Mangelnde Aktivlegitimation einer Gesellschafterin einer im Konkurs befindlichen OG hinsichtlich Anträgen und Beschwerden betreffend Umsatzsteuerfestsetzung bei der OG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***Vorsitzender1***, den Richter ***Richter1*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***Laienrichterin1*** und ***Laienrichter2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch Mag. Thomas Werner Klein, Kärntner Straße 7B/ 2. OG, 8020 Graz, und ***Beschwerdevertreterin1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages vom wegen Versäumung der Beschwerdefrist gegen die gegenüber der ***OG1*** (Steuernummer ***Steuernummer-OG***) ergangenen Bescheide hinsichtlich Umsatzsteuer 2014 - 2017 vom und Festsetzung der Umsatzsteuer für 1 - 11/2018 vom , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Schriftführerin1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin (BF) einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich Beschwerdeerhebung gegen die jeweils an die ***OG1*** (***OG1***) ergangenen Bescheide vom betreffend Umsatzsteuer 2014 - 2017 sowie vom betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für 1-11/2018. Begründet wurde dieser Antrag zusammengefasst damit, dass die Bescheidbegründung (zu den oa. Umsatzsteuerbescheiden) mit Datum , wenn überhaupt, tatsächlich erst am zugestellt worden sei. Es werde "aus anwaltlicher Vorsicht" die Wiedereinsetzung beantragt, "um ein etwaiges Fristversäumnis, welches mangels Zustellung, aber auch aufgrund der bereits erfolgten Beschwerden ohnedies nicht vorhanden sei, zu heilen."
Als Rechtsmittelwerber der Eingabe sind die einzelnen Beschwerdeführer auf der ersten Seite des Beschwerdeschriftsatzes aufgezählt, wobei die BF an 4. Stelle genannt ist. Als weitere Beschwerdeführer scheinen die ***OG1*** und vier weitere natürliche Personen auf.
Als Vertreter aller Beschwerdeführer wird ein Rechtsanwalt ausgewiesen.
Mit Bescheid vom , welcher aufgrund des zwischenzeitlichen Ablebens des einschreitenden Rechtsanwalts an die BF andressiert und zugestellt wurde, wies die Abgabenbehörde den beschwerdegegenständlichen Antrag zurück. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass in dieser Angelegenheit lediglich der Masseverwalter beschwerdelegitimiert sei und nur ihm das Recht zukomme, eine allfällige Fristversäumnis geltend zu machen.
Dagegen wurde am per Fax (ua.) von der BF im eigenen Namen (und ohne Beiziehung eines berufsmäßigen Parteienvertreters) die gegenständliche Beschwerde erhoben. Neben der BF scheinen wiederum die ***OG1*** sowie vier weitere natürliche Personen - jeweils im eigenen Namen - als Einschreiter auf.
Die Beschwerdeschrift wurde offensichtlich mehrmals eingereicht. Dies ergibt sich insbesondere aus den verschiedenen Uhrzeiten, zu denen die Eingaben per Fax übermittelt wurden und die auf den Köpfen der Eingaben vermerkt sind. Die Eingaben sind - soweit überblickbar - jeweils inhaltsgleich, weisen jedoch entweder gar keine oder nur eine Unterschrift oder mehrere Unterschriften auf. Zusammengefasst wird zum Thema der Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung vorgebracht, Steuersubjekt hinsichtlich der Umsatzsteuer sei nicht die ***OG1***, sondern die Hausgemeinschaft ***Hausgemeinschaft1***. Somit sei der Masseverwalter nicht dazu befugt, in dieser Angelegenheit zu vertreten. Die gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide seien nicht Teil der Masse, weshalb der Masseverwalter kein Vertreter iSd § 80 Abs 1 BAO sei. Da die Erledigungen jedoch unzulässigerweise an den Masseverwalter zugestellt worden seien, gingen diese ins Leere.
Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Adressat der Beschwerdevorentscheidung war die BF. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Masseverwalter zur Geltendmachung einer allfälligen Fristversäumnis betreffend die gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide legitimiert sei. Die BF habe keinen Rechtsnachteil erlitten.
Am wurde dagegen - wiederum mittels mehrerer per Fax eingereichter Eingaben - der Vorlageantrag erhoben. Als (eigenständige) Einschreiterin wird - neben der ***OG1*** und vier weiteren Personen - die BF ausgewiesen.
Am legte die Abgabenbehörde den elektronischen Akt betreffend den bekämpften Zurückweisungsbescheid dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Begründend wurde in der Stellungnahme wie in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt.
