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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.05.2024, RV/7100717/2024

Wohnsitz und Ansässigkeit (Mittelpunkt der Lebensinteressen) DBA Schweiz

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache ***1***, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Landeck Reutte, vom , betreffend Einkommensteuer 2021, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der in dieser Angelegenheit ergangenen Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Infolge der Nichtabgabe der Abgabenerklärung für das Jahr 2021 hat die belangte Behörde die Besteuerungsgrundlagen des Beschwerdeführers (Bf.) gemäß § 184 BAO im Schätzungsweg ermittelt und die Einkommensteuer 2021 mit Bescheid vom in der Höhe von 3.941 Euro festgesetzt. Die Schätzung erfolgte auf Grundlage der Vorjahreseinkünfte unter Hinzurechnung von fünf Prozent.

In der gegen den Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass er seine Lebensinteressen seit dem Jahr 2021 in der Schweiz habe und seine Frau in Österreich lediglich besuche. Aus der Beschwerde ist erkennbar, dass der Bf. die Besteuerung in Österreich ablehnt, was fachsprachlich bedeutet "Anfechtung des Bescheides zur Gänze und Beantragung der ersatzlosen Aufhebung des Bescheides".

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. aufgefordert, verschieden Fragen zum Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zu beantworten sowie Nachweise zu seinen ausländischen Kapitalerträgen vorzulegen.

Mit Eingabe vom teilte der Bf. im Wesentlichen mit, dass er in der Schweiz weder Freizeitaktivitäten nachgehe noch soziale Kontakte pflege. Er sei in Österreich verheiratet und reise einmal pro Woche sowie zu Ostern und zu Weihnachten nach Österreich, um seine Ehefrau, seine Kinder und Enkelkinder zu besuchen. Bei seinen Besuchen würde er in ***2***, wohnen. Die Ehefrau des Bf. leide an einer kognitiven Störung (Defizite im Kurzzeitgedächtnis) und würde von den gemeinsamen Kindern gepflegt. In der Schweiz bewohne der Bf. eine 2 ½ Zimmer Wohnung, für welche er 1.300 CHF pro Monat bezahle.

Der Bf. legte die Lohnausweise seines Arbeitgebers ***3*** AG für die Zeiträume 14.1. - und 01.01 - sowie einen Ambulanzbericht zum Gesundheitszustand seiner Ehefrau vor. Zu bemerken ist, dass auf den Lohnausweisen die österreichische Adresse des Bf. in ***2***, aufscheint.

Weder wurde der abverlangte Mietvertrag für die Schweizer Wohnung noch die Betriebskostenabrechnung für die Jahre 2021 und 2022 vorgelegt. Auch der Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen iZm mit den ausländischen Kapitalerträgen wurde nicht nachgekommen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2021 in der Höhe von 2.493,00 Euro fest und korrigierte die ausländischen nichtselbständigen Einkünfte in Entsprechung des vorgelegten Lohnausweises. Die ausländischen Kapitalerträge wurden anhand der vorliegenden Meldungen der ***4*** Genossenschaft veranlagt.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Entscheidung über seine Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass das Haus in Österreich bereits seinen Kindern übergeben worden sei.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Bf. ist österreichischer Staatsbürger und erzielt seit dem Jahr 2014 nichtselbständige Einkünfte bei der ***3*** AG in der Schweiz. Aufgrund der vorgebrachten Lohnbescheinigungen und Angaben in den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung wurde er seit jeher in Österreich als Grenzgänger besteuert.

Auch im Streitjahr 2021 bezog der Bf. nichtselbständige Einkünfte der ***3*** AG in der Höhe von 44.108 Euro.

Der Bf. ist Alleineigentümer der Liegenschaft in ***2*** (siehe Grundbuchsauszug vom , KG ***5***, EZ ***6***).

Im Streitjahr 2021 war er an dieser Adresse bis mit Hauptwohnsitz gemeldet. Mit hat der Bf. seinen Hauptwohnsitz in ***2***, abgemeldet und einen Nebenwohnsitz angemeldet (siehe Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom ).

Der Bf. lebt in aufrechter Ehe; seine Ehegattin, ***8***, ist ebenfalls an der Adresse ***2*** mit Hauptwohnsitz gemeldet (siehe Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom ).

