TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 30.04.2024, RV/7103643/2022

Empfängerbenennung Bauunternehmen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Hans Blasina, den Richter Dr. Sebastian Pfeiffer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag Michael Heumesser und Ing. KomzlR. Hans Eisenkölbl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Schmalzl & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Operngasse 17-21 Tür 6, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Körperschaftsteuer 2017, Körperschaftsteuer 2018, Wiederaufnahme § 303 BAO / KSt 2017 und Wiederaufnahme § 303 BAO / KSt 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Sabine Braun BA

I. zu Recht erkannt:

I.1. Der angefochtene Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Körperschaftsteuer 2017 wird gemäß § 279 Abs 1 BAO aufgehoben.

I.2. Die Beschwerde wird betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Körperschaftsteuer 2018 gemäß § 279 Abs 1 BAO als unbegründet abgewiesen.

I.3. Der Bescheid betreffend Körperschaftsteuer 2018 wird gemäß § 279 Abs 1 BAO abgeändert. Das Einkommen beträgt 32.917,89 Euro, die Körperschaftsteuer beträgt 8.229 Euro.

II. beschlossen:

Das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2017 wird gemäß § 261 Abs 2 BAO für gegenstandlos erklärt.

III. Ausspruch über die Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende GmbH (Bf) ist im Firmenbuch mit dem Geschäftszweig Immobilienhandel eingetragen.

In den Jahren 2017-2018 hat die Bf in Guntramsdorf ein Doppelhaus errichten lassen. Im Zeitraum Oktober 2017 bis Juli 2018 wurden dafür Fremdleistungen der Firma *Bau1* GmbH geltend gemacht.

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Außenprüfung (AP) betreffend die Jahre 2016-2018 (sowie Nachschau 2019-2020) wurde der Bf am per Mail eine Aufforderung zur Empfängerbenennung gem § 162 BAO betreffend *Bau1* GmbH an die Bf übermittelt. Mit Beantwortung vom wurde durch die Bf die *Bau1* GmbH als Empfänger bekanntgegeben. Als Ansprechpartner wurden der Geschäftsführer (GF) der *Bau1* GmbH, AN, sowie dessen Vater, BN, der als Polier bei der *Bau1* GmbH beschäftigt war, genannt. Weiters wurden Rechnungen von Subunternehmen an die *Bau1* GmbH vorgelegt, sowie ein Schreiben, in dem die Firma *Bau2* GmbH bestätigt, Leistungen für die *Bau1* GmbH erbracht zu haben.

Im Bericht über die AP vom gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Leistungen nicht durch die *Bau1* GmbH erbracht worden seien. Folglich wurden die Aufwendungen der Bf gegenüber der *Bau1* GmbH nicht anerkannt. Die nicht anerkannten Betriebsausgaben wurden dem Zuschlag zur Körperschaftsteuer gem § 22 Abs 3 KStG unterzogen.

Zum Nachweis der Existenz der Firma *Bau1* GmbH seien nur sogenannte "Standarddokumente" wie Firmenbuchauszug oder Gewerbeanmeldung vorgelegt worden. Die Unterschrift auf dem vorgelegten Vertrag über die Errichtung eines Doppelhauses stimme mit der Musterzeichnung lt Firmenbuch nicht überein. Von den sieben vorgelegten Anmeldungen von Dienstnehmern der *Bau1* GmbH bei der Krankenkasse seien im Zeitraum Jänner bis April 2018 nur zwei Arbeiter gemeldet gewesen. In diesem Zeitraum seien von der *Bau1* GmbH Rechnungen über ca EUR 170.000 an die Bf gelegt.

Es seien weder bestätigte Lieferscheine über Materiallieferungen vorgelegt worden, noch sei aus den vorliegenden Rechnungen ersichtlich, welche und wieviel Materialien verwendet wurden. Auf den vorliegenden Rechnungen seien nur "Überschriften" (zB Liefern und Montage Fenster, Elektro-Installationsarbeiten) angeführt. Diese Art der Abrechnung bei Errichtung eines Hauses widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens.

