Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2024, RV/7103691/2019

Umsatzsteuerfestsetzung mittels Schätzung bei einer gelöschten LTD & Co KG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Julia Carola Cermak-Kapl MA in der Beschwerdesache ***Bf***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 05.2018-10.2018 sowie die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 11/2018, Steuernummer ***BF-StNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

  • Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

  • Die Bemessungsgrundlagen sowie Umsatz- bzw. Vorsteuerbeträge werde in folgender Höhe festgesetzt:


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Umsatzsteuerfestsetzung
  • 5-10/2018
  • 11/2018
Bemessungsgrundlage (KZ 000)
  • 739.692,55
  • 127.285,77
Umsatzsteuer (KZ 022)
  • 147.938,51
  • 25.457,15
Vorsteuern (KZ 065)
  • 70.739,95
  • 13.237,35
Zahllast
  • 77.198,56
  • 12.219,80

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungs-gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Festsetzungsbescheid Umsatzsteuer 5-10/2018 und Beschwerde

Mit Bescheid vom wurde die Umsatzsteuer der ***LTD & Co KG*** für den Zeitraum 05-10/2018 bescheidmäßig mit einer Zahllast iHv EUR 105.000,- festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der Nichteinreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen und der Nichtleistung von Zahlungen die Festsetzung im Schätzungswege vorzunehmen gewesen sei. Diese sei aufgrund der Vormonatsumsätze erfolgt. Für die Monate 5-7/2018 werde von einem monatlichen Umsatz von EUR 135.000,- und für die Monate 8-10/2018 von EUR 140.000,- ausgegangen. Monatlich wurden Vorsteuern iHv EUR 10.000,- berücksichtigt.

Am wurde Beschwerde gegen diesen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid erhoben und vorgebracht, dass nunmehr die tatsächlichen Zahlen vorlägen. Die Kennzahlen 000 (Lieferungen, sonstige Leistungen und Eigenverbrauch) sowie 022 (20%iger Steuersatz) betrügen EUR 679.689,31 und der Gesamtbetrag der Vorsteuern EUR 98.506,61. Die Zahllast sei daher EUR 37.431,25. Beantragt werde die entsprechende Abänderung des Bescheides.

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt die ***LTD & Co KG*** zur Vorlage des Umsatzsteuerjournals und der Erlöskonten für den Zeitraum 05-10/2018 sowie zur Beantwortung weiterer Fragen betreffend die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft auf.

Mit Schreiben vom ersuchte die ***LTD & Co KG*** um eine Fristverlängerung von 4 Wochen. Eine Beantwortung des Vorhaltes erfolgte nicht.

2. Festsetzungsbescheid Umsatzsteuer 11/2018 und Beschwerde

Mit Bescheid vom erfolgte die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 11/2018 mit einer Zahllast iHv EUR 20.000,-. Die Umsätze wurden wiederum mit EUR 140.000,- und die Vorsteuern mit EUR 8.000,- geschätzt.

Mit Datum vom erhob die ***LTD & Co KG*** auch Beschwerde gegen diese Umsatzsteuerfestsetzung und gab die mit 20 % steuerbaren Umsätze mit EUR 126.734,84 und den Gesamtbetrag der Vorsteuern iHv EUR 10.112,31 an. Beantragt wurde die Abänderung des Bescheides anhand der nunmehr bekannt gegebenen Zahlen.

Am versandte das Finanzamt einen weiteren Vorhalt, mit dem ergänzend zu den bereits im Vorhalt vom angeforderten Unterlagen und Informationen auch um Vorlage des Umsatzsteuerjournals sowie der Erlöskonten für den Zeitraum 11/2018 ersucht wurde.

Auch dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

3. Beschwerdevorentscheidungen und Vorlageantrag

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen, da keine Unterlagen übermittelt und keine Nachweise über die angegebenen Umsätze und Vorsteuern erbracht worden seien.