Darüber hinaus hatte der Bf. seit an der Adresse ***9*** (siehe Wohnsitzbestätigung der Gemeinde vom sowie Aufenthaltstitel der Schweiz mit der Berechtigung zur Erwerbstätigkeit bis ) einen Wohnsitz in der Schweiz inne. Ermittlungen haben ergeben, dass es sich dabei um eine Ferienwohnung handelt, welche regelmäßig zur Vermietung angeboten wird.

Das Bundesfinanzgericht stellt daher fest, dass die Begründung eines Hauptwohnsitzes an dieser Adresse unglaubwürdig erscheint.

Der Bf. besucht seine in Österreich lebende Ehegattin, seine Kinder sowie Enkelkinder einmal pro Woche und verbringt mit ihnen Ostern und Weihnachten. Während dieser Familienbesuche wohnt der Bf. in seinem Einfamilienhaus an der Adresse ***2***. Laut Ambulanzbericht vom leidet die Ehegattin des Bf. an einer kognitiven Störung (Defizite im Kurzzeitgedächtnis) und entgleister Hyperthyreose und wird von den gemeinsamen Kindern und der Sozialhilfe gepflegt.

Neben dem Alleineigentum an der Liegenschaft mit der Adresse ***2***, ist der Bf. des Weiteren Alleineigentümer mehrerer landwirtschaftlicher Flächen in Österreich (siehe Grundbuchsauszug vom , KG ***5***, EZ ***10***, ***11***).

Auf den Bf. sind in Österreich zwei Kraftfahrzeuge angemeldet (siehe KfZ-DataWareHouse Abfrage vom ).

Der Bf. verfügt in der Schweiz über keinerlei soziale Kontakte. Er ist weder in Vereinen tätig noch nimmt er an anderen gesellschaftlichen oder kulturellen Freizeitaktivitäten in der Schweiz teil.

Der Bf. behauptet eine ausschließliche Ansässigkeit in der Schweiz und bestreitet seine Ansässigkeit bzw. den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw. ergeben sich diese aus den Ergebnissen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere dem Vorbringen des Bf. vom in Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom , dem Lohnausweis der ***3*** AG, der KfZ-Data WareHouse Abfrage vom , der Grundbuchsabfragen vom und der ZMR Abfragen vom ).

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

Im vorliegenden Fall ist lediglich strittig, ob der Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum neben seinem in der Schweiz gelegenen Wohnsitz in ***9***, einen weiteren Wohnsitz in Österreich innegehabt hat und ob er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen von Österreich in die Schweiz verlagert hat.

Die Frage, ob eine Person in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, richtet sich ausschließlich nach den inländischen steuerrechtlichen Vorschriften (). Ein Wohnsitz iSd. § 26 Abs. 1 BAO erfordert, dass der Steuerpflichtige die Wohnung "innehat", sie also jederzeit für die eigenen Wohnbedürfnisse nutzen kann (VwGH 1992, 90/13/0299).

Wie aus der Aktenlage hervorgeht, hat der Bf. im Streitjahr neben seinem Wohnsitz in Österreich auch einen Wohnsitz in der Schweiz begründet. Unabhängig davon, dass der Bf. im Streitjahr an der österreichischen Adresse nach wie vor mit einem Nebenwohnsitz gemeldet war, führt der Bf. in der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom selbst aus, dass er bei den wöchentlichen Familienbesuchen in Österreich regelmäßig an der Adresse ***2***, wohne und stellt somit eine entsprechende Wohnmöglichkeit in Österreich nicht in Abrede.

Da dem Bf. somit in Österreich am Wohnsitz seiner Familie Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, die er jederzeit für den eigenen Wohnbedarf nutzen kann und diese bei seinen Familienbesuchen in Österreich auch tatsächlich benützt, steht für das Bundesfinanzgericht fest, dass der Bf. im Streitjahr 2021 am Familienwohnsitz, in dem im Alleineigentum des Bf. stehenden Einfamilienhauses, über einen inländischen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO verfügte.

