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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2024, RV/7101395/2024

Tätigkeiten in Österreich im Rahmen von Dienstleistungsschecks und eine völlig untergeordnete und unwesentliche Beschäftigung begründen keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Name des Richters*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab April 2023, Sozialversicherungsnummer ***9999-TTMMJJ***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

***Bf1*** (in der Folge als Beschwerdeführerin "Bf." bezeichnet) beantragte mit Antrag vom die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihre drei Kinder für den Zeitraum ab April 2023. Dem Antrag war ein Formular E 411 und ein Formular E 401 beigelegt und war aus diesen Formularen der Familienstand der Bf. und eine Erwerbstätigkeit des Gatten der Bf. in ***EU-Land*** entnehmbar. Auch waren dem Antrag Bestätigungen betreffend die Schulausbildung der beiden älteren Kinder der Bf. beigelegt worden.

Das Finanzamt übermittelte an die Bf. am ein "Ersuchen um Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen" und führte in diesem Ersuchen aus:

"- Wurde das pauschale Kindergeld in Höhe von ***Betrag und Währung*** beantragt? Wenn ja, bitte Ablehnungsbescheid oder Auszahlungsbestätigung vorlegen.
Wenn nein, wieso wurde kein Antrag gestellt?
- Dienstgeberbestätigung (
***Dienstgeber***) mit Angabe der Wochenstunden
- Bestätigung der Sozialversicherungsanstalt über die eingelösten Dienstleistungschecks
- Wie viele Wochenstunden sind Sie bei Frau
***Name Beschäftiger*** beschäftigt?
- Welche Tätigkeit üben Sie aus?"

Die Bf. beantwortete dieses Ersuchen am und übermittelte dem Finanzamt

  1. eine ***EU-Land*** Bestätigung "Übersicht über die an die berechtigte Person gezahlten Leistungen (Einmalbetrag an das Kind)",

  2. eine Bestätigung von ***Dienstgeber*** über eine Tätigkeit im Ausmaß von 3 Stunden/Woche und

  3. eine Bestätigung der BVAEB über eingelöste Dienstleistungsschecks.

Mit Abweisungsbescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Bf. als unbegründet ab und führte begründend aus:

"Eine Familienleistung steht nur für jene Monate zu, in denen Sie in Österreich unselbständig oder selbständig beschäftigt sind bzw. eine Geldleistung wie zum Beispiel Arbeitslosengeld oder Krankengeld erhalten.

Zu den Beschäftigungen gehören auch geringfügige Beschäftigungen. Erforderlich ist aber, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich "als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen". Die Beschäftigung bei Herrn ***Dienstgeber*** ist in so einen geringen Umfang (cca. 3h/Woche), dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Arbeitsleistungen, die mittels Dienstleistungscheck vergütet werden, erfüllen ihrer Natur und ihres Zwecks nach (befristete einfache Gelegenheits- und Gefälligkeitsarbeiten im Haushalt einer Privatperson zu verrichten) nicht die Kriterien einer Beschäftigung iSd VO (EG) 883/2004 und lösen nach geänderter Rechtsauslegung keine Zuständigkeit Österreichs aus."

Am brachte die Bf. fristgerecht eine Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom ein und führte begründend aus:

"Sehr geehrte Damen und Herren! Gegen den Abweisungsbescheid erhebe ich innerhalb offener Frist nachstehende Beschwerde, welche ich wie folgt begründe. Mit Ihrem Abweisungsbescheid wurde mir der Anspruch auf Familienbeihilfe für meine drei Kinder abgewiesen und zwar mit der Begründung, dass mit dem Dienstleistungsscheck nur einfache, geringe Tätigkeiten unter der Geringfügigkeitsgrenze vorgesehen sind. Diese Behauptung ist sehr lapidar und sagt nichts über meine konkrete Tätigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung und der in der in Öterreich angewandten Auslegung der EU-Verordnung ist bei der Beurteilung des Anspruches auf Familienbeihilfe bei einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (möglicher Beobachtungszeitraum könnte ein Kalenderjahr sein) Dazu sind die Dauer, die Nachhaltigkeit/Qualität und die Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die Höhe des Arbeitsentgeltes, die Anzahl der wöchentlichen Arbeitszeit (Richtwert: wöchentliche Mindestarbeitszeit von 8 Stunden) und die Dauer des Arbeitsvertrages heranzuziehen. Das war ein Zitat aus der neusten Entscheidung des BFG. Ich muss anführen, dass meine Arbeit in AT einen regelmäßigen Charakter hat und das wöchentliche Stundenausmaß beträgt von 8 und mehr Wochenstunden. Ich arbeite schon seit mehr als 12 Monate in diesem Ausmaß und das Entgelt ist für mich sicher nicht gering. Es ist das einzige Eikommen für mich. Aus alle diesen Gründen bitte ich um Aufhebung des gegenständlichen Bescheides und um Zuerkennung der Familienbeihilfe für meine drei Kinder laut dem ursprünglichen Antrag. Mit freundlichen Grüßen (…)"

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das Finanzamt die Beschwerde der Bf. vom als unbegründet ab. Die Begründung der BVE lautete wie folgt:

"Sie werden nocheinmal auf die Begründungen im angefochtenen Bescheid hingewiesen.
-> Laut vorgelegter Unterlagen liegt von Ihnen in Österreich eine mehrfach geringfügige Beschäftigung wegen Dienstleistungsscheck und gleichzeitig eine geringfügige Beschäftigung bei Herrn
***Dienstgeber*** im Ausmaß von drei Wochenstunden vor.

Laut geänderter Rechtsmeinung des Familienministeriums liegt bei einer Beschäftigung wegen Dienstleistungsscheck keine Erwerbstätigkeit im Sinne der EU-Verordnung 883/2004 vor.

Mit dem Dienstleistungsscheck sind gemäß § 1 Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG) nur einfache, geringe monatsweise Hilfstätigkeiten unter der Geringfügigkeitgrenze vorgesehen.

Nur die geringfügige Beschäftigung im Ausmaß von drei Wochenstunden bei Herrn ***Dienstgeber*** ist in zu geringem Umfang um einen Familienbeihilfenanspruch zu begründen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Am brachte die Bf. einen Vorlageantrag, der wie folgt begründet war, ein:

"Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit stelle ich einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Unter Verweis auf meine Ausführungen in der Beschwerde erlaube ich mir noch eine ergänzende kurze Reaktion auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung. Auszuführen ist, dass das europäische Recht autonom auszulegen ist und die EUGH- Judikatur daher zu Anwendug gebracht werden muss. Die Frage, wass eine geringe Erwerbstätigkeit darstellt, kann nicht objektiv abstrakt dadurch beantwortet werden, dass in einem nationalen Gesetz ganz lapidar das Wort gering verwedet wird, sondern ist auch nach bereits ständiger Verwaltungspraxis und der neuesten Judikatur des Bundesfinanzgerichtes selbst entscheidungserheblich, wie die Tätigkeit subjektiv konkret daher im Einzelfall, unter Rücksicht auf ihre Dauer, Ausmaß, das dafür bezahlte Entgeld, die Zugehörigkeit in das System der Kranken- und Pensionsversicherung etc. zu beurteilen ist. Eine andere Anwendung des EU-Rechtes wäre als Verstoß gegen das EU- Recht zu klasifizieren und müsste dem Europäischen Gerichtshof ein solches Verhalten zur Begutachtung ferner als Vertragsverletzung vorgelegt werden. Mit freundlichen Grüßen ***Bf1***"

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter dem Punkt "Stellungnahme" das Nachstehende aus:

"Strittig ist die Abweisung der Familienbeihilfe ab April 2023 für die drei Kinder ***Name Kind 3***, ***Name Kind 1*** und ***Name Kind 2***, aufgrund der fehlenden Beschäftigung in Österreich.