Im Zuge einer AP bei der *Bau1* GmbH sei festgestellt worden, dass sich die Firma ausländischer Subunternehmer bediente, deren Leistungserbringung nicht nachgewiesen werden konnte. Gelder seien auf ein Privatkonto in Österreich weitergeleitet worden und dort taggleich in mehreren Tranchen wieder bar abgehoben.

Zur Empfängerbenennung gem § 162 BAO führt die belangte Behörde aus, dass der überwiegende Teil der Arbeiten im Jahr 2018 durchgeführt worden sei. Herr AN sei seit weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der *Bau1* GmbH. Sein Vater, BN, sei im Jahr 2018 nur zeitweise Dienstnehmer der *Bau1* GmbH und kann daher keine erschöpfenden Aussagen über die Arbeiten machen. Der Errichtungsvertrag sei nicht von Herrn AN unterzeichnet worden.

Mit Beschwerde vom beantragt die Bf die Aufhebung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 2017 und 2018 und erklärungsgemäße Festsetzung der Körperschaftsteuer in den streitgegenständlichen Jahren, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2017 und 2018 sowie die Festsetzung der Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer in ursprünglicher Höhe.

Zur Wiederaufnahme wird ausgeführt, dass die Begründung der Wiederaufnahme im Bescheid formelhaft sei. Der Verweis auf den Bericht gem § 150 BAO über das Ergebnis der AP führe zu keinerlei neuen konkretisierten Tatsachen. Eine Ermessensübung sei nicht begründet.

Dass der Vertrag über die Errichtung des Doppelhauses nicht von Herrn AN unterschrieben wurde, sei unrichtig. Eine Bestätigung von Herrn AN sei beigelegt worden. Tatsache sei, dass die Errichtung von der *Bau1* GmbH ausgeführt wurde, unabhängig davon, wer den Vertrag unterschrieben hat.

Die Firma *Bau1* GmbH sei nicht in der Liste der Scheinunternehmen des Bundesministeriums für Finanzen angeführt. Daher könne die Bf diese Tatsache auch nicht annehmen. Die Leistungserbringung sei durch die Errichtung des Doppelhauses nachgewiesen. Die Tatsache, dass nur sog Standarddokumente vorgelegt wurden, sage nichts über die Leistungserbringung der Firma aus. Ob die *Bau1* GmbH die Leistungen selbst erbringt oder an Subunternehmer vergibt, sei für die Bf nicht relevant. Dass die Arbeiter der *Bau1* GmbH auf der Baustelle tätig waren, könne durch Einvernahme des Poliers, BN, nachgewiesen werden. Herr BN habe für seinen Sohn, den GF der *Bau1* GmbH, die Baustelle beaufsichtigt. Die Arbeiten seien als Pauschale vergeben worden, daher sei für die Bf irrelevant, welche Arbeiter wie viele Stunden auf der Baustelle gearbeitet haben. Die Rechnungen der Subunternehmer seien als Anlage zur Beschwerde vorgelegt worden. Die Bf habe sämtliche Prüfpflichten, die im Rahmen der üblichen Sorgfalt im Bereich der Baubranche anzuwenden sind, erfüllt (zB Feststellung der Identität der handelnden Personen, Überprüfung der Gewerbeberechtigung, des Firmenbuchauszugs oder die Überprüfung der Anmeldung der Dienstnehmer). Als Nachweis, dass die *Bau1* GmbH bis Mai 2018 regelmäßig Lohnabgaben und Umsatzsteuer dem Finanzamt gemeldet und bezahlt hat, sei ein Auszug des Finanzamtkontos der *Bau1* GmbH vorgelegt worden.

Die verwendeten Materialien seien sehr detailliert im Leistungsverzeichnis der Kostenschätzung der *Bau1* GmbH angeführt und daher nicht nochmals in den einzelnen Rechnungen. Dies widerspreche keineswegs den Erfahrungen des täglichen Lebens und sei in der Baubranche üblich.

Laut Bericht über die AP gehe die belangte Behörde davon aus, dass die Leistungen nicht von der *Bau1* GmbH erbracht wurden. Dies widerspreche aber den Feststellungen im Bericht, dass die Firma *Bau1* ein Doppelhaus schlüsselfertig errichtet und sich ausländischer Subunternehmen bedient hat. Welcher Subunternehmen sich die *Bau1* GmbH bediene, sei die unternehmerische Entscheidung der Geschäftsführung der *Bau1* GmbH und liege nicht im Einflussbereich der Bf.

