Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.05.2024, RV/7100179/2022

Umsatzsteuerpflicht für die Sachwalterleistungen eines Rechtsanwaltes

Beachte

Revision eingebracht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/9/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2014 gemäß § 299 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführer (Bf.) ist Rechtsanwalt und erzielt als solcher Umsätze aus der Tätigkeit als gerichtlich bestellte Sachwalterin. Der Umsatzsteuerbescheid vom für das Jahr 2014 erging erklärungsgemäß. Sämtliche Umsätze (1.940.123,44 Euro) wurden der Umsatzsteuer unterzogen.

Mit Antrag vom begehrte der Bf. die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2014 gemäß § 299 BAO, da die europarechtliche Konformität der Umsatzsteuerpflicht in Österreich zu bezweifeln sei. Aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG ergebe sich, dass die Tätigkeit als Sachwalter von der Umsatzsteuer zu befreien sei. Ein gerichtlich bestellter Sachwalter sei eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter.

Demzufolge seien nach Auffassung des Bf. die auf dem beigelegten Konto 8020 im Ausmaß von 1.066.629,42 Euro verzeichneten,- rein in Konnex mit der einem Sachwalter anheimgestellten Betreuungs- und Vertretungsleistungen stehenden Umsätze - steuerfrei zu belassen.

Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag auf Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides ab, da die Umsatzsteuerpflicht der Sachwalter der österreichischen Rechtslage entspreche.

In der Beschwerde vom wandte der Bf. ein, dass das Finanzamt nicht auf die eventuelle EU-Rechtswidrigkeit des Umsatzsteuerbescheides eingegangen sei.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Der Bf. beantragte am die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. In mindestens 80% der Fälle stehe nicht die Anwaltsleistung, sondern die reine Sachwalterschaftsleistung für Personenobsorge im Vordergrund. Nur 20% würden anwaltliche Entgelte gemäß § 276 Abs. 2 ABGB betreffen. Letztere seien als Nebenleistung zu werten.

Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde als unbegründet ab ().

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Bf. Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab ().

Der Bf. erhob eine außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof () hob das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts nach Ergehen des , auf.

Das Bundesfinanzgericht ersuchte in der Folge mit Schriftsatz vom die Abgabenbehörde um Stellungnahme, ob andere Steuerpflichtige (etwa gemeinnützige Vereine), die unter vergleichbaren Umständen wie der Bf. Sachwalterleistungen erbracht haben, nach der im Streitzeitraum geübten allgemeinen Verwaltungspraxis als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit wurden.

In der Stellungnahme vom verneinte das Finanzamt eine derartige Anerkennung von Sachwaltervereinen oder anderen Steuerpflichtigen mit folgender Begründung:

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Feststellung der Eignung von Vereinen, zum Sachwalter bestellt zu werden sowie Patientenanwälte und Bewohnervertreter namhaft zu machen, BGBl II Nr. 117/2007, sei im Streitzeitraum eine derartige Eignung für vier Vereine festgestellt worden:

  • VertretungsNetz - Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung (VSP)

  • Niederösterreichischer Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung

  • Institut für Sozialdienste - Sachwalterschaft

  • Hilfswerk Salzburg - Sachwalterschaft und Bewohnervertretung

Die Abgabenbehörde führte weiter aus:

"Gemein haben diese vier Sachwaltervereine, dass es sich um gemeinnützige Vereine handelt. Aus den §§ 34 bis 47 BAO ergibt sich eindeutig, dass nur solche Rechtsträger entsprechende Begünstigungen anwenden können, die die Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen der BAO vollständig erfüllen. Das betrifft insbesondere das - in den zugrundeliegenden Statuten verbindlich festzulegende - Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht bei der Ausübung dieser Tätigkeit (§ 39 Abs. 2 BAO).

Die Tätigkeiten von drei Sachwaltervereinen wurden im Streitjahr als nicht unternehmerisch beurteilt und behandelt. Die Entlastung von der Umsatzsteuer für diese Vereine ergibt sich nicht daraus, dass sie als Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art. 132 Abs. 1 Buchst. g RL 2006/112/EG anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit werden, sondern daraus, dass sie mit ihren Tätigkeiten gar nicht unternehmerisch tätig sind. Nur ein Unternehmer iSd § 2 UStG 1994 unterliegt mit seinen Lieferungen und sonstigen Leistungen der Umsatzsteuer. Ein Nichtunternehmer unterliegt mangels Unternehmereigenschaft nicht der Umsatzsteuer. Dies ergibt sich bereits aus der Mehrwertsteuerrichtlinie, da der Umsatzsteuer gemäß Art. 2 RL 2006/112/EG ua. nur Lieferungen und Dienstleistungen unterliegen, die ein Steuerpflichtiger (= Unternehmer) als solcher im Inland gegen Entgelt erbringt.

In einem Fall wurde die Tätigkeit des Sachwaltervereines als unternehmerisch qualifiziert, dessen Leistungen als steuerpflichtig beurteilt und der Umsatzbesteuerung unterworfen. Für diesen Verein kommt keine Umsatzsteuerbefreiung zur Anwendung. Auch dieser Verein wird ebenfalls nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art. 132 Abs. 1 Buchst. g RL 2006/112/EG anerkannt.