Mit Schreiben vom forderte das Bundesfinanzgericht den Masseverwalter auf, bekannt zu geben, ob der BF oder einer anderen Person eine Vertretungsvollmacht für die ***OG1*** zur Beschwerdeerhebung bezüglich der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2014-2017 vom sowie des berichtigten Umsatzsteuerfestsetzungsbescheides 1- 11/2018 vom erteilt wurde, und ersuchte gegebenenfalls um Übermittlung einer Durchschrift.
Daraufhin übermittelte der Masseverwalter am per E-Mail ein (nicht unterfertigtes) Schreiben, in dem ausgeführt wird, dass weder der BF, noch einer anderen Person eine Vollmacht zur Vertretung erteilt worden sei. Es bestehe jedoch kein Einwand dagegen, dass das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Gesellschafterin und/oder der Schuldnerin einer Erledigung in der Sache zuführt.
Im durch den beruflichen Beschwerdevertreter eingebrachten Schreiben vom erstattete die BF außerdem ein ergänzendes Vorbringen zur Sache, in der ausgeführt wurde (die außerdem vorgebrachten Argumente ausschließlich betreffend Feststellungsbescheid werden, sofern nicht zum Verständnis notwendig, hierbei nicht wiedergegeben), der Konkurs über die ***OG1*** sei zu Unrecht eröffnet worden. Es sei jedoch nicht möglich, ein rechtsirrig eröffnetes Konkursverfahren wieder aufzuheben, was einerseits mit der deutschen Insolvenzordnung in Widerspruch stehe und auch mit den Grundrechten der EMRK, der Europäischen Grundrechtecharta und Art 7 B-VG ua. unvereinbar sei.
Da bei den Gesellschaftern der ***OG1***, die nach § 128 UGB zur Solidarhaftung verpflichtet sind, erhebliches Vermögen vorhanden sei, habe zu keinem Zeitpunkt eine Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit der ***OG1*** vorgelegen. Die Überschuldung sei zu Unrecht angenommen worden, da ein Bankschließfach im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwechselt worden sei.
Die Bestimmung des § 3 Abs 1 1. Satz IO sei als verfassungswidrig anzusehen.
§ 2 Abs 2 IO gehe von einem zivilrechtlichen Vermögen bzw. Eigentumsbegriff aus, wobei im Steuerrecht die wirtschaftliche Betrachtungsweise vorherrsche.
Unter Steuerangelegenheiten würden bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise somit jedenfalls auch das "zivilrechtlich" aus dem Insolvenzverfahren ausgeschiedene sowie die Angelegenheiten des § 6 Abs 3 IO fallen, für die der Masseverwalter nicht verantwortlich sei.
In der bisherigen Rspr. sei außer Acht gelassen worden, dass Angelegenheiten, die bereits ex lege nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens seien und für die der Masseverwalter daher nicht verantwortlich sei, sehr wohl Gegenstand des Abgabenverfahrens seien. Ebenso sei weder das Auseinanderfallen von Einkommensteuer- und Umsatzsteuersubjekt im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft, noch das Fortbestehen/Nichtfortbestehen einer Haftung nach § 128 UGB nach Insolvenzeröffnung behandelt worden.
Für den gegenständlichen Fall bedeute dies, dass ausschließlich die Gesellschafterinnen der OG Subjekt der Umsatzsteuer seien.
Obwohl das Insolvenzverfahren kein Erwachsenenschutzverfahren sei, werde ausschließlich der Masseverwalter von den Abgabenbehörden, auch für Veranlagungsjahre vor Insolvenzeröffnung, unrichtig als umsatzsteuerliches (sowie ertragsteuerliches) Steuersubjekt angesehen und sein Verhalten den tatsächlich Betroffenen/Gesellschaftern zugerechnet.
Im gegenständlichen Fall seien nach einem in verfassungswidriger Weise geführten Außenprüfungsverfahren in der OG nach Insolvenzeröffnung, betreffend jedoch Zeiträume vor Insolvenzeröffnung, ohne die für die Umsatzsteuer ohne Haftungsbescheid direkt Haftenden miteinzubeziehen unter Verletzung u.a. von Art 6 EMRK tatsächlich nicht vorhandene Umsätze im Schätzungswege bescheidmäßig festgesetzt worden.
Die Umsatzsteuerbescheide seien den Ertragssubjekten nicht zugestellt worden, sondern ausschließlich dem Masseverwalter, der, wenn überhaupt, nur für das Umsatzsteuersubjekt als Haftungsbeteiligter verantwortlich sei.