Für die im Rahmen der Anwendung des DBA Schweiz zu beurteilenden Frage, in welchem Staat der Bf. den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen. Zusätzlich zur Feststellung der faktischen Gegebenheit eines tatsächlichen (körperlichen) Aufenthalts wird in Ansehung der ebenfalls erforderlichen Absicht des Verbleibens an einem Ort auf die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. eingegangen. Als wesentliche Faktoren, die den Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmen bzw. beeinflussen, gelten der gewöhnliche Aufenthalt und die Wohnsituation, die persönliche und familiäre Lage, die gesellschaftlichen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Gegebenheiten einschließlich des regelmäßigen Arbeitsortes, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt und wirtschaftlichen Beziehungen in der Regel eine geringere Bedeutung zukommt als persönlichen Beziehungen.

Im Hinblick darauf, dass bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen ist (vgl. Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 4 Tz 11), ist im vorliegenden Fall zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Sachlage im Streitjahr 2021 lediglich insofern verändert hat, als der Bf. zwar bereits seit dem Jahr 2014 bei der ***3*** AG in der Schweiz tätig ist, allerdings erst im Jahr 2021 einen Wohnsitz in der Schweiz begründet hat. Da der Bf. in den Jahren 2014 bis 2020 während seiner Auslandstätigkeit in der Schweiz mit seiner Familie in Österreich gelebt hat, ist unstrittig davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. in Österreich lag.

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen setzt eine gewisse Dauerhaftigkeit, aber keine ständige Anwesenheit voraus (Jakom/Marschner, EStG, 2016, § 1 Rz. 20).

Die Tatsache, dass der Bf. in der Schweiz eine Wohnstätte begründet hat, ohne seine in Österreich bestehende Wohnstätte, wo er mit seiner Familie gelebt hat und wo seine Familie nach wie vor lebt, aufzugeben, kann zusammen mit anderen Gesichtspunkten bereits dafür sprechen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich beibehalten hat.

Der Umstand, dass sich an der Adresse des seitens des Bf. bekannt gegebenen Wohnsitzes (***9***) in der Schweiz eine Ferienwohnung (Ferienwohnung ***12***) befindet, welche regelmäßig zur Vermietung angeboten wird, lässt die Begründung eines Hauptwohnsitzes an dieser Adresse unglaubwürdig erscheinen. Doch selbst wenn der Bf. die Ferienwohnung für einen gewissen Zeitraum angemietet haben sollte, lässt dieses Verhalten nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht darauf schließen, dass der Bf. damit die Absicht hatte, sich dauerhaft in der Schweiz niederzulassen. Vielmehr zeigt die Lebenserfahrung, dass eine Ferienwohnung in der Regel nur für kurzfristige oder vorübergehende Zeiträume angemietet wird.

Dazu kommt, dass der Bf. seine Familie in Österreich regelmäßig einmal pro Woche besucht und mit ihr Feiertage wie Weihnachten und Ostern verbringt, während er in der Schweiz keinerlei persönliche Beziehungen aufgebaut hat, weder soziale Kontakte pflegt und auch keinen gesellschaftlichen oder kulturellen Freizeitaktivitäten nachgeht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht es der Lebenserfahrung, dass eine Person zu einem Wohnsitz, der am Arbeitsort besteht, und nur während der Arbeitszeit benützt wird, engere Beziehungen hätte als zu einer mit dem Ehegatten gemeinsam benützten Wohnung. Daraus folgt, dass Personen, die zwar den überwiegenden Teil der Woche im Ausland tätig sind, die Wochenenden, die sonstigen freien Tage und den Urlaub jedoch regelmäßig mit ihren im Inland lebenden Familien verbringen, ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Regel am Ort der privaten Lebensführung und nicht am Arbeitsort haben (Huemer, Die unbeschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen, 144, 146 und die hierin zitierte Judikatur).

Aus all diesen Umständen ist zu schließen, dass der Bf. in der Schweiz keinerlei persönliche Beziehungen hat, die ihn aus in seiner Person liegenden Gründen mit dem Ort verbinden, an dem er einen weiteren Wohnsitz begründet hat.

Des Weiteren sind in Österreich zwei PKWs (mit den Kennzeichen ***13*** sowie ***14***) auf den Bf. zugelassen, was ebenfalls ein eindeutiges Indiz für enge persönliche Beziehungen zu Österreich darstellt.