Diese Beurteilung entspricht den im Streitzeitraum anzuwendenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach eine unternehmerische Tätigkeit zu verneinen ist, wenn sich der Steuerpflichtige nicht "marktkonform" verhält. Dies ist anhand einer Prüfung der Gesamtumstände dh unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, anhand eines Vergleichs zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende die Tätigkeiten ausübt und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, zu beurteilen (vgl. auch , Enkler, Redlihs). Auch in seinem Urteil vom , C-846/19, EQ hat der EuGH zur Frage der unternehmerischen Tätigkeit ausgeführt, dass diese Prüfung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände vorzunehmen ist, unter denen diese Tätigkeit ausgeübt wird und diese Prüfung letzten Endes dem vorlegenden Gericht vorbehalten (vgl. , EQ Rn 53 und Rn 54 mVA , Enkler). Bei dieser Prüfung ist das Vorliegen der Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen mit dem Fehlen jeglicher Gewinnerzielungsabsicht nicht nur ein Indiz für das Fehlen einer unternehmerischen Tätigkeit (vgl. Schlussantrag zu EuGH C-846/19, EQ, Rn 102), sondern auch ein maßgebliches Kriterium, worin sich die Ausübungsmodalitäten der nicht unternehmerisch tätigen Vereine von denen der Beschwerdeführerin unterscheiden.

Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für andere Steuerpflichtige, wie beispielsweise nahe Angehörige, die vom Gericht zum Sachwalter bestellt werden. Sofern solche Personen mit ihren Sachwaltertätigkeiten überhaupt unternehmerisch tätig sind, sind ihre Leistungen steuerpflichtig, außer es kommt die (persönliche) Kleinunternehmerbefreiung zur Anwendung.

Nach der im Streitzeitraum geltenden Rechtslage und geübten allgemeinen Verwaltungspraxis wurden daher weder die Sachwaltervereine noch andere Steuerpflichtige, die Sachwalterleistungen erbracht haben, als Einrichtungen mit sozialem Charakter iSd Art. 132 Abs. 1 Buchst. g RL 2006/112/EG anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit. Eine allfällige Entlastung von der Umsatzsteuer ergibt sich nicht aus einer Umsatzsteuerbefreiung wegen der Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter, sondern daraus, dass diese mit ihren Tätigkeiten nicht unternehmerisch tätig sind.

Im Übrigen wäre die Gewährung der Steuerfreiheit für Rechtsanwälte im Hinblick auf von ihnen erbrachte Sachwalterleistungen nicht mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu vereinbaren, zumal jenem Sachwalterverein, der - so wie der beschwerdeführende Rechtsanwalt - Unternehmer iSd § 2 UStG 1994 ist, keine Steuerbefreiung zuerkannt wird."

Nach Ansicht des Finanzamtes Österreich sei die Beschwerde aus diesen Gründen abzuweisen.

Der Bf. erstatte mit Eingabe vom nachstehende Replik:

"Der Auftrag des VwGH lautete zu prüfen, ob andere Steuerpflichtige, die unter vergleichbaren Umständen (Hervorhebung durch mich) Sachwalterleistungen erbringen, von der allgemeinen Verwaltungspraxis als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit sind.

Dabei beschränkte sich der Ermittlungsauftrag des VwGH nicht zwingend nur auf Sachwaltervereine (siehe Rz 40 "(etwa gemeinnützige Vereine"); Hervorhebung durch mich). Die in meinem Fall entscheidende Frage ist ja, ob Steuersubjekte, die unternehmerisch tätig sind und sich marktkonform verhalten, als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt werden können. Das wurde höchstgerichtlich bejaht; dies mit der oben (siehe die von mir hervorgehobene Passage) wiedergegebenen Maßgabe. Somit sind Sachwaltervereine keineswegs die einzigen - denkbaren- Heranzuziehenden Vergleichsobjekte.

2)

Nun sind Sachwaltervereine überhaupt keine geeigneten Vergleichsobjekte, weil sie sich in wesentlichen Punkten von meiner Tätigkeit (als Sachwalter) unterscheiden: drei sind überhaupt nicht unternehmerisch tätig; der vierte zwar schon, doch verhält er sich (so das Finanzamt in seiner Stellungnahme) nicht "marktkonform" bzw. ist nicht bekannt, ob er jemals eine Anerkennung als soziale Einrichtung beantragt hat (andernfalls die Tatsache, dass er nicht anerkannt wurde, aussagelos ist; denn ohne Antrag hätte das Finanzamt ja keinen Anlass, diese Eigenschaft zuzuerkennen). Genau diese Eigenschaften (unternehmerische Tätigkeit, marktkonformes Verhalten) kennzeichnen aber unsere Ausübung des Berufs Sachwalter (und gerade dieses Charakteristikum ist der entscheidende Punkt, um den es geht).

3)

Der Gedanke der steuerlichen Neutralität setzt voraus, dass die Vergleichsobjekte überhaupt vergleichbar sind. Die Gründe, warum die Sachwaltervereine bisher nicht als Einrichtungen, mit sozialem Charakter im einschlägigen Sinn betrachtet wurden (mehr noch: eine derartige Prüfung nicht einmal in Betracht gezogen wurde), liegen in jenen Wesensmerkmalen, die sie von mir unterscheiden und eben nicht vergleichbar machen. Das Problem stellte sich also beiden Sachwaltervereinen von Haus aus nicht, sodass die Nichtanerkennung als soziale Einrichtung (und die Nichtgewährung einer Umsatzsteuerbefreiung) aussagelos ist (genauer: es liegt ja gar keine "Nichtanerkennung" vor (denn diese würde ja einen Antrag voraus setzen), sondern ein behördlicher "Nicht-Akt". Um mit den Sachwaltervereinen vergleichbar zu sein, müsste ich meine Tätigkeit als nicht unternehmerisch und als nicht marktkonform gestalten. Dass das nicht geht bzw. von mir nicht verlangt werden kann, liegt auf der Hand. Gerade diese Differenz ist ja der Ausgangspunkt für die gegenständliche Auseinandersetzung.

