TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2024, RV/7100499/2024

Geschäftsführerhaftung, Verjährungseinrede, lange Dauer

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/13/0069. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vormals vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Klaus Burka, Wächtergasse 1, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als damaliger Geschäftsführer der G-1 für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 203.900,61 zur Haftung herangezogen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe
Zeitraum
Betrag
Fälligkeit
Lohnsteuer
08/2009
1.312,64
Lohnsteuer
03/2011
3.106,06
Kapitalertragsteuer
01-12/2006
24.301,00
Kapitalertragsteuer
01-12/2007
52.010,00
Kapitalertragsteuer
2008
11.491,90
Kapitalertragsteuer
01-12/2008
30.174,65
Kapitalertragsteuer
01-12/2009
43.257,38
Kapitalertragsteuer
01-12/2010
38.246,99


Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, der Beweis.

Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergebe sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten. Die Abgaben hätten bei der Gesellschaft nicht eingebracht werden können, weil der Konkurs laut Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben und die Firma bereits am D-2 gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht worden sei.

Der Bf. sei im Zeitraum vom D-3 bis D-2 unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre die Pflicht des Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Er hingegen habe sowohl die Meldung als auch die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es werde in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. ).

Die Lohnsteuer 08/2009 in Höhe von € 6.686,94, die am fällig gewesen sei, sei am bekanntgegeben worden und habe im Konkursverfahren, das am D-4 eröffnet worden sei, eine Insolvenzforderung dargestellt.

Die Sanierung im Konkurs sei gescheitert. Der Zwangsausgleich (Beschluss vom D-5) mit einer vereinbarten Quote von 26 Prozent sei nicht eingehalten worden (es seien nur 16 Prozent der Quote entrichtet worden). Der Masseverwalter sei mit Beschluss des HG Wien vom D-6 seines Amtes enthoben worden. Die Lohnsteuer 08/2009 in Höhe von € 6.686,94 sei durch die Umsatzsteuergutschrift 04/2011 vom um € 2.311,49 auf € 4.375,45 vermindert worden. Die Entrichtung der Lohnsteuer 08/2009 in Höhe von € 4.375,45 im Zwangsausleich sei nicht erfolgt. Im nachfolgenden Konkursverfahren, das am D-7 eröffnet worden sei, sei die verbleibende Lohnsteuer 08/2009 in Höhe von € 4.375,45 als Insolvenzforderung angemeldet worden. Das Konkursverfahren sei mit Beschluss des Handelsgerichtes vom D-1 nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben worden. Die Lohnsteuer sei daher mit € 4.375,35 nicht bezahlt geblieben. Die Lohnsteuer 03/2011 in Höhe von € 10.353,53 sei am gemeldet, jedoch nicht vom Bf. entrichtet worden.

Hinsichtlich der Heranziehung bezüglich Kapitalertragsteuer:

Im Jahr 2011 habe eine Betriebsprüfung mit dem Gegenstand Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 2006 - 2009 stattgefunden. Für den Zeitraum 01-11/2010 hat bezüglich Kapitalertragsteuer eine Nachschau stattgefunden.

Dabei sei es zu folgenden Feststellungen gekommen (siehe Tz. 3 Fremdleistungen in der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO und dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß §150 BAO vom , der dem Haftungsbescheid beiliege):

Das geprüfte Unternehmen sei im Zeitraum 2006 bis Mitte 2007 ausschließlich als Subleister für die Firma G-2 (Steuernummer N-2) tätig gewesen. In dieser Zeit seien die Aufträge wie zB die Abbrucharbeiten A-2 zum Großteil wiederum an Fremdfirmen vergeben worden. Ab Mitte 2007 sei das Unternehmen für verschiedene Auftraggeber tätig gewesen, wobei die Aufträge teilweise mit eigenem Personal aber auch weiterhin mit Fremdfirmen erledigt worden seien.

Im Prüfungszeitraum sei mit folgenden Firmen gearbeitet worden:

[...]

Im Nachschauzeitraum:

[...]

Nach Ansicht der Betriebsprüfung bediene sich das Unternehmen diverser Subfirmen um Arbeiter für eigene Aufträge bei den jeweiligen Firmen anzumelden (so hätten die Arbeiter blockweise von einer Subfirma zur nächsten gewechselt). Durch die Vielzahl der wechselnden Subfirmen und deren nachfolgenden Konkurse werde seitens der Betriebsprüfung ein System erkannt, um dem geprüften Unternehmen Lohnabgaben zu ersparen.

Dies habe dazu geführt, dass am Haftungsbescheide für die

Kapitalertragsteuer 01-12/2006 in Höhe von € 81.003,33,
Kapitalertragsteuer 01-12/2007 in Höhe von € 173.366,67,
Kapitalertragsteuer 01-12/2008 in Höhe von € 50.291,08,
Kapitalertragsteuer 01-12/2009 in Höhe von € 71.095,64 sowie
Kapitalertragsteuer 01-12/2010 in Höhe von € 127.489,95

aufgrund des Zuflusses von Kapitalerträgen gemäß § 93 EStG an die Empfänger der Kapitalerträge (Steuerschuldner) (Bf. und P-1 jeweils zur Hälfte) erlassen worden seien, wofür die gemäß § 95 Abs. 3 EStG zum Abzug Verpflichtete G-1 gemäß § 95 Abs. 2 EStG iVm § 202 BAO und § 224 BAO zur Haftung der Kapitalertragsteuer herangezogen worden sei.

Der VwGH gehe in der Regel davon aus, dass bei Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung auf Ebene der Körperschaft in der Regel von deren Zufluss bei den Gesellschaftern auszugehen sei (, 90/14/0018, ÖStZB 1993, 570). Es sei daher von der Betriebsprüfung eine jährliche Zurechnung der Kapitalertragsteuer vorgenommen worden.

Gegen die Bescheide betreffend die Kapitalertragsteuern für die Zeiträume 01-12/2006, 01-12/2007, 01-12/2008 und 01-12/2009 sowie 01-12/2010, die an die Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der genannten Gesellschaft ergangen seien, sei eine Beschwerde beim Unabhängigen Finanzsenat eingebracht worden. Die Beschwerde gegen die Haftung für Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 01-12/2006, 01-12/2007, 01-12/2009 und 01-12/2010 sei am als unbegründet abgewiesen worden. Die Beschwerde gegen die Kapitalertragsteuer 01-12/2008 sei mit Berufungsentscheidung vom abgeändert worden. Bei der Kapitalertragsteuer betreffend das Jahr 2008 habe aufgrund der Einbeziehung der Rechnungen die G-3 eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage um € 124.716,50 stattgefunden. Dies habe zu einer Abgabennachforderung zur vom Finanzamt festgesetzten Kapitalertragsteuer 2008 in Höhe von € 41.572,16 geführt. Zum Zeitpunkt der Verbuchung der Kapitalertragsteuer 2008 in Höhe von € 41.572,16 auf das Abgabenkonto des Finanzamtes habe ein Guthaben von € 3.265,84 bestanden, wodurch die Nachforderung an Kapitalertragsteuer 2008 auf € 38.306,32 vermindert worden sei.

Es wäre die Aufgabe des Bf. als handelsrechtlicher Geschäftsführer gewesen, die Lohnsteuern bzw. die Kapitalerträge ordnungsgemäß abzuführen. Durch sein pflichtwidriges Verhalten seien die im Spruch des Haftungsbescheides angeführten Kapitalertragsteuern bei der GmbH uneinbringlich geworden.