Als Empfänger der Zahlungen werde die *Bau1* GmbH angegeben. Die Bf sei nicht imstande und nicht verpflichtet, die Verwendung der bezahlten Beträge nachzuvollziehen. Das sei ein offenbar unerfüllbarer Auftrag der der Bf erteilt wird.

Es sei nicht schlüssig, dass die *Bau1* GmbH im Zeitraum der Zusammenarbeit mit der Bf eine Scheinfirma gewesen sein soll, die keine Arbeiten durchführen konnte. Alle Zahlungen an die *Bau1* GmbH seien mittels Banküberweisung an das von der *Bau1* GmbH auf den Rechnungen angeführte Bankkonto erfolgt und seien daher dieser zuzuordnen.

Es finde sich daher kein Anhaltspunkt, dass die Leistungen nicht durch die *Bau1* GmbH oder von ihr beauftragte Subunternehmen erbracht wurde. Der Beweis für Schein- und Deckungsrechnungen könne nicht eindeutig erbracht werden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

In den Wiederaufnahmebescheiden wurde auf den Bericht und die Niederschrift verwiesen. Im Zuge der Außenprüfung sei erstmals in die Belege und Unterlagen der Bf Einsicht genommen worden. Neu hervorgekommen sei, dass das genannte Subunternehmen nicht der wahre Empfänger der Fremdleistungszahlungen ist. Außerdem seien Abläufe, nicht vorhandene Dokumentationen sowie die fehlende Einhaltung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabs als neu hervorgekommene Tatsachen angeführt.

Die steuerlichen Auswirkungen aufgrund der Nichtanerkennung der Fremdleistungen seien nicht bloß geringfügig; daher war der Zweckmäßigkeit Vorrang gegenüber der Billigkeit einzuräumen.

Dass die Leistungen nicht durch die *Bau1* GmbH erbracht worden sei, ergebe sich aus den Ausführungen im Bericht zur AP. Die für das Bestehen von Geschäftsbeziehungen üblichen Unterlagen über die Leistungserbringung selbst (Stundenaufzeichnungen der Arbeiter, Tagebücher, laufender Schriftverkehr etc) seien nicht vorgelegt worden. Zur Frage, welche Sorgfaltspflichten im Bau- und Baunebengewerbe bestanden haben, verweise die belangte Behörde auf die ständige Rechtsprechung des VwGH und BFG.

Für die Einhaltung der Sorgfaltspflicht durch die Bf spreche:

  • Abfrage Firmenbuch

  • Abfrage Gewerbeberechtigung

  • Ausweiskopie des Geschäftsführers

  • Anmeldebestätigungen der Dienstnehmer

  • Schriftlicher Vertrag

Gegen die Einhaltung der Sorgfaltspflicht spreche:

  • Unterschrift auf dem Errichtungsvertrag stimmt nicht mit der Musterzeichnung lt Firmenbuch überein

  • Eine Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nicht dokumentiert

  • Keine Abfrage der HFU-Liste

  • Es wurden weder Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes, noch der Sozialversicherung dokumentiert

  • Die Lichtbildausweise der eingesetzten Arbeiter wurden nicht dokumentiert

  • Es gibt keine Dokumentation über die Mannanzahl der von der *Bau1* GmbH bei der Baustelle der Bf eingesetzten Arbeiter

  • Schriftverkehr zw der *Bau1* GmbH und der Bf ist nicht vorhanden

  • Keine Bautagesberichte

  • Sonstige Dokumentationen sind nicht vorhanden

In einer Gesamtwürdigung der Umstände und unter Berücksichtigung der üblichen Überprüfungsschritte habe die Bf daher hinsichtlich der *Bau1* GmbH die in der Baubranche übliche Sorgfalt nicht walten lassen.