4)

Dass die Erhebungsergebnisse des Finanzamtes keine entsprechende Verwaltungspraxis ergaben, sagte vorerst gar nichts aus. Es stellt sich die Frage, warum das so ist (Vergleichbare Problematik im Zivilrecht: Schweigen gilt nicht als Zustimmung). Folgende Möglichkeiten sind denkbar:- Es wurde zwar ein Antrag gestellt, aber abgewiesen. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Mehr noch: die (drei) Sachwaltervereine hatten, wie schon erwähnt, gar keinen Anlass, eine Anerkennung als soziale Einrichtung zu erwirken. Daher ist das Fehlen einer entsprechenden Verwaltungspraxis für meinen Fall aussagelos.

-

Es wurde (vom verbleibenden Institut) kein Antrag gestellt (wobei der Grund dafür unbekannt ist). Hier gilt für das Fehlen einer entsprechenden Verwaltungspraxis das eben, oben Gesagte (hätte das Institut einen Antrag gestellt, so wäre es in derselben Situation wie ich; siehe 'dazu sogleich).

Conclusio: das Fehlen einer entsprechenden Verwaltungspraxis (Anerkennung eines unternehmerisch tätigen und sich marktkonform verhaltenden Steuersubjekte als soziale Einrichtung (im hier einschlägigen Sinn)) lässt eben gerade nicht den vom Finanzamt gezogenen Schluss zu, dass mein Antrag abzuweisen ist.

Ganz im Gegenteil: Ich bin überhaupt der erste Anwendungsfall, mit dem allenfalls spätere verglichen werden können. Daher stellt sich die Frage nach einer entsprechenden Verwaltungspraxis bei mir noch nicht. Maßgebend kann somit nur das Gesetz sein, gemäß dessen Kriterien ich als soziale Einrichtung anzusehen bin.

Was als weiteres Ergebnis der Erhebungen des Finanzamtes festzuhalten ist: es gibt keine mit mir vergleichbaren Steuersubjekte, die einen mit meinem vergleichbaren Antrag gestellt haben und denen die Anerkennung als soziale Einrichtung im einschlägigen Sinn verweigert wurde.

Mit anderen Worten: es gibt überhaupt keine heranziehbare einschlägige Verwaltungspraxis.

5)

Dazu kommt, dass es mir darüber hinaus gar nicht möglich ist, mich als Einrichtung mit sozialem Charakter im einschlägigen Sinn anerkennen zu lassen (um allenfalls auf diesem Wege die beschriebene Differenz zu den Sachwaltervereinen "zu überwinden"). Eine derartige Unterlassung/Untätigkeit des Gesetzgebers darf jedoch nicht zu meinem Nachteil ausschlagen (siehe Rz 32 des VwGH-Erkenntnisses und die dort zitierte Rz des angeführten Erkenntnisses des Gerichtshofes der Europäischen Union)."

In einer Ergänzung zur obiger Replik vom führte der Bf. im Wesentlichen aus, dass es sich bei den Aussagen in Rz 463 VereinsR 2001 - entgegen der vom FA Österreich vertretenen Ansicht - um eine unmittelbare Anwendung des Art 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL handle, da ansonsten keine gesetzliche Deckung dieser Aussagen existiere. Aus der Behandlung eines der vier Vereine als umsatzsteuerpflichtig könne für den Beschwerdefall hingegen nichts gewonnen werden, da das FAÖ nicht dargelegt habe, warum Art 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL in diesem Fall nicht angewendet wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf erzielte im Jahr 2014 als Rechtsanwalt überwiegend Umsätze aus der Tätigkeit als gerichtlich bestellte Sachwalter. In rund 80 % der Fälle steht nicht die Anwaltsleistung, sondern die reine Sachwalterschaftsleistung für Personenobsorge im Vordergrund. Für diese Tätigkeit hat die Bf Entschädigungen gemäß § 276 Abs. 1 ABGB erhalten. Nur rund 20% betreffen anwaltliche Entgelte gemäß § 276 Abs. 2 ABGB.

Neben Rechtsanwälten (Rechtsanwaltsanwärtern) und Notaren (Notariatskandidaten) haben im Jahr 2014 auch folgende in § 279 ABGB idF BGBl I 2009/52 genannte Personen Sachwalterleistungen erbracht:

1. Geeignete, einer behinderten Person nahestehende (natürliche) Personen (§ 279 Abs 2 ABGB idF BGBl I 2009/52) und

2. Sachwaltervereine (§ 279 Abs 3 ABGB idF BGBl I 2009/52).

Bei den in § 279 Abs 3 ABGB idF BGBl I 2009/52 genannten Sachwaltervereinen handelte es sich um jene Vereine iSd VSPBG (Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetzes, BGBl 1990/156, in der zuletzt durch BGBl I 2006/92 geänderten Fassung), deren Eignung zur Bestellung zum Sachwalter durch Verordnung des BMJ festgestellt wurde. Gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Feststellung der Eignung von Vereinen, zum Sachwalter bestellt zu werden sowie Patientenanwälte und Bewohnervertreter namhaft zu machen, BGBl II 2007/117, in der zuletzt durch BGBl II 2012/375 geänderten Fassung) bestand im Streitzeitraum eine derartige Eignung für folgende vier Vereine:

1. Verein VertretungsNetz - Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung,

2. Niederösterreichischer Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung,

3. Hilfswerk Salzburg - Sachwalterschaft und Bewohnervertretung,

4. Institut für Sozialdienste - Sachwalterschaft, Bewohnervertretung und Patientenanwaltschaft.

Diese vier Vereine wurden im Streitzeitraum von der Finanzverwaltung als gemeinnützig iSd §§ 34 ff BAO anerkannt.