Am brachte die ***LTD & Co KG*** fristgerecht einen Vorlageantrag ein und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Datum vom legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht die Beschwerden zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde ***GF*** - der Geschäftsführer der Komplementärin und mittelbarer Geschäftsführer der Beschwerdeführerin - verurteilt, da er vorsätzlich jeweils in mehrfachen Tathandlungen unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, nämlich von Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt EUR 537.695,63 zu bewirken versucht habe, indem er es unterließ, vollständige und wahrheitsgemäße Jahressteuererklärungen abzugeben, und zwar unter anderem als mittelbarer Geschäftsführer der ***LTD & Co KG*** für das Jahr 2018 spätestens am iHv EUR 52.665,91.

Die ***LTD & Co KG*** selbst wurde nach dem Verbandsverantwortlichkeits-gesetz mit Urteil vom selben Tag aufgrund der Nichtzuständigkeit des Gerichtes unter einem Betrag von EUR 100.000,- freigesprochen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Zuständigkeit zur Entscheidung über die gegenständlichen Beschwerden mit Wirksamkeit zum der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung übertragen.

4. Mündliche Verhandlung

In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung am brachte der Vertreter der ehemaligen Gesellschafter der ***LTD & Co KG*** vor, dass die beschwerdeführende Partei selbst nicht zur Verhandlung geladen worden sei. Die angeführte Judikatur ( zur Zl. 9 Ob 74/21d und weitere) sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es dadurch zu einem Haftungsdurchgriff auf die Kommanditistin kommen würde. Die gegenständliche Judikatur betreffe lediglich die Frage, ob der Rechtsfortbestand von EU-Vorschriften weiterhin gelte oder durch den Austritt von Großbritannien derartige Vorschriften nicht mehr existierten.

Die Kommanditistin habe sich nicht in die Unternehmenshandlungen der ***LTD & Co KG*** involviert oder selbst Handlungen gesetzt. Die Beschwerdeführerin sei durch Löschung und Vollbeendigung ihrer Tätigkeit rechtlich nicht mehr existent und mangels Rechtspersönlichkeit gar nicht mehr in der Lage Verfahrensrechte anzusprechen. Das Verfahren sei von vornherein einzustellen. Eine Partei ohne Rechtspersönlichkeit könne am rechtsgeschäftlichen Leben nicht teilnehmen. Die Fortführung dieses Verfahrens sei somit mit Nichtigkeit bedroht. Die Frage der Rechtspersönlichkeit sei eine nach UGB und ABGB zu thematisierende Angelegenheit.

Im Hinblick auf die Schätzung des Finanzamtes führte er aus, dass diese überzogen sei und nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche.

Die Vertreter des Finanzamtes brachten vor, dass sie auf Basis der Unterlagen, die im Zuge des Finanzstrafverfahrens übermittelt wurden, eine adaptierte Schätzung vorgenommen hätten. Aus diesen Unterlagen errechne sich eine gesamte Zahllast für die Monate Mai bis November 2018 in Höhe von EUR 89.418,36. Zu den geltend gemachten Vorsteuern wurde festgehalten, dass nach stichprobenweiser Überprüfung davon ausgegangen werde, dass diese Rechnungen tatsächlich im Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit gestanden seien.

Der Vertreter der ehemaligen Gesellschafter der ***LTD & Co KG*** brachte vor, dass zur Frage der Umsatzsteuerhöhe - insofern diese nunmehr mit dem Betrag von EUR 89.418,36 festgestellt werden sollte - keine weitere Beschwer der Beschwerdeführerin vorliege, wohl aber zur strittigen Frage des Rechtsbestandes der Beschwerdeführerin.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1.1 Rechtspersönlichkeit der ***LTD & Co KG***

Die ***LTD & Co KG*** wurde am ***Datum 2017*** im Firmenbuch eingetragen. Unternehmensgegenstand war das Friseurgewerbe sowie der Betrieb von Frisörsalons. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum 2022*** zu ***Az*** wurde das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Mit weiterem Beschluss vom ***Datum 2022*** wurde die Bezeichnung von Sanierungs- auf Konkursverfahren geändert und der Schuldnerin die Eigenverwaltung entzogen. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum 2023*** wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben und am ***Datum 2023*** die Gesellschaft amtswegig im Firmenbuch gelöscht.