Herr BN sei schriftlich zu seiner Arbeit bei der *Bau1* GmbH und der Baustelle in Guntramsdorf befragt worden. Als Anlage zur Beantwortung der Fragen seien Fotos von der Baustelle in Guntramsdorf vorgelegt worden. Herr BN könne keine Angaben mehr zu den Arbeitern auf der Baustelle machen und auch sonst keine Ausführungen/Angaben machen, die die getroffenen Feststellungen zur *Bau1* GmbH entkräften und die Vorlage von Nachweisen der Leistungserbringung ersetzen.

Herr BN gebe an, einen Bekannten (Marian) darauf angesprochen zu haben, den Bauauftrag auszuführen. Eine Person mit Namen Marian sei nicht Dienstnehmer oder Vertreter der *Bau1* GmbH gewesen.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Ergänzend zu den bereits in der Beschwerde vom eingebrachten Vorbringen, verweist die Bf auf das Erkenntnis des welches zu Gunsten des Steuerpflichtigen entschieden worden sei und mehrere Parallelen zum gegenständlichen Sachverhalt aufweise (ua der Subunternehmer wäre eine faktische Scheinfirma). Ein nach außen hin und für jedermann erkennbares Scheinunternehmen ("Briefkastenfirma") könne nur dann vorliegen, wenn im Vergleich zu den ausgeübten Geschäftsgepflogenheiten keine angemessenen oder nur unzureichenden Kontrollmaßnahmen getätigt würden. Wie in der Beschwerde detailliert beschrieben, sei dieses "Missverhältnis" zwischen unüblicher Geschäftstätigkeit und gesetzten Kontrollmaßnahmen eindeutig nicht gegeben.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Da dem vorgelegten Verwaltungsakt keine rechtsgültige Aufforderung zur Empfängerbenennung zu entnehmen war, das Bundesfinanzgericht aber aufgrund der bisherigen Feststellungen der belangten Behörde selbst Zweifel an der Identität des Zahlungsempfängers betreffend die Leistungen der *Bau1* GmbH hatte, richtete das Gericht am ein eigenes Verlangen auf Empfängerbenennung gemäß § 162 BAO an die Bf und teilte ihr gleichzeitig den nach stRsp in der Baubranche üblichen Sorgfaltsmaßstab mit (unter Verweis auf ; zuletzt , RV/7102853/2023).

In der mündlichen Verhandlung wurde dazu bzw. allgemein ergänzend vorgebracht: Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bf sei der Cousin von BN, der auf der Baustelle der *Bau1* GmbH als Polier gearbeitet habe, der damalige Gesellschafter-Geschäftsführer der *Bau1* GmbH, AN sei sein Sohn gewesen. Aufgrund der Verwandtschaft habe ein Vertrauensverhältnis bestanden, außerdem habe BN schon als Arbeiter der *Bau3* GmbH auf einer Baustelle der Bf gearbeitet und dort gute Arbeit geleistet, habe eine ausgezeichnete Facharbeiterausbildung und sei verlässlich. Daher habe es keiner besonderen Kontrollen bedurft. Auch was die ordnungsgemäße Abfuhr von Lohnabgaben betrifft, habe sich der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bf bei AN und BN vergewissert, dass alles passe. Schriftlich festgehalten habe er weder das noch Kontrollen auf der Baustelle, die er nahezu täglich gemacht habe, weil es seine einzige Baustelle war. Da es sich bei dem Doppelhaus um eine kleine Baustelle gehandelt habe, seien die meiste Zeit über nur zwei Personen nötig gewesen, diese seien Herr BN und meist Herr DE gewesen, die beide durchgehend bis zur Rohbaufertigstellung Ende 2017 bei der *Bau1* angemeldet gewesen seien. Danach seien die meisten Arbeiten von der *Bau1* an spezialisierte Firmen subvergeben worden.

Zur mangelnden Sorgfalt führt der Gf der Bf aus, durch das verwandtschaftliche Nahe- und Vertrauensverhältnis hätten sich viele Überprüfungen erübrigt. Auch wenn die Unterschriften nicht jenen im Pass und Firmenbuch entsprächen, so stammten sie doch tatsächlich von AN; vor Behörden unterschreibe man eben förmlicher, als im normalen Geschäftsleben. Zu fehlenden Abfragen der HFU-Liste und Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes und der Sozialversicherung hält der steuerliche Vertreter fest, die *Bau1* habe tatsächlich alle Abgaben abgeführt, wie sich aus den jeweiligen Konten ergebe.