Details seien der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO und dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO vom sowie der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats vom zu entnehmen. Die Haftungsbescheide vom betreffend Kapitalertragsteuer 01-12/2008, 01-12/2009, 01-12/2006, 01-12/2007 sowie 01-12/2010 lägen dem Haftungsbescheid ebenfalls bei.

Am sei ein Vorhalt betreffend Haftungsinanspruchnahme für Abgabenrückstände von insgesamt € 1.284.422,84 an den Bf. ergangen. Am sei eine Stellungnahme bezüglich Haftungsinanspruchnahme eingebracht worden. In der Stellungnahme sei zunächst vom potenziell Haftungspflichtigen selbst festgestellt worden, dass der Abgabenrückstand bei der Gesellschaft uneinbringlich sei, da der Konkurs am D-1 nach Verteilung einer Quote nur an die Massegläubiger aufgehoben worden sei.

Entgegen der Behauptung in der Stellungnahme, dass lediglich € 211.118,04 im Konkursverfahren angemeldet worden seien, seien außer der am angemeldeten Forderung von € 211.118,04 in weiterer Folge am € 20.794,94 und am € 1.211.903,79 nachträglich im Konkursverfahren angemeldet worden.

Dass das Konkursverfahren aufgrund der Tätigkeiten der Masseverwalterin erst im Jahr 2019 beendet worden sei und sie dafür eine entsprechende Belohnung bekomme, vermöge den Haftungspflichtigen nicht zu exkulpieren, zumal die Rückstände, für die der Bf. zur Haftung herangezogen werde, aus nicht abgeführten (Lohnsteuer 03/2011) bzw. nicht rechtzeitig gemeldeten und abgeführten (Lohnsteuer 08/2009) Lohnsteuern bzw. auf verdeckten Gewinnausschüttungen, die aufgrund der zu wenig abgeführten Erträge stammten, herrührten. Der Abgabenanspruch bezüglich der Kapitalerträge aufgrund der verdeckten Gewinnausschüttungen sei bereits vor dem Beschluss der Konkurseröffnung vom D-7 entstanden.

Am sei eine ergänzende Stellungnahme im Verfahren zur Haftungsinanspruchnahme vom Bf. eingebracht worden, in der unter anderem vorgebracht worden sei, dass die Abgaben für die Haftungsinanspruchnahme bereits gemäß § 238 BAO verjährt seien.

Dem sei zum entgegnen, dass die Lohnsteuer 08/2009 in Höhe von € 4.375,45 am und die Lohnsteuer 03/2011 in Höhe von € 10.353,53 am fällig gewesen sei. Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjähre das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden sei. Die Einhebungsverjährung beginne also bei der Lohnsteuer 08/2009 mit und bei der Lohnsteuer 03/2011 mit zu laufen.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO werde die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten sei, beginne die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Eine weitere Unterbrechung sehe § 9 Abs. 1 IO vor. § 9 IO sei eine speziellere Bestimmung gegenüber § 238 BAO. Nach § 9 Abs. 1 IO werde durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegenüber dem Schuldner beginne von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden sei.

Am D-7 sei der Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden. Die Lohnsteuer 08/2009 und die Lohnsteuer 03/2011 seien mit D-16 im Konkurs angemeldet worden. Dadurch sei die fünfjährige Einhebungsverjährung unterbrochen worden. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom D-1 sei der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben worden. Nach Rechtskraft des Beschlusses über die Aufhebung fange die Einhebungsverjährung von neuem zu laufen an. Die Lohnsteuern 08/2009 und 03/2011 seien demnach noch nicht verjährt.

Die Kapitalertragsteuern 2006-2010 seien am fällig gewesen. Gegen die Bescheide über die Haftung für Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 01-12/2006, 01-12/2007, 01-12/2008, 01-12/2009 und 01-12/2010 sei eine Beschwerde eingebracht worden, über die vom unabhängigen Finanzsenat am eine Berufungsentscheidung ergangen sei. Die Berufungsentscheidung sei eine nach außen erkennbare Amtshandlung, durch die die Einhebungsverjährung mit Ablauf des Jahres, in welchen die Unterbrechung eingetreten sei, von neuem zu laufen beginne. Die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist habe daher mit von neuem zum Laufen begonnen.

Am (also innerhalb der fünfjährigen Einhebungsverjährungsfrist) habe eine Zuteilung zum Außendienst stattgefunden, da es einen vollstreckbaren Rückstand in Höhe von € 150.631,10 laut Rückstandsausweis vom gegeben habe. Am D-15 sei ein Außendienstmitarbeiter an der Geschäftsadresse gewesen und habe festgestellt, dass es sich bei der vermuteten Betriebsstätte der GmbH um ein Gassenbüro der Firma G-4 handle und niemand anwesend gewesen sei. Eine Einbringung des Rückstandes sei daher nicht möglich gewesen.

Durch die zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung sei die Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 2 BAO erneut unterbrochen worden. Die Einhebungsverjährungsfrist habe daher mit neu zu laufen begonnen und würde mit enden. Die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben seien daher noch nicht verjährt.

Die Geltendmachung der Haftung liege auch im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz auferlegten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Der Haftungspflichtige sei 1979 geboren, laut Sterbetafel der Statistik Austria hätte er eine Lebenserwartung von 80 Jahren. Bei Annahme eines Pensionsantrittsalters von 65 Jahren würde der Haftungspflichtige 2044 in den Ruhestand treten.

Unterhaltspflichten bestünden gegenüber der aufrechten Ehegattin, der geschiedenen Gattin und der drei Kinder, P-2, P-3 und P-4. Die Volljährigkeit der P-2 sei mit D-8 eingetreten, laut FABIAN besuche sie noch bis Ende Juni 2023 eine Schule. Die Volljährigkeit des P-3 werde mit D-9 eintreten und jene der P-4 mit D-10. Daraus ergebe sich, dass innerhalb der nächsten Zukunft bzw. zumindest mittelfristig Unterhaltspflichten wegfielen und sich der pfändbare Betrag beim Haftungspflichtigen erhöhen werde.

Im Rückstand der GmbH seien zumindest € 679.668,70 an rückständiger Lohn- und Kapitalertragsteuer enthalten, hinsichtlich der ein Gleichbehandlungsnachweis nicht erbracht werden müsse.

Lege man das gegenwärtige Gehalt des Bf. zugrunde und berücksichtige man das Wegfallen seiner Unterhaltspflichten für die Kinder, so wären bis zum Pensionsantritt folgende Beträge pfändbar:

2023: 178,00*9 = € 1.602,00
2024-2027: 340,60*14 = 4.768,40*4 = € 19.073,60
2028-2035: 539,60*14 = 7.554,40*8 = € 60.435,20
2036-2044: 783,00*14 = 10.963,96*9 = € 98.658,00

Summe: € 179.768,80

Angesichts der langen Dauer der Entstehung des Abgabenanspruchs und fast vier Jahre seit Feststehen der Uneinbringlichkeit bei der GmbH werde die Haftungssumme im Rahmen des Ermessens (Billigkeit) um 70% reduziert auf eine Haftungssumme von € 203.900,61.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform sei, wenn die Abgabenschuld beim Primärschuldner uneinbringlich sei. Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdränge, habe sich das Finanzamt veranlasst gesehen, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen. Da der Abgabenausfall auch auf das Verschulden der Haftungspflichtigen zurückzuführen sei, sei den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den Interessen der Partei der Vorrang einzuräumen.

