Keine Vorlage von Gleichbehandlungsnachweisen; Gefährdung der Einbringlichkeit wurde im ZE-Ansuchen verschwiegen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des X, Adresse, vertreten durch Rechtsanwalt RA, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer s, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) war Gesellschafter und seit dem Jahr 2014 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der im Jahr 1985 errichteten X.GmbH.
Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom Datum, x, wurde über die Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst.
Mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben.
Die Firma wurde am Datum gemäß § 40 FBG von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht (Auszug Firmenbuch FN).
Mit dem Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt den Bf. gemäß § 9 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO für die aushaftende Umsatzsteuer 12/2019 der X.GmbH in der Höhe von 4.627,78 € zur Haftung heran. Die Abgabe sei am Fälligkeitstag nicht entrichtet worden, weshalb von einer schuldhaften Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Bf. auszugehen sei.
Der Haftungsschuldner hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft, wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher nicht schlechter als andere Verbindlichkeiten behandelt habe.
Der Vertreter habe darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Vertretene die Abgaben entrichtet, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Ihm obliege die schlüssige Darstellung der Gründe, die der rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden.
Gegen den Haftungsbescheid erhob der Bf. das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte vor:
1. Bei der Insolvenz der Gesellschaft seien keine Gläubiger benachteiligt worden; alle hätten gleich viel bzw. gleich wenig erhalten (Verweis auf die Schlussrechnung des Masseverwalters).
2. Der Bf. habe am die aus seiner Sicht offenen Forderungen und Verbindlichkeiten zusammengefasst. Insgesamt hätten die Mieter offene Mietrückstände von über 85.000 €. In der Hoffnung, das Geld rechtzeitig zu bekommen, habe der Bf. als Geschäftsführer eine Umsatzsteuerstundung beantragt. Leider hätten die Mieter ihre Zahlungsverpflichtungen laut Mietvertrag nicht pünktlich erfüllt, was letztlich zur Insolvenz geführt habe. Ein schuldhaftes Verhalten könne ihm an diesem Zahlungsausfall nicht zur Last gelegt werden.
3. Weitere Insolvenzursache seien drei Klagen der Eigentümerin der Nachbarliegenschaft, S, gewesen. Die Abwehr dieser aus Sicht der Geschäftsführung unberechtigten Forderungen habe für Anwalt und Gericht viel Geld gekostet. Die Gesellschaft habe nicht die finanziellen Mittel gehabt, die Prozesse siegreich zu beenden. Ab der zweiten Märzwoche 2020 habe die Gesellschaft daher ihre künftig fälligen Forderungen nicht bedienen können, weshalb der Bf. als Geschäftsführer dem Insolvenzantrag von Frau S zugestimmt habe. Auch hier könne kein schuldhaftes Verhalten oder Fahrlässigkeit angenommen werden. Eine Woche nach Insolvenzeröffnung habe die Bundesregierung wegen Corona alle Konkursverfahren gestoppt und offene Forderungen der Finanz großzügig gestundet. Die Geschäftsführung habe bei der Konkurseröffnung daher eher übereifrig als fahrlässig gehandelt.
4. Die X.GmbH habe in Vermietung ein kleines Einkaufscenter betrieben, das der Vater des Bf. im Jahr 1989 mit einem Kredit in Schweizer Franken finanziert habe. Durch hohe Abschreibungen und die Aufwertung des Schweizer Frankens habe die Firma bereits im Jahr 2019 hohe Verluste erwirtschaftet. Um liquid zu bleiben, habe sich der Bf. monatlich nur ein Bruttogehalt von 1.500 € monatlich gezahlt. Dennoch habe die Finanz in diesen schwierigen Jahren immer eine Mindestkörperschaftsteuer verlangt, insgesamt wurden dafür fast 20.000 € bezahlt. Hätte die GmbH diese Gewinnsteuer auf Bilanzverluste nicht zahlen müssen, wäre sie nicht insolvent geworden. In der Leistung dieser Mindestkörperschaftsteuer könne wohl keine Schuld der Geschäftsführung gesehen werden.
Auch der Vertreter des Bf. brachte eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid ein und führte aus:
"Begründet wird die Beschwerde damit, dass der Geschäftsführer zum einen bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am im guten Glauben war, dass die GmbH grundsätzlich nicht insolvent sei, erst ein in zweiter Instanz rechtskräftig verlorener Prozess der GmbH gegen die Schwester des Geschäftsführers S zu x des Landesgerichtes für ZRS Graz versetzte kurzfristig die X.GmbH in die Lage nicht mehr ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.
Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Geschäftsführer keinesfalls damit rechnen, dass die Verbindlichkeiten dem Finanzamt gegenüber nicht mehr bedient werden können. Im Übrigen erwies sich eine Forderung der insolventen X.GmbH gegen einen Mieter im Fachmarktzentrum über insgesamt mehr als € 81.000,-- It. Insolvenzverwalter als nicht einbringlich, wobei der Beschwerdeführer grundsätzlich damit rechnen konnte, diese Forderung einbringlich zu stellen, sodass auch diesbezüglich dem Geschäftsführer keine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten als Vertreter der GmbH vorwerfbar ist.
Darüber hinaus wurden bis zuletzt sämtliche Verbindlichkeiten aller Gläubiger anteilig nach Möglichkeit beglichen, sodass das Finanzamt keinesfalls schlechter gestellt wurde als andere Gläubiger.
Beweis:
Einvernahme des Insolvenzverwalters I,
Beischaffung des Aktes x LGZ Graz,
Einvernahme des Beschwerdeführers X"
Es wurde beantragt, den Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Eine Gläubigergleichbehandlung sei nicht vorgelegt worden. Die Aufstellung offener Forderungen und Verbindlichkeiten für den Masseverwalter sei nicht ausreichend, weil daraus nicht hervorgehe, welche liquiden Mittel dem Bf. im Fälligkeitszeitpunkt der strittigen Abgaben zur Verfügung gestanden seien und der Bf. daher nicht nachgewiesen habe, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre.
Mit dem Schriftsatz vom beantragte der Vertreter des Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht. Dem Schriftsatz beigelegt war ein Schreiben des Bf. vom an das Finanzamt, in dem dieser ausführte:
"Ich erhebe Einspruch / Beschwerde gegen den Haftungsbescheid, in dem eine Forderung von
4.627,78 Euro an mich gestellt werden. Als Geschäftsführer hafte ich nur privat, wenn die Abgabenschulden der Gesellschaft schlechter behandelt wurden als andere Verbindlichkeiten.
Nun hatte die X.GmbH am Tag der Insolvenz () gar keine offenen, fälligen Abgabeschulden gegenüber der Finanz, eine Schlechterstellung ist schon aus diesem Grund unmöglich.
Im Einzelnen, Liste der offenen Verbindlichkeiten der X.GmbH am Tag der Insolvenz mit Zahlungsfälligkeit (siehe beiliegende Liste)
- Verbindlichkeiten gegenüber Frau S, dazu liefen gerade 3 Gerichtsprozesse, also keine Entscheidung und keine Zahlungsfälligkeit am .
- A, unser Inkassobüro, da gab es einen nicht bestimmten Gläubigern zuordenbaren Zahlungseingang, eine Rückforderung durch A war möglich, aber diese wurden beim Masseverwalter nicht angemeldet, daher: keine Zahlungsfälligkeit am .
- Finanzamt: hauptsächlich offene Umsatzsteuern, keine Zahlungsfälligkeit am . Zahlungsfälligkeit am .
- B, mögliche Forderung bei der Rechnungsabgrenzung nach Verkauf der Firmenimmobilie an die B.GmbH, am . Keine Forderung an den Masseverwalter gestellt, daher keine Zahlungsfälligkeit am .
- C, unsere Leasing Gesellschaft des Firmen PKWs, Auto bereits umgemeldet auf meine neueFirma, die eine Rate wurde nicht beim Masseverwalter angemeldet. Theoretische Zahlungsfälligkeit 1. Woche März 2020.
- D Weiterverrechnung einer bereits abgemeldeten Telefonverbindung, von uns bestritten,
nicht beim Masseverwalter angemeldet, daher keine Zahlungsfälligkeit am .
- E eine Minirechnung, € 4,82, die am 10.3. noch unbezahlt war, daher Zahlungsfälligkett am .
Andere offene, berechtigte Forderungen gab es am Tag der Insolvenzeröffnung nicht.
Hintergrundinformation:
Die X.GmbH betrieb seit Jahren die Vermietung eines Fachmarktzentrums und machte die Hausverwaltung für die Nachbarimmobilie (Fr. S, meine "leider ja" Schwester). Mitden Mieteinnahmen konnten viele Jahre die aus der Zeit meiner Eltern übernommenen Kredite bedient werden, die Vermietersituation in G wurde aber immer schwieriger.
Frau S hat 2019 mehrere Prozesse gegen die X.GmbH geführt, die aber zu keiner offenen, fälligen Geldforderung gegen die Firma geführt, aber viel Geld gekostet haben. Gleichzeitig gerieten einige Mieter in Zahlungsrückstand (M1, M2, M3, M4, M5).
Daher verkaufte die X.GmbH per die Immobilie und hatte 2020 als laufende Einnahmen nur mehr die Hausverwaltungsgebühr von Fr. S und die offenen Mietrückstände zu erwarten. Die B.GmbH kaufte die Immobilie zum Preis der offenen Kredite, die X.GmbH hatte somit danach bis auf ein Gerüst kein Anlage- oder Umlaufvermögen mehr.