Letztlich plädiert der steuerliche Vertreter: "Der Großteil der Gelder verblieb nicht bei der *Bau1*, sondern wurde auch an Subunternehmer weitergegeben. Das konnten wir auch nachweisen. Die *Bau1* musste auch Material kaufen und BN war eindeutig dort beschäftigt, und sein Gehalt wurde bezahlt. Es ist möglich, dass bei der *Bau1* Unregelmäßigkeiten geschehen sind (Scheinrechnungen). Das betrifft aber nicht unsere Baustelle. Unsere Baustelle wurde korrekt abgewickelt. Zur Empfängerbenennung: Wir haben an das angegebene Bankkonto überwiesen, das der *Bau1* zuzuordnen war und wie oben dargestellt wurde das Geld von der *Bau1* für deren Aufwendungen zum größten Teil verwendet."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf ist Bauträger, erwirbt Grundstücke, lässt von Architekten Baupläne erstellen, beauftragt pro Baustelle in der Regel einen Generalunternehmer und verkauft die Häuser belagsfertig an Endkunden. Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Bf ist seit Bestehen der Firma (Oktober 2013) NN. Mit Vertrag vom wurde basierend auf einem umfangreichen Leistungsverzeichnis vom die *Bau1* GmbH mit der Errichtung eines Doppelhauses beauftragt. Diese übt das Baugewerbe beschränkt auf ausführende Tätigkeiten aus und hat im Wesentlichen mit eigenen Arbeitern bis Ende 2017 den Rohbau erstellt und im ersten Halbjahr 2018 unter Vergabe an spezialisierte Subfirmen die weiteren Baumaßnahmen (zB Installationen, Fenstereinbau) durchführen lassen. Somit hat die *Bau1* die Leistungen gegenüber der Bf erbracht.

Neben diesem Auftrag war die *Bau1* GmbH im März 2018 auch mit Reinigungsarbeiten an einem Bestandsobjekt der Bf betraut, wobei die Rechnung über 3.650 Euro zuzüglich 20% USt von der Bf bar bezahlt wurde.

Alleingesellschafter und Geschäftsführer der *Bau1* GmbH war von bis AN, der Neffe des NN. Polier auf der Baustelle und (mit zwei kurzen Unterbrechungen) von August 2017 bis Ende Juni 2018 bei der *Bau1* angestellt war BN, der Vater von AN und Cousin des NN. BN hat die Baustelle als Polier durchgehend betreut und den Rohbau die meiste Zeit gemeinsam mit DE errichtet, der von September 2017 bis Mitte Dezember 2017 bei der *Bau1* angestellt war.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden und den Aussagen des NN in der mündlichen Verhandlung. Die belangte Behörde hat zwar zutreffend aufgezeigt, dass die Bf bei der Dokumentation ihrer Geschäftsbeziehung zur *Bau1* die gehörige Sorgfalt nicht eingehalten hat, doch war dennoch klar, dass die von der Bf benannte *Bau1* die Leistungen erbracht hat, für die ihr Zahlungen zugeflossen sind:

Zunächst erscheint es realistisch, dass eine Baustelle der besagten Größe über weite Strecken von zwei Arbeitern bearbeitet werden kann und nur fallweise bis zu fünf Personen erforderlich sind. BN wurde von Anfang an als Polier genannt, hat auch selbst in der schriftlichen Einvernahme ausgesagt, dass er auf dieser Baustelle gearbeitet hat und ist im Zeitraum der Errichtung des Doppelhauses bei der *Bau1* beschäftigt gewesen. Bei Durchsicht der bei *Bau1* gemeldeten Arbeiter im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat NN sofort gesagt, DE war auch die meiste Zeit auf der Baustelle. Die Tatsache, dass meist zwei Arbeiter ausgereicht haben, die beiden genannten Arbeiter in der Zeit der Rohbauerrichtung - also für die originären Maurertätigkeiten - bei der Firma *Bau1* beschäftigt waren und auf Fotos aus der zwar nicht lückenlos aber doch teilweise vorhandenen Baudokumentation immer nur maximal zwei Personen zu sehen waren, lässt folgenden Schluss zu:
Wenn die Bf mit der *Bau1* einen Werkvertrag abschließt, nach Baufortschritt auf das Konto der *Bau1* Zahlungen leistet, Personen auf der Baustelle tätig sind, die bei *Bau1* angemeldet sind und von dieser Lohn erhalten, dann hat die *Bau1* im Jahr 2017 den Rohbau errichtet. Somit hat die *Bau1* gegenüber der Bf die Leistung erbracht.