Aufgrund des gemeinsamen Haushaltes in ***EU-Land*** und der geringfügigen Beschäftigung sowie mittels Dienstleistungsscheck entlohnten Tätigkeit der Beschwerdeführerin in Österreich, liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor. Es ist daher die EU-VO 883/2004 anzuwenden.

Gemäß Art 11 Abs 1 der EU-VO 883/2004 kann eine Person nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates unterliegen. Gemäß Art 11 Abs 3 lit a EU-VO 883/2004 unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaates.

Nach Art 68 Abs 1 lit a der EU-VO 883/2004 und der Richtlinien zu den EU-VO 883/2004 und 987/2009 ist der Beschäftigungsstaat, als vorrangig zuständiger Staat, für die Gewährung der Familienleistungen zuständig. Aufgrund der Beschäftigung des Kindesvaters in ***EU-Land***, ist ***EU-Land*** grundsätzlich Beschäftigungs- und Wohnortstaat. Es ist zu untersuchen, ob auch Österreich, aufgrund der Entlohnung mittels Dienstleistungsscheck und der geringfügigen Beschäftigung in einem Wochenausmaß von 3 Stunden, als Beschäftigungsstaat zu qualifizieren ist.

Gemäß § 1 Dienstleistungsscheckgesetz regelt dieses Gesetz Ansprüche und Verpflichtungen aus Arbeitsverhältnissen, die von arbeitsberechtigten Arbeitnehmern mit natürlichen Personen zur Erbringung von einfachen haushaltstypischen Dienstleistungen in deren Privathaushalten auf längstens einen Monat befristet für die Dauer des jeweiligen Arbeitseinsatzes abgeschlossen werden, soweit die Entgeltgrenze nach Abs. 4 nicht überschritten und die Entlohnung mit Dienstleistungsscheck vereinbart wird.

Unter einer Beschäftigung ist iSd der EU -VO 883/2004 eine tatsächliche Ausübung einer rechtmäßigen, erlaubten Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt zu verstehen. Es ist dabei auf nationales Recht abzustellen. In Österreich sind darunter alle ASVG-Versicherten Beschäftigungen, einschließlich freier Dienstnehmer/innen, über der Geringfügigkeitsgrenze zu verstehen.

Grundsätzlich können auch geringfügige Beschäftigungen unter die Beschäftigung iSd EU-VO 883/2004 fallen. Bei einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze ist jedoch eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Es ist erforderlich, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird, wobei Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen, außer Betracht bleiben. Nach der EuGH-Judikatur fallen geringe Erwerbstätigkeiten nicht unter den EU-Erwerbstätigkeitsbegriff (vgl. , Rs Raulin.).

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse im Ausmaß von 3 Stunden oder weniger in der Woche können keine Zuständigkeit Österreichs begründen. Die 3-Wochenstunden bilden die absolute Untergrenze, da solche Beschäftigungen jedenfalls als untergeordnet und unwesentlich anzusehen sind.

Mit dem österreichischen Dienstleistungsscheck sind gemäß § 1 Dienstleistungsscheckgesetznur einfache, geringe monatsweise Hilfs-Tätigkeiten unter der Geringfügigkeitsgrenze vorgesehen. Damit liegt daher grundsätzlich keine Erwerbstätigkeit im Sinne der VO (EG) Nr. 883/2004 vor.

Gemäß Sozialversicherungsdatenauszug und übermittelter Bestätigung der eingelösten Dienstleistungsschecks ergeben sich bei der Beschwerdeführerin folgende Beitragsgrundlagen:

Jahr 2023:
04/2023-12/2023 geringfügige Beschäftigung 3h/Woche: 2.420,00 Euro
04/2023-12/2023 Dienstleistungsscheck: 2.775,00 Euro
=Summe 04/2023-12/2023: 5.195,00 Euro

Jahr 2024:
01/2024-03/2024 geringfügige Beschäftigung 3h/Woche: 660,00 Euro
01/2024-03/2024 Dienstleistungsscheck: 375,00 Euro
= Summe 01/2024-03/2024: 1.035,00 Euro

Geringfügige Beschäftigung:

In der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom legt die Bf eine Bestätigung von ***Dienstgeber*** vor, aus der hervorgeht, dass sie in einem wöchentlichen Stundenausmaß von 3 Stunden beschäftigt ist. Entsprechend der obigen Ausführungen ist ein Beschäftigungsverhältnis im Ausmaß von 3 Stunden oder weniger in der Woche als untergeordnet und unwesentlich anzusehen. Es liegt daher keine Beschäftigung iSd EU-VO 883/2004 vor.

Dienstleistungsscheck:

Mit dem österreichischen Dienstleistungsscheck sind gemäß § 1 Dienstleistungsscheckgesetz nur einfache, geringe monatsweise Hilfs-Tätigkeiten unter der Geringfügigkeitsgrenze vorgesehen. Damit liegt daher grundsätzlich keine Erwerbstätigkeit im Sinne der VO (EG) Nr. 883/2004 vor. Im Zusammenhang mit Dienstleistungsscheck vgl BFG, RV/7101318/2024.

Aufgrund der fehlenden Beschäftigung iSd EU-VO 883/2004 ist Österreich weder vorrangig noch nachrangig für die Familienleistung zuständig. Für den Beschwerdezeitraum besteht daher in Österreich kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum mit ihrem Gatten und der gemeinsamen Tochter, ***Name Kind 3*** (geb. am ***Geburtsdatum 3***) sowie den beiden Kindern der Bf. aus einer früheren Partnerschaft, nämlich ***Name Kind 2*** (geb. am ***Geburtsdatum 2***) und ***Name Kind 1*** (geboren am ***Geburtsdatum 1***) in ***EU-Land*** wohnhaft. Der Gatte der Bf., ***Gatte Bf1*** (geb. am ***Geburtsdatum Gatte***) ist in ***EU-Land*** erwerbstätig, in Österreich übt der Gatte der Bf. keine Erwerbstätigkeit aus und sind ob des Gatten der Bf. keine Sozialversicherungszeiten beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeichert.

[...]

Die Bf. war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum mit einem Beschäftigungsausmaß von 3 Stunden/Woche bei ***Dienstgeber*** beschäftigt und scheinen im Sozialversicherungs- auszug der Bf. auch Versicherungszeiten aus geringfügigen Beschäftigungen "wegen DLS" (Dienstleistungsscheck) auf (Schreiben der BVAEB und SV-Auszug der Bf.):

[...]

SV-Auszug zum :

[...]

