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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.07.2024, RV/7500334/2024

verspätete Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Stanek in der Verwaltungsstrafsache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über dessen Beschwerden vom bzw. gegen die Zurückweisungbescheide des Magistrates der Stadt Wien vom , zu den Zahlen
1) MA67/246700340594/2024,
2) MA67/246700358826/2024,
3) MA67/246700358831/2024,
4) MA67/246700358837/2024,
5) MA67/246700358840/2024,
6) MA67/246700358856/2024 und
7) MA67/246700358860/2024,
mit denen die Einsprüche vom gegen die Strafverfügungen vom mit denselben Geschäftszahlen gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen wurden, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und die angefochtenen Zurückweisungsbescheide bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keine Beiträge zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügungen vom verhängte der Magistrat der Stadt Wien zu den im Spruch unter 1.) bis 7.) angeführten Geschäftszahlen über die beschwerdeführende Partei (Bf.) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Parkometergesetz 2006 wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft Geldstrafen in der Höhe von je € 60,00 sowie Ersatzfreiheitsstrafen von je 14 Stunden.

Mit E-Mails vom erhob der Bf. zu den im Spruch unter 1.) bis 7.) angeführten Strafverfügungen Einspruch. Sämtliche Einsprüche begründend führte der Bf. wörtlich aus:

"… Ich habe eine Strafverfügung bekommen, obwohl ich die Lenkerauskunft nicht bekommen habe, ich bitte um eine neue senden …"

Mit zu den im Spruch unter 1.) bis 7.) angeführten Geschäftszahlen ergangenen Bescheiden vom wies die belangte Behörde die Einsprüche des Bf. mit folgender Begründung als verspätet zurück.

" … Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der*die Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Die Strafverfügung wurde gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz nach einem Zustellversuch bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes (Post Geschäftsstelle 1115 Wien) hinterlegt und ab dem zur Abholung bereitgehalten, da Ihnen das Dokument beim Zustellversuch nicht übergeben werden konnte.

Die im § 49 Abs. 1 VStG festgesetzte zweiwöchige Einspruchsfrist begann daher am und endete am .

Sie haben den Einspruch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am , somit nach Ablauf der Einspruchsfrist per E-Mail eingebracht, sodass der Einspruch als verspätet zurückgewiesen werden musste.

Dass ein Zustellmangel unterlaufen ist und Sie nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnten, war nicht anzunehmen, da Sie zum Vorhalt der Verspätung vom nicht Stellung genommen haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsmittelfrist eine zwingende, auch durch die Behörde nicht erstreckbare gesetzliche Frist. Der Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruchs rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In den Beschwerden vom bzw. wurden im Wesentlichen inhaltsgleich ausgeführt in der ***Bf1-Adr*** zu wohnen und am die ***1*** übernommen zu haben. Trotz Nachsendeauftrag habe die beschwerdeführende Partei Briefe mehrmals nicht bekommen. Um der belangten Behörde alle Unterlagen senden zu können werde um neuerliche Übermittlung der Lenkerauskunftsbegehren gebeten.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Dem Bf. wurden zu den im Spruch unter 1.) bis 7.) angeführten Geschäftszahlen ergangenen Strafverfügungen vom als nach außen zur Vertretung berufene Person des Zulassungsbesitzers Verwaltungsübertretungen gemäß § 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Parkometergesetz 2006 wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft angelastet.

Sämtliche zu den im Spruch unter 1.) bis 7.) angeführten Geschäftszahlen ergangenen Strafverfügungen wurden bei der Post-Geschäftsstelle 1115 hinterlegt und ab dem zur Abholung bereitgehalten, nachdem am an der Abgabestelle des Bf. ein Zustellversuch unternommen und die (jeweilige) Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden war. Die behördlichen Dokumente wurden dem Bf. am ausgefolgt.

Am erhob der Bf. sodann zu den im Spruch unter 1.) bis 7.) angeführten Geschäftszahlen ergangenen Strafverfügungen mit e-mails Beschwerde.

