Keine Familienbeihilfe über das 24. Lebensjahr hinaus
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Paulina Andrysik-Michalska, Zelda-Kaplan-Weg 5 Tür 100, 1100 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum Februar 2020 bis Oktober 2021, SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Dem Beschwerdeführer (Bf.) war Familienbeihilfe für seinen Sohn ***2***, geb. ***3*** bis inkl. Jänner 2020 gewährt worden.
Der Beschwerdeführer beantragte mit formlosem Schreiben vom die Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum Feburar 2020 bis Oktober 2021. Der Sohn habe in dieser Zeit in Polen studiert. In Polen seien keine Familienleistungen ausbezahlt worden. Diesbezüglich wurde eine entsprechende Bestätigung vorgelegt. Weiteres eine Bestätigung in übersetzter Sprache, wonach der Sohn im Schuljahr 2020/2021 als Student des 2. Studienjahres, des 2. Semesters in der Fachrichtung Bergbauingenieurwesen im Direktstudium des zweiten Grades sei. Der planmäßige Termin des Studienabschlusses sei der .
Der Antrag wurde mit Bescheid vom für den beantragten Zeitraum mit der Begründung abgewiesen, dass ***2*** im Jänner 2020 das 24. Lebensjahr vollendet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der der Bf. folgende Gründe geltend machte, die eine Gewährung der Familienbeihilfe über das 24. Lebensjahr hinaus rechtfertigen würden:
In Polen beginnt die Schule mit dem 7ten Lebensjahr und ist der Sohn ganz normal in der
gesetzlichen Studiendauerplus ein Toleranzsemester.
Es gelten für Ihn die Ausnahmetatbestände, dass die Familienenbeihilfe bis zum 25.
Geburtstag ausbezahlt werden kann.
Studierende,die bei Vollendungdes 24. Lebensjahres den Präsenz-, Ausbildungs- oder
Zivildienst leisten oder davor geleistet haben und denen danach Familienbeihilfe wegen
Berufsausbildungzusteht.
Studierende,die ein Studium von mindestens 10 Semestern Dauer betreiben, sofern das
Studium in dem Kalenderjahr begonnen wurde, in dem die oder der Studierende 19 geworden
ist. Die Mindeststudiendauer muss bis zum erstmöglichen Studienabschlusseingehalten
werden.
Die Familienbeihilfe steht grundsätzlichnur für fortgesetzt gemeldete Semester zu und richtet
sich nach der gesetzlichen Studiendauer plus ein Toleranzsemester pro Studienabschnitt bzw.
plus ein Studienjahr bei Studien ohne Abschnittsgliederung.
Aufgrund der Einschränkungen im Bildungs- und Hochschulbereich während der Covid-19-
Pandemie verlängert sich der Anspruch auf Familienbeihilfe um ein weiteres Semester bei
einem vordem 24. (bzw. 25.) Geburtstag begonnenenStudium. Das Sommersemester 2020
bleibt bei den Leistungsnachweisenaußer Betracht.
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. um Nachreichung folgender Unterlagen ersucht:
Weisen Sie nach, dass Sie und Ihr Sohn ***2*** im Ausland im gemeinsamen Haushalt leben
(Polnische Wohnsitzbestätigung von Ihnen und ***2***, Meldebestätigung, Bestätigung der
Gemeinde,...).
Nachweis des Studienabschlusses
Bachelorzeugnis vom Studium des ersten Grades (Fachrichtung Bergbauwesen und Geologie)
Studienerfolgsnachweis vom Studium des zweiten Grades (Bergbauingenieurwesen) ab Studienbeginn bis Studienende (inklusive Angaben über positiv absolvierter ECTS-Punkte). Wann hat Ihr Sohn ***2*** das Studium des zweiten Grades begonnen? Bitte um Bekanntgabe des genauen Datums.
Nachweis des Studienabschlusses vom Studium des zweiten Grades (Masterdiplom)
Bestätigung über die Ableistung des Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienstes (z. B.
Einberufungsbefehl).