Die einfache Fahrtstrecke vom Wohnort der Bf. nach ***Name Ort1*** beträgt je nach Fahrtroute mit dem Auto (öffentliche Verkehrsmittel benötigen ca. 3-5 Stunden) 46 - 52 km

Die einfache Fahrtstrecke vom Wohnort der Bf. nach ***Name Ort2*** beträgt je nach Fahrtroute
mit dem Auto (öffentliche Verkehrsmittel verkehren nicht) 22 - 27 km

Die beiden älteren Kinder der Bf. besuchen in ***EU-Land*** die Mittelschule bzw. die Grundschule. Die Bf. bezieht für ihre Kinder ***EU-Land*** Familienleistungen.

2. Beweiswürdigung

Der Wohnsitz der Bf. und deren Kinder sowie deren Gatten in ***EU-Land*** ergibt sich aus den vorgelegten Formularen E 411 und E 401 und ist unstrittig.

Der Familienstand der Bf. und die Erwerbstätigkeit des Gatten der Bf. (nur) in ***EU-Land*** ergibt sich ebenfalls aus den vorgelegten Formularen E 411 und E 401 sowie aus einem ob des Gatten der Bf. angefertigten Sozialversicherungsauszug und ist unstrittig.

Die geringfügige Beschäftigung der Bf. im Ausmaß von 3 Stunden/Woche und die Tätigkeiten auf Grundlage von Dienstleistungsschecks ergeben sich aus der seitens der Bf. vorgelegten Bestätigung sowie aus einem angefertigten Sozialversicherungsauszug.

Das Vorbringen der Bf. in der Beschwerde dahingehend, dass die Bf. 8 Stunden und mehr in der Woche arbeiten würde, steht mit der von der Bf. selbst vorgelegten Bestätigung einerseits und den Daten des Sozialversicherungsauszuges andererseits im Widerspruch. Das Bundesfinanzgericht ging daher auf Grundlage der vorgelegten Unterlagen von einer geringfügigen Beschäftigung von 3 Stunden/Woche für ***Dienstgeber*** und fallweisen geringfügigen Tätigkeiten auf Grund von Dienstleistungsschecks aus.

Der Schulbesuch der Kinder der Bf. in ***EU-Land*** und der Bezug von ***EU-Land*** Familienleistungen der Bf. für ihre Kinder ergibt sich aus den von der Bf. vorgelegten Unterlagen und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Anmerkungen vorweg:

Wie sowohl die belangte Behörde als auch die Bf. zutreffend festgestellt haben, liegt im vorliegenden Fall ein grenzüberschreitender "EU-Sachverhalt" vor, weswegen sowohl die österreichische Gesetzeslage als auch die einschlägigen Vorschriften der Verordnung VO 883/2004, der Durchführungsverordnung DVO 987/2009 sowie die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) dargestellt werden. Die Bezugnahme auf die o.a. Verordnungen der Europäischen Union einerseits sowie die EuGH-Judikatur andererseits erfolgt deswegen, weil die österreichische Gesetzeslage - insoweit diese mit EU-Vorschriften im Widerspruch steht - von den EU-Vorschriften verdrängt wird ("Anwendungsvorrang").

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides oder des Erkenntnisses (vgl. Erkenntnisse , und , sowie die erwähnten hg. Erkenntnisse , , und ).

In dem angefochtenen Abweisungsbescheid vom hat die belangten Behörde den Antrag der Bf. auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihre Kinder "ab Apr. 2023" abgewiesen. Das gegenständliche Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes spricht daher für alle Zeiträume ab, in denen sich die tatsächlichen oder/und rechtlichen Verhältnisse nicht geändert haben, jedenfalls aber - da das Erkenntnis im Mai 2024 erlassen worden ist - bis zum Zeitraum April 2024.

Österreichisches Recht:

Gemäß § 115 Bundesabgabenordnung (BAO) hat das Bundesfinanzgericht - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

Eine in der Begründung einer BVE oder in einem Vorlagebericht des Finanzamtes getroffene Feststellung wirkt wie ein Vorhalt und es obliegt dem Abgabepflichtigen, die vom Finanzamt in der Begründung der BVE oder im Vorlageantrag getroffene Feststellung zu widerlegen bzw. zumindest deren Unrichtigkeit zu behaupten (vgl. etc.).

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Rangordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Ziel der Schätzung ist es, für den Fall, dass andere Mittel (Ermittlungs-, Beweis- und Erkenntnisverfahren) nicht mehr greifen, den rechtswirksamen Sachverhalt anhand von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen und Wahrscheinlichkeitsschlüssen sowie durch begründetes Einbeziehen und Ausschließen von Möglichkeiten, die sachverhaltsbezogen den tatsächlichen Gegebenheiten und Ergebnissen näher oder ferner liegen, so genau wie möglich zu ermitteln. Die Schätzungsbefugnis erstreckt sich neben dem Sachverhalt der Höhe nach auch auf den Sachverhalt dem Grunde nach ( Zl. 92/17/0177).

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter näher geregelten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige und für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

§ 10 Abs. 2 FLAG 1967 normiert:

Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 53 FLAG 1967 bestimmt:

(1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

(2) Die Gleichstellung im Sinne des Abs. 1 gilt auch im Bereich der Amtssitzabkommen sowie Privilegienabkommen, soweit diese für Angestellte internationaler Einrichtungen und haushaltszugehörige Familienmitglieder nicht österreichischer Staatsbürgerschaft einen Leistungsausschluss aus dem Familienlastenausgleich vorsehen.

(3) § 41 ist im Rahmen der Koordinierung der sozialen Sicherheit im Europäischen Wirtschaftsraum mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Dienstnehmer im Bundesgebiet als beschäftigt gilt, wenn er den österreichischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterliegt.

Die §§ 4 und 19a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) normieren:

§ 4. (1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:

(…)

(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um

1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder
2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen oder
3. Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.

§ 19a. (1) Personen, die von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 oder Teilversicherung nach § 7 Z 4 ausgenommen und auch sonst weder in der Krankenversicherung noch in der Pensionsversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz pflichtversichert sind, können sich, solange sie ihren Wohnsitz im Inland haben, auf Antrag in der Kranken- und Pensionsversicherung selbstversichern. Die Pensionsversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. g dieses Bundesgesetzes, nach § 3 Abs. 3 Z 4 GSVG und nach § 4a Z 4 BSVG gilt nicht als Pflichtversicherung im Sinne des ersten Satzes. Ausgeschlossen von dieser Selbstversicherung sind jedoch die im § 123 Abs. 9 und 10 genannten Personen sowie Personen, die einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung haben. Die Selbstversicherung für Personen, die von der Teilversicherung nach § 7 Z 4 ausgenommen sind, erfolgt in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz und in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG (§ 7a B-KUVG).

(2) Die Selbstversicherung beginnt
1. a) bei der erstmaligen Inanspruchnahme mit dem Tag des Beginnes der geringfügigen Beschäftigung, wenn der Antrag binnen sechs Wochen nach diesem Zeitpunkt gestellt wird, und
b)bei Personen, die mit Dienstleistungsscheck entlohnt werden, mit dem Tag des Beginnes der ersten Beschäftigung, wenn der Antrag spätestens bis zum Ablauf des nächsten Kalendermonates gestellt wird,
2.sonst mit dem der Antragstellung folgenden Tag, im Falle der Beendigung der Selbstversicherung nach Abs. 3 Z 2 oder 3 jedoch frühestens nach Ablauf von drei Kalendermonaten nach dieser Beendigung,
3.bei Personen, die mit Dienstleistungsscheck entlohnt werden und nach § 471f in der Kranken- und Pensionsversicherung pflichtversichert waren, am Tag nach dem Ende dieser Pflichtversicherung.