In den Vereinsrichtlinien 2001 des Bundesministeriums für Finanzen (GZ 06 5004/10-IV/6/01 in der im Beschwerdefall maßgebenden, ab gültigen Fassung, BMF-010200/0012-VI/6/2013; im Folgenden nur "VereinsR 2001") wird betreffend die umsatzsteuerliche Behandlung gemeinnütziger Vereine unter den Rz 463 und 464 wie folgt ausgeführt:

"3.2.2 Liebhaberei

3.2.2.1 Liebhabereivermutung bei Betrieben gemäß § 45 Abs. 1 und 2 BAO

463

Bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 34 bis 38 BAO), kann davon ausgegangen werden, dass die im Rahmen von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nach § 45 Abs. 1 und 2 BAO ausgeübten Tätigkeiten unter die Regelung des § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 fallen. Eine nichtunternehmerische Tätigkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Umsätze des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes jährlich regelmäßig unter 2.900 Euro liegen.

3.2.2.2 Keine Anwendung der Liebhabereivermutung

464

Im Hinblick darauf, dass gemäß § 6 der Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 idgF, grundsätzlich auch bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn nur bei Betätigungen iSd § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung vorliegen könnte (), kann die Liebhabereivermutung nach Rz 463 erster Satz, soweit sie sich auf andere wirtschaftliche Tätigkeiten iSd § 2 Abs. 1 UStG 1994 bezieht, nicht gegen den Willen des Unternehmers angewendet werden. Die 2.900 Euro Bagatellgrenze (Rz 463 zweiter Satz) ist jedoch zu beachten. Will der Unternehmer die Liebhabereivermutung nach Rz 463 erster Satz nicht anwenden, bedarf es keiner gesonderten Erklärung gegenüber dem Finanzamt, sondern es genügt die Abgabe von Voranmeldungen und Jahreserklärungen oder auch die Abgabe der Verzichtserklärung auf die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung (vgl. Rz 520)."

In Übereinstimmung mit Rz 463 erster Satz VereinsR 2001 wurden drei der vier oa Sachwaltervereine von der Finanzverwaltung im Streitzeitraum als Nichtunternehmer behandelt. Ein Verein wurde in Übereinstimmung mit Rz 464 der VereinsR 2001 als Unternehmer behandelt und wurden die von diesem mit den erbrachten Sachwalterleistungen erzielten Umsätze im Streitzeitraum von der Finanzverwaltung als umsatzsteuerpflichtig behandelt.

Eine Anerkennung der oa Sachwaltervereine als Einrichtungen mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL ist seitens der Finanzverwaltung im Streitjahr nicht erfolgt und existiert keine allgemeine Anweisung (zB ein Erlass), die eine Anerkennung der oa Sachwaltervereine als Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL zum Gegenstand hat.

Die Entschädigungen für die Tätigkeiten von als gerichtlich bestellten Sachwaltern tätigen nahestehenden Personen iSd § 279 Abs 2 ABGB idF BGBl I 2009/52 wurden - sofern diese Personen mit ihren Sachwaltertätigkeiten überhaupt unternehmerisch tätig waren - von der Finanzverwaltung in den Streitjahren als umsatzsteuerpflichtig behandelt, sofern nicht die Kleinunternehmerbefreiung zur Anwendung gelangte. Es existiert keine allgemeine Anweisung (zB ein Erlass), die eine Anerkennung der Personen iSd § 279 Abs 2 ABGB idF BGBl I 2009/52 als Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL zum Gegenstand hat.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass nach der im Streitzeitraum geübten allgemeinen Verwaltungspraxis weder (gemeinnützige) Sachwaltervereine noch andere Personen, die Sachwalterleistungen erbracht haben, als Einrichtungen mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit wurden.

Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die Tätigkeit des Bf. beruhen auf den glaubwürdigen, von der Abgabenbehörde nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des Bf. im verwaltungsbehördlichen Verfahren.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die im Streitzeitraum geübte allgemeine Verwaltungspraxis beruhen auf einer vom erkennenden Verwaltungsgericht durchgeführten Abfrage in der Finanzdokumentation (Findok) mit dem Suchbegriff "Sachwalter*", bei der keine dem BMF zuzurechnenden Aussagen zur umsatzsteuerlichen Behandlung in concreto von geeigneten, einer behinderten Person nahe stehenden Personen iSd § 279 Abs 2 ABGB idF BGBl I 2009/52 und von Sachwaltervereinen iSd § 279 Abs 3 ABGB idF BGBl I 2009/52 aufgefunden wurden, sowie auf der Stellungnahme der Amtspartei vom .

Dieser Stellungnahme wurde vom Bf. im Wesentlichen entgegengetreten (Äußerung vom ), als er ungeachtet dessen, dass er Sachwaltervereine, - schon ob deren nicht marktkonformen Gestaltung - nicht als taugliche Vergleichsobjekte zu seinem Unternehmen erachte, für die drei als nicht unternehmerisch tätig eingestuften Vereine schon per se kein Anlass einen Antrag auf Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des Art. 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL zu stellen, bestanden habe, bzw. der der als unternehmerisch tätig eingestufte Verein überhaupt keinen Antrag gestellt habe. Zusammenfassend existiere nach dem Dafürhalten des Bf. somit überhaupt keine heranziehbare einschlägige Verwaltungspraxis. Obigem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität ausschließlich die allgemeine Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen maßgebend ist (, Rz 41; siehe dazu auch unten Pkt 3.2.). Bei der allgemeinen Verwaltungspraxis handelt es sich um allgemeine Anweisungen, zB. Erlässe oder Richtlinien, nicht aber um eine einzelfallbezogene Beurteilung).

