Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2024, RV/7104988/2019

Zuzugsfreibetrag - keine Berücksichtigung nicht regelmäßiger Bezugsteile beim Mindestentgelt für die Blaue Karte EU

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dieter Fröhlich über die Bescheidbeschwerde des ***Bf1***, X1 geboren, StNr. ***BF1StNr1***, Adr wohnhaft, vom , gegen den Abweisungsbescheid des Bundesministers für Finanzen vom betreffend den Antrag vom auf Zuerkennung eines Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Der Bundesminister für Finanzen hat mit Bescheid vom den Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge Bf.) auf Zuerkennung eines Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 für den Zeitraum bis aus folgenden Gründen abgewiesen: Der ***Bf1*** habe 2017 sein Masterstudium abgeschlossen. Andere wissenschaftliche Leistungen oder Forschungstätigkeiten seien nicht dargelegt worden. Mit habe der ***Bf1*** als "Verification Engineer" eine Anstellung in einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei der AG angetreten. Aus diesem Grunde habe der ***Bf1*** mit seinen Hauptwohnsitz von Italien nach Österreich verlegt. Für seine nichtselbständige Tätigkeit bei AG habe der ***Bf1*** laut Dienstvertrag ein monatliches All-in-Pay-Entgelt Euro 3.770 erhalten. Zudem habe der ***Bf1*** wegen des Umzuges vom Dienstgeber ein einmaliges Umzugskostenpauschale von Euro 3.500 erhalten.

Laut Bestätigung der Firma AG vom seien die an den ***Bf1*** ausbezahlten Vergütungen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG 1988 gewesen.

Es sei somit erwiesen, dass die Bruttobezüge des ***Bf1*** unter der Grenze für die Blaue Karte EU für das Jahr 2018 von Euro 60.948 gelegen sind. Der ***Bf1*** falle deshalb nicht unter die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016 - bei deren Tatbestanderfüllung das öffentliche Interesse am Zuzug gesetzlich vermutet wird. Es habe daher eine materielle Einzelfallbeurteilung nach § 2 Abs. 1 ZBV 2016 zu erfolgen gehabt.

Zur Beurteilung des öffentlichen Interesses nach § 2 Abs. 1 ZBV 2016 sei auf der Grundlage des Vorbringens des ***Bf1*** am gemäß § 8 ZBV 2016 eine sachverständige Stellungnahme der Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft - FFG eingeholt worden. In der Stellungnahme vom sei die FFG zu dem Ergebnis gelangt, dass ein öffentliches Interesse am Zuzug des Antragstellers zur Förderung der Wissenschaft und Forschung im Sinne des § 103 EStG nicht gegeben sei, da die Sachverhaltsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 ZBV 2016 nicht vorliegen würden.

Gegen diesen Abweisungsbescheid erhob der ***Bf1*** mit Anbringen vom rechtzeitig und formgerecht Bescheidbeschwerde und wandte ein, dass lt. dem beigeführten Lohnzettel er im Jahr des Zuzuges 2018 ein Bruttojahresgehalt von € 19.483 für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2018 erhalten habe. Diese Bezüge würden über dem aliquoten Anteil des Jahresbruttogehaltes für die Blaue Karte EU gemäß § 12c Ausländerbeschäftigungsgesetz liegen. Das Jahresmindestgehalt für die Blaue Karte EU habe im Jahr 2018 Euro 60.984 betragen. Für den maßgebenden Zeitraum des Zuzuges im Jahr 2018 von 99 Tagen ergebe sich somit ein anteiliger Mindestbezug von € 16.540. Da neben dem monatlichen All-In-Bezug von € 3.770 sowie dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld der ***Bf1*** im Jahr 2018 auch eine Umzugspauschale von € 3.500 erhalten habe, sei dieser maßgebende Mindestbezug überschritten worden.

Mit Vorlagebericht vom wurde vom Bundesminister für Finanzen gemäß § 262 Abs. 4 iVm § 265 Abs. 1 BAO die Bescheidbeschwerde mitsamt den bezugshabenden Verwaltungsakten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und folgende Stellungnahme abgegeben:

"An der Rechtmäßigkeit der Abweisung des Antrages auf Zuzugsfreibetrag vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Bf neben dem All-In-Pay-Entgelt noch weitere nicht regelmäßige Zahlungen - insbesondere eine Umzugskostenpauschale - erhielt. Aus einem vom BMF eingeholten Informationsschreiben des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vom geht klar hervor, dass in die Bruttoentlohnung für die Blaue Karte EU nur regelmäßig gebührende Zulagen sowie Pauschalen und Sachbezüge, auf die ein arbeitsrechtlicher Anspruch besteht, miteinzurechnen sind, da diese als fixer Bestandteil der Entlohnung gelten. Daraus folgt, dass Kostenersätze, Überstunden und unregelmäßige Einmalzahlungen daher nicht anzurechnen sind. Vor diesem Hintergrund wären im gegenständlichen Fall für Zwecke der Berechnung des maßgeblichen Gehalts die weiteren unregelmäßigen Zahlungen an den ***Bf1*** nicht miteinzuberechnen.