Der § 1 Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG) normiert:

§ 1. (1) Dieses Gesetz regelt die Ansprüche und Verpflichtungen aus Arbeitsverhältnissen, die von arbeitsberechtigten Arbeitnehmern mit natürlichen Personen zur Erbringung von einfachen haushaltstypischen Dienstleistungen in deren Privathaushalten auf längstens einen Monat befristet für die Dauer des jeweiligen Arbeitseinsatzes abgeschlossen werden, soweit die Entgeltgrenze nach Abs. 4 nicht überschritten und die Entlohnung mit Dienstleistungsscheck vereinbart wird.

(2) Arbeitsberechtigt ist, wer zur Aufnahme einer Beschäftigung im Bundesgebiet oder im jeweiligen Bundesland ohne Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung berechtigt ist.

(3) Befristete Arbeitsverhältnisse im Sinne des Abs. 1 können ohne zahlenmäßige Begrenzung und auch unmittelbar hintereinander abgeschlossen werden, ohne dass dadurch ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit entsteht.

(4) Entgeltgrenze ist die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955. Die Entgeltgrenze gilt für sämtliche Entgelte eines Arbeitnehmers aus Arbeitsverhältnissen im Sinne des Abs. 1 mit einem bestimmten Arbeitgeber in einem Kalendermonat. Urlaubsersatzleistungen und aliquote Sonderzahlungen sind für die Entgeltgrenze nicht zu berücksichtigen.

Unionsrecht:

Für den Streitzeitraum ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden: VO 883/2004) maßgebend.

Die VO 883/2004 gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die Familienleistungen betreffen (Art. 3 Abs. 1 Buchstabe j VO 883/2004). Die in Rede stehende Familienbeihilfe ist eine Familienleistung.

Nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in dem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Zu den Familienangehörigen zählt gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchstabe i Nummer 1 VO 883/2004 (Unterbuchstabe i) "jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird".

"Wohnort" ist der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person (Art. 1 Abs. 1 Buchstabe j VO 883/2004), "Aufenthalt" der vorübergehende Aufenthalt (Art. 1 Abs. 1 Buchstabe k VO 883/2004).

Art. 4 VO 883/2004 zufolge haben die Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Art. 11 VO 883/2004 lautet:

"Artikel 11
Allgemeine Regelung

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

b) … d)

e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a bis d fällt, unterliegt unbeschadet anderslautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats..."

Artikel 13

Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten

(1) Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, unterliegt:

a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt oder wenn sie bei mehreren Unternehmen oder Arbeitgebern beschäftigt ist, die ihren Sitz oder Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, oder
b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen oder der Arbeitgeber, das bzw. der sie beschäftigt, seinen Sitz oder Wohnsitz hat, sofern sie keinen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeiten in dem Wohnmitgliedstaat ausübt.

(2) …

(3) Eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eine Beschäftigung ausübt, oder, wenn sie eine solche Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den nach Absatz 1 bestimmten Rechtsvorschriften.

(4)...

(5) Die in den Absätzen 1 bis 4 genannten Personen werden für die Zwecke der nach diesen Bestimmungen ermittelten Rechtsvorschriften so behandelt, als ob sie ihre gesamte Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat ausüben und dort ihre gesamten Einkünfte erzielen würden.

Art. 14 Abs. 5b und Abs. 8 Buchstabe a der Verordnung (EG) VO 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung EG 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (in der Folge VO 987/2009) lautet:

(5b) Für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nach Artikel 13 der Grundverordnung werden marginale Tätigkeiten nicht berücksichtigt.

(8) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet die Ausübung "eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit" in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.

Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen:

a) im Falle einer Beschäftigung die Arbeitszeit und/oder das Arbeitsentgelt und

b) ...

Nach Art. 67 VO 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Art. 68 VO 883/2004 lautet:

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüberhinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren.

Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.

Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes:

, KEMPF

11 Was zunächst das Kriterium der tatsächlichen und echten Erwerbstätigkeit im Gegensatz zu den nicht unter die betreffenden Gemeinschaftsvorschriften fallenden untergeordneten und unwesentlichen Tätigkeiten betrifft, hat die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung bezweifelt, dass eine Lehrtätigkeit von zwölf Stunden wöchentlich für sich genommen als eine solche tatsächliche und echte Erwerbstätigkeit im Sinne des Urteils in der Rechtssache Levin angesehen werden kann.

12 Zu der Prüfung dieser Frage besteht jedoch kein Anlass, da der Raad van State in den Gründen seiner Vorlageentscheidung ausdrücklich festgestellt hat, dass die betreffende Arbeitnehmertätigkeit keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als untergeordnet und unwesentlich darstellt. Im Rahmen der Zusammenarbeit des nationalen Gerichts und des Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren obliegt ersterem die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits. Die Vorabentscheidungsfrage ist daher auf der Grundlage der vom nationalen Gericht vorgenommen Beurteilung zu prüfen.

13 Nach der gesicherten Rechtsprechung des Gerichtshofes gehört die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu den Grundlagen der Gemeinschaft. Die Vorschriften, in denen diese Grundfreiheit verankert ist, und vor allem die Begriffe "Arbeitnehmer" und "Tätigkeit im Lohn-oder Gehaltsverhältnis", durch die der Geltungsbereich dieser Vorschriften festgelegt wird, sind daher weit, die Ausnahmen und Abweichungen vom Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dagegen eng auszulegen.

14 Infolgedessen sind die diesbezüglichen Bestimmungen dahin zu verstehen, dass jemand, der eine tatsächliche und echte Teilzeitbeschäftigung ausübt, vom Geltungsbereich dieser Bestimmungen nicht allein deswegen ausgeschlossen werden kann, weil er die unter dem Existenzminimum liegenden Einkünfte aus dieser Tätigkeit durch andere zulässige Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu ergänzen sucht. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die ergänzenden Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus dem Vermögen oder der Arbeit eines Familienmitglieds des Betroffenen herrühren wie bei dem dem Urteil Levin zugrundeliegenden Sachverhalt oder ob sie-wie im vorliegenden Fall-auf einer aus öffentlichen Mitteln des Wohnortmitgliedstaats gezahlten finanziellen Unterstützung beruhen, sofern feststeht, dass es sich um eine echte und tatsächliche Arbeitnehmertätigkeit handelt.

