Im Finanzstrafverfahren hat das ABB einen Bescheid ohne Anführung der Behördenbezeichnung „als Finanzstrafbehörde“ oder einen ähnlichen Hinweis, aus dem auf Finanzstrafagenden geschlossen werden könnte, erlassen: damit ist der Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden und war daher aufzuheben
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7300030/2024-RS2 | Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben (vgl. ). |
Folgerechtssätze | |
RV/7300030/2024-RS1 | wie RV/7300015/2024-RS1 Erlässt das Amt für Betrugsbekämpfung im Finanzstrafverfahren eine Entscheidung ohne Anführung der Behördenbezeichnung „als Finanzstrafbehörde“, wird diese Entscheidung „nur“ vom Amt für Betrugsbekämpfung, somit von einer unzuständigen Behörde erlassen, da § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG die Tätigkeit "als Finanzstrafbehörde" definiert. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Finanzstrafsache gegen die ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Stadlauer Straße 39/1/Top12, 1220 Wien, und Heinz Neuböck Wirtschaftstreuhand Gesellschaft m.b.H., Bauernmarkt 24, 1010 Wien, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen und Finanzordnungswidrigkeiten gemäß §§ 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und 49 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des belangten Verbandes vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung (Anmerkung: ohne Bezeichnung "als Finanzstrafbehörde" oder "Bereich Finanzstrafsachen") vom , Geschäftszahl **FV1**, zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufgehoben.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Strafverfügung vom verhängte das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde gegen die ***Bf1*** als belangtem Verband für die von deren Geschäftsführer und Entscheidungsträger Herrn **A1** begangenen näher dargestellten Finanzvergehen eine Geldstrafe (gemeint: Geldbuße) von € 5.000,00, im Fall der Uneinbringlichkeit 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe und setzte die Kosten des Verfahrens mit € 500,00 fest.
Die Strafverfügung wurde dem ausgewiesenen Verteidiger des belangten Verbandes am zugestellt. Ein entsprechender Zustellnachweis ist aktenkundig.
Laut elektronisch vorgelegten Aktenteilen wurde mit Eingabe vom vom (Sub-)Verteidiger Dr. Michael Kotschnigg für beide Beschuldigten Einspruch gegen die Strafverfügungen erhoben und die Nachreichung einer Begründung angekündigt. Auf dieser Eingabe ist der "Eingangsstempel ABB Postfach 252 P.A. " ersichtlich (siehe 7. Strafakt, Seite 118). Der Poststempel lautet ebenfalls .
Das idente Schreiben vom wurde laut Akt mit "Eingangsstempel ABB Postfach 252 P.A. " nochmals im Akt abgelegt (siehe 7. Strafakt, Seite 122).
Mit Bescheid des Amts für Betrugsbekämpfung (ohne Anführung "als Finanzstrafbehörde" oder "Bereich Finanzstrafsachen") vom wurde der am eingebrachte Einspruch gegen die Strafverfügung vom , zugestellt am , gemäß § 145 Abs. 4 FinStrG zurückgewiesen, da der Einspruch nicht fristgerecht erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde eingebracht und als Begründung ausgeführt, "dass aus dem Postaufgabebuch zu ersehen sei, dass der Einspruch bereits am zur Post gegeben und mittels eingeschriebenen Briefes an das ABB weitergeleitet worden ist. Solcherart wurde die Einspruchsfrist gewahrt (§ 56 Abs 2 FinStrG iVm § 108 Abs 3 und 4 BAO).
Den Beilagen der Beschwerde ist zu entnehmen, dass der im angefochtenen Bescheid erwähnte Einspruch am zur Post gegeben wurde, somit die Frist gewahrt wurde, weshalb der Beschwerde an sich stattzugeben gewesen wäre.
Im Vorlagebericht vom vertritt auch die belangte Behörde die Ansicht, dass durch die rechtzeitige Einbringung des Einspruches bezüglich der ***Bf1*** die Strafverfügung außer Kraft treten würde. Das weitere Verfahren wäre nach den Bestimmungen der §§ 115 bis 142 bei der Finanzstrafbehörde durchzuführen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Unzuständige Behörde:
Gemäß § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG ist das Amt für Betrugsbekämpfung "als Finanzstrafbehörde" für die Durchführung des Finanzstrafverfahrens zuständig.
Gemäß § 64 Abs. 1 FinStrG haben die Finanzstrafbehörden ihre Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.
§ 3 Z. 1 lit. a Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung (ABBG): Dem Amt für Betrugsbekämpfung obliegt insbesondere im Geschäftsbereich Finanzstrafsachen die Durchführung von Finanzstrafverfahren nach dem Finanzstrafgesetz - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958.