Als Komplementärin fungierte die ***LTD*** und als Kommanditistin mit einer Haftsumme von EUR 100,- die ***GmbH***.

Die Komplementärin wurde am ***Datum 2017*** gegründet und unter der ***Nr*** im britischen "Company Register" eingetragen. Am ***Datum 2022*** wurde sie aufgrund freiwilliger Unternehmensauflösung gelöscht ("dissolved via voluntary strike-off"). Gesellschafterin der ***LTD*** war die ***M LTD***, ***Nr***. Deren Geschäftsführer war ***GF***, der ebenfalls Geschäftsführer der Komplementärin ***LTD*** und so auch mittelbar der Beschwerdeführerin ***LTD & Co KG*** war. Gesellschafterin der ***M LTD*** war ***Gesellschafterin***, seine Tochter. Auch die ***M LTD*** wurde am ***Datum 2022*** im britischen Company Register gelöscht.

Die Kommanditistin der ***LTD & Co KG*** wurde am ***Datum 2013*** als ***GmbH*** von ***GF*** mit einer Stammeinlage von EUR 35.000,- mit Sitz in ***K*** gegründet. Mit Firmenbucheintragung vom ***Datum 2014*** wurde der Sitz nach ***W*** verlegt und die Gesellschaft in ***GmbH*** umbenannt. Am ***Datum 2014*** wurde der Firmensitz nach ***W*** verlegt. Am ***Datum 2014*** wurde die Übertragung der Anteile von ***GF*** an die ***M LTD*** im Firmenbuch eingetragen.

Am ***Datum 2019*** erfolgte die Umbenennung auf ***H GmbH*** und am ***Datum 2019*** die Übertragung der Geschäftsführung von ***GF*** auf seine Tochter ***Gesellschafterin***.

Am ***Datum 2020*** wurden die Beteiligungsverhältnisse geändert und die Stammeinlage von EUR 34.650,- auf ***Gesellschafterin*** übertragen während EUR 350,- von der ***M LTD*** zurückbehalten wurden. Mit ***Datum 2022*** wurden auch diese Anteile auf ***Gesellschafterin*** übertragen.

Am ***Datum 2022*** erfolgte die Verlegung des Firmensitzes nach ***W***. Die Kommanditistin fungiert auch als Unterkunftsgeberin ihrer Geschäftsführerin und nunmehringen Alleingesellschafterin, sowie auch (mittelbarer) Gesellschafterin der Komplementär-Ltd, ***Gesellschafterin***. Auch die betriebenen Friseursalons wurden von der Kommanditistin an die ***LTD & Co KG*** vermietet.

1.2 Umsatzsteuer

Von der ***LTD & Co KG*** wurden im Zeitraum 05-10/2018 und 11/2018 keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingebracht. Auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden keine Umsatzsteuervoranmeldungen übermittelt, sondern lediglich Kennzahlen bekannt gegeben. Eine Beantwortung der Fragenvorhalte oder Übermittlung von Unterlagen erfolgte nicht.

Im Zuge des Finanzstrafverfahrens gegen den damaligen Geschäftsführer ***GF*** wurden Belege für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum vorgelegt, auf Basis derer eine adaptierte Schätzung des Finanzamtes vorgenommen wurde. Die Umsätze betrugen anhand dieser Schätzung EUR 739.692,55 im Zeitraum 05-10/2018 und EUR 127.285,77 im Zeitraum 11/2018; die Vorsteuern beliefen sich auf EUR 70.739,95 im Zeitraum 05-10/2018 und EUR 13.237,35 im Zeitraum 11/2018. Die genannten Umsätze unterlagen dem 20%igen Normalsteuersatz.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde ***GF*** wegen Abgabenhinterziehung verurteilt; unter anderem als mittelbarer Geschäftsführer der ***LTD & Co KG*** für das Jahr 2018 spätestens am für EUR 52.665,91.