, LAWRIE-BLUM

5 Der Vorbereitungsdienst, der den Studienreferendar in die Erziehung und den Unterricht einführen soll, ist in zwei Ausbildungsabschnitte von je einem Jahr gegliedert, von denen der erste die Ausbildung am Seminar und an der - im allgemeinen öffentlichen - Schule, der der Studienreferendar zugewiesen ist, umfasst und der zweite der weiteren Entwicklung der für die erzieherische unterrichtende Tätigkeit an der Schule notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten dient. Während dieses zweiten Abschnitts kann der Studienreferendar beauftragt werden, in verschiedenen Klassen des Gymnasiums zunächst unter unmittelbarer Anleitung eines Fachlehrers und sodann während der letzten sechs Monate selbständig bis zu insgesamt elf Wochenstunden zu unterrichten. (…)

21 Auch der Umstand, dass der Studienreferendar nur eine geringe Anzahl von Wochenstunden Unterricht erteilt und nur eine Vergütung erhält, die unter den Mindestbezügen eines vollbeamteten Lehrers am Anfang seiner Laufbahn liegt, kann seiner Qualifizierung als Arbeitnehmer nicht entgegenstehen. Wie der Gerichtshof in dem angeführten Urteil Levin festgestellt hat, sind die Begriffe des Arbeitnehmers und der Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis so zu verstehen, dass sie auch Personen umfassen, die, weil sie keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen, nur ein Einkommen beziehen, das unter dem für eine Vollzeitbeschäftigung liegt, sofern es sich um die Ausübung tatsächlicher und echter Tätigkeiten handelt. Diese letztgenannte Voraussetzung wird im vorliegenden Fall nicht in Zweifel gezogen.

, RAULIN:

10 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Begriff des Arbeitnehmers nach Gemeinschaftsrecht zu bestimmen und nicht eng auszulegen ist. Arbeitnehmer ist jedoch nur, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen.

, NINNI-ORASCHE

26 Als Arbeitnehmer kann jedoch nur angesehen werden, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl. u. a. die Urteile Levin, Randnr. 17, und Meeusen, Randnr. 13).

27 Bei der Prüfung dieser Voraussetzung muss sich das vorlegende Gericht auf objektive Kriterien stützen und in einer Gesamtbetrachtung alle Umstände der Rechtssache würdigen, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und die des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen.

, PETERSEN

45 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 39 EG nach ständiger Rechtsprechung ein Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der nicht eng auszulegen ist. Als "Arbeitnehmer" ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. Urteile vom , Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17, vom , Trojani, C-456/02, Slg. 2004, I-7573, Randnr. 15, und vom , Kranemann, C-109/04, Slg. 2005, I-2421, Randnr. 12).

46 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Herr Petersen vor den Ereignissen, die zu dem Ausgangsverfahren geführt haben, in einem Mitgliedstaat eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt hatte und demzufolge zu dieser Zeit "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 39 EG war. Bei einem Angehörigen eines Mitgliedstaats, der, wie Herr Petersen, seinen Herkunftsstaat verlassen hat, um eine entgeltliche Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, ist davon auszugehen, dass er von dem in diesem Artikel vorgesehenen Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht hat.

, VATSOURAS

26 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 39 EG nach ständiger Rechtsprechung ein Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der nicht eng auszulegen ist. Als "Arbeitnehmer" ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. Urteile vom , Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17, sowie vom , Petersen, C-228/07, Slg. 2008, I-6989, Randnr. 45).

27 Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung kann irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts haben (vgl. Urteile vom , Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, sowie vom , Mattern und Cikotic, C-10/05, Slg. 2006, I-3145, Randnr. 22).

, L.N.

Die Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG sind dahin auszulegen, dass einem Unionsbürger, der in einem Aufnahmemitgliedstaat eine Ausbildung absolviert und dort daneben einer tatsächlichen und echten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgeht, die geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV zu verleihen, eine Ausbildungsförderung, die den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gewährt wird, nicht versagt werden darf. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, die tatsächlichen Prüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob die Tätigkeiten des Klägers des Ausgangsverfahrens im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausreichen, um ihm diese Eigenschaft zu verleihen. Der Umstand, dass der Betroffene in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats hauptsächlich zu dem Zweck eingereist ist, dort seine Ausbildung zu absolvieren, ist für die Bestimmung, ob er "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV ist und damit gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft Anspruch auf diese Förderung unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats hat, unerheblich.

38 Aus den Akten geht auch hervor, dass ihm die Ausbildungsförderung mit der Begründung versagt wurde, dass er in das Hoheitsgebiet Dänemarks hauptsächlich zu dem Zweck eingereist sei, dort eine Ausbildung zu absolvieren, so dass der Zweck seines Aufenthalts in Dänemark nach Ansicht der zuständigen nationalen Behörden dazu geführt hat, ihm den Status eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV zu nehmen.

39 Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom , Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnr. 16; vom , Brown, 197/86, Slg. 1988, 3205, Randnr. 21; vom , Bernini, C-3/90, Slg. 1992, I-1071, Randnr. 14, und vom , Ninni-Orasche, C-413/01, Slg. 2003, I-13187, Randnr. 23).

40 Außerdem ist dieser Begriff anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. Urteile Lawrie-Blum, Randnr. 17; Ninni-Orasche, Randnr. 24, sowie Vatsouras und Koupatantze, Randnr. 26).

41 Die beschränkte Höhe dieser Vergütung, der Ursprung der Mittel für diese, die stärker oder schwächere Produktivität des Betroffenen oder der Umstand, dass er nur eine geringe Anzahl von Wochenstunden Arbeit leistet, schließen es nicht aus, dass eine Person als "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV anerkannt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Lawrie-Blum, Randnr. 21; vom , Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, und Bernini, Randnr. 16).

42 Allerdings ist für die Qualifizierung als "Arbeitnehmer" erforderlich, dass eine Person eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt. (vgl. u. a. Urteile vom du , Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, Randnr. 17, sowie Vatsouras und Koupatantze, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43 Bei der Prüfung, ob im konkreten Fall eine tatsächliche und echte Tätigkeit vorliegt, muss das vorlegende Gericht objektive Kriterien heranziehen und alle Umstände des Falles, die sich auf die Art sowohl der fraglichen Tätigkeiten als auch des fraglichen Arbeitsverhältnisses beziehen, in ihrer Gesamtheit beurteilen (Urteil Ninni-Orasche, Randnr. 27).

44 Die Untersuchung sämtlicher Merkmale, die ein Arbeitsverhältnis auszeichnen, um beurteilen zu können, ob die von N. vor und nach Beginn seiner Ausbildung ausgeübte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis tatsächlich und echt war, und somit, ob er die Eigenschaft eines Arbeitnehmers besaß, fällt daher in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts. Dieses allein hat nämlich unmittelbar Kenntnis vom Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und den Merkmalen, die das Arbeitsverhältnis des Klägers des Ausgangsverfahrens kennzeichnen, und ist daher am besten in der Lage, die notwendigen Prüfungen durchzuführen.

45 Da die Vorlageentscheidung keinen Hinweis enthält, der Zweifel daran wecken könnte, dass die Arbeitsverhältnisse zwischen N. und seinen Arbeitgebern die in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils aufgeführten Merkmale aufweisen, wird das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen haben, ob die Arbeitnehmertätigkeiten des Klägers des Ausgangsverfahrens nicht so geringfügig waren, dass sie sich als vollkommen untergeordnet und unwesentlich darstellen.