---//---

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde brachte der Bf. vor:

Der Bescheid des Finanzamtes Österreich vom werde zur Gänze angefochten und unrichtige Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung geltend gemacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid werde der Bf. als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm § 80 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma G-1 im Ausmaß von € 203.900,61 in Anspruch genommen. Die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten hätten sich aus Lohnsteuer 08/2009 sowie 03/2011 und Kapitalertragsteuer 01-12/2006, 01-12/2007, 2008, 01-12/2008, 01-12/2009 sowie 01-12/2010 zusammengesetzt.

Zunächst sei festzuhalten, dass sich die Firma in Konkurs befunden habe.

Bereits im Juli 2020 sei der Haftungsschuldner bezüglich der Abgabenrückstände in der Höhe von € 1.284.422,84 aufgefordert worden, Stellung zu nehmen. Dieser Aufforderung sei der Haftungsschuldner fristgerecht nachgekommen und habe nachstehende Stellungnahme an das Finanzamt eingebracht:

"Mit folgendem Haftungsschreiben wird dem Schuldner bekannt gegeben, dass am Abgabenkonto der G-1, FN N-3, Abgabenrückstände von insgesamt € 1.284.422,84 bestehen würden.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-7 (…) wurde über das Vermögen der Firma G-1, FN N-3, das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkurs wurde am D-1 nach Verteilung einer Quote nur an die Massegläubiger aufgehoben. Der Abgabenrückstand ist bei der Gesellschaft uneinbringlich.

Der Rückstand bestehe infolge Nichtentrichtung der im Zeitraum 2006 bis D-7 fälligen Abgaben. Der Haftungsschuldner war im Zeitraum von 2006 bis D-7 zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt.

Zunächst verwundert der nunmehr geltend gemachte Betrag, zumal das Finanzamt nach den dem Haftungsschuldner zur Verfügung stehenden Unterlagen im Konkursverfahren eine Forderung von "lediglich" € 211.118,04 angemeldet hatte.

Ferner bestand bei Konkurseröffnung ein Kontoguthaben von € 36.929,81 und konnten im Laufe des Konkursverfahrens Einnahmen von € 659.346,87 (!) erzielt werden.

Mit Ausnahme diverser Kleinrechnungen sowie eines Vergleiches, welcher seitens der Masseverwalterin mit der G-5 über € 40.000,00 geschlossen und erst am bezahlt wurde, hätte mit Ausnahme einiger erst später fällig werdender Haftrücklässe das Konkursverfahren bereits Ende 2011 geschlossen werden können. Die Unternehmensfortführung währte lediglich vom D-11 bis D-12.

Die Masseverwalterin führte jedoch ein Verfahren mit der Wiener Gebietskrankenkasse hinsichtlich eines Bescheides der Wiener Gebietskrankenkasse vom , das erst im Jahr 2019 (negativ) abgeschlossen wurde. Sie erhielt an Kosten insgesamt € 57.672,98, ferner wurden Verfahrenskosten der (erfolglosen) Anfechtung des Bescheides der WGKK von € 14.673,42 (ebenso für die Masseverwalterin) und Verfahrenskosten der WGKK von € 5.125,76 zugesprochen und überwiesen.

Aus diesem Grund kam es zu keiner Ausschüttung an die Konkurs-, sondern lediglich an die Massegläubiger. Dies kann jedoch keine Haftung des ehemaligen Geschäftsführers begründen.

Ferner zeigt sich allein schon aus dem seinerzeitigen Anmeldeverzeichnis, dass die Gesellschaft ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet hat, um eben keinen Gläubiger zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Dies ergibt sich auch aus den zahlreichen angemeldeten Dienstnehmerforderungen.

Festzuhalten ist zum gegenständlichen Haftungsverfahren jedoch, dass die Geschäftsführertätigkeit des nunmehrigen Haftungsschuldners bereits neun (!) Jahre zurückliegt, der Haftungsschuldner sämtliche Unterlagen die Gesellschaft betreffend pflichtgemäß der Masseverwalterin übergeben und von dieser nicht zurückerhalten hat. Der Haftungsschuldner wird sich nunmehr um die Einsicht in sämtliche Konto- und Buchhaltungsunterlagen bemühen, Bankunterlagen und Kontoauszüge sind jedoch, sollten sich diese nicht in den Konkursakten befinden, technisch nicht mehr aushebbar.

Der Haftungsschuldner ersucht jedoch primär über die Divergenz der seinerzeit angemeldeten Forderung von € 211.118,04 und dem nunmehr geforderten Betrag von € 1.284.422,84 aufzuklären sowie ferner um Fristverlängerung zur Vorlage weitergehender Unterlagen um zumindest zwei Monate, da die Unterlagen zunächst von der Masseverwalterin abgefordert und sodann aufbereitet werden müssen."

Weiters sei der Haftungsschuldner sodann aufgefordert worden, eine ergänzende Stellungnahme im Haftungsverfahren abzugeben, welche wie folgt gelautet habe:

"1. Aufgrund des Haftungsschreibens glaublich vom hat der Haftungsschuldner am die vormalige Masseverwalterin im Konkursverfahren über die G-1, Frau P-5 mit Schreiben vom um Bekanntgabe ersucht, wo sich die Buchhaltungsunterlagen der Gesellschaft befinden.

Nach einer Urgenz wurde dem ausgewiesenen Vertreter des Haftungsschuldners schließlich bekanntgegeben, dass die vorhandenen Unterlagen der G-1 im Jahr 2013 an die G-6, A-3, übergeben wurden.

Laut telefonischer Mitteilung der G-6 wurden sämtliche Unterlagen, sohin auch sämtliche Buchhaltungsunterlagen, zumal sie aus den Jahren bis 2011 stammen, im Jahr 2018 vernichtet.

Beweis:

  • Schreiben vom
    E-Mail vom
    E-Mail vom 30,01.2013 samt Aktenaufstellung
    Aktenvermerk vom

Da Herrn Bf. als Haftungsschuldner erst am ein Haftungsschreiben des Finanzamtes zugegangen ist, dies obwohl die zur Haftung herangezogenen Abgabenverbindlichkeiten bereits aus den Jahren 2006 bis 2010 stammen, ist es dem Haftungsschuldner nicht möglich, auch nur irgendwelche Buchhaltungsunterlagen vorzulegen.

Einzig kann der Haftungsschuldner das seinerzeitige Anmeldungsverzeichnis im Konkursverfahren vorlegen, aus welchem sich ergibt, dass wohl sämtliche Lieferanten und Dienstgeber sowie andere Gläubiger Forderungen angemeldet haben, woraus sich schließen lässt, dass die G-1 sämtliche Gläubiger gleichbehandelt, nämlich nicht bezahlt hat. Ein Haftungsgrund liegt daher nicht vor.

2. Über das Vermögen der G-1 wurde bereits am D-7 das Konkursverfahren eröffnet und hat das Finanzamt in diesem Verfahren eine Forderung in Höhe von € 211.118,04 angemeldet.

Wie sich ferner aus dem E-Mail des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15/S/G vom ergibt, wurde am eine weitere Forderung von € 1.211.903,79 beim Handelsgericht Wien angemeldet.

Aus den dem Haftungsschuldner zur Verfügung stehenden Unterlagen, nämlich dem Anmeldungsverzeichnis, wurde jedoch diese Forderung bestritten. Ein späteres Anerkenntnis ergibt sich aus den dem Haftungsschuldner zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht.