Das Ausschließen des tatsächlich Haftungsbeteiligten nach § 128 UGB von der Wahrung seines Teilhaber-/Parteirechtes, obwohl er steuerrechtlich die volle Haftung trage, was sich aus der Anteilszuweisung des § 188 Abs 3 BAO und der Möglichkeit der direkten Exekutionsführung mit Rückstandsausweises, ohne dass es eines Haftungsbescheides bedürfe, ergebe, sei eine unzulässige gleichheits-, EMRK-, EU-Grundrechts und verfassungswidrige Vorgehensweise der Abgabenbehörde.
Der BF komme sohin ein selbständiges Beschwerderecht für die ***OG1*** als Teilhaberin und Haftungsbeteiligte iSd § 128 UGB und § 188 Abs 3 BAO zu.
Am fand die mündliche Verhandlung statt, an der die BF persönlich teilnahm und einerseits durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt, sowie andererseits ***Beschwerdevertreterin1*** vertreten wurde. Letztere ist ebenfalls Gesellschafterin der ***OG1***. Ergänzend zu den bisherigen Vorbringen führte die BF bzw. deren Vertreter zusammengefasst aus, aufgrund ihrer Stellung als persönliche haftende Gesellschafterin der OG sei jedenfalls eine Aktivlegitimation gegeben, zudem die BF selbst sich nicht in Konkurs befinde. Aus § 248 BAO iVm § 260 Abs 2 BAO und dem Umstand, dass die BF nach § 128 UGB als Primärschuldnerin anzusehen sei, somit ohne weiteren Bescheid zur Haftung herangezogen werden könne, ergebe sich, dass sie auch vor Beginn der Rechtsmittelfrist bereits dazu berechtigt sei, den Grundlagenbescheid zu bekämpfen.
Die Vertreterin der belangten Behörde führte aus, mangels Vorliegen eines Haftungsbescheides sei § 248 BAO nicht anwendbar, zudem sei § 260 Abs 2 BAO nicht verletzt, da die Beschwerde der BF mit BVE abgewiesen, somit inhaltlich entschieden worden sei und keine Zurückweisung aufgrund des Nichtbeginnens einer Frist erfolgt sei.
Die Vertreterin der belangten Behörde verwies auf das Parallelverfahren zu ***GZ-Parallelverfahren1***, wo bereits eine Abweisung erfolgt sei, wogegen die BF einwendete, dieses Verfahren sei nicht Akteninhalt des gegenständlichen Verfahrens; außerdem seien im zitierten Verfahren zu Unrecht die Bestimmungen des § 248 BAO iVm § 260 Abs 2 BAO nicht angewandt worden.
Die Vertreterin der BF, ***Beschwerdevertreterin1***, ersuchte um Anleitung, ob sie auch ein inhaltliches Vorbringen zur Umsatzsteuer erstatten solle. Der Vorsitzende erklärte, aufgrund des Umstandes, dass die BF steuerlich vertreten sei, sei keine Anleitungspflicht gegeben, zudem sei lediglich die Frage der Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist verfahrensgegenständlich. Daraufhin rügte die Vertreterin den Umstand, dass keine Anleitung erteilt worden sei, mit der Begründung, dass auch eine vertretene Partei ein Recht auf Manuduktion hätte.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (BF) ist eine von insgesamt fünf unbeschränkt haftenden Gesellschaftern der ***OG1*** (***OG1***). Über das Vermögen der genannten OG wurde mit Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom ***Datum-Konkurseröffnung*** zu ***AZ-Konkurs*** das Konkursverfahren eröffnet. Als Masseverwalter wurde ***Masseverwalter1*** bestellt.
In Folge einer von der Abgabenbehörde durchgeführten Außenprüfung bei der ***OG1*** erließ das Finanzamt die Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015, 2016, 2017 jeweils am sowie den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuerfestsetzung 01-11/2018 vom .
Sämtliche Bescheide wurden an "***Masseverwalter1*** als Masseverwalter im Insolvenzverfahren" der ***OG1*** (zu Handen des bevollmächtigten Vertreters) gerichtet.
Mit der gegenständlichen Eingabe vom hat die Beschwerdeführerin im Umsatzsteuerverfahren der ***OG1*** in eigenem Namen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Versäumung der Beschwerdefrist gegen die obgenannten, gegenüber der ***OG1*** ergangenen, Umsatzsteuerbescheide gestellt.
2. Beweiswürdigung
Der dargestellte Verfahrensgang und hier maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem elektronisch vorgelegten Akt der Abgabenbehörde, den öffentlich einsehbaren Registern (Insolvenzdatei), sowie aus den von der BF eingereichten Schriftsätzen und dem Vorbringen in der durchgeführten mündlichen Verhandlung und ist grundsätzlich unstrittig. Strittig ist die verfahrensrechtliche Frage, ob der BF das Recht auf Beantragung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugestanden ist.