Dass der Rohbau Ende 2017 abgeschlossen war, ergibt sich wiederum aus den im Akt befindlichen mit Datum versehenen Fotos. Auf diesen Fotos ist unter anderem auch ein Firmenplakat der *Bau1* zu sehen.

Im Jahr 2018 wurden die meisten Leistungen von der *Bau1* an Subunternehmen weitervergeben. Von einem dieser Subunternehmen - der *Bau2* GmbH - wird bestätigt, dass sie im Bauprojekt der Bf sämtliche Installationen (Fußbodenheizung, Wasser, Kanal, Klima, Lüftung, Wärmepumpe) durchgeführt hat. Entsprechende Rechnungen aus Jänner, Februar und Juli 2018 an die *Bau1* liegen ebenfalls vor. Weitere Rechnungen von Subunternehmen an die *Bau1* für das Bauvorhaben der Bf liegen bezüglich Schwarzdeckerarbeiten und Fensterlieferung vor. Wenn also auch im Jahr 2018 die Bf an die *Bau1* nach Baufortschritt weitere Teilzahlungen getätigt hat und die *Bau1* nachweislich Subunternehmen mit den korrelierenden Leistungen betraut hat, so ist auch im Jahr 2018 die *Bau1* die Empfängerin der von der Bf geltendgemachten Betriebsausgaben gewesen und hat gegenüber der Bf die Leistungen erbracht (denn die Subvergabe von Aufträgen ist alleine der Sphäre der *Bau1* zuzurechnen).

Soweit seitens der Außenprüfung bemängelt wurde, von Jänner bis April 2018 seien nur zwei der sieben Arbeiter gemeldet gewesen, für die Dienstnehmeranmeldungen vorgelegt worden seien, ist darauf zu verweisen, dass die Bauausführung im Wesentlichen im Jahr 2017 erfolgt ist und in 2018 vermehrt Subunternehmen tätig waren. Dass den wenigen eigenen Arbeitern der *Bau1* (die 2017 eingesetzt wurden) Rechnungen im Ausmaß von 170.000 Euro gegenüberstünden (die vor allem im Subvertrag weitergegebene Leistungen des ersten Quartals 2018 betreffen), kann schon wegen des Auseinanderdriftens der Vergleichszeiträume für Arbeitereinsatz und Abrechnungszeitraum keine Feststellungen zu fragwürdigen Leistungsbeziehungen nach sich ziehen. Dass die Rechnungen der *Bau1* an die Bf nur aus "Überschriften" bestünden, liegt daran, dass laut Vertrag nach Baufortschritt abgerechnet wird, ein detailliertes Leistungsverzeichnis wurde daneben abgeschlossen. Im übrigen blieb diese Rechnungsform durch die belangte Behörde bei den Vertragsbeziehungen der Bf zur *Bau3* GmbH und zur *Bau4* GmbH unbeanstandet.

