Abweisung Verfahrenshilfeantrag - keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art
Entscheidungstext
Beschluss-Verfahrenshilfe
Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Lisa Fries über den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe des Antragstellers ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom für das Beschwerdeverfahren betreffend Beschwerde gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, vom , ***GZ***, betreffend Haftung den Beschluss:
Der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO wird abgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antragssteller gemäß § 9 Abs. 1 und § 80 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 und § 7 BAO als Geschäftsführer der ***A GmbH*** (Primärschuldnerin) zur Haftung für Grundsteuer 8/2011 bis 5/2016 und Müllabfuhrabgabe 2013 bis 2015 sowie Säumniszuschlag und Pfändungsgebühr in der Höhe von € 14.120,31 herangezogen. Begründend wurde (im Wesentlichen) ausgeführt, der Abgabenrückstand könne bei der Primärschuldnerin derzeit nicht einbringlich gemacht werden, weil das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden sei. Der Antragsteller sei bis zum Konkurs als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen gewesen. Die schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 80 BAO liege darin, dass er nicht für die termingemäße Entrichtung der Steuern gesorgt habe. Der Abgabenanspruch resultiere aus dem Abgabenbescheid nach dem Grundsteuergesetz 1955 und aus dem Abgabenbescheid nach dem Wiener Abfallwirtschaftsgesetz.
In der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, der Bescheid sei rechtswidrig ergangen, die Haftung bestehe nicht. Es bestehe die dem Bescheid zu Grunde liegende Schuld nicht. Der Bescheid werde der Höhe und dem Grunde nach angefochten. Es werde beantragt, den Bescheid aufzuheben. Die Primärschuldnerin befinde sich nicht mehr im Konkurs, es seien keine Einbringungsmaßnahmen seitens der Gemeinde gesetzt worden. Die Forderungen seien verjährt. Die im Bescheid angeführten Gesetzesstellen seien falsch zitiert und auf diesen Fall nicht anwendbar. Die im Bescheid beschriebenen Abgabenaußenstände hätten keine Grundlage und bestehe die Schuld in dieser Höhe gar nicht. Es werde beantragt, die dem Bescheid zu Grunde liegenden Bescheide über die Abgaben zu übermitteln.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Haftung auf Müllabfuhrabgabe 2014 bis 2015 sowie Säumniszuschlag 1/2014 bis 5/2015 in der Höhe von € 3.313,67 eingeschränkt. Angeschlossen waren der Beschwerdevorentscheidung Abgabenbescheide nach dem Wiener Abfallwirtschaftsgesetz.
Mit Vorlageantrag vom beantragte der Antragsteller die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Im Vorlageantrag wurde die Gewährung von Verfahrenshilfe beantragt. Der Antragssteller könne sich keinen Rechtsanwalt leisten. Die Sache sei aber rechtlich kompliziert und umfangreich und es könnten für die unvertretene Partei erhebliche Nachteile entstehen.
Der Vorlageantrag enthält im wesentlichen Vorbringen zu einem in diesem Verfahren nicht verfahrensgegenständlichen "Forderungsverzicht" und dazu, dass Exekutionsbewilligungen gar nicht in Rechtskraft erwachsen seien und für Grundbesitzabgaben keine rechtliche Grundlage für Exekutionen bestehe. Darüber hinaus wird vorgebracht, dass die Einhebung bereits verjährt sei.
Rechtslage:
Gemäß § 292 Abs. 1 BAO ist auf Antrag einer Partei (§ 78), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Gemäß § 292 Abs. 7 Z 1 BAO kann der Antrag ab Erlassung des Bescheides, der mit Beschwerde angefochten werden soll, gestellt werden.
Gemäß § 292 Abs. 10 BAO hat das Verwaltungsgericht über den Antrag mit Beschluss zu entscheiden.