Dem in der Ergänzung zur Replik getätigten Aussage des Bf., dass in den VereinsR 2001 eine Anerkennung gemeinnütziger Sachwaltervereine als Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL zum Ausdruck komme, ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungsgerichts entgegenzuhalten, dass die dort beschriebene Liebhabereivermutung für unentbehrliche und entbehrliche Hilfsbetriebe nicht nur Sachwaltervereine iSd VSPBG, sondern vielmehr sämtliche in Österreich ansässigen gemeinnützigen Vereine - somit beispielsweise auch (gemeinnützige) Sportvereine, Musik- und Gesangsvereine, Natur- und Tierschutzvereine, Feuerwehrvereine etc. - betrifft. Hinzukommt, dass gemeinnützigen Vereinen infolge der in Rz 464 VereinsR 2001 getroffenen Aussagen im Ergebnis ein Wahlrecht hinsichtlich ihrer Unternehmereigenschaft zugestanden wird und können diese somit die im Rahmen ihrer entbehrlichen und unentbehrlichen Hilfsbetriebe erzielten Umsätze entweder als wirtschaftliche Tätigkeit oder als Liebhaberei behandeln. Ein derartiges Wahlrecht lässt sich allerdings - auch soweit Sachwaltervereine iSd VSPG betroffen sind - nicht aus der MwStSystRL ableiten (vgl zB Achatz/Kirchmayr, Liebhaberei bei gemeinnützigen Vereinen? taxlex 2011, 33; Gunacker-Slawitsch in Schopper/Weilinger [Hrsg], VereinsG Nach § 22 [USt] Rz 24). Vor diesem Hintergrund können die gegenständlichen Aussagen in den VereinsR 2001 aber entgegen der vom Bf. vertretenen Ansicht nicht dahingehend verstanden werden, dass durch diese eine Anerkennung gemeinnütziger Sachwaltervereine als Einrichtungen mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL zum Ausdruck kommt.

Dem Einwand des Bf., dass aus der Tatsache, dass einer der Sachwaltervereine als unternehmerisch tätig eingestuft wurde bzw. für diesen keine Befreiung zur Anwendung gelangte kein Präjudiz für die umsatzsteuerliche Behandlung seiner Tätigkeit abgeleitet werden könne, ist seitens des Verwaltungsgerichts zu entgegnen, dass "vorgenannte Behandlung" geradezu als "Stütze" des Fehlens einer in Richtung Anerkennung gemäß Art. 132 Abs. 1 lit. g MwStSyst- RL abzielenden Verwaltungspraxis zu qualifizieren ist.

Rechtliche Beurteilung

3.1. Verfahrensrechtliche Erwägungen:

Der Bf. beantragte die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für 2014, da aus europarechtlichen Gründen ihre Sachwalterleistungen von der Umsatzsteuer zu befreien seien und diese Leistungen zu Unrecht der Umsatzsteuer unterzogen worden seien.

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall, ob eine zur Aufhebung gemäß § 299 BAO berechtigende Unrichtigkeit des Spruches des Umsatzsteuerbescheides vom vorlag.

§ 299 BAO in der ab geltenden Fassung bestimmt:

(1) Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;

b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

Die Rechtswidrigkeit muss nicht offensichtlich sein, jedoch setzt die Aufhebung die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (Ritz, BAO6, § 299, Tz 13).

Daher ist vorerst die Bescheidüberprüfung nach dem Maßstab des materiellen Rechts durchzuführen, weil nur die Feststellung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit seine Aufhebung rechtfertigt.

3.2. Materiellrechtliche Ausführungen:

3.2.1. Unionsrecht

Folgende Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) sind im Beschwerdefall relevant:

"KAPITEL 2

Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten

Artikel 132

(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

[...]

g) eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden;

[...]"

"Artikel 133

Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:

a) Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.

[...]"

"Artikel 134

In folgenden Fällen sind Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von der Steuerbefreiung des Artikels 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n ausgeschlossen:

a) sie sind für die Umsätze, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich;

b) sie sind im Wesentlichen dazu bestimmt, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden."

3.2.2. Nationales Umsatzsteuerrecht

Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen ua Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt.

Gemäß § 6 Abs 1 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1994 fallenden Umsätzen ua steuerfrei:

"7. die Umsätze der Träger der Sozialversicherung und ihrer Verbände, der Krankenfürsorgeeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967, und der Träger des öffentlichen Fürsorgewesens untereinander und an die Versicherten, die mitversicherten Familienangehörigen, die Versorgungsberechtigten oder die Hilfeempfänger oder die zum Ersatz von Fürsorgekosten Verpflichteten;

[...]

18. die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters-, Blinden- und Siechenheime sowie jener Anstalten, die eine Bewilligung als Kuranstalt oder Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche Heilvorkommen und Kurorte besitzen, soweit sie von Körperschaften des öffentlichen Rechts bewirkt werden und es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der Kranken- oder Kurbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen;

[...]

25. die in den Ziffern 18, 23 und 24 genannten Leistungen, sofern sie von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung), bewirkt werden. Dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung ausgeführt werden;

[...]"

Die Bestimmungen der zitierten Ziffern 7 und 18 des § 6 Abs 1 UStG 1994 dienten, wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl 1994/663 (Stammfassung), hervorgeht (vgl ErläutRV 1715 BlgNR 18. GP, Seiten 52 und 54), der Umsetzung von Art 13 Teil A Abs 1 lit g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom (im Folgenden nur "Sechste Richtlinie"), der Vorgängerbestimmung des Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL.

