten Situation im Sinne der VO 883/2004 Beihilfenanspruch bis inkl. März 2015 vermittelt hätte (siehe die dazu maßgeblichen Bestimmungen z.B. im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100190/2014).
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden (§ 33 Abs. 3 EStG 1988).
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob die Beträge zu Unrecht erhalten wurden (siehe z.B. ), d.h. ohne dass dem Bezug ein entsprechender Anspruch zu Grunde liegen würde.
Der Beschwerde war daher für den Zeitraum Jänner 2015 bis Jänner 2016 stattzugeben. Für den Zeitraum Februar 2016 bis Februar 2017 war sie abzuweisen. Die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen erfolgte daher für diesen Zeitraum zu Recht.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, ob die Beschwerdeführerin im vom Rückforderungsbescheid umfassten Zeitraum Jänner 2015 bis Februar 2017 ihren Lebensmittelpunkt im Sinne des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 in Österreich hatte, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die der Revision nicht zugänglich ist.
Hinsichtlich der Frage, wie "Lebensmittelpunkt" im Sinne des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 zu definieren ist, liegt bereits Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor und weicht das gegenständliche Erkenntnis nicht von dieser Rechtsprechung ab. Gleiches gilt für die in § 26 FLAG 1967 normierte Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Beihilfe.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt somit nicht vor, sodass die (ordentliche) Revision auszuschließen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7106298.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at