Zusätzlich zu den deutlich engeren persönlichen Beziehungen des Bf. zu Österreich deuten auch die wirtschaftlichen Beziehungen des Bf. in Form von Grundstückseigentum (Alleineigentum an den Liegenschaft ***2***, sowie an landwirtschaftlichen Flächen KG ***5***, EZ ***10***, ***11***) und Vermögen in Richtung Österreich.

Sofern der Bf. einwendet, dass das Eigentum am Einfamilienhaus bereits auf seine Kinder übertragen worden sei, so steht dieses Vorbringen im Widerspruch mit der Auskunft aus dem Grundbuch (siehe Grundbuchsauszug vom ).

Nach Abwägung der Gesamtheit der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Bf. zu den beiden Vertragstaaten gelangt das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs. 2 BAO zu dem Ergebnis, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. im Streitjahr 2021 in Österreich lag und der Bf. daher in Österreich ansässig war.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 1 Abs. 1 EStG sind jene natürliche Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Für die Auslegung des Wohnsitzbegriffes i.S.d. § 1 Abs. 1 EStG ist § 26 Abs. 1 BAO maßgeblich. Danach hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Steuerrechtlich ist das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung der Innehabung einer Wohnung geknüpft. Innehaben bedeutet nach den von Judikatur und Lehre entwickelten Grundsätzen, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich zu verfügen, diese also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können (; ). Maßgeblich ist die tatsächliche Gestaltung der Lebensumstände. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es daher nur der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung in den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl. ständige Rechtsprechung des VwGH, etwa vom , 91/14/0041, vom , 90/13/0299, vom , 95/13/0150 und vom , 99/15/0104).

Dabei fordert der Wohnsitzbegriff nicht die ununterbrochene tatsächliche Benützung der Wohnung. Ob die Wohnung vom Abgabepflichtigen auch tatsächlich benutzt wird, ist nicht entscheidend, sondern nur, ob Umstände dafürsprechen, dass sie ständig durch den Abgabepflichtigen benutzt werden kann (Stoll, BAO-Kommentar, Seite 335).

Als Rechtsgründe für die Innehabung kommen Eigentum, Wohnungseigentum, Miete, Untermiete, Wohnungsrecht, aber auch familienrechtliche Ansprüche in Betracht. Auch ein abgeleiteter Wohnsitz stellt einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO dar. Bei aufrechter Ehe kann davon ausgegangen werden, dass Ehegatten einen gemeinsamen Wohnsitz dort haben, wo die Familie wohnt (vgl. ). Hält sich der Ehegatte aus beruflichen oder sonstigen Gründen langfristig im Ausland auf und lassen auch die Umstände auf keine dauernde Trennung schließen, dann behält der Ehegatte den Wohnsitz bei der Familie bei (vgl. Doralt 4 , EStG-Kommentar, Band I, Rz 14 zu § 1 EStG 1988).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es für die Annahme eines Wohnsitzes, wenn die Wohnung jährlich mehrere Woche benützt wird (Ritz, BAO, § 26 Rz 9).

Auf die polizeiliche An- bzw. Abmeldung (§ 1 Abs. 1 Meldegesetz) kommt es bei Klärung der Wohnsitzfrage nicht an, wenngleich diese Faktoren Indizwirkung haben können (). Ist die Innehabung einer inländischen Wohnung in der gesetzlich beschriebenen Weise im Einzelfall festzustellen, dann ist es also egal, ob der Benützer dort gemeldet bzw. abgemeldet ist. Unter den vorgenannten Voraussetzungen steht der Annahme eines inländischen Wohnsitzes und damit der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht auch nicht entgegen, wenn sich der Steuerpflichtige häufig im Ausland aufhält, er beruflich im Ausland tätig oder sogar dort polizeilich gemeldet ist, weil diese Kriterien für die Wohnsitzfrage im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO bedeutungslos sind (; ).

Im Hinblick darauf, dass dem Bf. bei seinen Familienbesuchen in Österreich an der Adresse des in seinem Eigentum stehenden Einfamilienhauses in ***2***, regelmäßig Räumlichkeiten zur Verfügung standen, die er für den eigenen Wohnbedarf nutzen konnte, besteht kein Zweifel daran, dass der Bf. im Streitjahr 2021 über einen inländischen Wohnsitz iSd. § 26 BAO verfügte.