Dass bei der *Bau1* Unregelmäßigkeiten festgestellt worden sind - insbesondere aufgrund einer Geldwäscheverdachtsmeldung - mag zwar zutreffen. Eine Verbindung dieser Malversationen mit dem Bauvorhaben der Bf konnte aber weder von der belangten Behörde aufgezeigt werden, noch ist sie dem Senat ersichtlich. Im Herbst 2017 waren bei der *Bau1* anfänglich im Schnitt 5 Arbeiter angemeldet. Diese Zahl wuchs in der Folge auf rund 25 Arbeiter und 2018 auf über 50 Arbeiter an. Dies gemeinsam mit den Eigentümerwechseln im Jänner und April 2018 legt nahe, dass die bei der *Bau1* eingetretenen Auffälligkeiten mit anderen Projekten zusammenhängen, denn der originäre Zweck der *Bau1*, ab Mai 2017 das Projekt der Bf abzuwickeln, ging dem Ende zu, und daneben dürften andere Zwecke in den Vordergrund getreten sein. Sorgfaltsverstöße der *Bau1* selbst können jedoch nur dieser angelastet werden und nicht ohne weiteres auf die Bf durchschlagen. Die lapidare Feststellung, das Überweisen großer Summen vom Firmenkonto der *Bau1* auf das Privatkonto eines Herrn MM mit anschließender Barbehebung könne zu Kickbackzahlungen führen, geht über eine pauschale Vermutung nicht hinaus, wobei nicht einmal klar ist, ob es sich dabei um Rückflüsse bloß innerhalb der *Bau1* handeln soll oder darüber hinaus an die Bf. Zudem hat NN mit glaubwürdigem Erstaunen ausgesagt, einen Herrn MM nicht zu kennen. Er habe bei der *Bau1* bei Vertragsunterzeichnung Kontakt zu AN gehabt und danach immer nur zu BN. Den neuen Eigentümer ab Jänner 2018 habe er zwar gekannt, aber keinen intensiveren Kontakt zu ihm gehabt.

Nicht geklärt werden kann, weshalb die Unterschriftsproben im Firmenbuch und die Unterschrift im Reisepass des AN ein auffallend anderes Schriftbild ergeben, als seine Unterschriften mit U1 auf der Leistungsbeschreibung, dem Werkvertrag und der Bestätigung an das Finanzamt, den Werkvertrag unterschrieben zu haben. Erwähnenswert ist, dass auf letzterer unter der Unterschrift "U1" ein Kürzel ist, das frappierende Ähnlichkeit mit dem zweiten Namensteil der Unterschriftsprobe im Firmenbuch "AN" hat. Es erscheint jedenfalls glaubwürdig, dass NN als Geschäftsführer der Bf den Vertrag mit seinem Neffen geschlossen hat, dessen Vater als Angestellter der vom Neffen geführten Firma die Baustelle überwiegend geleitet hat.

Auf die Baustelle der Bf bezogen besteht zusammengefasst kein Zweifel, dass die Bf die *Bau1* mit der Errichtung des Doppelhauses beauftragt hat und diese die Leistungen gegenüber der Bf im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbracht hat. Inwieweit sie sich dabei eigener Arbeiter bedient (was für den Rohbau erwiesen ist) bzw inwieweit sie sich dazu anderer Vertragspartner bedient (was für den weiteren Ausbau erwiesen ist), steht in ihrer alleinigen Disposition und hat auf die Existenz der Vertragsbeziehung zur Bf keine Auswirkung.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.1. (Wiederaufnahme 2017)

Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht hat ergeben, dass die Bf den richtigen Empfänger der Zahlungen benannt hat. Die neu hervorgekommenen Tatsachen - nämlich die mangelnde Sorgfalt bei der Dokumentation dieser Geschäftsbeziehung zu einem Unternehmen, bei dem Unregelmäßigkeiten in seiner Gebarung festgestellt worden sind - konnten somit die Rechtsfolgenwirkung des § 162 Abs 2 BAO nicht auslösen. Auf die Sorgfalt des Steuerpflichtigen kommt es nämlich nicht mehr an, wenn feststeht, dass der vom Steuerpflichtigen Benannte der Leistende und tatsächliche Empfänger der Zahlungen war. Daher waren die neu hervorgekommenen Tatsachen nicht geeignet, einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeizuführen, und deshalb war die Wiederaufnahme das Jahr 2017 betreffend unzulässig.