Auf den zugrundeliegenden Anträgen ist die BF neben der ***OG1*** (und vier weiteren Personen) als eigenständigere Beschwerdeführerin bzw. Antragstellerin, und nicht etwa als Parteienvertreterin, angeführt. Weder findet sich sohin ein Hinweis auf eine Bevollmächtigung, noch wurde eine Vollmacht vorgelegt. Auch der Masseverwalter gab an, dass keine Bevollmächtigung vorgelegen habe, was von der BF nicht bestritten wurde. Daraus ergibt sich somit, dass die BF in eigenem Namen als Gesellschafterin und nicht im Namen des von den gegenständlichen Umsatzsteuerbescheiden betroffenen Steuersubjektes, ***OG1***, gehandelt hat.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
A. Rechtsnachfolge der belangten Behörde:
Zunächst ist festzuhalten, dass das Finanzamt Österreich gem. § 323b Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) mit an die Stelle des, den angefochtenen Bescheid erlassenden, Finanzamtes Graz-Stadt als belangte Behörde getreten ist.
B. Manuduktionspflicht:
Nach § 113 BAO haben die Abgabenbehörden den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, auf Verlangen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren; diese Anleitungen und Belehrungen können auch mündlich erteilt werden, worüber erforderlichenfalls ein Aktenvermerk aufzunehmen ist.
Wer zur geschäftsmäßigen Vertretung befugt ist, richtet sich nach dem Berufsrecht ().
Nach § 8 Abs 1 der Rechtsanwaltsordnung (RAO) erstreckt sich das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich und umfasst die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Vor allen Gerichten und Behörden ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis.
Da ein Rechtsanwalt zur berufsmäßigen Parteienvertretung vor allen Gerichten, somit auch vor dem Bundesfinanzgericht, befugt ist, und die BF in der gegenständlichen Verhandlung durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist der Anwendungsbereich des § 113 BAO nicht eröffnet, weshalb keine Verpflichtung zur Erteilung einer Anleitung gegeben war.
C. Zum Beschwerdegegenstand:
Nach § 308 Abs 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß die Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Aus § 308 Abs 1 BAO ergibt sich somit, dass lediglich einer Partei das Recht zukommt, einen solchen Antrag zu stellen.
Nach § 78 Abs 1 BAO ist Partei im Abgabenverfahren der Abgabepflichtige (§ 77), im Beschwerdeverfahren auch jeder, der eine Beschwerde einbringt (Beschwerdeführer), einem Beschwerdeverfahren beigetreten ist (§§ 257 bis 259) oder, ohne Beschwerdeführer zu sein, einen Vorlageantrag (§ 264) gestellt hat.
Nach § 77 Abs 1 BAO ist Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.
Die Stellung eines Abgabepflichtigen richtet sich somit nach den Abgabenvorschriften:
Nach § 19 Abs 1 UStG 1994 ist Steuerschuldner (in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 leg. cit.) der Unternehmer.
Der Unternehmerbegriff des § 2 Abs 1 UStG 1994 umfasst auch Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit, wenn diese als solche nach außen in Erscheinung treten und Leistungen erbringen; solche Personenvereinigungen sind also im Bereich der Umsatzsteuer Steuersubjekte ().
Steht die steuerpflichtige Tätigkeit einer Personengesellschaft fest, dann darf die Umsatzsteuer nur der Gemeinschaft und nicht den einzelnen Teilhabern vorgeschrieben werden ().
Abgabepflichtige iSd § 77 Abs 1 BAO ist im Umsatzsteuerverfahren der OG sohin die Personengesellschaft selbst, nicht aber die BF als Gesellschafterin. Die BF erfüllt nicht den Begriff der Abgabepflichtigen und ist daher nicht als Partei iSd § 78 Abs 1 BAO anzusehen.
Parteien des Abgabenverfahrens sind nach § 78 Abs 2 BAO ferner,
a. wenn die Erlassung von Feststellungsbescheiden vorgesehen ist, diejenigen, an die diese Bescheide ergehen (§ 191 Abs. 1 und 2);
b. wenn nach den Abgabenvorschriften Steuermeßbeträge oder Einheitswerte zu zerlegen oder zuzuteilen sind, die Körperschaften, denen ein Zerlegungsanteil zugeteilt worden ist oder die auf eine Zuteilung Anspruch erheben.
Ein Fall des § 78 Abs 2 BAO liegt in Bezug auf die - hier relevante - Umsatzsteuer nicht vor, weshalb auch nach dieser Bestimmung der BF keine Parteistellung zukommt.