46 Zum Vorbringen der dänischen und der norwegischen Regierung, wonach die Absicht des Klägers des Ausgangsverfahrens bei seiner Einreise in das dänische Hoheitsgebiet, dort seine Ausbildung zu absolvieren, ihm die Eigenschaft eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV nehme, genügt der Hinweis, dass für die Beurteilung, ob durch eine Beschäftigung der Arbeitnehmerstatus im Sinne dieser Bestimmung verliehen werden kann, Umstände, die sich auf das Verhalten des Betreffenden vor und nach der Beschäftigungszeit beziehen, für die Begründung der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der genannten Bestimmung ohne Bedeutung sind. Solche Umstände stehen nämlich in keiner Beziehung zu den objektiven Kriterien, die von der in Randnr. 40 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung aufgestellt wurden (Urteil Ninni-Orasche, Randnr. 28).

47 Die Definition des Begriffs "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV drückt die dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer selbst innewohnende Einschränkung aus, dass die Vorteile, die das Unionsrecht mit dieser Freiheit gewährt, nur von Personen in Anspruch genommen werden können, die eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis wirklich ausüben oder ernsthaft ausüben wollen. Sie bedeutet jedoch nicht, dass die Inanspruchnahme dieser Freiheit davon abhängig gemacht werden kann, welche Ziele ein Angehöriger eines Mitgliedstaats mit seinem Wunsch, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einzureisen oder sich dort aufzuhalten, verfolgt, wenn er dort nur eine echte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis tatsächlich ausübt oder ausüben will. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so sind die Absichten, die den Arbeitnehmer möglicherweise dazu veranlasst haben, in dem betreffenden Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, belanglos und dürfen nicht berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Levin, Randnrn. 21 und 22, sowie vom , Akrich, C-109/01, Slg. 2003, I-9607, Randnr. 55).

48 Falls das vorlegende Gericht entscheiden sollte, dass N. als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV zu betrachten ist, ist festzustellen, dass die Weigerung, diesem Unionsbürger Ausbildungsförderung zu gewähren, den Anspruch auf Gleichbehandlung verletzt, den dieser Bürger in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer genießt.

49 Ein Unionsbürger, der von der durch Art. 45 AEUV gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht hat, genießt nämlich im Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 die gleichen sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

50 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, stellt eine nationale Ausbildungsförderung eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 dar (vgl. Urteile vom , Lair, 39/86, 3161, Randnrn. 23 und 24, sowie Bernini, Randnr. 23).

51 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und Art. 24 Abs. 2 der Richtlinien 2004/38 dahin auszulegen sind, dass einem Unionsbürger, der in einem Aufnahmemitgliedstaat eine Ausbildung absolviert und dort daneben einer tatsächlichen und echten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgeht, die geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV zu verleihen, eine Ausbildungsförderung, die den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gewährt wird, nicht versagt werden darf. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, die tatsächlichen Prüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob die Tätigkeiten des Klägers des Ausgangsverfahrens im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausreichen, um ihm diese Eigenschaft zu verleihen. Der Umstand, dass der Betroffene in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats hauptsächlich zu dem Zweck eingereist ist, dort seine Ausbildung zu absolvieren, ist für die Bestimmung, ob er "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV ist und damit gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 Anspruch auf diese Förderung unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats hat, unerheblich.

Der konkrete Beschwerdefall:

Eines der ausschlaggebenden Kriterien zur Abgrenzung einer Tätigkeit als tatsächliche und echte Erwerbstätigkeit im Gegensatz zu den nicht unter die betreffenden Gemeinschafts- vorschriften fallenden völlig untergeordneten und unwesentlichen Tätigkeiten ist daher - neben der Höhe des Einkommens - die zeitliche Komponente, wobei regelmäßige und nachhaltige Tätigkeiten im Umfang von 12 Stunden/Woche (, KEMPF) oder von elf Unterrichtsstunden pro Woche während des zweiten Ausbildungsabschnittes eines Studienreferendars neben oder im Rahmen dieser theoretischen Ausbildung (, LAWRIE-BLUM) als Erwerbstätigkeit angesehen worden sind.

Hatte eine Lehrtätigkeit von 12 Stunden/Woche (eine Lehrtätigkeit von 11 Stunden/Woche neben oder im Rahmen einer Ausbildung ist mit einem wesentlich höheren zeitlichen Aufwand verbunden) Zweifel der betroffenen Regierung ausgelöst, die jedoch vom Raad van State nicht geteilt wurden und es auf Grund der ausdrücklichen Feststellung des Raad van State zu keiner Prüfung dieser Frage kam, kann auf Grundlage der Ausführungen des EuGH jedenfalls darauf geschlossen werden, dass eine Tätigkeit, die sich nicht als untergeordnet und unwesentlich darstellt, nicht bei wesentlich geringeren Dauer, als zwölf Stunden anzusiedeln ist.

Insoweit ist die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Familie und Jugend (BMFJ) in der - für das Bundesfinanzgericht allerdings nicht bindenden - Durchführungsverordnung zu den EU-Verordnungen Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 nicht zu beanstanden, wenn das Ministerium in dieser Richtlinie ausführt:

Zu den Beschäftigungen gehören auch geringfügige Beschäftigungen. Erforderlich ist aber, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich "als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen" (, Rs Raulin). Hiervon kann z.B. ausgegangen werden, wenn eine Beschäftigung nicht regelmäßig, sondern nur sporadisch ausgeübt wird. Bloße Gelegenheits- oder Gefälligkeitsarbeiten (dafür könnte ein persönliches Naheverhältnis zum Arbeitgeber sprechen) fallen daher nicht darunter.

Bei einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze ist daher eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (möglicher Beobachtungszeitraum könnte ein Kalenderjahr sein). Dazu sind die Dauer, die Nachhaltigkeit/Qualität und die Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die Höhe des Arbeitsentgeltes, die Anzahl der wöchentlichen Arbeitszeit (Richtwert: wöchentliche Mindestarbeitszeit von 8 Stunden) und die Dauer des Arbeitsvertrages heranzuziehen.

Im vorliegenden Fall hat die Bf. nach der von ihr selbst vorgelegten Bestätigung drei Stunden/Woche eine Tätigkeit ausgeübt und ist daneben fallweise im Rahmen von Dienstleistungsschecks tätig geworden. Das gegenteilige Vorbringen der Bf. dahingehend, dass diese "8 und mehr Wochenstunden" gearbeitet habe, ist auszuführen, dass dieses Vorbringen mit den von der Bf. selbst vorgelegten Unterlagen im Widerspruch steht, weswegen diesem Vorbringen der Bf. nicht gefolgt werden kann.

Arbeitsverhältnis ***Name Ort1***:

Die Bf. hat in der Zeit ab April 2023 nach dem SV-Auszug monatlich (Beträge: Summe SV-Bemessungsgrundlage) € 220 (9 x € 220 + 2 x 220 Sonderzahlung), sohin Bruttobezüge von insgesamt € 2.420,00 aus ihrer Tätigkeit bei ***Dienstgeber*** bezogen. In der Zeit von Jänner bis April 2024 betrugen die Bruttobezüge (€ 220,00 x 4) insgesamt € 880,00.

Nach dem Vorbringen der Bf. hätte diese insgesamt "8 und mehr Wochenstunden" gearbeitet. Geht man von 47 Arbeitswochen im Jahr aus (52 Wochen minus 5 Wochen Urlaub) und aliquotiert diese Arbeitswochen auf die 9 beschwerdegegenständlichen Monate im Jahr 2023 so errechnen sich (abgerundet) 35 Arbeitswochen.