Wird der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb einer für die Einbringung der Beschwerde (§ 243, § 283), des Vorlageantrages (§ 264) oder einer im Beschwerdeverfahren gegenüber dem Verwaltungsgericht einzuhaltenden Frist gestellt, so beginnt diese Frist gemäß § 292 Abs. 12 BAO mit dem Zeitpunkt, in dem
1. der Beschluss über die Bestellung des Wirtschaftstreuhänders bzw. Rechtsanwaltes zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid dem Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt bzw.
2. der den Antrag nicht stattgebende Beschluss der Partei
zugestellt wurde, von neuem zu laufen.
Die gegenständliche Entscheidung hat den zur Geschäftszahl VH/7400002/2024 protokolierten Verfahrenshilfeantrag zum Gegenstand.
Besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art
Nach § 292 Abs. 1 BAO ist zunächst Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenshilfe, dass die zu entscheidenden Rechtsfragen "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" aufweisen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 302/2019, ausgesprochen, dass die in § 292 Abs. 1 BAO verwendete Formulierung "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" verfassungskonform zu interpretieren sei.
Bei der Beurteilung, ob die zu entscheidenden Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ist daher nicht darauf abzustellen, ob im Verfahren objektiv schwierige Fragen rechtlicher Art zu entscheiden sind. Sondern es ist zu überprüfen, ob im konkreten Einzelfall für den Antragsteller besondere Schwierigkeiten bestehen. Dabei sind alle Umstände des Falles wie der Streitgegenstand, die begründeten Erfolgsaussichten des Rechtsschutzsuchenden, die Bedeutung des Rechtsstreites für diesen, die Komplexität des geltenden Rechtes und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeiten des Rechtsschutzsuchenden, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, abzuwägen. Auch besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltens, also Fragen tatsächlicher Natur, können einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen, zumal Tatsachenfragen regelmäßig in Rechtsfragen münden. Es sind auch stets die Fähigkeiten des betroffenen Antragstellers zu berücksichtigen, sein Anliegen wirksam zu verteidigen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es nicht darauf ankommt, ob die im Verfahren zu lösenden Rechtsfragen objektiv als schwierig zu beurteilen sind, sondern ob für den Antragssteller besondere Schwierigkeiten bestehen, sodass dem Antragsteller ohne die Gewährung von Verfahrenshilfe, insbesondere ohne die Beiziehung eines Rechtsanwaltes bzw. Steuerberaters, ein effektiver Zugang zum Gericht verwehrt wäre.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antragsteller mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 9 und § 80 BAO als Vertreter der Primärschuldnerin zur Haftung für Grundsteuer, Müllabfuhrabgabe, Säumniszuschlag und Pfändungsgebühr herangezogen.
Unter welchen Voraussetzungen ein Vertreter nach § 80 BAO zur Haftung für Abgaben der Primärschuldnerin herangezogen werden kann, ist in § 9 BAO klar geregelt. Nach dieser Bestimmung haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Zur Haftungsinanspruchnahme nach § 9 BAO besteht auch zahlreiche höchstgerichtliche Judikatur.
Der Antragsteller war in der Lage die Beschwerde form- und fristgerecht samt Antrag auf mündliche Verhandlung einzubringen und einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen. Darin wandte er sich gegen die Haftungsinanspruchnahme und brachte insbesondere vor, es sei bereits Einhebungsverjährung eingetreten, die Primärschuldnerin befinde sich nicht mehr im Konkurs und habe die Gemeinde keine Einbringungsmaßnahmen gegen diese gesetzt. Darüber hinaus hätten die Abgabenaußenstände keine Grundlage und bestehe die Schuld in dieser Höhe gar nicht. Weiters beantrage er die Übermittlung der Abgabenbescheide.
Weder der festzustellende Sachverhalt noch die zu beantwortenden Rechtsfragen stellen sich als besonders komplex oder kompliziert dar.
Hinsichtlich der Fähigkeiten des Antragstellers ist festzuhalten, dass dieser in der Lage ist, seinen Standpunkt hinreichend zum Ausdruck zu bringen, Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen.
