Verspätet eingebrachte Beschwerde; behauptete Ortsabwesenheit
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht beschließt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom über die Haftung als Geschäftsführer der ***A GmbH*** für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen für den Zeitraum Jänner 2010 bis Dezember 2012 (Haftungsbetrag gesamt: € 43.526,40):
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
1. Verfahrensgang
Am richtete der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) ein Schreiben betreffend die von der ***A GmbH*** geschuldete Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für die Jahre 2010 bis 2012 sowie Säumniszuschläge hierzu an den Beschwerdeführer (nachfolgend "Bf"). Der Bf sei im Firmenbuch als Geschäftsführer der ***A GmbH*** eingetragen und daher ihr verantwortlicher Vertreter gewesen. Im gegenständlichen Fall seien Abgaben in Höhe eines Gesamtbetrages von € 43.526,40 nicht entrichtet worden, wobei im Schreiben auch eine Aufgliederung nach Abgabenart und Jahren erfolgte. Es lägen damit die in § 80 Abs 1 BAO sowie § 6a Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz bzw § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen für die Haft- und Zahlungspflicht des Bf vor. Dem Bf werde gemäß § 183 Abs 4 BAO Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens gegeben. Der Haftungsvorhalt wurde an die Adresse ***Bf1-Adr*** mit Rückscheinbrief verschickt (Anmerkung: Der Bf hatte damals laut Zentralem Melderegister an dieser Adresse seinen Hauptwohnsitz); er wurde bei der Post hinterlegt und zur Abholung bereitgestellt (Beginn der Abholfrist: ). Die Verständigung über die Hinterlegung bei der betreffenden Post-Geschäftsstelle wurde am in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Das Schreiben blieb unbeantwortet.
Am erließ der Magistrat der Stadt Wien einen Haftungsbescheid an den Bf.
Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:
Nach § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz haften die in § 80 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer bzw Dienstgeberabgabe insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** zur Zahl ***GZ*** sei über das Vermögen der ***A GmbH*** mangels kostendeckenden Vermögens ein Konkursverfahren nicht eröffnet worden. Die vom Gesetzgeber angeführte Haftungsvoraussetzung der erschwerten Einbringung sei dadurch erfüllt. Der Bf sei im Firmenbuch als Geschäftsführer der ***A GmbH*** eingetragen und habe die Bezahlung weder veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer der Primärschuldnerin auferlegten Pflichten verletzt. Die Geltendmachung der Haftung entspräche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da der Rückstand nach der Aktenlage uneinbringlich sei.
Am wurde Beschwerde gegen den Haftungsbescheid eingebracht. Begründend wurde wie folgt ausgeführt: ***Bf1*** sei zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Bescheides nicht an der Abgabestelle aufhältig gewesen, weil er sich in der Zeit von Ende Jänner bis Ende März 2015 in seiner Heimat in Serbien befunden habe. Dazu könne ***Herr P*** (***Adresse***) als Zeuge befragt werden. Der Bf habe den Haftungsbescheid erst am überreicht erhalten. Der Zustellmangel sei damit geheilt; die Beschwerdefrist habe am begonnen und die Beschwerde sei daher rechtzeitig eingebracht worden. Die Vorschreibung der betreffenden Abgaben sei - aus verschiedenen, in der Beschwerde näher ausgeführten Gründen - zu Unrecht erfolgt. Es werde beantragt, den Haftungsbescheid aufzuheben; es werde auch die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Am wurde der Bf vom Magistrat der Stadt Wien schriftlich dazu aufgefordert, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung des Schreibens nachzuweisen, dass er im Zeitraum von Ende Jänner bis Ende März 2015 in Serbien aufhältig gewesen ist. Am ersuchte die rechtsfreundliche Vertretung des Bf um eine Fristverlängerung bis . Eine Antwort auf das Schreiben des Magistrates der Stadt Wien ist letztlich nicht eingegangen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei mit Rückscheinbrief verschickt und am zugestellt worden. Der Bf sei mit Schreiben vom aufgefordert worden, den Nachweis zu erbringen, wonach er im Zeitraum von Ende Jänner bis Ende März in Serbien aufhältig gewesen ist. Der Bf sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Die Beschwerdefrist betrage einen Monat und sei am bereits abgelaufen gewesen.
Am brachte der Bf fristgerecht einen Vorlageantrag ein.
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Durch Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der Gerichtsabteilung 1023 abgenommen und mit Wirkung der Gerichtsabteilung 1090 neu zugeteilt.
Am wurde der vom Bf namhaft gemachte Zeuge ***Herr P*** zu einer am um 10 Uhr am Bundesfinanzgericht stattfindenden Zeugeneinvernahme geladen. Die Ladung wurde mit Rückscheinbrief sowohl an die vom Bf angeführte Adresse ***Adresse*** als auch an die im Zentralen Melderegister für ***Herr P***, geboren am ***GebDatum***, erfasste Hauptwohnsitzadresse versendet. Auch dem Bf selbst wurde die Zeugenladung zur Information übermittelt. Die an die Adresse ***Adresse*** versendete Zeugenladung wurde mit dem Vermerk "unbekannt" an das Bundesfinanzgericht retourniert. Die an die Hauptwohnsitzadresse des Zeugen verschickte Zeugenladung wurde hinterlegt, jedoch nicht abgeholt; der Zeuge ist nicht zur Zeugeneinvernahme erschienen, was dem Bf am schriftlich zur Kenntnis gebracht wurde. Das Bundesfinanzgericht forderte den Bf auch erneut dazu auf, sein Beschwerdevorbringen (Ortsabwesenheit) zu substantiieren. Der Vorhalt, der vom Bf nachweislich am selbst übernommen wurde, ist nicht innerhalb der gesetzten Frist beantwortet worden.