Sämtliche dem Bf. von der belangten Behörde am übermittelten Schriftstücke - "Verfahrensanordnung - Verspätungsvorhalt" - mit denen der Bf. aufgefordert wurde entsprechende Bescheinigungsmittel vorzulegen, blieben unbeantwortet.

Beweiswürdigung

Für das Bundesfinanzgericht haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen in freier Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG als erwiesen annehmen.

Das Bundesfinanzgericht geht daher in freier Beweiswürdigung nach § 45 Abs. 2 AVG von der rechtmäßigen Zustellung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügungen durch deren Hinterlegung und Bereithaltung zur Abholung am aus.

Rechtslage

§ 49 VStG (in Verbindung mit § 38 VwGVG) normiert:

"(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken."

Die Frist des § 49 Abs. 1 VStG bildet eine verfahrensrechtliche Frist, die nicht erstreckbar ist. Ein verspätet erhobener Einspruch ist bescheidförmig zurückzuweisen; auf ein Verschulden der Partei kommt es dabei nicht an (vgl. Lewisch/Fister/Weilguni, VStG3 § 49 Rz 3).

§ 17 Zustellgesetz normiert:

"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. , mwN).

Abgesehen davon, dass die beschwerdeführende Partei die (jeweiligen) Verspätungsvorhalte nicht beantwortet hat und nicht in der Lage war für ihr Beschwerdevorbringen entsprechende Nachweise zu erbringen, sind Wohnort der beschwerdeführenden Partei und Empfängeranschrift der verfahrensgegenständlichen Strafverfügungen in allen hier zu beurteilenden Fällen identisch und hat der Bf. überdies alle behördlichen Dokumente eine Woche nach dem Beginn der Abholfrist am Hinterlegungspostamt persönlich übernommen.

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung nach § 45 Abs. 2 AVG von der rechtmäßigen Zustellung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügungen durch deren Hinterlegung und Bereithaltung zur Abholung am aus.

Die zweiwöchige Einspruchsfrist begann daher jeweils am und endete in den hier zu beurteilen Fällen am .

Die mit E-Mail am eingebrachten Einsprüche gegen die verfahrensgegenständlichen Strafverfügungen wurden von der belangten Behörde zu Recht als verspätet zurückgewiesen.

Da sich der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bei Zurückweisung von Einsprüchen wegen Verspätung ausschließlich auf die Frage beschränkt, ob die Einsprüche innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 VStG eingebracht wurden und deren Rechtzeitigkeit aufgrund der vorliegenden Unterlagen eindeutig verneint werden musste, war es dem Bundesfinanzgericht verwehrt auf inhaltliche Aspekte der den Zurückweisungsbescheiden zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren einzugehen.

§ 44 VwGVG normiert:

"(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn
4. sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat
."

Es konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da eine solche nicht beantragt wurde und sich die Beschwerden gegen verfahrensrechtliche Bescheide richtete.

Kostenentscheidung

Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Da das Bundesfinanzgericht mit dem vorliegenden Erkenntnis keine Straferkenntnisse bestätigt hat, waren gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG keine Kostenbeiträge vorzuschreiben.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Art. 133 B-VG normiert:

"(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(6) Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben:
1. wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;
2. die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; […]"

§ 25a VwGG normiert:

"(4) Wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache
1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und
2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde,
ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig."

Der Begriff der "Verwaltungsstrafsache" schließt auch rein verfahrensrechtliche Entscheidungen, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergehen, ein (vgl. , mwN).

Weil nach § 4 Abs. 2 des Wiener Parkometergesetzes 2006 lediglich eine Geldstrafe von bis zu € 365 und keine primäre Freiheitsstrafe verhängt werden darf, ist eine Revision durch die beschwerdeführende Partei unzulässig (vgl. VwGH, , Ra 2022/16/0080, mwN).

Die Revision für die belangte Behörde ist unzulässig, da das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sondern dessen Judikaturlinie folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 49 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7500334.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at