Die ***LTD & Co KG*** selbst wurde nach dem Verbandsverantwortlichkeits-gesetz mit Urteil vom selben Tag aufgrund der Nichtzuständigkeit des Gerichtes unter einem Betrag von EUR 100.000,- freigesprochen.

Vom Masseverwalter im Konkursverfahren der ***LTD & Co KG*** wurde auch die Forderung des im Beschwerdeverfahren ausgesetzten Betrages iHv EUR 70.068,- (Differenz zwischen der Schätzung des Finanzamtes und den Angaben in der Beschwerde plus Säumniszuschläge für den Zeitraum 05-10/2018) nach ursprünglicher Bestreitung anerkannt. Betreffend den Zeitraum 11/2018 wurde kein Aussetzungsantrag gestellt. Es ist davon auszugehen, dass die Umsatzsteuerfestsetzung 11/2018 sowie der nicht ausgesetzte Betrag für 05-10/2018 in den angemeldeten Forderungen des Finanzamtes - die von Anfang an vom Masseverwalter nicht bestritten wurden - enthalten waren.

Ein Umsatzsteuerjahresbescheid 2018 wurde vom Finanzamt noch nicht erlassen.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Verwaltungsakt und den Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen hinsichtlich der Beschwerdeführerin, ihrer Komplementärin und der Kommanditistin gründen auf den Angaben im österreichischen Firmenbuch sowie dem britischen Company Register.

Die Anerkennung der Forderungen des Finanzamtes ist aus dem vom Bundesfinanzgericht angeforderten und eingesehenen Konkursakt ersichtlich.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

3.1.1 Rechtspersönlichkeit der ***LTD & Co KG***

Gemäß § 79 BAO hat sich die Rechts- und Handlungsfähigkeit nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu richten.

Gemäß § 93 Abs 2 BAO ist jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

Personengesellschaften des Unternehmensrechts verlieren nach der höchstgerichtlichen Judikatur ihre Parteifähigkeit erst mit ihrer Beendigung (zB ). Ihre Auflösung und die Löschung ihrer Firma im Firmenbuch beeinträchtigt (zB ; , 2006/13/0187; , 2007/15/0049; , 2009/16/0202) ihre Parteifähigkeit solange nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten - dazu zählen auch die Abgabengläubiger - noch nicht abgewickelt sind. Es ist daher keine Einstellung des Verfahrens vorzunehmen.

Die Komplementärin der Beschwerdeführerin war eine britische "Limited". Da Gesellschaften aus dem Vereinigten Königreich (vor allem Limited Liability Companies), deren tatsächlicher Verwaltungssitz - wie im Beschwerdefall gegeben - in Österreich liegt, im Inland nur aufgrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit anerkannt wurden, endete für im Vereinigten Königreich registrierte "Limiteds" mit inländischem Verwaltungssitz die Anerkennung als ausländische juristische Personen nach Ablauf der Übergangsfrist am .

Innerhalb der Übergangsfrist konnten in Österreich ansässige "Limiteds" z.B. ihren Betrieb in eine österreichische Rechtsform einbringen oder eine sogenannte grenzüberschreitende Verschmelzung mit einer österreichischen Kapitalgesellschaft durchführen (siehe die Information des BMJ, abrufbar unter: https://www.bmj.gv.at/themen/EU-und-Internationales/brexit.html, zuletzt abgerufen am ).

Eine Einbringung oder Verschmelzung wurde von der Komplementärin, der ***LTD*** nicht vorgenommen.