2. Sachverhalt
Der Haftungsbescheid vom wurde mit Rückscheinbrief an die im Zentralen Melderegister erfasste Hauptwohnsitzadresse der beschwerdeführenden Partei ***Bf1-Adr*** verschickt. Nach einem Zustellversuch wurde der Bescheid in einer Geschäftsstelle der Post hinterlegt und zur Abholung bereitgestellt (Beginn der Abholfrist: ). Die Verständigung über die Hinterlegung wurde am in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Eine Abholung ist nicht erfolgt. Am ist das von der Post retournierte Schriftstück beim Magistrat der Stadt Wien eingegangen.
Die Beschwerde des Bf wurde am eingebracht.
3. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Entgegenstehende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
4. Rechtliche Begründung
4.1. Zu Spruchpunkt I (Zurückweisung)
Nach § 245 Abs 1 Satz 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.
§ 109 BAO regelt: "Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist für den Beginn der Frist der Tag maßgebend, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist (§ 97 Abs. 1)."
Gemäß § 97 Abs 1 lit a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind, wobei die Bekanntgabe bei schriftlichen Erledigungen grundsätzlich durch Zustellung erfolgt.
Zustellungen erfolgen nach den im Zustellgesetz vorgesehenen Regelungen.
§ 17 Zustellgesetz normiert:
"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."
Die einmonatige Frist zur Einbringung der Beschwerde begann am Samstag, den (= 1. Tag der Abholfrist) zu laufen. Die Frist zur Einbringung der Beschwerde endete mit Ablauf des (Samstag). Da das Fristende auf einen Samstag fällt, ist gemäß § 108 Abs 3 BAO der nächste Tag, der nicht ein Samstag, Sonntag oder Feiertag ist, als letzter Tag der Frist anzusehen, also im vorliegenden Fall der (= Montag). Eine Verlängerung der gesetzlich vorgesehenen einmonatigen Frist hätte durch einen Antrag auf Fristverlängerung erreicht werden können. Dass ein Fristverlängerungsansuchen zur Einbringung der Beschwerde gestellt worden wäre, wurde vom Bf nicht vorgebracht und ist auch der Aktenlage nicht zu entnehmen.
Die Beschwerde ist erst am Montag, den , somit verspätet, beim Finanzamt eingebracht worden. Nicht fristgerecht eingebrachte Beschwerden sind gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO vom Verwaltungsgericht mit Beschluss (siehe § 264 Abs 5 BAO) zurückzuweisen.
Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei ist folgendes auszuführen:
Die in der Beschwerde zum Ausdruck kommende Rechtsansicht des Bf, wonach Zustellungen durch Heilung nach § 7 Zustellgesetz mit dem Tag des tatsächlichen Zukommens wirksam werden, wenn sich der Empfänger zur Zeit der Hinterlegung für längere Zeit nicht an der Abgabestelle aufhält und erst nach Ablauf der Abholfrist an diese zurückkehrt, ist nicht zu beanstanden (siehe etwa und Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 17, K 15). Jedoch genügt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bloße Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne konkrete datumsmäßige Zeitangabe und Vorlage entsprechender Beweismittel nicht, um die Unwirksamkeit einer durch Hinterlegung erfolgten Zustellung darzutun (vgl zB , , , , ). Zwar besteht hinsichtlich der von der Partei des Verwaltungsverfahrens behaupteten vorübergehenden Ortsabwesenheit keine Beweispflicht, sondern lediglich eine mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondierende Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes. Ohne nähere Konkretisierung dieser Behauptung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht entspricht die Partei dieser Mitwirkungspflicht aber nicht (, ). Der Bf wurde mehrfach (bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom und auch vom Bundesfinanzgericht - siehe Verfahrensgang - dazu aufgefordert, entsprechende Beweismittel für den behaupteten Auslandsaufenthalt in Serbien zu liefern); er ist den Aufforderungen nicht nachgekommen; eine Einvernahme des vom Bf namhaft gemachten Zeugen ***Herr P*** konnte (mangels Erscheinen) nicht erfolgen. Wird aber das Vorbringen, der Bf habe sich von Ende Jänner bis Ende März in Serbien aufgehalten, nicht konkret untermauert, liegt kein Sachverhalt vor, demzufolge ein am hinterlegtes und ab zur Abholung bereitgehaltenes Schriftstück nicht als am zugestellt zu gelten hätte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Bei der gegebenen Sachlage konnte sowohl aus Billigkeits- als auch Zweckmäßigkeitsüberlegungen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden (siehe § 274 Abs 5 BAO in Verbindung mit § 274 Abs 3 Z 1 BAO).
4.2. Zu Spruchpunkt II (Revision)
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständlich liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil sich die Rechtslage aus den dargestellten Normen klar und eindeutig ergibt; darüber hinaus folgt das Bundesfinanzgericht der in der Entscheidung angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 245 Abs. 1 Satz 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7400149.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at