Es ergeben sich daher auch hinsichtlich des Antragstellers selbst keine Anhaltspunkte, die eine Vertretung des Antragstellers durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt notwendig erscheinen lassen, um einen effektiven Zugang zu Gericht zu gewährleisten.
Zu beachten ist weiters, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (), im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, in dem keine Vertretungspflicht besteht, im Hinblick auf die bestehende Manuduktionspflicht und den Grundsatz der materiellen Wahrheit der Beigebung eines Rechtsanwaltes oder eines Steuerberaters als Verfahrenshelfer Ausnahmecharakter zukommt.
Aus den dargelegten Gründen geht das Bundesfinanzgericht daher davon aus, dass im Verfahren, das dem Verfahrenshilfeantrag zu Grunde liegt, weder tatsächliche Schwierigkeiten (etwa im Hinblick auf die Sachverhaltsermittlung und die Fähigkeiten des Antragstellers, sein Anliegen wirksam zu vertreten) noch besondere rechtliche Schwierigkeiten im Hinblick auf die zu entscheidenden Rechtsfragen bestehen. Es sind daher keine besonderen Schwierigkeiten für den Antragsteller hervorgekommen, die dazu führen würden, dass dem Antragsteller ohne die Gewährung von Verfahrenshilfe, ein effektiver Zugang zum Gericht verwehrt wäre.
Aus den dargelegten Gründen war der Verfahrenshilfeantrag abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Erfordernisse für einen Verfahrenshilfeantrag ergeben sich zweifelsfrei aus dem Gesetz. Diesbezüglich liegt keine ungeklärte Rechtsfrag von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Beurteilung, ob die "zu entscheidenden Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" aufweisen, folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes ( und ). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher hier nicht vor.
Belehrung und Hinweise
Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Personen mit geringem Einkommen und Vermögen können einen Antrag auf Gebührenbefreiung und/oder auf kostenlose Beigebung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes stellen. Der Verfahrenshilfeantrag selbst ist gebührenfrei und muss nicht von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Es muss aber die Rechtssache, für die Verfahrenshilfe begehrt wird, angegeben und bekannt gegeben werden, ob die beschwerdeführende Partei von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit werden will und/oder ob ihr eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beigestellt werden soll. Das Antragsformular samt Vermögensbekenntnis kann beim Verfassungsgerichtshof elektronisch, postalisch oder persönlich eingebracht werden. Das Formular für postalische oder persönliche Einbringung liegt in der Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofes auf; es kann auch von der Website des Verfassungsgerichtshofes (www.vfgh.gv.at; im Bereich Kompetenzen und Verfahren / Verfahrenshilfe) heruntergeladen werden. Die Einbringung per E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.
Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Bundesfinanzgericht dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Bundesfinanzgericht, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (in Abgaben- und Abgabenstrafsachen auch von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer) abzufassen und einzubringen. Bei entsprechend ungünstiger Einkommens- und Vermögenslage kann Verfahrenshilfe gewährt werden. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst. Der Antrag ist im Falle der ordentlichen Revision beim Bundesfinanzgericht einzubringen. Das Antragsformular ist elektronisch auf der Website des Bundesfinanzgerichtes (https://www.bfg.gv.at/public/faq.html) erhältlich. Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen; bereits der Antrag hat diesfalls eine Begründung zu enthalten, warum die Revision für zulässig erachtet wird. Das Antragsformular für postalische oder persönliche Einbringung ist im Servicecenter des Verwaltungsgerichtshofes (Judenplatz 11, 1010 Wien) oder elektronisch auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (www.vwgh.gv.at; im Bereich Verfahren/Verfahrenshilfe) erhältlich, auf welche auch zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen verwiesen wird.
Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühren von 240,00 Euro ergeben sich aus § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985.
Die belangte Behörde ist nicht Partei des Verfahrens betreffend Gewährung der Verfahrenshilfe, ihr steht daher kein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss zu (vgl. ; ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 292 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:VH.7400002.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at