3.2.3. Zivilrechtliche Bestimmungen betreffend das Sachwalterrecht

Die Bestimmungen zum Sachwalterrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) lauteten in der im Beschwerdefall noch maßgebenden Fassung vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz (BGBl I Nr 2017/59) wie folgt:

"§ 268. (1) Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist (behinderte Person), alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen.

[...]

(3) Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten ist der Sachwalter zu betrauen

1. mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, etwa der Durchsetzung oder der Abwehr eines Anspruchs oder der Eingehung und der Abwicklung eines Rechtsgeschäfts,

2. mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, etwa der Verwaltung eines Teiles oder des gesamten Vermögens, oder,

3. soweit dies unvermeidlich ist, mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person.

[...]"

"§ 274. (1) [...]

(2) Ein Rechtsanwalt oder Notar kann die Übernahme einer Sachwalterschaft (Kuratel) nur ablehnen, wenn ihm diese unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann. Dies wird bei mehr als fünf Sachwalterschaften (Kuratelen) vermutet."

"§ 275. (1) Die Sachwalterschaft (Kuratel) umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die dem Sachwalter (Kurator) übertragenen Angelegenheiten zu besorgen. Der Sachwalter (Kurator) hat dabei das Wohl des Pflegebefohlenen bestmöglich zu fördern.

[...]"

"§ 276. (1) Dem Sachwalter (Kurator) gebührt unter Bedachtnahme auf Art und Umfang seiner Tätigkeit, insbesondere auch im Bereich der Personensorge, und des damit gewöhnlich verbundenen Aufwands an Zeit und Mühe eine jährliche Entschädigung. Diese beträgt fünf Prozent sämtlicher Einkünfte nach Abzug der hievon zu entrichtenden Steuern und Abgaben, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind; bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen des Sachwalters kann das Gericht die Entschädigung auch mit bis zu zehn Prozent dieser Einkünfte bemessen. Übersteigt der Wert des Vermögens des Pflegebefohlenen 10 000 Euro, so ist darüber hinaus pro Jahr zwei Prozent des Mehrbetrags an Entschädigung zu gewähren. Das Gericht hat die Entschädigung zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen für angemessen hält.

(2) Nützt der Sachwalter (Kurator) für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat er hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit beim Pflegebefohlenen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden.

(3) Die zur zweckentsprechenden Ausübung der Sachwalterschaft (Kuratel) notwendigen Barauslagen, die tatsächlichen Aufwendungen und die Kosten einer zur Deckung der Haftung nach § 277 abgeschlossenen Haftpflichtversicherung sind dem Sachwalter vom Pflegebefohlenen jedenfalls zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden.

(4) Ansprüche nach den vorstehenden Absätzen bestehen insoweit nicht, als durch sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre."

"§ 278. (1) Das Gericht hat die Sachwalterschaft (Kuratel) auf Antrag oder von Amts wegen einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter (Kurator) stirbt, nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amtes nicht zugemutet werden kann, einer der Umstände des § 273 Abs. 2 eintritt oder bekannt wird oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert.

[...]

(3) Das Gericht hat in angemessenen, fünf Jahre nicht überschreitenden Zeitabständen zu prüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Beendigung oder Änderung der Sachwalterschaft (Kuratel) erfordert."

"§ 279. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters ist besonders auf die Bedürfnisse der behinderten Person und darauf Bedacht zu nehmen, dass der Sachwalter nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung steht, in der sich die behinderte Person aufhält oder von der sie betreut wird. Wünsche der behinderten Person, insbesondere solche, die sie vor Verlust der Geschäftsfähigkeit und Einsichts- und Urteilsfähigkeit geäußert hat (Sachwalterverfügung), und Anregungen nahe stehender Personen sind zu berücksichtigen, sofern sie dem Wohl der behinderten Person entsprechen.

(2) Einer behinderten Person ist eine geeignete, ihr nahestehende Person zum Sachwalter zu bestellen. Wird eine behinderte Person volljährig, so ist ein bisher mit der Obsorge betrauter Elternteil zum Sachwalter zu bestellen, sofern dies dem Wohl der behinderten Person nicht widerspricht.

(3) Ist eine geeignete, nahestehende Person nicht verfügbar, so ist ein geeigneter Verein mit dessen Zustimmung zum Sachwalter zu bestellen. Kommt auch ein Verein nicht in Betracht, so ist nach Maßgabe des § 274 Abs. 2 ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder eine andere geeignete Person mit deren Zustimmung zu bestellen.

(4) Ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) ist vor allem dann zum Sachwalter zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein geeigneter Verein vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Sachwalterschaft verbunden sind.

(5) Eine Person darf nur so viele Sachwalterschaften übernehmen, wie sie unter Bedachtnahme auf die Pflichten eines Sachwalters, insbesondere jene zur persönlichen Kontaktnahme, ordnungsgemäß besorgen kann. Es wird vermutet, dass eine Person - ausgenommen ein geeigneter Verein - insgesamt nicht mehr als fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen kann; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bleiben dabei außer Betracht."

"§ 282. Der Sachwalter hat mit der behinderten Person in dem nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt zu halten und sich darum zu bemühen, dass der behinderten Person die gebotene ärztliche und soziale Betreuung gewährt wird. Sofern der Sachwalter nicht bloß zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bestellt ist, soll der Kontakt mindestens einmal im Monat stattfinden."