Festzuhalten ist, dass der angefochtene Bescheid vom "Amt für Betrugsbekämpfung" erlassen wurde und auch in der Signatur keine ergänzende Bezeichnung angeführt ist, die auf Finanzstrafagenden schließen lassen würde. Die Anfügung "als Finanzstrafbehörde" ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.
Laut § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG ist für die Durchführung von Finanzstrafverfahren ausschließlich das Amt für Betrugsbekämpfung "als Finanzstrafbehörde" zuständig. Aufgrund der diversen Zuständigkeitsbereiche des Amtes für Betrugsbekämpfung ist nicht anzunehmen, dass das Amt für Betrugsbekämpfung in seiner Gesamtheit eine Finanzstrafbehörde wäre (vgl. auch Lehner, SWK 2021, 887).
Nachdem im Rahmen der Finanzorganisationsreform das Amt für Betrugsbekämpfung "auch" als Finanzstrafbehörde tätig wird sollte man davon auszugehen können, dass innerhalb des Amtes für Betrugsbekämpfung edv-technisch im Regelfall dafür Sorge getragen wird, dass die gesetzlich geforderte Bezeichnung "als Finanzstrafbehörde", somit die Behörde, die den Bescheid erlässt, auch in den vom Amt für Betrugsbekämpfung "als Finanzstrafbehörde" erlassenen Bescheiden gesetzeskonform zum Ausdruck kommt. Im vorliegenden Beschwerdefall ist das (hoffentlich als Ausnahme) nicht der Fall gewesen.
Dazu darf festgehalten werden, dass die Diskussion über die genaue Behördenbezeichnung in Finanzstrafsachen nicht neu ist. Umso überraschender ist die Tatsache, dass nach wie vor die entsprechenden edv-technischen Vorlagen für die Erledigungen nicht verwendet werden oder nicht zur Verfügung stehen.
Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben (vgl. ).
Im vorliegenden Fall hat das Amt für Betrugsbekämpfung im Finanzstrafverfahren eine Entscheidung ohne Anführung der Behördenbezeichnung "als Finanzstrafbehörde" erlassen, sodass diese Entscheidung "nur" vom Amt für Betrugsbekämpfung, somit von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde und daher aufzuheben ist (vgl. ), da § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG die Tätigkeit "als Finanzstrafbehörde" definiert (vgl. ).
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch die Bezeichnung "Team03" keinen eindeutigen Schluss auf die Finanzstrafbehörde zulässt, da im Amt für Betrugsbekämpfung ein gleichlautendes Team auch bei der Finanzpolizei eingerichtet ist. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Unzuständigkeit aufzuheben.
Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG ist über Beschwerden nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach § 161 Abs. 4 vorzugehen.
Da der angefochtene Bescheid schon aufgrund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG von der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zur angeblichen Verspätung:
§ 145 Abs. 1 FinStrG: Der Beschuldigte und die Nebenbeteiligten können gegen die Strafverfügung binnen einem Monat nach der Zustellung bei der Finanzstrafbehörde, die die Strafverfügung erlassen hat, Einspruch erheben; sie können zugleich die der Verteidigung und der Wahrung ihrer Rechte dienlichen Beweismittel vorbringen
Wie sich aus dem Strafakt ergibt, wurde der Einspruch vom sowohl mit "Eingangsstempel ABB Postfach 252 P.A. " (siehe 7. Strafakt, Seite 118) als auch mit "Eingangsstempel ABB Postfach 252 P.A. " (siehe 7. Strafakt, Seite 122) aktenmäßig erfasst. Weshalb diese Eingabe doppelt erfasst ist, ist nicht nachvollziehbar.
Unabhängig davon, dass das Schreiben laut Eingangsstempel laut Auszug aus dem Postaufgabebuch am - somit fristgerecht - zur Post gegeben wurde, ist schon der Einspruch für beide Beschuldigten vom , Posteingangstempel des ABB vom (siehe 7. Strafakt, Seite 118), jedenfalls fristgerecht eingebracht.
Wie schon anlässlich der Beschwerdevorlage von der belangten Behörde dargelegt ist der Einspruch gegen die Strafverfügung innerhalb der Monatsfrist des § 145 Abs. 1 FinStrG eingebracht und wäre daher nicht als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Das weitere Verfahren ist daher nach den Bestimmungen der §§ 115 bis 142 beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde durchzuführen.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfolgen ergeben sich allein aus dem Gesetz, sodass keine offene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für die Lösung des Falles relevant war, somit eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 145 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Schlagworte | unrichtige Behördenbezeichnung Unzuständigkeit |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7300030.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at