Es liegt sohin ein Fall der Festsetzungsverjährung vor. Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß § 224 Abs. 1 BAO ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe jedoch nicht mehr zulässig.

3. Ferner liegt jedoch ein Fall der Einhebungsverjährung vor.

Diesbezüglich regelt § 238 BAO die - für die Erfassung eines Haftungsbescheides relevante - Verjährung fälliger Abgaben.

Nach Abs. 1 dieser Bestimmung verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe ().

Für Abgaben wie gegenständlich etwa des Jahres 2006 wäre dies rechnerisch mit Ablauf des Jahres 2011 eingetreten, sofern keine Unterbrechungshandlung gesetzt worden wäre.

"Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO zählt, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet ist und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (vgl. z.B. Ritz, BAO5, § 238 Tz 12, mit Hinweisen auf die hg. ständige Judikatur; ; ).

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates () hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Zulässigkeit der Erlassung eines Haftungsbescheides verjährungsrechtlich im Lichte der Bestimmung des § 238 Abs. 1 BAO ausschließlich daran zu messen sei, ob diese Einhebungsmaßnahme innerhalb der in § 238 Abs. 1 BAO geregelten, allenfalls durch - gegen wen immer ,gerichtete' - Amtshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO unterbrochenen Einhebungsfrist gesetzt worden ist.

Gleichzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es umso wichtigere Obliegenheit der behördlichen Ermessensübung bleibe, den jeweiligen Umständen des Einzelfalles in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen und aus dieser Beurteilung der Rechtslage, zumal auch hinsichtlich des Elementes der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zelt, resultierende Unbilligkeiten hintanzuhalten (in diesem Sinne auch ).

In diesem Erkenntnis des verstärkten Senates hat der Verwaltungsgerichtshof sodann für den damals zu beurteilenden Bereich der Einhebungsverjährung die anspruchsbezogene Wirkung von Unterbrechungshandlungen als dem Gesetz entsprechend angesehen.

Wenn schon, wie dies im Erkenntnis des verstärkten Senates ausgesprochen wird, jede Amtshandlung nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbricht, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, gilt dies im Hinblick auf § 224 Abs. 3 und § 238 Abs. 1 BAO entsprechend auch für Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches iSd § 209 Abs. 1 BAO ()."

(Erkenntnis des )

Zwar wird die Verjährung der im Konkurs angemeldeten Forderungen nach der Bestimmung des § 9 Abs. 1 IO durch deren Anmeldung unterbrochen und beginnt die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig geworden ist, von neuem zu laufen (vgl. ; ).

Dennoch hat der Masseverwalter bereits am D-13, sohin vor mehr als 9 Jahren, angezeigt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit).

Eine allfällige Festsetzungsverjährung gegen die Gesellschaft mag daher bis zur Rechtskraft der Aufhebung des Konkurses gehemmt worden sein, ein Haftungsbescheid hätte jedoch bereits beginnend mit D-14 erlassen werden können.

Dennoch wurden seitens des Finanzamtes keine Schritte gegen den Haftungsschuldner gesetzt, welche eine Unterbrechungshandlung Im Sinne des § 238 BAO darstellen könnte.

4. Schließlich ist zur Aufbewahrungsfrist auszuführen, dass gemäß § 132 Abs. 1 BAO Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörigen Belege sieben Jahre aufzubewahren sind.

"Die Aufbewahrungsfrist beginnt für Bücher und Aufzeichnungen mit Schluss des Kalenderjahres, für das die Eintragungen vorgenommen worden sind bzw. für Belege, Geschäftspapiere und sonstige Unterlagen vom Schluss des Kalenderjahres, auf das sie sich beziehen.

Die Aufbewahrungsfrist verlängert sich für Bücher, Aufzeichnungen und hiezu gehörige Belege, solange die Unterlagen für (am Ende der Siebenjahresfrist anhängige) Verfahren, die die Abgabenerhebung betreffen, von Bedeutung sind, wenn in solchen Verfahren diejenigen Parteistellung haben, für die auf Grund von Abgabenvorschriften (z.B. § 125 BAO, § 76 EStG 1988, § 18 Abs. 1 UStG 1994) die Bücher bzw. Aufzeichnungen zu führen wären oder ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt wurden.

Die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist stellt zwar nicht auf die subjektive Kenntnis von der Anhängigkeit des Verfahrens ab. Jedoch wird die Partei meist hievon Kenntnis haben (Ritz, BAO, 5. Aufl. 2014, § 132 Rz 7).

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, zu erbringen.

Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung.

Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , ZI. 2008/15/0220 und ZI. 2008/15/0265, ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn Im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen.

Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind (vgl. )."

(Erkenntnis des )

Dem Haftungsschuldner ist es nach mehr als 10 Jahren und wegen nicht mehr vorliegender Unterlagen fast unmöglich, konkrete Angaben zur Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger zu machen, nachdem hier Forderungen für Zeiträume erhoben werden, die bis zu 14 Jahre zurückliegen.

"Nach Ablauf der siebenjährigen (oder einer im Falle von offenen Verfahren längeren) Aufbewahrungspflicht kann im Falle einer späten Haftungsinanspruchnahme kein Nachweis für die Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten gefordert werden."

(, BFG vom 2t.07.2014, RV/7100724/2013)

Hinzu tritt ferner, dass der Haftungsschuldner auch während des Konkursverfahrens gar nicht im Besitz der Buchhaltungsunterlagen war, sondern diese von der seinerzeitigen Masseverwalterin verwahrt wurden.

Diese Masseverwalterin (P-5) hat die Unterlagen im Jahr 2013 an die G-6, A-3, zur Verwahrung übergeben und wurden diese Unterlagen bereits Im Jahr 2018 vernichtet, und zwar nicht durch den Haftungsschuldner oder in seinem Auftrag, sondern durch die G-6 und im Auftrag von P-5.

Die Aufbewahrungsfrist der Unterlagen für die haftungsgegenständlichen Abgaben der Jahre 2006 bis 2010 endete gemäß § 132 Abs. 1 BAO spätestens am .

Da nach dieser Bestimmung eine Verlängerung dieser Aufbewahrungsfrist nur im Falle eines anhängigen Verfahrens vorgesehen ist, das Finanzamt innerhalb der siebenjährigen Aufbewahrungsfrist noch kein Haftungsverfahren gegen den Haftungsschuldner anhängig gemacht hat, dies obwohl die Masseverwalterin bereits am D-13, sohin vor mehr als 9 Jahren, angezeigt hat, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit), war der Haftungsschuldner auch nicht zur entsprechenden Beweisvorsorge verhalten, zumal die bescheidmäßige Haftungsinanspruchnahme erst nunmehr im Jahr 2020 und somit erst lange nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist erfolgte.

Dem Haftungsschuldner kann das Nichtvorhandensein der Unterlagen und somit die fehlende Möglichkeit zur Erstellung einer Liquiditätsrechnung zur Darlegung der Gleichbehandlung der liquiden Mittel nicht vorgeworfen werden. Unter Verweis auf das Erkenntnis des , kann im Hinblick auf die zu Recht unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten eine Haftungsinanspruchnahme für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht kommen.