Aus der Rspr. des VwGH ergibt sich auch, dass lediglich die OG, nicht jedoch der einzelne Gesellschafter legitimiert ist, Beschwerde gegen einen gegenüber der Gesellschaft ergangenen Umsatzsteuerbescheid zu erheben:
Hinsichtlich der Umsatzsteuer ist eine Personengesellschaft ein eigenes, von ihren Gesellschaftern unabhängiges Steuersubjekt. Ist der Umsatzsteuerbescheid an die Gesellschaft ergangen, kommt nur der Gesellschaft, nicht aber den Gesellschaftern das Berufungsrecht (nunmehr: Beschwerderecht) gemäß § 246 Abs. 1 BAO zu (vgl. zB mwN).
Hinsichtlich Umsatzsteuer kommt - anders als bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften - betreffend Bescheide, die an eine Personenvereinigung gerichtet sind, den einzelnen Gesellschaftern kein Beschwerderecht zu ( sowie - betreffend eine KG - ).
In der zitierten Rspr. geht der VwGH zwar konkret nur auf die Rechtsformen der GesBR und der KG ein. Da jedoch die KG lediglich eine Sonderform bzw. Variante der OG darstellt (vgl. § 161 Abs 1 UGB; Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I⁴ § 161 RZ 1) und die GesBR zivilrechtlich nicht rechtsfähig ist, weshalb sie grundsätzlich über kein Vermögen verfügen kann, gilt dies gleicherweise auch für die OG.
Weder rechtliche noch wirtschaftliche Beziehungen zwischen verschiedenen Steuersubjekten (hier: GmbH, Gesellschafter) führen dazu, ihnen im Abgabenverfahren des jeweils anderen Steuersubjektes Parteistellung zu gewähren. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß ein und derselbe Sachverhalt bei zwei oder mehreren Steuersubjekten abgabenrechtliche Bedeutung haben kann ().
Wenn die Bf. für ihren Standpunkt (im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BFG) die Bestimmungen der §§ 248 und 260 BAO ins Treffen führt, so ist festzuhalten:
Nach § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.
Die Beschwerdelegitimation eines nach den Abgabenvorschriften Haftungspflichtigen hat die Erlassung eines Haftungsbescheids nach § 224 Abs 1 zur Voraussetzung (vgl. ).
Da im gegenständlichen Fall noch kein Haftungsbescheid erlassen war, ist der Anwendungsbereich des § 248 BAO nicht eröffnet, weshalb auch daraus keine Beschwerdelegitimation in Hinblick auf eine etwaige in der Zukunft liegende Haftungsinanspruchnahme der BF abgeleitet werden könnte.
Wenn die BF vorbringt, die Einbringung einer Beschwerde sei nach § 260 Abs 2 BAO auch vor Beginn der Rechtsmittelfrist möglich, übersieht sie, dass in diesem Fall ja noch keine Frist versäumt wäre. Selbst bei Zutreffen käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht, da diesbezüglich ja eine Säumnis Voraussetzung ist (vgl. . 2007/17/0073).
Ergänzend ist noch anzumerken, dass - auch wenn die BF als Gesellschafterin der OG zB nach § 12 BAO iVm § 128 UGB unbeschränkt zur Haftung der Umsatzsteuer herangezogen werden könnte - es zur Geltendmachung einer solchen Haftung nach § 224 BAO eines Haftungsbescheides bedürfe, im Zuge dessen ihr nach § 248 BAO auch die Möglichkeit offenstehe, die hier strittigen Grundlagenbescheide zu bekämpfen, womit ihr Rechtsschutz gewahrt ist.
Da die BF als Gesellschafterin der ***OG1*** in Bezug auf die Festsetzung der Umsatzsteuer der ***OG1*** nicht als Partei iSd § 78 BAO anzusehen ist, kommt ihr nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 308 Abs 1 BAO, der von einer "Partei" spricht, keine Legitimation hinsichtlich der Beantragung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist in Bezug auf die Umsatzsteuerbescheide zu. Dies auch, weil ihr (wie aus der zitierten Rspr. ersichtlich) keine Beschwerdelegitimation zukommt, sie somit keine Beschwerdefrist versäumt hat.
Die belangte Behörde hat den Antrag der BF somit zu Recht zurückgewiesen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfolgen bei fehlender Aktivlegitimation ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Im Übrigen stützt sich der Beschluss auf die angeführten Judikate des Verwaltungsgerichtshofs. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor und ist die Revision nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 19 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 246 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 78 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2101156.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at