Mit der Annahme eines inländischen Wohnsitzes des Bf. allein ist allerdings der Beschwerdefall insofern noch nicht entschieden, weil nach den Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen ist, dass der Bf. in den Streitjahren auch in der Schweiz einen Wohnsitz hatte.

Insofern kommt das zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossene Abkommen BGBl 1975/64 in der Fassung der Abänderungsprotokolle BGBl 1995/161, III 2001/204, III 2007 /22, III 2011/27, III 2012/169 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (in weiterer Folge DBA Schweiz) zur Anwendung.

Gegenständlich regeln die Artikel 15 Abs. 1, Artikel 23 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Artikel 4 Abs. 1 und Abs. 2 DBA Schweiz die Besteuerung der Schweizer unselbständigen Einkünfte des Bf. im Hinblick auf die Doppelbesteuerung.

Artikel 15 Abs. 1 DBA Schweiz lautet:

(1) Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden......"

Demzufolge stand der Schweiz als Tätigkeitsstaat die Besteuerung der im Streitjahr 2021 seitens des Bf. in der Schweiz bezogenen Einkünfte der ***3*** AG zu. Dieser Umstand schließt allerdings eine Besteuerung in Österreich dann nicht aus, sofern der Bf. in diesen Jahren in Österreich ansässig war. In diesem Fall wird die Doppelbesteuerung dieser Einkünfte nach Artikel 23 DBA Schweiz vermieden, indem die im Ausland gezahlte Steuer auf die nach österreichischem Recht für diese Einkünfte ermittelte Steuer angerechnet wird.

In welchem Vertragsstaat eine Person ansässig ist, richtet sich nach Artikel 4 DBA Schweiz.

Artikel 4 DBA Schweiz lautet:

"(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.

(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a) Die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

b) Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

c) ….

d) ….

(3) …

(4) …

(5) …"

Soweit der Bf. davon ausgeht, in der Schweiz ansässig zu sein und daher ausschließlich der Schweizer Besteuerung zu unterliegen, ist dazu festzustellen, dass gemäß Artikel 4 Abs. 1 DBA Schweiz eine in einem Vertragstaat ansässige Person eine solche ist, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Im Hinblick auf die seitens des Bf. vorgelegte Schweizer Wohnsitzbestätigung einerseits und die obigen Ausführungen, wonach der Bf. auch im Inland ansässig ist, andererseits, ist davon auszugehen, dass der Bf. gemäß Artikel 4 Abs. 1 DBA Schweiz als in beiden Vertragsstaaten ansässig zu betrachten ist.

Da der Bf. darüber hinaus ausführt, in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte zu verfügen, richtet sich dessen Ansässigkeit gemäß Artikel 4 Abs. 2 a DBA Schweiz nach dem Staat, zu dem die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen) oder - für den Fall, dass dieser nicht bestimmt werden kann - nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Bf. (Art. 4 Abs. 2 lit. b DBA Schweiz).

Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt und wirtschaftlichen Beziehungen in der Regel eine geringere Bedeutung zukommt als persönlichen Beziehungen (vgl. Hofstätter - Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 1 Tz 9; Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I/1 Z 4 Rz 10, Stand , rdb.at, mwN; ; ; ; ).

Da im gegenständlichen Fall der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. eindeutig bestimmbar (siehe Beweiswürdigung) war, kommst die subsidiäre Regelung des Art. 4 Abs. 2 lit. b DBA Schweiz nicht zur Anwendung.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund des im strittigen Zeitraum in Österreich gelegenen Mittelpunktes seiner Lebensinteressen nach Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA Schweiz in Österreich ansässig. Der Republik Österreich als Ansässigkeitsstaat steht daher gemäß Art. 23 Abs. 2 iVm Art. 1 Abs. 1 DBA Schweiz das Besteuerungsrecht an den in der Schweiz aus der Tätigkeit bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter Anrechnung der ausländischen Quellensteuer zu.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Bei der Frage, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Steuerpflichtigen befindet, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Tatsachenfrage, die nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beantworten ist. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 4 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 15 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 Abs. 2 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100717.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at