5. Weiters kann auch allein deshalb schon keine Benachteiligung des Finanzamtes als Gläubiger gegeben sein, da ein Teilbetrag von rund € 90.000,00 an Zahlungen der G-1 an das Finanzamt in den letzten 3 Monaten vor Konkurseröffnung durch die seinerzeitige Masseverwalterin angefochten wurde. Eben in diesem Ausmaß hatte die G-1 das Finanzamt sogar begünstigt, eine Gläubigerbenachteiligung kann sich aus der Anfechtung daher keinesfalls ergeben.

6. Schließlich ist auch der sich aus dem Rückstandsausweis vom ergebende Haftungsbetrag nicht nachvollziehbar. Sind die Umsatzsteuer 2009 von € 57.242,45, die Lohnsteuer 03-08/2006 sowie 08/2009 in Höhe von insgesamt € 39.356,45 sowie die Körperschaftssteuer von € 522.884,22 noch aus dem Geschäftsbetrieb erklärlich (wenngleich die Höhe der vorgeschriebenen KöSt angesichts der Konkurseröffnung eigentümlich anmutet), so ist die vorgeschriebene Kapitalertragssteuer von insgesamt € 664.939,72 in keinster Weise erklärlich, da dies Gewinnentnahmen des Gesellschafters von € 2.659.758,88 bedeuten würde.

Auch wenn mangels auch nur irgendwelcher Unterlagen die exakten Steuerbeträge vom Haftungsschuldner nicht mehr konkret nachberechnet werden können, so kann dieser jedoch jedenfalls ausschließen, während der Zeit seiner Geschäftstätigkeit auch nur annähernd einen derartigen Betrag entnommen zu haben.

7. Es wird sohin beantragt, keinen Haftungsbescheid zu erlassen."

Das Vorbringen in der Stellungnahme und der ergänzenden Stellungnahme werde auch hier zum Vorbringen erhoben.

Im erstinstanzlichen Verfahren sei die bescheiderlassende Behörde es schuldig geblieben, auf die vorgebrachten Bedenken des Haftungsschuldners einzugehen. Lapidar werde vorgebracht, dass es zu Haftungsbescheiden gekommen sei, da ein System erkannt worden sei, um sich Lohnabgaben und Kapitalertragsteuer zu ersparen. Die Höhe der nunmehrigen Haftungsbeträge sei nicht nachvollziehbar, widerspricht den seinerzeitigen Haftungsbescheiden und den angemeldeten Forderungen im Konkursverfahren.

Die Beträge seien sehr wohl verjährt, da die Einhebungsverjährung zwar durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren unterbrochen, die Verjährung gegenüber dem Haftungsschuldner jedoch nicht gehemmt werde. Es werde die Anmeldung gemäß § 9 Abs. 1 IO gegenüber der GmbH unterbrochen, nicht jedoch gegenüber dem Haftungspflichtigen.

Die eingehobenen Beträge seien daher verjährt. Es werde diesbezüglich auf das Vorbringen in der Rechtfertigung und der ergänzenden Stellungnahme verwiesen.

Lapidar behaupte die erstinstanzliche Behörde, dass am D-15 an einer vermuteten Betriebsstätte ein Vollzug stattgefunden habe und festgestellt worden sei, dass niemand anwesend gewesen sei, sodass die Einbringung des Rückstandes unmöglich gewesen sei.

Dieses Vorgehen sei rechtswidrig.

Die alleinige Tatsache, dass an der Geschäftsanschrift niemand anwesend gewesen sei, sei kein Grund, die Forderung als uneinbringlich zu deklarieren. Der seinerzeitige Außendienstmitarbeiter des Finanzamtes hätte sich schon etwas mehr Mühe machen müssen, um die tatsächliche Uneinbringlichkeit des Rückstandes behaupten zu können.

Die Firma sei laut beiliegenden Firmenbuchauszug zu diesem Zeitpunkt aktiv gewesen. Der Konkurseröffnungsantrag sei am D-1 erfolgt und die Firma amtswegig am D-2 gelöscht worden.

Ob die Forderung im Zeitpunkt der Einhebung uneinbringlich gewesen sei oder nicht, sei vom Finanzamt im Jahre 2018 nicht richtig festgestellt worden. Eine Haftung scheide daher schon aus diesem Grunde aus.

Dem Haftungspflichtigen sei weiters kein Vorwurf daraus zu machen, dass die Aufzeichnungen und Belege nicht mehr vorhanden gewesen seien. Dem Haftungsschuldner sei es nach mehr als zehn Jahren und wegen nicht mehr vorliegender Unterlagen fast unmöglich, im Verfahren konkrete Angaben zur Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger zu machen, nachdem hier Forderungen erhoben würden, welche bis zu 14 Jahre zurücklägen. Vergleiche dazu die Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme an das Finanzamt vom .

Weiters seien auch die nunmehr festgestellten Beträge und die Berechnung eines 30%igen Abschlages nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu diesen festgesetzten Beträgen komme. Diese Beträge stünden im Widerspruch zur angemeldeten Forderung. Auf diesen Umstand sei bereits im Konkursverfahren und in der Stellungnahme an das Finanzamt hingewiesen worden und sei die erstinstanzliche Behörde mit keinem Wort darauf eingegangen.

Die erstinstanzliche Behörde begründe es damit, dass die Reduktion der Haftungssumme auf € 203.900,61 (70%), aufgrund der langen Dauer und der Entstehung des Abgabenanspruches erfolge. Die erstinstanzliche Behörde übersehe dabei jedoch, dass die Feststellung der Uneinbringlichkeit mehr als vage geblieben und zu Unrecht erfolgt sei. Bei richtiger Betreibung im Jahre 2018 wäre die Forderung zu einem Großteil einbringlich gewesen beziehungsweise hätte die Einbringlichmachung zumindest vehementer versucht werden müssen. Nunmehr lapidar festzustellen, dass die Einbringung des Rückstandes nicht möglich gewesen sei, weil an einem Tag niemand bei einer Firma anwesend gewesen sei, sei mehr als bedenklich.

Bescheinigungsmittel:

Stellungnahme (Rechtfertigung) vom
Ergänzende Stellungnahme vom
Haftungsbescheide (Konvolut)
Firmenbuchauszug G-1, historisch

Aus den oben angeführten Gründen werde der gegenständliche Haftungsbescheid, da dieser aufgrund einer falschen rechtlichen Beurteilung erfolgt sei, zur Gänze angefochten und zur Gänze infolge Rechtswidrigkeit aufzuheben sein.

---//---

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und brachte nach Anführung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen vor:

Die Haftung nach § 9 sei eine Ausfallshaftung (zB ; ; ; ). Voraussetzung sei die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (zB ; ; ). Uneinbringlichkeit liege vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos gewesen sei oder voraussichtlich erfolglos wären (vgl. zB ; ; ).

Aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergebe sich noch nicht zwingend die gänzliche Uneinbringlichkeit (; ; ). Allerdings sei eine Uneinbringlichkeit bereits dann anzunehmen, wenn im Laufe des Insolvenzverfahrens feststehe, dass die Abgabenforderung mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden könne (zB ; ; ); diesfalls sei daher kein Abwarten der vollständigen Abwicklung des Konkurses (bzw. nunmehr des Insolvenzverfahrens) erforderlich (zB ; ; ); die Einbringung einer möglichen Konkursquote vom Primärschuldner sei zu berücksichtigen ().