In seinem hat der OGH ausgesprochen, dass die Rechtsform einer britischen Limited, die nach europarechtlichen Vorgaben als eigenständiger Rechtsträger anzuerkennen war, bei der diese Anerkennungsgrundlage Brexit-bedingt aber weggefallen ist, wenn der Sitz ihrer Verwaltungstätigkeit ein Inlandssitz ist, nach österreichischem Gesellschafterstatut als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen ist. Im Fall eines Alleingesellschafters ist von einer Zuordnung an ihn als Einzelunternehmer auszugehen. Der Übergang der Rechte und Pflichten der Limited auf den Allein- oder die GesbR-Gesellschafter hat in Analogie zu § 142 UGB (Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer OG) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu erfolgen.

Die Komplementär-Limited hat somit mit Ablauf des die Anerkennung als juristische Person des privaten Rechts verloren. Der Verlust der Eigenschaft als juristische Person des privaten Rechts führt zum Verlust der Steuersubjektivität im Rahmen der Körperschaftsteuer (§ 1 Abs 2 Z 1 KStG 1988) und ipso iure zu einer Umwandlung auf eine Personengesellschaft (GesBR) oder ein Einzelunternehmen.

Im beschwerdegegenständlichen Fall trat somit - der Judikatur des OGH folgend - die Gesellschafterin der Limited, ***Gesellschafterin***, als Einzelunternehmerin in die Rechte und Pflichten der Limited ein, wozu auch die nunmehr unbeschränkte Haftung für die Schulden der ***LTD & Co KG*** zählt.

Gemäß § 131 Z 4 UGB iVm § 161 Abs 2 UGB, wird eine offene Gesellschaft unter anderem durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst, sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt. Auf die Kommanditgesellschaft finden die für die offene Gesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung, soweit im betreffenden Abschnitt des Unternehmensgesetzbuches nichts anderes bestimmt wird.

Daher bedeutete der Wegfall der Komplementär-Ltd die Beendigung der ***LTD & Co KG***, da diese ohne Komplementärin nicht mehr als Kapitalgesellschaft & Co KG bestehen konnte.

Da die Komplementär-Ltd jedoch nicht durch ihre Auflösung und Löschung im britischen Company Register im ***Datum 2022*** wegfiel, sondern bereits zuvor mit Ablauf des durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ihre Rechtspersönlichkeit als eigenständiger Rechtsträger verloren hat und infolgedessen als Einzelunternehmen der Gesellschafterin ***Gesellschafterin*** anzusehen ist, ist auch nicht von einer Anwachsung iSd § 142 UGB und Übernahme des Gesellschaftsvermögens sowie Rechtsnachfolge der Kommanditistin auszugehen.

Mit Beendigung der Personengesellschaft gehen ihre Rechte und Pflichten auf die zuletzt Beteiligten über.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Kommanditgesellschaft hinsichtlich der Umsatzsteuer steuerliches Rechtssubjekt, weshalb Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer an die Kommanditgesellschaft zu richten sind. Nach § 19 Abs 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten auf den Rechtsnachfolger über. Ist eine Kommanditgesellschaft beendet, so ist ein Umsatzsteuerbescheid daher an den Gesamtrechtsnachfolger der Kommanditgesellschaft zu richten (vgl ).

Da keine Anwachsung auf die Kommanditistin erfolgte und die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft - ***Gesellschafterin*** und ***H GmbH*** nach wie vor bestehen, hat gegenständliches Erkenntnis an diese als Rechtsnachfolger der ***LTD & Co KG*** zu ergehen.

3.1.2 Umsatzsteuer

Gemäß § 21 Abs 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs 1 und 2 UStG 1994 und des § 16 UStG 1994 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Abs 3 leg cit legt fest, dass - wenn der Unternehmer die Einreichung der Voranmeldung pflichtwidrig unterlässt oder wenn sich die Voranmeldung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist - das Finanzamt die Steuer festzusetzen hat.