§ 130 Außerstreitgesetz (AußStrG) idF BGBl I 2006/92 lautet:

"Der Sachwalter hat dem Gericht in angemessenen Abständen, mindestens jedoch jährlich, über seine persönlichen Kontakte mit der betroffenen Person, deren Lebensverhältnisse sowie deren geistiges und körperliches Befinden zu berichten. Das Gericht kann dem Sachwalter auch einen Auftrag zu einem solchen Bericht erteilen."

§ 137 AußStrG idF BGBl I 2003/111 lautet:

"(1) Ergeben sich keine Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnung, so hat sie das Gericht zu bestätigen. Sonst ist der gesetzliche Vertreter aufzufordern, die Rechnung entsprechend zu ergänzen oder zu berichtigen; misslingt dies, so ist die Bestätigung zu versagen. Soweit das Vermögen oder die Einkünfte nicht gesetzmäßig angelegt oder gesichert erscheinen, hat das Gericht die erforderlichen Maßnahmen nach § 133 Abs. 4 zu treffen.

(2) Zugleich mit der Entscheidung hat das Gericht über Anträge des gesetzlichen Vertreters auf Gewährung von Entgelt, Entschädigung für persönliche Bemühungen und Aufwandersatz zu entscheiden. Auf Antrag hat das Gericht die zur Befriedigung dieser Ansprüche aus den Einkünften oder dem Vermögen des Pflegebefohlenen notwendigen Verfügungen zu treffen, erforderlichenfalls den Pflegebefohlenen zu einer entsprechenden Leistung zu verpflichten. Beantragt der gesetzliche Vertreter Vorschüsse auf Entgelt, Entschädigung oder Aufwandersatz, so hat sie ihm das Gericht zu gewähren, soweit er bescheinigt, dass dies die ordnungsgemäße Vermögensverwaltung fördert.

(3) Die Entscheidung über die Rechnung beschränkt nicht das Recht des Pflegebefohlenen, Ansprüche, die sich aus der Vermögensverwaltung ergeben, auf dem streitigen Rechtsweg geltend zu machen."

3.2.4. Erwägungen

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in Ra 2019/13/0025 fest, dass Leistungen eines Rechtsanwalts, die dieser als vom Gericht bestellter Sachwalter erbringt, nach dem UStG steuerpflichtig sind, da das nationale Recht keine Befreiungsbestimmung vorsieht (Rz 20). Davon gehen auch die Parteien des gegenständlichen Verfahrens übereinstimmend aus.

Strittig ist hingegen, ob ein Rechtsanwalt unter unmittelbarer Anwendung des Art 132 Abs 1 lit. g der Richtlinie 2006/112/EG eine unechte Steuerbefreiung geltend machen kann.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen in der MwStSystRL umschrieben sind, eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl entsprechend zur Sechsten Richtlinie , United Utilities, Rn 21; , C-141/00, Kügler, Rn 28 und Rn 37).

Der Verwaltungsgerichtshof führte zu Sachwaltertätigkeiten von Rechtsanwälten mit umfangreichen Verweisen auf das , Administration de l'Enregistrement, des Domaines et de la TVA, wie folgt aus ():

Dem Grunde nach liegen bei den Leistungen als vom Gericht bestellter Sachwalter gemäß § 268 Abs. 1 ABGB eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen iSd Art 132 Abs 1 MwStSystRL vor (Rz 29). Es ist aber zu beachten, dass Tätigkeiten der Beratung rechtlicher Art, die mit den speziellen Kenntnissen eines Anwalts verbunden sind, nicht in den Bereich der Steuerbefreiung fallen, selbst wenn sie im Kontext des einer nicht geschäftsfähigen Person geleisteten Beistands erbracht werden (siehe Rz 28).

Der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist zum Vorliegen einer "als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung" als weitere Voraussetzung zur Anwendung des Art 132 Abs 1 lit. g MwStSystRL folgendes zu entnehmen:

Der nationale Gesetzgeber hat von der Möglichkeit der Beschränkung der Befreiung auf Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, für die Leistungen eines Sachwalters keinen Gebrauch gemacht (Rz 33). Damit ist ein (gewinnorientierter) Rechtsanwalt nicht per se von der Befreiung ausgeschlossen.

Die gerichtliche Bestellung eines Rechtsanwalts zum Sachwalter im Einzelfall begründet noch nicht die Anerkennung dieses (konkreten) Rechtsanwalts als "Einrichtung mit sozialem Charakter". Es ist nicht ausreichend, wenn dieser auch Leistungen mit sozialem Charakter erbringt. Entscheidend ist, ob ein Rechtsanwalt sein Unternehmen unter Bedingungen betreibt, die eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter rechtfertigen (Rz 34).

Für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt nur mehr Leistungen als Sachwalter erbringt. Anwaltliche Leistungen im Rahmen von Sachwalterschaften oder auch außerhalb sind aber steuerlich nicht begünstigt (Rz 35).

Ob eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter zu erfolgen hat, ist anhand sämtlicher maßgeblicher Umstände zu prüfen. Wenn eines dieser Kriterien, die sich in EuGH C-846/19, Rn. 70 und Rn. 83 bis 87, finden, nicht erfüllt ist, schließt dies eine Anerkennung im Rahmen der Gesamtabwägung nicht jedenfalls aus (Rz 36 ff).

Zu den einzelnen vom EuGH genannten Kriterien hielt der VwGH fest:

1. In Österreich liegen entsprechende spezifische Vorschriften vor, wonach ein Sachwalter vom Gericht zu bestellen ist, wenn eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen vermag (§ 268 Abs 1 ABGB). Die Tätigkeit des Sachwalters wird vom Gericht regelmäßig überprüft; der Sachwalter hat hierzu in angemessenen Abständen (mindestens jährlich) dem Gericht zu berichten (§ 130 AußStrG). Das Entgelt (und die "Entschädigung") des Sachwalters werden gemäß § 137 Abs 2 AußStrG vom Gericht festgesetzt (Rz 37).