Die Bf. hat daher in der Zeit von April bis Dezember 2024 pro Arbeitswoche € 69,14 brutto verdient (€ 2.420,00 dividiert durch 35 Arbeitswochen).

Die Fahrtstrecke vom Wohnort der Bf. nach ***Name Ort1*** beträgt je nach Fahrtroute mit dem Auto (öffentliche Verkehrsmittel benötigen ca. 3-5 Stunden) zwischen 46 und 52 km.

Berücksichtig man, dass für eine Fahrt vom Wohnort der Bf. nach ***Name Ort1*** (für Fahrten zu anderen Adressen des ***Dienstgeber*** in ***PLZ Name Ort3*** oder ***PLZ Name Ort4*** wären entsprechend höhere Fahrtkosten angefallen) und retour mindestens 92 km mit dem Auto zurückgelegt werden mussten, weil ein öffentliches Verkehrsmittel zwischen 3 und 5 Stunden für diese Strecke (ohne Fußweg) benötigt hätte, wobei als Kosten pro Fahrtkilometer das amtliche Kilometergeld von € 0,42 im Schätzungsweg (§ 184 BAO) angesetzt wurde, so errechnen sich Fahrtkosten von (92 km x € 0,42 =) € 38,64 pro Fahrt bzw. pro Woche.

Der Bf. verbleibt sohin aus ihrer Tätigkeit für ***Dienstgeber*** pro Woche ein Einkommen von maximal (€ 69,14 - € 38,64 =) € 30,50

Eine Tätigkeit im Ausmaß von 3 Stunden/Woche, bei der der tätig werdenden Person nach Abzug der Fahrtkosten lediglich € 30,50 pro Woche verbleiben, stellt sich daher wegen des zeitlichen Umfanges der Tätigkeit einerseits und des absolut geringfügigen Verdienstes andererseits als eine solche dar, die einen so geringen Umfang hat, dass diese Tätigkeit sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich im Sinne der Judikatur des EuGH darstellt.

Auf Grund des Verdienstes der Bf. pro Woche und der seitens der Bf. vorgelegten Bestätigung von ***Dienstgeber*** hat die Bf. nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts tatsächlich nur 3 Stunden pro Woche für ***Dienstgeber*** gearbeitet. Das Vorbringen der Bf., sie hätte pro Woche eine größere Stundenanzahl für ***Dienstgeber*** gearbeitet - insgesamt hätte die Bf. nach ihrem Vorbringen mehr als 8 Stunden pro Woche gearbeitet - war in Ansehung des wöchentlichen Verdienstes der Bf. und auch wegen der durch die Bf. selbst vorgelegte Bestätigung von ***Dienstgeber*** als nicht zutreffend anzusehen.

Die Höhe der Einkünfte der Bf. (€ 220,00/Monat) und die Fahrtstrecke haben sich im Jahr 2024 verglichen mit dem Jahr 2023 nicht verändert, weswegen die Tätigkeit der Bf. für ***Dienstgeber*** auch im Jahr 2024 gemäß der von der Bf. vorgelegten Bestätigung nur ein Ausmaß von 3 Stunden erreicht hatte und die Bf. aus dieser Tätigkeit unverändert ein Einkommen von € 30,50 erzielt hat.

Diese Tätigkeit der Bf. für ***Dienstgeber*** stellt sich daher auch im Jahr 2024 wegen des geringen zeitlichen Umfanges der Tätigkeit im Ausmaß von 3 Stunden pro Woche einerseits und wegen des absolut geringen Einkommens andererseits als eine solche dar, die einen so geringen Umfang hat, dass sich diese Tätigkeit als vollständig untergeordnet und unwesentlich im Sinne der Judikatur des EuGH darstellt.

Tätigkeit im Rahmen des Dienstleistungsschecks:

Unter Zugrundelegung der Bestimmung des § 1 Abs. 1 DLSG werden im Rahmen dieses Gesetzes Dienstleistungen in Privathaushalten auf längstens einen Monat befristet für die Dauer des jeweiligen Arbeitseinsatzes abgeschlossen. Gemäß § 1 Abs. 3 DLSG können befristete Arbeitsverhältnisse im Sinne des Abs. 1 ohne zahlenmäßige Begrenzung und auch unmittelbar hintereinander abgeschlossen werden, ohne dass dadurch ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit entsteht.

Der Dienstleistungsscheck (DLS) ist ein Zahlungsmittel und dient zur Entlohnung für befristete Arbeitsverhältnisse in privaten Haushalten. Der Wert des DLS ist nicht automatisch das für eine Arbeitsstunde zu zahlende Entgelt. Dieses wird zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern frei vereinbart, als Untergrenze gilt der Mindestlohntarif für Hausgehilfinnen bzw. Hausgehilfen zuzüglich anteiliger Zuschläge (9,6% Urlaubsabgeltung und 25% Sonderzahlungen).

Auf der Grundlage des DLSG verrichtete Tätigkeiten stellen jeweils auf maximal ein Monat befristete Arbeitsverhältnisse dar und begründet auch eine mehrfache Aneinanderreihung solcher Arbeitsverhältnisse keine unbefristete Tätigkeit.

Die einzelnen Tätigkeiten der Bf. im Rahmen des DLS stellen daher aneinandergereihte, maximal einmonatige Tätigkeiten dar. Die einzelnen Tätigkeiten im Rahmen des DLS sind daher nach objektiven Kriterien keine tatsächlichen und echten Tätigkeiten im Sinne der Judikatur des EuGH und erfüllen diese Tätigkeiten im Rahmen des DSL als gelegentliche, kürzestfristige und geringfügige Aushilfstätigkeiten schon begrifflich nicht die Voraussetzungen einer Beschäftigung gemäß der Verordnung (EG) VO 987/2009 i.V.m. der Verordnung EG 883/2004.

Aber selbst, wenn man die Tätigkeiten im Rahmen der Dienstleistungsschecks als eine Beschäftigung im Sinne der Verordnung (EG) VO 987/2009 i.V.m. der Verordnung EG 883/2004 angesehen hätte, wäre zu dem Umfang und der Bezahlung dieser Tätigkeiten das Nachstehende festzuhalten:

Nach dem Sozialversicherungsauszug und nach der von der Bf. vorgelegten Bestätigung war diese im beschwerdegegenständlichen Zeitraum in der Zeit von April 2023 bis April 2024 im Rahmen von DLS bei/für ***Name Beschäftiger*** tätig. Nach der Aktenlage erstreckte sich die Tätigkeit der Bf. im Rahmen des DLS in der Zeit von April 2023 bis April 2024 auf maximal einen Tag pro Woche. Das Finanzamt geht in diesem Zeitraum von (50,92 gerundet) 51 Arbeitswochen (52 Kalenderwochen pro Jahr minus 5 Urlaubswochen hochgerechnet aus 13 Monate) aus.

Aus ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit den Dienstleistungsschecks (DLS) hat die Bf. von April bis Dezember 2023 insgesamt nach dem SV-Auszug (Beträge: Summe SV-Bemessungsgrundlage), sohin Bruttobezüge von € 2.775 erhalten; im Jahr 2024 scheinen für den Zeitraum Jänner und April 2024 Bruttobezüge aus DLS im Umfang von insgesamt € 525,00 auf.