Mit Schreiben vom teilte der Bf. bzw. dessen Vertreterin u.a. folgendes mit:
Nach Angabe des Mandanten hat der Sohn…., nach der verpflichtenden
Schulausbildung ein 5-jähriges Technikum in Polen gemacht. Er hat keinen Zivil- oder
Präsenzdienst gemacht. Er hat sein Studium in der Mindeststudiendauer absolviert.
Angemerkt sei, dass das Schulwesen in Polen anders ist als in Österreich; v.a. gab es im Jahr
1999 eine Schulreform die gegenständlich für die Beurteilung des Falles einschlägig sein
könnte.(https://de.wikipedia.org/wiki/Bildunqssvstem in Polen#Schulreform 1999 und weit
ere Entwicklung bis 2017)
Einige Eckdaten: Einführung der Vorschulklasse (zeröwka) im Alter von 6 Jahren
Verkürzung der inzwischen achtklassige Grundschule auf sechs Klassen im Alter von 7-12
Jahren
Einführung der dreiklassigen Mittelschule (gimnazjum). Im Alter von 13-15 Jahre die Mittelschule (gimnazjum) war die zweite Stufe des Schulsystems und umfasste drei
Klassen, deren Besuch für alle Schüler verpflichtend war."
Dem Bf. wurde mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom , dessen Vertreterin nachweislich zugestellt am , die vorläufige Rechtsauffassung des Bundesfinanzgerichtes zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur Stellungnahme bis eingeräumt. Eine solche erfolgte bis dato nicht.
Insbesondere wurde unter Hinweis auf die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen darauf verwiesen, dass der Sohn im Jänner 2020 die grundsätzliche Altersgrenze für den Bezug der Familienbeihilfe von 24 Jahren erreicht habe und soweit ersichtlich keiner der im FLAG vorgesehenen Verlängerungstatbestände vorliege.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. hat in Österreich seinen Hauptwohnsitz und bezieht Notstandshilfe, sein Sohn studierte im Antragszeitraum in Polen und lebte im gemeinsamen Haushalt mit der Kindesmutter. Diese bezog in Polen keine Familienleistungen.
Bezüglich der Studiendauer wurden 2 Bestätigungen vorgelegt:
………………………………
……………………….
Der Sohn des Bf. absolvierte in Österreich keinen Zivildienst
2. Beweiswürdigung
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Polen ist so wie Österreich Mitglied der Europäischen Union.
Es handelt sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt, sodass nicht nur die österreichischen Regelungen des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 zur Anwendung kommen sondern auch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (idF VO), die ab gilt, anzuwenden. Zu beachten ist weiters die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der obigen VO. Der grundsätzliche Anspruch des Bf. leitet sich aus den Bestimmungen der Verordnung her und ist unstrittig.
Strittig ist die Leistung einer Differenzzahlung über das 24. Lebensjahr des Sohnes hinaus, das dieser am vollendete.
Anspruch auf Familienbeihilfe haben gem. § 2 Abs 1 lit j FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie
aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und
bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und
cc)…. .
As den vorliegenden Bestätigungen ist ersichtlich, dass der Sohn zunächst Bergbauwesen und Geologie (Bestätigung für das 7. Semester) und sodann Bergbauingenieurwesen studierte. Es mag zutreffen, dass der Sohn, wie der Bf. vorbrachte, fünf Jahre lang studierte, doch steht eindeutig fest, dass zwei Studien hintereinander absolviert wurden und nicht ein Studium mit besonders langer Dauer (10 Semester).
Es sind daher auf den vorliegenden Fall jene Grundsätze anzuwenden, die der Verwaltungsgerichtshof in Zusammenhang mit einem Bachelorstudium und einem daran anschließenden Masterstudium entwickelte. Im Erkenntnis des , führte der Gerichtshof unter Hinweis auf das Erkenntnis , wörtlich aus:
"Die belangte Behörde geht zutreffend davon aus, dass der Sohn der Beschwerdeführerin mit dem Abschluss des Bachelorstudiums eine Berufsausbildung abgeschlossen hatte und dass das mit September 2007 begonnene Masterstudium ein davon getrenntes neues Studium und eine neuerliche weitere Berufsausbildung darstellt." Diese Grundsätze sind auch auf ein Diplomstudium anzuwenden, wie dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7106425/2016 zu entnehmen ist.