Eine Festsetzung kann nur so lange erfolgen, als nicht ein den Voranmeldungszeitraum beinhaltender Veranlagungsbescheid erlassen wurde. Eine festgesetzte Vorauszahlung hat den im Abs 1 genannten Fälligkeitstag.

§ 201 Abs 1 BAO sieht vor, dass bei Anordnung der Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen durch die Abgabenvorschriften eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen kann bzw muss, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Gemäß § 184 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

§ 21 UStG 1994 enthält eine grundsätzliche Verpflichtungzur monatlichen Abgabe einer Voranmeldung bis spätestens zum 15. des zweitfolgenden Kalendermonates.

Da es sich bei der Umsatzsteuer um eine Selbstberechnungsabgabe handelt, erfolgt gemäß § 201 BAO eine Festsetzung mit Bescheid, wenn der Abgabepflichtige entgegen seiner Verpflichtung keinen selbst berechneten Betrag bekannt gibt oder wenn sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Da die Voranmeldung als Steuererklärung gilt, sind auf sie alle Vorschriften anzuwenden, die sich auf die Steuererklärung beziehen. Können die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermittelt (berechnet) werden, so sind sie zu schätzen.

Ziel der Schätzungist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (vgl zB ), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (zB ; , 2012/13/0068).

Da jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeitimmanent ist, muss derjenige, der zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (vgl mwN).

Die Schätzungsbefugnis ergibt sich nach der höchstgerichtlichen Judikatur alleine aus der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen. Eine Schätzungsberechtigung kann ua dann bestehen, wenn der Abgabepflichtige seiner Verpflichtung zur Einreichung von Abgabenerklärungennicht nachkommt (vgl ; , 94/14/0002; , 93/13/0258; , 2002/13/0128).

Im beschwerdegegenständlichen Fall wurden keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, woraus sich die Schätzungsbefugnis der Abgabenbehörde ergibt. Durch die nunmehr vorgenommene Schätzung anhand der im Finanzstrafverfahren vorgelegten Unterlagen ist die Abgabenbehörde den tatsächlichen Gegebenheiten so nahe als möglich gekommen. Da auch Vorsteuern geschätzt wurden und zudem nur eine stichprobenweise Überprüfung der Belege vorgenommen wurde, ist die Schätzung nicht als einseitig anzusehen.

Auch der Vertreter der ehemaligen Gesellschafter der ***LTD & Co KG*** hatte in der mündlichen Verhandlung in Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit zu den vorgetragenen Schätzungsgrundlagen und der Höhe der festgesetzten Zahllast Stellung zu nehmen und diesbezüglich zugestimmt.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht zwar grundsätzlich eine Bindung der Abgabenbehörden und des Bundesfinanzgerichts im Falle rechtskräftiger verurteilender Entscheidungen eines Strafgerichts, einer Finanzstrafbehörde oder des Bundesfinanzgerichts nach einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren an die Tatsachenfeststellungen, auf denen der Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt (vgl zB ; , Ra 2018/16/0210; , Ro 2018/16/0001), es besteht jedoch keine Bindung hinsichtlich Dritter (vgl ; , Ro 2014/15/0023) sowie in Bezug auf Freisprüche (vgl mWn). Da im beschwerdegegenständlichen Fall ein Schuldspruch zwar gegenüber dem mittelbaren Geschäftsführer ***GF*** erfolgt ist, aber die Beschwerdeführerin freigesprochen wurde, ist eine Bindungswirkung zu verneinen und waren entsprechend die Umsätze sowie Vorsteuerbeträge der beschwerdegegenständlichen Zeiträume - wie im Spruch ersichtlich - zu schätzen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt im vorliegenden Fall nicht vor. Das Erkenntnis folgt sowohl hinsichtlich der Adressaten des Erkenntnisses als auch im Hinblick auf die Schätzung der festgesetzten Umsatzsteuervorauszahlungen der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103691.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at