Da die Uneinbringlichkeit ab dem Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am D-13 festgestanden sei, sei eine Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen. Zudem sei am D-1 der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben und die GmbH am D-2 gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht worden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049 klargestellt habe, hafte der Vertreter nämlich nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Hätten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden ausgereicht und hafte der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt habe, dann erstrecke sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten habe. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege allerdings dem Vertreter. Weise er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann hafte er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Trete der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann könne ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden.

Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer gehe über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinaus. Aus den Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG und § 95 Abs. 3 EStG ergebe sich vielmehr die Verpflichtung, dass die jeweilige (Abzugs-)Steuer zur Gänze zu entrichten sei (vgl. Ritz, BAO3, § 9, Rz 11, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049, klargestellt habe, hafte der Vertreter nämlich nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Hätten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und hafte der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt habe, dann erstrecke sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten habe. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege allerdings dem Vertreter. Weise er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann hafte er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Trete der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann könne ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden.

Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gälten für Abfuhrabgaben, insbesondere für die Lohnsteuer (zB ; ; ; ). Nach § 78 Abs. 3 EStG habe nämlich der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Eine solche Ausnahme bestehe auch für die Kapitalertragsteuer (; ) sowie für Beträge nach § 99 EStG (VereinsR 2001, Rz 813; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 9 Rz 17). Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer gehe über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinaus. Aus den Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG und § 95 Abs. 3 EStG ergebe sich vielmehr die Verpflichtung, dass die jeweilige (Abzugs-)Steuer zur Gänze zu entrichten sei (vgl. Ritz, BAO3, § 9, Rz 11, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Dass der Beschwerdeführer dieser seiner Verpflichtung hinsichtlich Kapitalertragsteuer und Lohnsteuer entsprochen hätte, werde auch in der Beschwerde nicht dargetan.

Wie im Haftungsbescheid ersichtlich, sei der Haftungspflichtige nur für Abgaben in Anspruch genommen worden, die vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen seien, daher gehe die Argumentation bezüglich der Schwierigkeiten der Erbringung dessen aufgrund der langen Verfahrensdauer und der vernichteten Unterlagen ins Leere.

Die Inanspruchnahme zur Haftung liege im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sei dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium sei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin stehe als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung sei zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer sei alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich gewesen.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits sei ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden dürfe (). Ein solcher Umstand könne jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen seien. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung finde, hänge vom Einzelfall ab ().

Da die Haftungsinanspruchnahme in Ermessen des Finanzamtes liege, sei es zulässig, den Haftungspflichtigen nur für die oben genannten Abgaben in Anspruch zu nehmen.

Die Masseunzulänglichkeit sei am D-13 mit Beschluss festgestellt und angezeigt worden. Damit sei dem Finanzamt das Ausmaß der Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen. Der Haftungsbescheid sei jedoch erst am ergangen, somit fast 11 Jahre und 10 Monate, nachdem das Ausmaß der Uneinbringlichkeit festgestanden sei. Ein langer Zeitabstand zwischen der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin und der Inanspruchnahme zur Haftung liege somit vor. Im Rahmen des Ermessens sei der Haftungsbetrag somit um 70% zu reduzieren gewesen.

Die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid stelle eine Einhebungsmaßnahme dar; sie sei nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten sei (vgl. , mwN). Damit komme es also darauf an, ob gegenüber dem Hauptschuldner Einhebungsverjährung eingetreten sei. Daraus ergebe sich aber, dass eine gegenüber dem Hauptschuldner ausgesprochene Aussetzung der Einhebung auch die Verjährungsfrist betreffend die Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen hemme. Im Übrigen sei es seit Entscheidung eines verstärkten Senates () ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass (im Hinblick auf die Einhebungsverjährung) Unterbrechungshandlungen anspruchsbezogen wirkten; sie unterbrächen die Verjährung gegenüber jedem, der als Zahlungspflichtiger - etwa auch als Haftungspflichtiger - in Betracht komme (vgl. zuletzt ).

Entgegen der Rechtsansicht des Abgabepflichtigen sei das Finanzamt in Berücksichtigung der ständigen VwGH-Judikatur der Ansicht, dass es wie oben ausgeführt bei der Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen entscheidend sei, ob Einhebungsverjährung beim Hauptschuldner der Gesellschaft vorliege oder nicht. Die Hemmung der Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner, wie im gegenständlichen Fall durch § 9 Abs. 1 Insolvenzordnung, wirke daher sehr wohl gegenüber den Haftungspflichtigen. Alles andere wäre auch unlogisch, da die Haftung das Einstehen für eine fremde Schuld sei. Der Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit sei entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beim Ermessen im Haftungsbescheid in Bezug auf die lange Verfahrensdauer zu berücksichtigen, wie dies das Finanzamt wie oben ausgeführt getan habe. Dieser Zeitpunkt löse aber keine gesonderte Einhebungsverjährung beim Haftungspflichtigen aus, da keine gesonderte Einhebungsverjährung des Haftungspflichtigen vorgesehen sei.

Lohnsteuer 08/2009 - Fälligkeit - Einhebungsverjährungsbeginn
Lohnsteuer 03/2011 - Fälligkeit - Einhebungsverjährungsbeginn
Konkurseröffnung GmbH D-7 - Anmeldung Lohnsteuer 08/2009 und Lohnsteuer 03/2011 am D-16 - Einhebungsverjährung gemäß § 9 Abs. 1 IO unterbrochen
Aufhebung des Konkurses am D-1 - Einhebungsverjährung beginne nach Rechtskraft des Beschlusses neu zu laufen.

Daher liege keine Einhebungsverjährung bezüglich der Lohnsteuer 08/2009 und Lohnsteuer 03/2011 vor.

Kapitalertragsteuer 2006-2010 - fällig am
Beschwerde gegen die Haftungsbescheide Kapitalertragsteuer 2006-2010
Berufungsentscheidung sei nach außen erkennbare Handlung. Die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist habe daher mit von neuem zu laufen begonnen.

Am D-15 sei ein Außendienstmitarbeiter an der Geschäftsadresse A-4, gewesen und habe festgestellt, dass es sich bei der vermuteten Betriebsstätte der G-1 um ein Gassenbüro der Firma G-4 handle, und niemand anwesend gewesen sei. Eine Einbringung des Rückstandes sei bei dem Außendiensttermin daher nicht möglich gewesen, der eine nach außen hin erkennbare Handlung auf Durchsetzung des Abgabenanspruches gerichtet dargestellt habe. Die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist beginne daher mit von neuem zu laufen.

Daher liege keine Einhebungsverjährung bezüglich der Haftungsbescheide Kapitalertragssteuer 2006-2010 vor.

Zu den Einwendungen des Haftungspflichtigen, es sei nicht auf die Stellungnahmen im Haftungsverfahren eingegangen worden sowie dass die Höhe der Haftungsbeträge nicht nachvollziehbar seien und den angemeldeten Forderungen im Konkursverfahren widersprächen, sei zu entgegnen. Die Höhe der Haftungsbeträge sei detailliert begründet und es seien alle erforderlichen Unterlagen beigelegt worden, die den Abgabenanspruch begründeten. Es sei dargestellt worden, für welche Abgaben der Haftungspflichtige in Anspruch genommen und dass diese Beträge auch angemeldet worden seien.

Aus den obengenannten Gründe sei der Haftungsbescheid vom , zugestellt am , zu Recht erlassen worden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

---//---

Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom ohne weiteres Vorbringen die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Einhebungsverjährung

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt gemäß § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist (…) bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. (…)

Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (…).