Ferner wäre über diese Standardfallprüfung hinaus das öffentliche Interesse am Zuzugs des ***Bf1*** auch in einer Einzelfallprüfung klar zu verneinen, so wie dies auch der entsprechenden Stellungnahme der FFG vom entspricht."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Feststeht, dass der ***Bf1*** am seinen Lebensmittelpunkt von Italien nach Österreich verlegt hat, wegen der am begonnenen Berufstätigkeit in einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung der AG. Unstrittig ist auch, dass die regelmäßigen Bezüge des ***Bf1*** im Jahr des Zuzuges 2018 in einem monatlichen All-In-Gehalt von € 3.770 sowie anteiligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld (€ 950) bestanden haben. Außerdem hat er ein einmaliges Umzugskostenpauschale von € 3.500 sowie einen einmonatigen Wohnungssachbezug von € 1.199 erhalten.

Die FFG stellte in ihrer sachverständigen Stellungnahme begründet und nachvollziehbar dar, dass der ***Bf1*** erst am Anfang einer möglichen Karriere im Forschungs- und Entwicklungsbereich steht, jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch über keine ausreichende Forschungserfahrung und Wissenschaftserfolge verfügt, sodass seine in Österreich aufgenommene Tätigkeit nicht im öffentlichen Interesse für Wissenschaft und Forschung im Sinne des § 2 Abs. 1 Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 gelegen ist.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist aktenkundig und steht nicht in Streit.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist allein die Rechtsfrage, ob das an den ***Bf1*** 2018 ausbezahlte Umzugskostenpauschale und der Sachbezug für die im ersten Monat zur Verfügung gestellte Unterkunft in die Berechnung des Bruttojahresbezuges für die Blaue Karte EU gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 iVm. § 12c AuslBG einzubeziehen sind.

Diese Rechtsfrage hat der VwGH in einem identischen Fall im Sinne der Rechtsauffassung der belangten Behörde entschieden. In dem Erkenntnis, Ra 2022/13/0044 vom führt der VwGH dazu Folgendes aus:

"§ 2 Abs. 2 der ZBV 2016 sieht drei Fälle vor, bei denen ein Zuzug eines Wissenschafters bzw. Forschers jedenfalls als im öffentlichen Interesse gelegen anzusehen ist. Im Revisionsfall sind die Z 1 und Z 2 des zitierten Absatzes unstrittig nicht erfüllt. Strittig ist vielmehr, ob der Mitbeteiligte ein ausreichendes Gehalt im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016 erhält und damit ein der Förderung der Wissenschaft und Forschung dienende Zuzug aus dem Ausland, der jedenfalls im öffentlichen Interesse liegt, gegeben ist.

§ 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016 verlangt, dass die dem Zuziehenden gezahlten Vergütungen Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG 1988 darstellen und mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt erreichen. Die erste Voraussetzung ist im Revisionsfall unstrittig erfüllt.