Fr. S hatte, obwohl es keine offene fällige Forderung gegenüber der X.GmbH gab, gegen die Firma Ende 2019 einen Insolvenzantrag eingebracht. Da die Prozesse sehr viel Geld kosteten, wurde bei der Finanz ein Stundungsantrag für die Umsatzsteuer eingebracht, der bewilligt wurde mit der neuen Fälligkeit .
Die Idee war natürlich, 2020 mit den offenen Mieten und dem Hausverwaltungsbeitrag der Immobilie S die Verbindlichkeiten im März gegenüber allen Gläubigern leicht aufbringen zukönnen. Leider waren die Schuldner nicht zahlungswillig. Daher war mir am klar, dass dieFirma am ihre Zahlungsverpflichtungen nicht wird erfüllen können. Da blieb mir als Geschäftsführer, der sich an die Gesetze des Gläubigerschutzes gebunden fühlt, nichts anderes übrig,als den noch nicht entschiedenen Insolvenzantrag der Frau S zuzustimmen. Für den Masseverwalter habe ich daher am die vorliegende Liste an Forderungen und Verbindlichkeiten erstellt.
Es ist mir ein Rätsel, warum der Masseverwalter nicht versucht hat, die offenen Forderungen gerichtlich einzutreiben und damit alle Gläubiger inklusive der Finanz voll zu bedienen. Eine fiktive, sachlich falsche Gegenforderung von M1 von 90.000 Euro kam erst nach Insolvenzeröffnung undwurde nicht einmal beim Masseverwalter korrekt angemeldet.
Da ich mich völlig korrekt verhalten habe und mich die Zahlung in meiner wirtschaftlichen Existenz bedroht (meine neue selbständige Tätigkeit lief in den "Coronajahren" nach der Insolvenz der X.GmbH nicht gerade rosig) ersuche ich Sie meiner Beschwerde statt zu geben."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Die Haftung nach § 9 BAO ist subsidiär (der Haftungspflichtige kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Abgabe beim Hauptschuldner uneinbringlich ist) und akzessorisch (die Haftung besteht nicht für mehr und kann nur in einer Höhe begründet werden, die auch der Hauptschuldner leisten muss (siehe die Ausführungen im VwGH-Erkenntnis vom , 2013/16/0200).
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().
Mit der Umsatzsteuervoranmeldung 12/2019 meldete die Gesellschaft eine Zahllast in der Höhe von 5.995,79 € beim Finanzamt an. Die Höhe der Umsatzsteuer 12/2019 wurde im Haftungsverfahren vom Bf. nicht bestritten.
Die Umsatzsteuer haftet am Abgabenkonto der Gesellschaft im Betrag von0 4.627,78 € offen aus.
Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuer 12/2019 steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin am Datum gemäß § 40 FBG von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde (Auszug aus dem Firmenbuch FN), weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der aushaftenden Abgabenverbindlichkeit bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.
Nach der Aktenlage war der Bf. seit dem Jahr 2014 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der X.GmbH.
Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft gehörten nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung für die Haftung nach § 9 BAO ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).
Der Vertreter erfährt nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre ().
Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().
Im vorliegenden Fall war die Umsatzsteuer 12/2019 am fällig.
Durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bleibt der Fälligkeitstag unberührt (, mit Verweis auf weitere, in Ritz, BAO6, unter Rz 15 zu § 212 BAO wiedergegebene Rechtsprechung).
Dass im Fälligkeitszeitpunkt der Abgabe jegliche liquide Mittel zur Abgabenentrichtung gefehlt hätten, wird vom Bf. nicht vorgebracht. Das Beschwerdevorbringen, es seien bis zuletzt sämtliche Verbindlichkeiten anteilig beglichen worden, spricht ebenso gegen ein Fehlen jeglicher liquider Mittel wie die Ausführungen des Bf. im Zahlungserleichterungsansuchen vom , es wäre ihm möglich, den Rückstand in sechs Monatsraten, beginnend mit , abzustatten. Nach der Aktenlage wurde am Abgabenkonto der GmbH am ein Betrag von 1.000 € einbezahlt.
Waren im Haftungszeitraum demnach liquide Mittel vorhanden, so liegt es am Bf. nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre. Die Haftung erstreckt sich auf die Differenz zwischen diesem Betrag und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Die Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat dabei zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt der Abgaben zu erfolgen.
Die Vorlage einer Aufstellung über Forderungen und Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung besagt weder, welche Forderungen und Verbindlichkeiten bei der GmbH am Fälligkeitstag der Umsatzsteuer 12/2019 bestanden noch in welcher Höhe liquide Mittel zur Verfügung standen.
Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt (dem Fälligkeitstag der Abgaben) erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (, mwN).