Darüber hinaus wäre die Wiederaufnahme des Verfahrens für das Jahr 2017 aus einem weiteren Grund unzulässig gewesen: Neu hervorgekommen sind die Tatsachen, die im Rahmen der "Empfängerbenennung" erhoben wurden. Wie sich aus dem Verfahrensgang ergibt, wurde ein Verlangen nach § 162 BAO von der belangten Behörde nur per Mail gestellt. Da die Zustellung per Mail keine für einen Hoheitsakt vorgesehene Form darstellt, ist somit ein derartiges Verlangen von der belangten Behörde nie rechtswirksam ergangen. Aufgrund der Art der durchgeführten Erhebungen konnten die neu hervorgekommenen Tatsachen gar nicht zu einem anderslautenden Bescheid führen, weil sie nur auf die Rechtsfolgenwirkung des - mangels Verlangens nicht anwendbaren - § 162 Abs 2 BAO abzielten. Dies konnte auch nicht mehr durch ein vom Bundesfinanzgericht ordnungsgemäß erlassenes Empfängerbenennungsverlangen saniert werden, weil dieses der Wiederaufnahme durch die belangte Behörde erst nachgelagert ergangen ist und nicht rückwirken kann.

Der Wiederaufnahmebescheid 2017 war daher aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt I.2. (Wiederaufnahme 2018)

Die belangte Behörde verweist in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides auf den Bericht über die Außenprüfung. Der in diesem Bericht geschilderte Sachverhalt beinhaltet auch die Tatsache, dass eine Reinigungsleistung im Jahr 2018 von der Bf bar bezahlt worden ist. Diese Tatsache ist neu hervorgekommen (§ 303 Abs 1 lit b BAO).

Reinigungsleistungen sind von § 19 Abs 1a UStG erfasst, auf den das Abzugsverbot des § 12 Abs 1 Z 11 KStG über § 20 Abs 1 Z 9 und § 82a EStG verweist. Die neu hervorgekommene Tatsache hätte somit zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt. Aus der Nettorechnung von 3.650 Euro ergibt sich eine Steuererhöhung von 912,50 Euro, die ihrer absoluten Höhe nach als nicht geringfügig anzusehen ist.

Es war daher der Rechtsrichtigkeit Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit einzuräumen und das Verfahren zur Körperschaftsteuer 2018 wiederaufzunehmen.

3.3. Zu Spruchpunkt I.3. (Körperschaftsteuer 2018)

Wie bereits unter 3.2. ausgeführt, war die Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage im Ausmaß der gemäß § 12 Abs 1 Z 11 KStG nichtabziehbaren Ausgaben zu erhöhen.

Wie bereits unter 3.1. ausgeführt, war die *Bau1* wie von der Bf angegeben der tatsächliche Empfänger der beantragten Aufwendungen. Daher waren weder § 162 Abs 2 BAO noch § 22 Abs 3 KStG anwendbar. "Empfänger" ist nämlich der Vertragspartner im jeweiligen Leistungsaustausch; mit seiner Benennung ist das Verlangen nach Empfängerbenennung erfüllt (Beiser, SWK 2000, S 854).

Die Nennung der tatsächlichen Empfänger garantiert die Anerkennung der betreffenden Aufwendungen bzw Schulden noch nicht, denn diesbezüglich ist in freier Beweiswürdigung zu entscheiden ( , 0031). Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen lassen jedoch nicht ersehen, dass die Aufwendungen im Zusammenhang mit den Leistungen der *Bau1* GmbH aus anderen Gründen als einer fehlenden Empfängerbenennung (auch nur teilweise) zu kürzen wären. An ihrer vollständigen Erfüllung und gänzlichen Bezahlung besteht nämlich nach der getroffenen Beweiswürdigung kein Zweifel.

Folglich war die Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage abweichend von den erklärten Werten um die nichtabziehbare Rechnung in Höhe von 3.650 Euro zu erhöhen. Die darüber hinaus von der belangten Behörde unter dem Titel des § 162 Abs 2 BAO und § 22 Abs 3 KStG vorgenommenen Hinzurechnungen waren hingegen nicht anzusetzen.

3.4. Zu Spruchpunkt II. (Körperschaftsteuer 2017)

Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs 1 BAO) entsprochen, so ist eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs 1 BAO) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschluss (§ 278 BAO) für gegenstandlos zu erklären.

Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl § 261 Abs 2 BAO) und war notwendige Folge des Spruchpunktes I.1.

3.5. Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Entscheidungswesentlich waren im gegenständlichen Fall nur Fragen der Beweiswürdigung, die somit auf Ebene des Sachverhaltes angesiedelt sind und keine Rechtsfragen darstellen. Daher war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 162 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103643.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at