2. Dass mit der Tätigkeit des Sachwalters Gemeinwohlinteresse verbunden ist, ist unbestritten und evident (Rz 38 mit Verweis auf ).

3. Die Kosten der Leistungen werden jedoch in Österreich nicht von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen. Das Entgelt (und die Entschädigung) des Sachwalters sind nach der österreichischen Rechtslage von der betroffenen Person selbst zu tragen. Diese Ansprüche des Sachwalters bestehen insoweit nicht, als durch sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre (Rz 38 und 39).

4. Nicht beurteilen konnte der VwGH aufgrund fehlender Feststellungen des Bundesfinanzgerichts die hinsichtlich der Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität wesentliche Frage, ob anderen Steuerpflichtigen (etwa gemeinnützigen Vereinen) unter entsprechenden Umständen bereits eine vergleichbare Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gewährt wurde. Es kommt dazu insbesondere auch auf die Praxis der Verwaltung in ähnlichen Fällen an (Rz 40).

Im gegenständlichen fortgesetzten Verfahren war daher genannter Pkt. 4 zu untersuchen und im Anschluss eine Gesamtabwägung der angeführten Aspekte vorzunehmen.

Da das österreichische Umsatzsteuerrecht keine Regelungen vorsieht, nach denen ein (anderer als die in § 6 Abs 1 Z 7, 18, 23 oder 24 UStG 1994 aufgezählten) Rechtsträger als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt würde (vgl , Rn 34), ist insoweit betreffend die Umsetzung des Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL kein Widerspruch der Bestimmungen des UStG 1994 mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität erkennbar. Wie aus der Rsp des EuGH hervorgeht, ist die Prüfung, ob ein Mitgliedstaat das ihm von der Richtlinie eingeräumte Ermessen beachtet, allerdings nicht nur anhand der nationalen Gesetze vorzunehmen, sondern auch unter Berücksichtigung der Praxis der zuständigen Verwaltung in ähnlichen Fällen (vgl , Kügler, Rn 56 f).

Es ist daher im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung im Beschwerdefall wesentlich, ob andere Steuerpflichtige, die unter vergleichbaren Umständen wie der Bf. Sachwalterleistungen erbringen, von der im Streitzeitraum geübten allgemeinen Verwaltungspraxis bereits als Einrichtungen mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit wurden (vgl , Rn 41).

Wenn in der allgemeinen Verwaltungspraxis etwa gemeinnützige Vereine gestützt auf Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt und deswegen - also auf Basis dieser konkreten Richtlinienbestimmung - von der Umsatzsteuer befreit worden wären, müsste diese Begünstigung auch den anderen Sachwaltern, die unter denselben Bedingungen tätig werden, gewährt werden (Lachmayer, Umsatzsteuerpflicht eines Sachwalters, iFamZ 2022, 77 [79]).

Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt (siehe oben unter "Sachverhalt"), dass nach der im Streitzeitraum geübten allgemeinen Verwaltungspraxis weder (gemeinnützige) Sachwaltervereine noch andere Personen, die Sachwalterleistungen erbracht haben, als Einrichtungen mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit wurden.

Somit sprechen für eine Anerkennung des Bf. als Einrichtung mit sozialem Charakter aber lediglich das Bestehen spezifischer Vorschriften und das mit der Tätigkeit des Bf. verbundene Gemeinwohlinteresse. Demgegenüber sind das Entgelt und die Entschädigung des Sachwalters in Österreich nicht von öffentlichen Stellen, sondern grundsätzlich von der betroffenen Person selbst zu tragen und spricht dies gegen das Beschwerdevorbringen (vgl dazu auch Lachmayer, Umsatzsteuerpflicht eines Sachwalters, iFamZ 2022, 77 [78]). Ebenso spricht der Vergleich mit der steuerlichen Behandlung anderer Steuerpflichtigen iSd Grundsatzes der steuerlichen Neutralität gegen eine Anerkennung des Bf. als Einrichtung mit sozialem Charakter.

Da der VwGH für die Anerkennung von als Sachwalter tätigen Rechtsanwälten als Einrichtung mit sozialem Charakter der Wahrung der Steuerneutralität ausschlaggebende Bedeutung beimisst (, Rn 40 und 41), kommt das Verwaltungsgericht im Rahmen der Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass auf die Sachwalterschaftsleistungen des Bf. keine Umsatzsteuerbefreiung unter unmittelbarer Heranziehung unionsrechtlicher Bestimmungen anzuwenden ist. Andernfalls würde man dem Gesetzgeber doch in einem ausgesprochen weiten Ausmaß seine Bestimmungshoheit über die Ausfüllung unionsrechtlicher Freiräume der MwStSystRL absprechen (vgl dazu Sutter, Umsatzsteuerpflicht für nicht-anwaltstypische Dienstleistungen eines Rechtsanwalts als Sachwalter? AnwBl 2020, 456 [460]).

Die Abgabenbehörde hat daher den Antrag auf Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für 2014 zu Recht abgewiesen.

3.3. Zur Nichtzulassung der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach welchen Kriterien ein als Sachwalter tätiger Rechtsanwalt als Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL anzuerkennen ist, hat der VwGH gestützt auf das , beantwortet (). Die Revision ist daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 276 Abs. 2 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 276 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 132 Abs. 1 lit. g RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 279 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100179.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at