Rückforderung der Familienbeihilfe wegen Überschreitens der Einkommensgrenze des § 5 Abs. 1 FLAG 1967
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike Stephan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 01.2023-10.2023 SV-Nr. ***Z*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde betreffen Familienbeihilfe wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die Rückforderung an Familienbeihilfe beträgt € 584,91.
II. Der Beschwerde betreffend Kinderabsetzbetrag wird stattgegeben.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***1***, SVNr. ***X*** für den Zeitraum Jänner 2023 bis Oktober 2023 zurückgefordert.
Begründet wurde dieser Bescheid wie folgt:
"Hat ein Kind ab dem Kalenderjahr seines 20. Geburtstages ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 15.000 Euro, wird die Familienbeihilfe gekürzt oder fällt weg (§ 5 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988; gültig für Anspruchszeiträume ab Jänner 2020)."
2. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Beschwerde vom mit folgender Begründung:
"Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG iVm § 33 Abs. 1 EStG bleibt jenes Einkommen, das nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außer Betracht.
Nachdem ich am den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe bekanntgegeben habe, habe ich am die Mitteilung erhalten, dass festgestellt wird, dass ich nur bis Oktober 2023 Anspruch auf Familienbeihilfe habe. Diese Mitteilung lege ich als Nachweis der Beschwerde bei.
Im Zeitraum, in dem Anspruch auf Familienbeihilfe bestand (Jänner bis Oktober 2023), hat mein Sohn die Zuverdienstgrenze nicht überschritten, vielmehr erzielte er in dem relevanten Zeitraum eine Lohnsteuerbemessungsgrundlage iHv € 14.202,63 (dies ohne die Werbungskosten, die meinem Sohn durch sein Studium entstanden sind).
Ich beantrage daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Erlassung eines neuen Bescheides, mit dem meinem Beschwerdevorbringen Rechnung getragen wird."
3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründung:
"Ein grundsätzlicher Anspruch auf Familienbeihilfe für Ihr Kind bestand für das ganze Jahr 2023. Auf Grund Ihrer Meldung des Wegfalls der Familienbeihilfe (zwecks vermeintlicher Vermeidung der Überschreitung der Einkommensgrenze) wurde die Familienbeihilfe nur bis Oktober 2023 ausbezahlt. Für die Berechnung des Grenzbetrages kommen aber nicht die Anzahl der Monate, für welche Familienbeihilfe ausbezahlt wurde, zum Tragen, sondern sind die Anzahl der Monate für welche ein grundsätzlicher Anspruch auf Familienbeihilfe besteht - also Jänner bis Dezember 2023 -, maßgeblich.
Da Ihr Kind im Jahr 2023 somit die Einkommensgrenze von 17.096,40 € überschritten hat, erfolgte die Rückforderung der Familienbeihilfe zu Recht."
4. Mit Schreiben vom wurde die Vorlage zur Entscheidung der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt.
"Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens von ***1*** (SVNR ***X***) wurde nicht berücksichtigt, dass für das Jahr 2023 noch keine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt wurde. Die Arbeitnehmerveranlagung wird zeitnahdurchgeführt.
Nach dem Ausstellendes Einkommenssteuerbescheides für 2023 ersuche ich um neuerliche Prüfung des zu versteuernden Einkommens und um Änderung des Rückforderungsbescheides.
[…]
Ich verweise auf die Ausführungen in meiner Beschwerde und beantrage diese dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen."
5. Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1. Der Sohn der Beschwerdeführerin, ***1***, SVNr. ***X*** ist im Juli 2000 geboren und vollendet im Juli 2024 das 24. Lebensjahr.
2. Die Beschwerdeführerin hat für ihren Sohn im Zeitraum von Jänner bis Oktober 2023 Familienbeihilfe i.H.v. insgesamt € 1.747,00 und Kinderabsetzbeträge i.H.v. insgesamt € 618,00 bezogen (siehe Abfrage der Leistungen aus der Datenbank FABIAN). Im September 2023 hat die Beschwerdeführerin den Wegfall des Anspruchs auf Familienbeihilfe bekannt gegeben (wegen Überschreitung der Einkommensgrenze).