Für die notwendige Höhe der Vergütungen bedient sich der Verordnungsgeber eines Verweises auf die Blaue Karte EU und damit im Ergebnis auf § 12c AuslBG. Das erforderliche anteilige Bruttojahres-Mindestgehalt für die Blaue Karte EU beträgt nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts für das Jahr 2019 53.906 €. Allein mit den Grundbezügen und den Sonderzahlungen wird nach diesen Feststellungen der Grenzbetrag nicht erreicht.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem Bundesfinanzgericht nicht beizupflichten, wenn es vermeint, es komme nach dem Normtext für die Berechnung nach § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016 nicht darauf an, ob der zugezogene Wissenschaftler mit den ihm zu bezahlenden Vergütungen die Blaue Karte EU erhalten könne. Der Verordnungsgeber bedient sich gerade des Verweises auf die Blaue Karte EU, um hier eine Verknüpfung zwischen dem erforderlichen Bruttoentgelt für die Blaue Karte EU und dem Zuzugsfreibetrag herzustellen. Mit der Blauen Karte EU sollen hochqualifizierte Arbeitnehmer einen erleichterten Aufenthaltstitel in Österreich erhalten. Das dafür erforderliche Mindestentgelt, das im Revisionszeitraum dem anderthalbfachen des durchschnittlichen Bruttojahresgehalts von Vollzeitbeschäftigten entsprach, trägt dem Umstand Rechnung, dass ausschließlich hochqualifizierte Arbeitskräfte und für die Zuzugsbegünstigung hochqualifizierte Wissenschaftler und Forscher eine begünstigte Behandlung erfahren sollen. Wenn der Arbeitgeber bereit ist, derart hohe (überdurchschnittliche) Gehälter zu bezahlen, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen hochqualifizierten Wissenschaftler/Forscher handelt. Dies wird auch in den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf zur ZBV 2016 angegeben, die von einer formellen Anknüpfung sprechen, die einem ökonomischen Vollzug dienen soll (vgl. auch Kirchmayr/Aumayr in Doralt et al, EStG20, § 103 Tz 13: es sollte durch die Anknüpfung eine Harmonisierung erreicht werden, indem nur eine einheitliche Schwelle beachtet werden muss).

Voraussetzung für die Zuzugsbegünstigung gemäß der Z 3 ist daher, dass der zuziehende Wissenschaftler/Forscher mit den ihm zu bezahlenden Vergütungen die Blaue Karte EU erhalten könnte. Weitere Voraussetzungen der Blauen Karte EU müssen hingegen nicht erfüllt sein.

Durch die Anknüpfung an das anderthalbfache durchschnittliche Bruttojahresgehalt eines Vollzeitbeschäftigten, das die hohe Qualifikation des Betreffenden durch eine überdurchschnittliche Entlohnung widerspiegelt, erhellt, dass es sich dabei um das unbedingt zustehende Gehalt handeln muss, in das neben dem Grundgehalt und den Sonderzahlungen auch laufende Sachbezüge (etwa für einen PKW) und laufend gebührende Zulagen einzubeziehen sind. Pauschale Kostenersätze wie ein Umzugskostenaufwand, Reisezuschüsse oder Einmalzahlungen gehören nicht zum laufenden Entgelt und können damit auch nicht einen Zugang zur Blauen Karte EU bzw. zu einer Zuzugsbegünstigung vermitteln. Da für die Gewährung des Zuzugsfreibetrages für die gesamte Dauer (§ 1 Abs. 4 der VO) feststehen muss, dass der Betreffende jedenfalls ein Mindestentgelt in der erforderlichen Höhe erzielen wird, können auch Zahlungen, auf die nur bei der Erfüllung von bestimmten Bedingungen, wie der Erreichung von Leistungszielen, ein Anspruch besteht, in das Mindestentgelt nicht einfließen. Der Dienstgeber muss bereit sein, grundsätzlich das anderthalbfache des durchschnittlichen Bruttoentgelts als Gehalt zu bezahlen, um der hohen Qualifizierung des Zuziehenden Rechnung zu tragen.

Das Bundesfinanzgericht hat somit zu Unrecht die Einmalzahlungen, Kostenersätze und nicht generell gebührenden Zahlungen in die Berechnung des erforderlichen Mindestentgelts einbezogen."

Somit steht fest, dass das einmalige Umzugskostenpauschale sowie der Sachbezug für die kurzfristige zur Verfügungstellung einer Wohnung am Beginn des Zuzuges nicht in die Bemessungsgrundlage für den Erhalt der Blauen Karte EU gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 einzubeziehen sind. Der ***Bf1*** hat daher nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zuzugsfreibetrag gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 iVm der ZBV 2016 erfüllt. Im angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde zu Recht sein Antrag auf Zuerkennung eines Zuzugsfreibetrages abgewiesen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision war für nicht zulässig zu erklären, weil die maßgebende Rechtsfrage im Sinne der zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH gelöst worden ist. Ob der Zuzug des ***Bf1*** im öffentlichen Interesse der Förderung der Wissenschaft und Forschung im Sinne des § 103 Abs. 1a EStG 1988 iVm § 2 Abs. 1 ZBV 2016 gelegen ist, ist eine Tatfrage, bei deren Lösung das ***Bf1*** der schlüssigen, sachverständigen Stellungnahme der FFG gefolgt ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104988.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at