Auch der Verlängerungstatbestand der Leistung des Zivildienstes, der in § 2 Abs.1 lit g FLAG 1967 greift nicht, da der Sohn keinen Zivildienst in Österreich absolviert hat.
Im Hinblick auf eine Verlängerung der Bezugsdauer auf Grund der Covid19-Krise ist, wie auch bereits im Vorhalt vom , folgendes auszuführen:
Diesbezüglich wurde im FLAG 1967 folgende Bestimmung eingefügt:
§ 2 Abs. 9 FLAG 1967 lautet auszugsweise:
Die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b und lit. d bis j verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
[…]
b) für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise,
[…]
d) für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen möchten (Abs. 1 lit. d bis g), abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein Semester oder um ein Ausbildungsjahr, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze
der Beginn oder die Fortsetzung des Studiums infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist. § 55 Abs. 45 FLAG 1967 lautet:
§§ 2 Abs. 9 und 6 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 28/2020 treten mit in Kraft.
Im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100398/2023 wird auf die Materialien zum 6. COVID-19-Gesetz, BGBl I 28/2020 verwiesen, mit dem § 2 FLAG 1967 ein Abs. 9 angefügt wurde. Durch diese Bestimmungen soll gewährleistet werden, dass - zusätzlich zur bereits vorgesehenen Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird - für jene Zeiten Familienbeihilfe weiter gewährt werden kann, in denen der Studienbetrieb beeinträchtigt war. Dies soll durch eine Verlängerung des Anspruches auf die Familienbeihilfe im Fall einer allgemeinen Berufsausbildung um längstens sechs Monate und im Fall eines Studiums (welche Studienrichtung betrieben wird, ist dabei nicht maßgeblich) um ein Semester bzw ein Studienjahr erfolgen (vgl. 126 BlgNR XXVII. GP, Ausschussbericht des NR).
Die Verlängerungsbestimmungen gelten erst ab , also ab einer denkbaren Beeinträchtigung des Studiums durch COVID-19 und damit (zwangsweisen, unvorhersehbaren) Verlängerung der vorgesehenen Studiendauer ab dem Sommersemester 2020.
Keineswegs war die Intention des Gesetzgebers, mit den neuen Bestimmungen die grundsätzlich bestehenden Altersgrenzen für den Bezug der Familienbeihilfe generell zu verlängern. Da der Sohn des Bf. bereits im Jänner 2020, also vor einer möglichen Beeinträchtigung des Studiums durch Covid19 das 24. Lebensjahr vollendete besteht kein Anspruch auf Verlängerung des Anspruchszeitraumes über Jänner 2020 hinaus.
Dem Einwand des Bf., in Polen beginne die Schulpflicht erst mit 7 Jahren bzw. dem Hinweis auf eine Schulreform, dem zu entnehmen ist, der Bf. halten die Altersgrenze von 24 Jahren diesbezüglich als zu kurz bemessen, ist auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/2101121/2020 zu verwiesen werden, das sich mit dem Einwand des dortigen Beschwerdeführers auseinandersetzte, die Altersgrenze von 24 Jahren sei hinsichtlich Kinder, die erst mit 7 Jahren eingeschult würden, verfassungswidrig. Argumentiert wurde hier seitens des Bundesfinanzgerichtes mit dem verfassungsrechtlich zulässigen im Beihilfenrecht bestehenden großen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der es erlaube eine Altersgrenze von 24 Jahren für ein grundsätzlich 6 Semester dauerndes Bachelorstudium festzulegen.
Ein Verlängerungstatbestand auf Grund in anderen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Schulsystemen ist dem FLAG 1967 nicht zu entnehmen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Bis zu welchem Alter Familienbeihilfe gewährt wird, ist den gesetzlichen Bestimmungen des § 2 FLAG 1967 zu entnehmen. Das Erkenntnis weicht nicht von der dazu bereits ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100205.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at