Der Bf. ist, obwohl das Finanzamt im Haftungsbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung, der nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH Vorhaltscharakter zukommt, auf seine Verpflichtung, eine Gleichbehandlung der Abgabenschuld mit anderen Verbindlichkeiten der GmbH in Bezug auf das Vorhandensein liquider Mittel nachzuweisen, ausdrücklich hingewiesen hat, nicht nachgekommen.
Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (siehe ), weshalb die Heranziehung des Bf. zur Haftung der (gesamten) noch aushaftenden Umsatzsteuer 12/2019 zu Recht erfolgte.
Dass im Insolvenzverfahren keine Gläubiger benachteiligt wurden, ist für die Frage der Gleichbehandlung aller Verbindlichkeiten durch die GmbH im Fälligkeitszeitpunkt irrelevant, weshalb die beantragte Beischaffung des Insolvenzaktes bzw. die Einvernahme des Insolvenzverwalters zur Aufklärung, welche liquiden Mittel der GmbH im Februar 2020 zur Verfügung standen, und ob eine Gläubigergleichbehandlung im Fälligkeitszeitpunkt erfolgte, nichts beitragen kann.
Die über Jahre bezahlte Mindestkörperschaftsteuer für die GmbH wurde nicht vom Finanzamt "verlangt", sondern ist vom Gesetzgeber für die Rechtsform einer Körperschaft unabhängig von Umsatz und Gewinn vorgesehen (§ 24 KStG 1988). Die Entrichtung der Mindestkörperschaftsteuer ist daher Folge der Wahl der Rechtsform eines Unternehmens. Ein Zusammenhang mit der Haftungsinanspruchnahme des Bf. besteht nicht.
Dem Einwand, die Gesellschaft habe im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung überhaupt keine fälligen Abgabenschulden gegenüber dem Finanzamt gehabt, weil das Finanzamt mit dem Bescheid vom die beantragte Ratenzahlung der Umsatzsteuer 12/2019 bewilligt hat, kann nicht gefolgt werden.
Wie das Finanzamt im Vorlagebericht vom zu Recht ausführt, war die Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Antragstellung in großen Zahlungsschwierigkeiten, weil Mietforderungen in der Höhe von über 80.000 € ausständig waren. Worauf sich die "Hoffnung" des Bf. gründete, diese Rückstände würden in Kürze beglichen, wurde nicht ausgeführt. Das Vorbringen in der Beschwerde, der Bf. konnte "grundsätzlich damit rechnen, diese Forderung einbringlich zu stellen", wurde nicht näher erläutert und ist nicht nachvollziehbar.
Der Bf. hat im Zahlungserleichterungsansuchen vom bestätigt, dass die Einbringung der Umsatzsteuer nicht gefährdet ist. Diese Behauptung traf im vorliegenden Fall nicht zu, weil die Mietforderungen, die bereits auf über 80.000 € angewachsen waren, von den Mietern (weiterhin) nicht erfüllt wurden. Der Bf. führt selbst aus, dass letztlich dieser Umstand zur Insolvenz der GmbH geführt hat.
Zu Recht verweist das Finanzamt auf das Erkenntnis des , wonach ein Geschäftsführer, der eine Zahlungserleichterung mit der Behauptung erwirkt, die Einbringlichkeit der Abgabe werde durch den Aufschub nicht gefährdet, obwohl diese Behauptung nicht zutrifft, ein Verschulden am Abgabenausfall trifft. Die im § 212 BAO festgelegte Voraussetzung für eine Zahlungserleichterung, nämlich die Nichtgefährdung der Einbringlichkeit, soll verhindern, dass das bereits bestehende Risiko für die Einbringlichkeit der Abgabe durch den Zahlungsaufschub nicht noch erhöht wird und dem Abgabengläubiger die Möglichkeit zu sofortigen Einbringungsmaßnahmen wahren.
Bleiben Abgaben unbezahlt, weil ihre Bezahlung trotz gefährdeter Einbringlichkeit im Wege einer Zahlungserleichterung hinausgeschoben werden konnte, hat der Geschäftsführer, der eine solche Gefährdung in Abrede stellte, ein Verschulden am Abgabenausfall zu verantworten.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.
Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Zu den Ausführungen zur geltend gemachten schlechten Einkommens- und Vermögenslage des Bf., die eine Einbringlichkeit der Haftungsschuld als zweifelhaft darstellen, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wirtschaftliche Lage eines Haftungspflichtigen in keinen erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht ().
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().
Ein derartiger Umstand liegt hier nicht vor, wurde doch die Umsatzsteuer 12/2019 mit dem Haftungsbescheid vom und damit etwas mehr als ein Jahr nach Fälligkeit der Abgabe geltend gemacht.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Graz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100117.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at