Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 11.06.2024, RV/7300057/2023

Zurückweisung einer Beschwerde mangels wirksamer Zustellung an die ausgewiesene Verteidigerin

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Finanzstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Klaus Hübner Steuerberatung GmbH, Schönbrunner Straße 218-220/Stiege B/7.Stock, 1120 Wien, über dessen Beschwerde vom gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen als Finanzstrafbehörde vom , GZ ***Zahl1***, beschlossen:

I.) Die Beschwerde wird gem. § 156 Abs. 1 FinStrG als unzulässig zurückgewiesen.

II.) Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Spruchsenates vom wegen grob fahrlässiger Abgabenverkürzungen zu einer Geldstrafe von € 70.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 150 Tage) verurteilt.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer einen Betrag iHv € 63.000,00 gnadenweise nachzusehen und die verhängte Geldstrafe auf € 7.000,00 herabzusetzen. Zudem wies er darauf hin, dass die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Monaten gesetzwidrig erfolgt sei.

In der Folge setzte das Bundesministerium für Finanzen mit Bescheid vom die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 90 Tage herab. Die verhängte Geldstrafe ließ sie unverändert.

In der dagegen am erhobenen Beschwerde wies der Beschwerdeführer - hier verfahrensrelevant - darauf hin, dass der Bescheid trotz Zustellvollmacht nicht an die Verteidigerin zugestellt worden sei.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde samt wesentlicher Aktenteile dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Nach Anfrage durch das Bundesfinanzgericht teilte der Beschwerdeführer am mit, dass seine Verteidigerin das Original des Bescheides bis heute nicht erhalten habe. Diesen Ausführungen ist die belangte Behörde nicht entgegengetreten.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Festgestellter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wird im gegenständlichen Finanzstrafverfahren von der ***Name1*** Steuerberatung GmbH vertreten. Diese hat auch die Zustellvollmacht.

Der Bescheid der belangten Behörde vom wurde an den Beschwerdeführer adressiert und diesem zugestellt. Am wurde das Schriftstück vom Beschwerdeführer behoben.

Am übermittelte ein Bekannter des Beschwerdeführers an die ***Name1*** Steuerberatung GmbH per E-Mail einen Scan des Bescheides.

Am wurde gegen den Bescheid vom Beschwerde erhoben. Das Original des Bescheides ist der Verteidigerin bis heute nicht zugekommen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt wird von den Parteien nicht bestritten und ergibt sich dieser aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere hat der Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt, dass seine Verteidigerin trotz Zustellvollmacht das Original des Bescheides vom bis heute nicht erhalten hat und konnte die belangte Behörde keine gegenteiligen Nachweise vorlegen.

Dass der Beschwerdeführer von der ***Name1*** Steuerberatung GmbH finanzstrafrechtlich vertreten wird, geht ebenfalls aus zahlreichen Eingaben der Verteidigerin im Laufe des gegenständlichen Finanzstrafverfahrens hervor, in welchen sie sich auf die erteilte Vollmacht berief. Nicht zuletzt wurde auch das Gnadenansuchen vom von der Verteidigerin eingebracht und stellte ***Name1*** nach telefonischer Nachfrage klar, dass nicht ihm persönlich, sondern der ***Name1*** Steuerberatung GmbH die Vollmacht erteilt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.) (Zurückweisung)

Gem. § 77 Abs. 2 FinStrG gelten die Vorschriften der BAO über die Bevollmächtigung auch für das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren mit Ausnahme des § 83 Abs. 4 BAO sinngemäß.

Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 9 ZustG Tz 19). Eine allgemeine Vollmacht umfasst nach der ständigen Rspr. des VwGH auch die Zustellungsbevollmächtigung (; ; ; ). Dies gilt auch dann, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (; ).

Gem. § 56 Abs. 2 erster Satz FinStrG gelten für Anbringen, Niederschriften, Aktenvermerke, Vorladungen, Erledigungen, Fristen sowie Zwangs- und Ordnungsstrafen, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des 3. Abschnittes sowie § 114 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung sinngemäß.

Gem. § 56 Abs. 3 erster Satz FinStrG gelten für Zustellungen das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, und sinngemäß die Bestimmungen des 3. Abschnittes der Bundesabgabenordnung.

Gem. § 97 Abs. 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gem. § 97 Abs. 1 lit a BAO bei schriftlichen Erledigungen grundsätzlich durch Zustellung.

Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gem. § 9 Abs. 3 ZustG, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Bei aufrechter Zustellbevollmächtigung kann daher nicht rechtswirksam an die Partei selbst zugestellt werden. Die Zustellung hat stattdessen an den Zustellbevollmächtigten zu erfolgen (), dabei reicht laut Judikatur die Adressierung an die Verfahrenspartei zu Handen des Zustellbevollmächtigten (). Eine Adressierung und Zustellung einer Erledigung an den Vollmachtgeber, obwohl eine aufrechte Zustellvollmacht besteht, hat die Wirkung, dass die Zustellung rechtsunwirksam ist ().

Eine Sanierung ist jedoch nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG möglich, wonach die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt gilt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Ein tatsächliches Zukommen setzt somit voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes gelangt, ihm somit die Erledigung im Original zukommt (vgl. zB ). Nicht ausreichend ist hingegen die bloße Kenntnis vom Vorhandensein und vom Inhalt des Dokuments, etwa infolge der Empfangnahme einer Ablichtung, der eigenständigen Anfertigung einer Kopie oder durch Akteneinsicht (vgl. ; ; ; Ritz/Koran, BAO7, § 7 ZustG Tz 7, mwN).

Gegenständlich wurde festgestellt, dass die belangte Behörde den Bescheid vom direkt dem Beschwerdeführer (=Vollmachtgeber) zugestellt und diesen als Empfänger des Schriftstückes bezeichnet hat. Diese Vorgehensweise hatte zur Folge, dass die Zustellung an den Beschwerdeführer nicht wirksam wurde (vgl. ). Eine Sanierung des Zustellmangels nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG ist nicht erfolgt, da der Verteidigerin das Original des Bescheides vom nicht tatsächlich zugekommen ist, zumal entsprechend der oben zitierten Judikatur die Übermittlung des Dokumentes per E-Mail mittels Scan (als pdf-Dokument) ebenso wenig ausreichend ist als die Einbringung eines Rechtsmittels durch den zustellbevollmächtigten Vertreter ("keine Heilung durch Einlassung", vgl. ; ; ).

Gem. § 156 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde eine Beschwerde, die gegen ein von ihr erlassenes Erkenntnis (einen Bescheid) oder gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder wegen Verletzung der Entscheidungspflicht eingebracht worden ist, durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Beschwerde nicht zulässig ist oder nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gem. § 156 Abs. 4 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht zunächst zu prüfen, ob ein von der Finanzstrafbehörde nicht aufgegriffener Grund zur Zurückweisung oder für einen Auftrag zur Mängelbehebung vorliegt, und hat erforderlichenfalls selbst sinngemäß nach den Abs. 1 und 2 mit Beschluss vorzugehen.

Da der angefochtene Bescheid vom mangels rechtswirksamer Zustellung an den Beschwerdeführer diesen gegenüber rechtlich nicht existent geworden ist, war die dagegen erhobene Bescheidbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen (; ).

Gem. § 160 Abs. 2 lit d FinStrG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da sich die Beschwerde nicht gegen ein Erkenntnis richtet und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II.) (Revision)

Gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer rechtsunwirksamen Bescheidzustellung konnte sich das Bundesfinanzgericht auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 77 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7300057.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at