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Zum Verjährungseinwand des Bf. ist zunächst festzustellen, dass die Fälligkeiten der Kapitalertragsteuern 01-12/2006 bis 01-12/2010 nicht wie im Haftungsbescheid ausgewiesen am eintraten, sondern gemäß § 96 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG binnen einer Woche nach dem Zufließen, somit (frühestens) zu folgenden Zeitpunkten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kapitalertragsteuer
01-12/2006
Kapitalertragsteuer
01-12/2007
Kapitalertragsteuer
2008
Kapitalertragsteuer
01-12/2008
Kapitalertragsteuer
01-12/2009
Kapitalertragsteuer
01-12/2010


Die Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Lohnsteuern wurden hingegen iSd § 79 Abs. 1 EStG korrekt angegeben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lohnsteuer
08/2009
Lohnsteuer
03/2011


Die Erlassung von Haftungsbescheiden stellt eine Einhebungsmaßnahme dar, welche (nur) innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO zulässig ist ().

Da die Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 1 BAO keinesfalls früher eintritt als das Recht zur Festsetzung der Abgabe gemäß § 207 Abs. 2 BAO, hätte sie im gegenständlichen Fall frühestens am -2016 eintreten können.

Allerdings wurde die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist durch Unterbrechungshandlungen iSd § 238 Abs. 2 BAO jeweils neu in Gang gesetzt, wobei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch der Erlassung einer Berufungsentscheidung eine die Einhebungsverjährung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO unterbrechende Wirkung zukommt ().

Kapitalertragsteuern:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Unterbrechungshandlung
Datum
Vorläufig verlängerte
Verjährungsfrist
Festsetzungsbescheide
Berufungsentscheidung UFS


Für alle haftungsgegenständlichen Abgaben gilt:

Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird gemäß § 9 Abs. 1 IO die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

Darüber hinaus war auch auf Grund des vom D-7 bis D-1 anhängigen Insolvenzverfahrens, bei dem die haftungsgegenständlichen Forderungen entgegen der Rechtsansicht des Bf. angemeldet waren (die Lohnsteuern 08/2009 und 03/2011 am und die Kapitalertragsteuern 2006-2010 am ), die Verjährung gemäß § 9 Abs. 1 IO unterbrochen und endete vorläufig am .

Aus dem Einwand des Bf., dass die von der Abgabenbehörde angemeldeten Forderungen im Konkurs bestritten worden seien, weshalb Festsetzungsverjährung eingetreten sei, lässt sich nichts gewinnen, da die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern nicht bestritten wurden und der Unabhängige Finanzsenat über das Rechtsmittel der Masseverwalterin gegen die Festsetzung der Kapitalertragsteuern bereits während des anhängigen Insolvenzverfahrens abweisend entschieden hat (), weshalb es sich bei den hinsichtlich der Haftung des Geschäftsführers der GmbH relevanten Beträgen um bereits vollstreckbare Abgabenforderungen gehandelt hat. Deren Bestreitung durch die Masseverwalterin hat daher an der Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist nichts geändert, sodass diese nach Rechtskraft des Beschlusses über die Aufhebung des Konkurses neu zu laufen begonnen hat ().

Von einer erstmaligen Geltendmachung des Abgabenanspruches mit dem angefochtenen Haftungsbescheid kann daher keine Rede sein.

Darüber hinaus unterbricht ein Insolvenzverfahren nicht wie vom Bf. eingewendet die Festsetzungsverjährung, sondern bereits die Einhebungsverjährung, da § 9 Abs. 1 IO gegenüber § 238 BAO die speziellere Bestimmung ist ().

Auch geht das Vorbringen des Bf., dass die Masseverwalterin bereits im Jahr 2011 die Masseunzulänglichkeit angezeigt habe, weshalb der Haftungsbescheid schon zu diesem Zeitpunkt hätte erlassen werden können, ins Leere, da dieser Umstand einerseits an der infolge des bis 2019 anhängigen Insolvenzverfahrens eingetretenen Unterbrechung der Einhebungsverjährung gemäß § 9 Abs. 1 IO nichts zu ändern vermochte und andererseits die Abgabenbehörde im Rahmen des Ermessens die lange Zeitdauer ohnehin durch einen Abschlag von 70% berücksichtigt hat.

Auch nach der Konkursaufhebung wurden weitere Unterbrechungshandlungen gesetzt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Unterbrechungshandlung
Datum
Vorläufig verlängerte
Verjährungsfrist
Haftungsvorhalt
Haftungsbescheid
Beschwerdevorentscheidung


Daraus erhellt, dass eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO und § 9 Abs. 1 IO nicht eingetreten ist.

Dem Einwand des Bf., dass allfällige Maßnahmen nicht seine Person betreffen würden, wird auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach der VwGH den Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen für den Bereich der Einhebungsverjährung nicht mehr aufrecht hält und sich nunmehr zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen derart bekennt, dass Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hatten. Der Text dieser Vorschrift nimmt nicht Bezug auf eine Person, sondern handelt allein vom Anspruch. "Jede" zur Durchsetzung "des Anspruches" unternommene, nach außen "erkennbare" Amtshandlung wird als verjährungsunterbrechend normiert, ohne dass diesem Gesetzestext ein Anhaltspunkt für die Anordnung entnommen werden kann, eine bestimmte, von einer solchen Amtshandlung "betroffene" Person in das die Verjährungsunterbrechung bewirkende Geschehen einzubinden (, 0038).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 0038, sieht Unterbrechungshandlungen im Sinn des § 238 Abs. 2 BAO anspruchsbezogen und somit entfalten solche Unterbrechungshandlungen nicht nur gegenüber etwa dem Primärschuldner, sondern auch gegenüber einem allfälligen Haftungspflichtigen Wirkungen ().

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO

- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben (Kausalität)

Abgabenforderungen

Festgestellt wird, dass die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern am (08/2009) bzw. am (03/2011) gemeldet, jedoch nicht entrichtet wurden. Diese haften ebenso wie zum Zeitpunkt des Haftungsbescheides mit folgenden Beträgen aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
08/2009
4.375,45
Lohnsteuer
03/2011
10.353,53


Die Kapitalertragsteuern wurden hingegen aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung mit Bescheiden vom bescheidmäßig festgesetzt und haften noch in der festgesetzten Höhe aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe
Zeitraum
Betrag
Kapitalertragsteuer
01-12/2006
81.003,33
Kapitalertragsteuer
01-12/2007
173.366,67
Kapitalertragsteuer
2008
38.306,32
Kapitalertragsteuer
01-12/2008
100.582,17
Kapitalertragsteuer
01-12/2009
144.191,28
Kapitalertragsteuer
01-12/2010
127.489,95


Die mit dem angefochtenen Haftungsbescheid geltend gemachten Abgaben wurden im Rahmen des Ermessens um 70% auf 30% der aushaftenden Beträge vermindert.

Dem Einwand, dass bei Konkurseröffnung ein Guthaben von € 36.929,81 auf dem Abgabenkonto bestanden habe, ist die Aktenlage entgegenzuhalten, da zum D-7 kein Guthaben, sondern ein aushaftender Saldo von € 113.659,12 bestand. Dieser Rückstand erhöhte sich unter anderem noch um die erst danach am festgesetzten, aber, wie bereits ausgeführt, schon davor fälligen Kapitalertragsteuern.

Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Es ist somit nicht erforderlich, dass tatsächlich Einbringungsmaßnahmen gesetzt worden sind ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 der über das Vermögen der G-1 am D-7 eröffnete Konkurs nach Verteilung lediglich an die Massegläubiger aufgehoben und am D-2 im Firmenbuch mangels Vermögens gelöscht wurde.

Stellung als Vertreter

Unbestritten ist, dass der Bf. laut Firmenbuch im Zeitraum vom D-3 bis D-7 (Insolvenzeröffnung) Geschäftsführer der genannten Gesellschaft war.

Schuldhafte Pflichtverletzung

In dieser Funktion gehörten zu den Pflichten des Bf. daher nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige- Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft sowie die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen ().

Aus dem Einwand des Bf., dass im Konkursverfahren Einnahmen von € 659.346,87 hätten erzielt werden können, lässt sich nichts gewinnen, da es jedenfalls aufgrund des Beschlusses des Insolvenzgerichtes wegen der Masseunzulänglichkeit zu keiner Ausschüttung an die Konkursgläubiger wie das Finanzamt gekommen ist.

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (; ).

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten jedoch Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; ), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Auch hinsichtlich der Kapitalertragsteuer kann deren Nichtabführung grundsätzlich nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel zu deren Entrichtung nicht ausgereicht hätten, da bei der Kapitalertragsteuer der Schuldner der kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträge nur eine vom Empfänger der Kapitalerträge geschuldete Steuer gemäß § 95 Abs. 2 EStG einzubehalten und gemäß § 96 Abs. 1 EStG - binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge (Fälligkeit) - dem Betriebsfinanzamt abzuführen hat, sodass bei der Kapitalertragsteuer genauso wie auch bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen kommt. Wenn daher der Geschäftsführer die Kapitalertragsteuer trotz Ausschüttung von Gewinnanteilen nicht an das Betriebsfinanzamt entrichtet, liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, 0038) eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO vor.

Die Einwendungen des Bf., dass die Gesellschaft überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet habe, um keinen Gläubiger zu bevorzugen, gehen daher ins Leere, da bei den haftungsgegenständlichen Abgaben die Gleichbehandlungsverpflichtung eben nicht zum Tragen gekommen ist. Aber auch zutreffendenfalls hätte der Bf. mit dieser Vorgangsweise ohnehin die dem Abgabengläubiger gegenüber bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderungen verletzt, als keinem der Gesellschaftsgläubiger auch nur anteilig Zahlung geleistet wurde ().

Darüber hinaus lässt sich aus demselben Grund auch aus dem Vorbringen des Bf., dass die Buchhaltungsunterlagen von der von der Masseverwalterin beauftragten Steuerberatung aufgrund des Ablaufes der Belegaufbewahrungspflicht vernichtet worden seien, nichts gewinnen, da eben kein Gleichbehandlungsnachweis zu erbringen war.

Dem weiteren Einwand des Bf., dass ein Teilbetrag von rund € 90.000,00 an geleisteten Zahlungen der Gesellschaft an das Finanzamt in den letzten drei Monaten vor Konkurseröffnung durch die Masseverwalterin angefochten worden sei, ist zu entgegnen, dass zwar im Falle des Auflebens bereits getilgter Abgabenschuldigkeiten infolge Anfechtung einer Zahlung durch den Masseverwalter und Rückzahlung des Betrages an die Konkursmasse die Nichtentrichtung der ursprünglich getilgten Abgabe dem Geschäftsführer nicht als schuldhafte Pflichtverletzung zum Vorwurf gemacht werden kann, allerdings wurden die haftungsgegenständlichen Abgaben durch die am 21., 22. und in Höhe von insgesamt € 78.638,06 geleisteten Zahlungen, die am in dieser Höhe an die Insolvenzmasse zurückgezahlt wurden, weder getilgt noch wären sie wiederaufgelebt, sondern waren entweder im Rückstand (Lohnsteuer 03/2011) bzw. von der Einbringung gemäß § 231 BAO ausgesetzt (Lohnsteuer 08/2009) oder noch gar nicht gebucht (Kapitalertragsteuern 2006-2010).

Dem Vorbringen des Bf., dass die vorgeschriebenen Kapitalertragsteuern nicht nachvollziehbar seien, muss entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hat ().

Die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ nur dann zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung erstreckender Abgabenbescheid vorangegangen ist ().

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Im Hinblick auf die anzustellende Verschuldensprüfung war außerdem festzustellen, dass die Betriebsprüfung für die Jahre 2006-2009 im Bericht vom folgende Malversationen feststellte:

"Dienstnehmerabfragen bei der Wr. Gebietskrankenkasse ergaben, dass viele Dienstnehmer von einer von einer Subfirma zu den anderen wanderten. (…) Dieser Umstand und die Tatsache, dass diese Firmen alle kurze Zeit später in Konkurs gingen, die Verantwortlichen nicht greifbar waren und viele der Rechnungen bar bezahlt wurden, spricht für die Annahme, dass diese Subfirmen vom geprüften Unternehmen bewusst verwendet wurden, um keine Lohnabgaben bzw. Sozialversicherungsbeiträge abführen zu müssen.

Durch diese Kenntnis und den Erhebungen betreffend die anderen Fremdfirmen steht für die Betriebsprüfung fest, dass sich das geprüfte unternehmen ,billiger Schwarzarbeiter' in Bezug auf die Abfuhr von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen bedient hat und die Leistungen dieser Arbeiter auf den Eingangsrechnungen der vorgeblichen Subfirmen gefälligkeitshalber fakturiert worden sind (Deckungsrechnungen).

In steuerlicher Würdigung dieser Feststellungen und der vorstehenden detaillierten Beschreibung der Subfirmen ergibt sich, dass es sich bei den genannten Firmen um Scheinfirmen sowie bei den betreffenden Eingangsrechnungen um Deckungsrechnungen handelt, um die eigenen Personalaufwendungen (,Schwarzarbeiter') abzudecken."

Diese Feststellungen führten u.a. zur bescheidmäßigen Festsetzung der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern, die mit der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0243-W/13, vollinhaltlich bestätigt wurden.

Der Bf. hat somit die schuldhaften Verletzungen der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht sowie der Abfuhrverpflichtung der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern und Lohnsteuern zu verantworten.

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ; ) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen.

Dem ist bereits die Abgabenbehörde im angefochtenen Haftungsbescheid in mehr als ausreichendem Umfang nachgekommen, indem sie einen Abschlag von 70% der aushaftenden Abgaben vorgenommen hat. Aufgrund der durch den Bf. gesetzten umfangreichen Malversationen erscheint dieser Abschlag nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ohnehin mehr als großzügig.

Soweit der Bf. ein Mitverschulden des Finanzamtes einwendet, weil die offenen Beträge bei entsprechender Setzung von Einbringungsmaßnahmen bei der GmbH hätten einbringlich gemacht werden können, so entspricht es aber der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Inanspruchnahme der Haftung eines Geschäftsführers gemäß § 9 BAO iVm § 80 BAO die Frage, ob die Behörde allenfalls bei gehöriger Aufmerksamkeit die Folgen einer Pflichtverletzung eines Geschäftsführers verhindern hätte können, keine Rolle spielt ().

Darüber hinaus wäre eine vom Bf. monierte Einbringlichmachung im Jahr 2018 gar nicht möglich gewesen, weil zu dieser Zeit das seit 2011 anhängige Insolvenzverfahren noch gar nicht beendet war.

Vom Bf. wurden somit keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Ergebnis

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der G-1 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100499.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at