Der Mindestlohn für eine Reinigungskraft mit Haushaltshilfe bzw. Kinderbetreuung betrug im Jahr 2023 € 15,04 bzw. € 16,22 und für 2024 € 15,60 bzw. € 16,82.

Auf Grund dieser für Tätigkeiten im Rahmen von DLS einzuhaltenden Mindestlöhne wird seitens des Bundesfinanzgerichtes im Schätzungsweg ein tatsächlich an die Bf. bezahlter Stundenlohn von € 16,00 angesetzt, wobei das Bundesfinanzgericht davon ausgeht, dass in dem Bruttobezügen der Bf. auch die angefallenen und der Bf. ersetzten Fahrtkosten enthalten waren.

Die Fahrtstrecke vom Wohnort der Bf. nach ***Name Ort2*** beträgt je nach Fahrtroute mit dem Auto (öffentliche Verkehrsmittel verkehren nicht) zwischen 22 und 27 km.

Für eine Fahrt vom Wohnort der Bf. nach ***Name Ort2*** und retour hat die Bf. mindestens 44 km zurückzulegen. Seitens des Bundesfinanzgerichtes werden die Fahrtkosten mit dem amtlichen Kilometergeld € 0,42/Fahrtkilometer geschätzt und ergeben sich dadurch Fahrtkosten (pro Fahrt hin und retour = pro Woche) in folgender Höhe:

Fahrtkosten/Woche: 44 km x € 0,42 = € 18,48

Aus den dargelegten Schätzungsgrundlagen errechnet sich eine Dauer der Tätigkeit der Bf. im Rahmen der DLS pro Woche wie folgt (1) entspricht Einkommen für 04/2023 bis 04/2024):
Bruttobezüge in 51 Arbeitswochen - Fahrtkosten für 51 Arbeitswochen = Einkommen1)
dieses Einkommen1) dividiert durch tatsächlichen Stundenlohn = gesamte Arbeitsstunden

€ 2.775,00 + 525,00 - 942,48 (51 Tätigkeitswochen x 18,48) = € 2.357,52 / 16,00 = 147,35

Gesamte Arbeitsstunden dividiert durch 51 Arbeitswochen = Arbeitsstunden/Woche

147,35 Arbeitsstunden / 51 Arbeitswochen = 2,889 Arbeitsstunden pro Woche

Aus den oben angeführten Schätzgrundlagen errechnet sich folgendes Einkommen der Bf.: Bruttobezüge in 51 Arbeitswochen - Fahrtkosten für 51 Arbeitswochen = Einkommen1)
dieses Einkommen1) dividiert durch 51 = durchschnittliches Einkommen pro Woche

€ 2.775,00 + 525,00 - 942,48 (51 Tätigkeitswochen x 18,48) = € 2.357,52 / 51 = € 46,23

Die Bf. bezog aus ihrer Tätigkeit im Rahmen von DLS ein geschätztes Einkommen von € 46,23 pro Woche.

Die Bf. hat in der Zeit von April 2023 bis April 2024 sohin im Schnitt im Rahmen des Dienstleistungsschecks nur ca. 3 Stunden/Woche gearbeitet und für diese Tätigkeit ein geschätztes Einkommen von € 46,23 pro Woche erzielt.

Selbst, wenn die Tätigkeiten, die die Bf. im Rahmen der DLS geleistet hat, als Beschäftigungen im Sinne der VO (EG) 883/2004 anzusehen gewesen wären, wären diese im gegenständlichen Fall auf Grund des zeitlichen Umfanges der Tätigkeiten einerseits und der geringen Bezahlung andererseits als solche, die nur einen so geringen Umfang hatten, dass diese Tätigkeiten als vollständig untergeordnet und unwesentlich anzusehen gewesen wären, einzustufen gewesen.

Zusammenfassung zu beiden Tätigkeiten

Die Bf. hat in der Zeit von April 2023 bis April 2024 eine geringfügige Beschäftigung und von April 2023 bis April 2024 Tätigkeiten auf Grundlage von Dienstleistungsschecks ausgeübt. Die geringfügige Beschäftigung bei ***Dienstgeber*** wurde im Ausmaß von 3 Stunden/Woche ausgeübt und aus dieser Tätigkeit ein Einkommen von ca. 30,50 erzielt, weswegen diese Tätigkeit als vollständig untergeordnet und unwesentlich einzustufen war.

Bei den Tätigkeiten auf Grundlage der Dienstleistungsschecks handelt es sich um gelegentliche, kurzfristige und geringfügige Aushilfstätigkeiten, die schon begrifflich nicht die Voraussetzungen einer Beschäftigung gemäß der Verordnung (EG) VO 987/2009 i.V.m. der Verordnung EG 883/2004 als tatsächliche und echte Tätigkeit nach objektive Kriterien im Sinn der Judikatur des EuGH erfüllen.

Selbst für den Fall, dass auch die Tätigkeiten im Rahmen des Dienstleistungsschecks als Beschäftigungen im Sinn der Verordnung (EG) VO 987/2009 i.V.m. der Verordnung EG 883/2004 qualifiziert worden wären, wären diese als gelegentliche, kurzfristige und geringfügige Tätigkeiten als vollständig untergeordnet und unwesentlich einzustufen gewesen.

Auch bei einer Qualifikation der Tätigkeiten aus den Dienstleistungsschecks als Beschäftigungen im Sinn der Verordnung (EG) VO 987/2009 i.V.m. der Verordnung EG 883/2004, hätten sich die Beschäftigung für ***Dienstgeber*** und die Tätigkeiten aus den Dienstleistungsschecks (zusammen) auf Grund des zeitlichen Umfanges dieser Tätigkeiten in der Zeit von April 2023 bis April 2024 mit insgesamt nur etwa 6 Stunden pro Woche als solche dargestellt, die auch zusammen nur einen so geringen zeitlichen Umfang haben und aus denen eine so geringe Bezahlung resultierte, dass sich auch diese Tätigkeiten zusammen als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellen.

Die von der Bf. ausgeübten geringfügigen Tätigkeiten waren demnach nicht als Beschäftigungen im Sinne der VO (EG) 883/2004 anzusehen und begründeten diese vollständig untergeordneten und unwesentlichen Tätigkeiten sohin keine Zuständigkeit Österreichs zur Gewährung von Familienleistungen auf Grund einer Beschäftigung der Bf. in Österreich. Für die Gewährung von Familienleistungen ist daher ***EU-Land*** als Tätigkeitsstaat des Gatten der Bf. und als Wohnsitzstaat der Bf., des Gatten der Bf. und der Kinder der Bf. zuständig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war durch das Bundesfinanzgericht in erster Linie die auf der Sachverhaltsebene angesiedelte Frage zu beantworten, ob Beschäftigungen im Sinne der VO 883/2004 und der VO 987/2009 vorgelegen haben und war in freier Beweiswürdigung auszusprechen, ob diese Tätigkeiten sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellen.

Da Feststellungen auf der Sachverhaltsebene einerseits und die Beweiswürdigung, ob eine Tätigkeit sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt andererseits einer Revision grundsätzlich nicht zugänglich sind, war eine ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 DLSG, Dienstleistungsscheckgesetz, BGBl. I Nr. 45/2005
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 10 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101395.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at