3. Der Sohn der Beschwerdeführerin hat den Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik im September 2020 begonnen und im November 2023 beendet. Sodann hat er den Masterstudiengang Data Science begonnen (siehe Studiendaten aus der Datenbank FABIAN und Angaben der Beschwerdeführerin auf dem Formular FB070 vom ).
4. Der Sohn der Beschwerdeführerin bezog im Kalenderjahr 2023 ein Einkommen iHv € 15.934,31 (siehe Einkommensteuerbescheid vom ). Er war das gesamte Jahr hindurch beschäftigt (siehe Lohnzettel 2023 des Sohnes).
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und ist nicht strittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
1. § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) bestimmt (auszugsweise):
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. […]
2. Nach § 5 Abs. 1 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 109/2020 führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes bis zu einem Betrag von € 15.000,00 in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von € 15.000,00, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den € 15.000,00 übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleibt gemäß § 5 Abs. 1 lit a FLAG 1967 das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, außer Betracht.
Es ist eine ex-post-Betrachtung zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres anzustellen (vgl. ). Dabei sind alle in dieses Kalenderjahr fallenden Zeiten zu berücksichtigen für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, auch wenn diese Zeiten verschiedene Berufsausbildungen betreffen (). Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, dass nicht nur das in den Monaten Jänner bis Oktober erzielte Einkommen zur Berechnung des Grenzbetrages heranzuziehen ist, sondern das Einkommen des gesamten Jahres 2023, da auch für das gesamte Jahr Anspruch auf Familienbeihilfe bestand (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 5 Rz 1).
Kann auf Grund der Höhe des Einkommens die Einschleifregelung des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 nicht mehr angewendet werden und fällt deshalb die Familienbeihilfe zur Gänze weg, steht auch kein Kinderabsetzbetrag mehr zu. Eine allfällige Rückforderung würde dabei sowohl die Familienbeihilfe als auch den Kinderabsetzbetrag umfassen (siehe Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 2504 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP, S 3 zur Änderung des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 durch das ARÄG 2013, BGBl I Nr. 138/2013).
3. Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967 auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung; ebenso, ob der Bezieher diese im guten Glauben entgegengenommen hat. Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt. Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen).
Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).
4. Fest steht, dass der Sohn der Beschwerdeführerin das gesamte Kalenderjahr 2023 Anspruch auf Familienbeihilfe - und damit auch auf den Kinderabsetzbetrag - hatte.
Fest steht auch, dass der Sohn der Beschwerdeführerin im Kalenderjahr 2023 ein Einkommen i.H.v. € 15.934,31 erzielte.
Der grundsätzliche Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 2 FLAG 1967 für dieses Kalenderjahr, das sind 2.096,40 Euro (12 x 174,70 Euro), wovon an die Beschwerdeführerin die Monate Jänner bis Oktober (das sind € 1.747,00) tatsächlich ausbezahlt wurden., vermindert sich nach der zitierten "Einschleifregelung" des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 um den Betrag, um den das tatsächliche Einkommen den Betrag von 15.000,00 Euro überschritten hat, somit um einen Betrag von 934,31 Euro.
Grundsätzlicher Anspruch auf Familienbeihilfe 01-12/2023 € 2.096,40
- abzüglich Einschleifbetrag € 934,31
= tatsächlicher Anspruch auf Familienbeihilfe € 1.162,09
ausbezahlte Familienbeihilfe € 1.747,00
Rückforderungsbetrag Familienbeihilfe€ 584,91
5. Kinderabsetzbetrag § 33 Abs. 3 EStG
Da sich das Einkommen des Sohnes der Bf. innerhalb der Einschleifspanne des § 5 Abs. 1 FLAG befindet, sohin Familienbeihife (wenn auch in eingeschliffener Form) gewährt wurde, steht der Kinderabsetzbetrag zu. Die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages erfolgte damit zu Unrecht.
Der Beschwerde war aus oben genannten Gründen teilweise stattzugeben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrundeliegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 5 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100327.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at