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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.06.2024, RV/7100225/2016

Vom Sohn übernommene Pflegeheimkosten der Mutter - Außergewöhnliche Belastungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Richter1*** in der Beschwerdesache ***Verl. N. Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Causa Wirtschaftstreuhand GmbH, Türkenstrasse 25/8, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ehem. Finanzamtes Baden Mödling, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Einkommensteuer 2013 (Steuernummer ***BF1StNr1***) zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird nach § 279 Abs 1 BAO im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert. Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2013 festgesetzt mit € 10.097,00.

Die Bemessungsgrundlagen sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Baden Mödling, nunmehr Finanzamt Österreich, (belangte Behörde) die Einkommensteuer 2013 des ***Bf1*** (Beschwerdeführer, BF) mit € 10.592,00 fest.

Am erhob der BF durch seinen steuerlichen Vertreter dagegen fristgerecht Beschwerde und beantragte die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen iHv € 6.737,54 für die Übernahme der Kosten eines Pflegeheimes für seine Mutter, sowie zusätzlich € 596,67 an eigenen Krankheitskosten. Er beantragte zudem die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom anerkannte die belangte Behörde außergewöhnliche Belastungen im Gesamtausmaß von € 5.667,99, von denen ein Selbstbehalt iHv € 4.522,21 abgezogen wurde.

Mit Schreiben vom beantragte der BF innerhalb der verlängerten Frist gem. § 264 BAO die Vorlage an das Bundesfinanzgericht, die am erfolgte.

Am ***Sterbedatum Bf1*** verstarb der Beschwerdeführer. Laut Auskunft des zuständigen Bezirksgerichtes Meidling wurde keine Erbantrittserklärung hinsichtlich der Verlassenschaft abgegeben. Das Verfahren wurde nach § 154 AußStrG durch Überlassung an Zahlungsstatt beendet. Der ruhende Nachlass sei derzeit unvertreten.

Der steuerliche Vertreter gab an, die Vollmacht sei auch nach dem Tod des BF noch aufrecht. Mit Fax vom wurden die Anträge auf mündliche Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurückgezogen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Mutter des BF hat im streitgegenständlichen Jahr von Jänner bis Mitte September 2013 zunächst im Ärzteheim ***Pflegeheim1*** und ab Mitte September 2013 im Wohn- und Pflegezentrum ***Pflegeheim2*** gewohnt. (unstrittig)

In Zusammenhang mit der Unterbringung in den Pflegeheimen wurden im gegenständlichen Jahr insgesamt € 22.237,36 an den BF bzw. dessen Mutter verrechnet, von denen der BF € 6.697,89 übernommen hat. (unstrittig, OZ 7, OZ 9)

Aufgrund von Krankheiten seiner Mutter hat der BF zusätzlich Medikamentenkosten iHv € 39,65 übernommen. (unstrittig, OZ 7)

Im streitgegenständlichen Jahr standen der Mutter des BF Mittel zur Bestreitung der Kosten iHv zumindest € 17.332,48 zur Verfügung, die sich aus laufenden Pensionseinkünften von € 12.511,08 (ohne Sonderzahlungen) und Pflegegeld von € 4.821,40 zusammensetzen. (Aufstellung der belangten Behörde in OZ 3)

Für eigene Krankheitskosten sind dem BF, nach Abzug etwaiger Ersätze, Kosten iHv € 596,67 angefallen. (unstrittig, OZ 7)

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist grundsätzlich unstrittig und ergibt sich als solcher aus dem Akt, insbesondere den angeführten Aktenteilen. Die Höhe der angefallenen Kosten ergibt sich aus den vom BF beigebrachten, glaubhaften Belegen und wurde von der belangten Behörde nicht bestritten. Die Höhe der Zuflüsse der Mutter des BF im gegenständlichen Jahr, ergibt sich aus den glaubhaften Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung vom und wurde vom BF nicht bestritten.

Der Streitpunkt liegt in der rechtlichen Frage, in welcher Höhe dem BF nunmehr außergewöhnliche Belastungen für Ausgaben, die er in Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit und Krankheit seiner Mutter getätigt hat, zustehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Zum Verfahrensrecht:

Nach § 19 Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Nach § 546 ABGB setzt die Verlassenschaft mit dem Tod die Rechtsposition des Verstorbenen fort.

Nach § 547 ABGB folgt der Erbe, sobald er die Erbschaft angenommen hat, der Rechtsposition der Verlassenschaft nach.

Nach § 154 Abs 1 des Außerstreitgesetzes (AußStrG) hat das Gericht die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung oder ein Antrag auf Überlassung als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wurde.

Ein solches Verfahren wurde im gegenständlichen Fall durchgeführt. Der Überlassungsgläubiger wird nicht Gesamtrechtsnachfolger. Bezüglich der Verlassenschaft ist mangels Einantwortung keine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten, weshalb der ruhende Nachlass nach wie vor seine Rechtspersönlichkeit besitzt und Subjekt der nicht untergegangenen Rechte und Pflichten des Erblassers ist. (; RIS-Justiz RS0007687, RS0103726)

Der ruhende Nachlass benötigt als juristische Person einen Vertreter. Zu Lebzeiten hat der BF den steuerlichen Vertreter mit der Durchführung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens beauftragt.

§ 1022 ABGB bestimmt, dass die Vollmacht in der Regel durch den Tag des Gewaltgebers aufgehoben wird, sieht jedoch vor, dass die Vollmacht auch über den Tod hinaus erteilt werden kann.

Da im gegenständlichen Fall die Vollmacht über den Tod hinaus erteilt wurde, ist der steuerliche Vertreter auch als Vertreter des ruhenden Nachlasses anzusehen, weshalb er in dessen Namen Erklärungen abgeben kann und ihm auch wirksam Erledigungen zugestellt werden können.

zum materiellen Recht:

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Sämtliche Merkmale des § 34 Abs 1 EStG 1988 müssen kumulativ vorliegen. Das Fehlen nur einer der im § 34 Abs 1 EStG 1988 aufgezählten Voraussetzungen schließt die Anerkennung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen aus (vgl. ).

Die Belastung ist nach § 34 Abs 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen näher geregelten Selbstbehalt übersteigt.

Unterhaltsleistungen sind nach § 34 Abs 7 Z 4 EStG 1988 nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

Zu den übernommenen Kosten der Mutter:

Damit der BF für die Mutter übernommene Zahlungen als außergewöhnliche Belastungen geltend machen kann, ist es nach § 34 Abs 7 Z 4 EStG 1988 einerseits notwendig, zu beurteilen, ob diese bei der Mutter selbst außergewöhnliche Belastungen darstellen würden (vgl. ):

Die Mutter des BF war pflegebedürftig und hat auch Pflegegeld bezogen, weshalb die über die Haushaltsersparnis (vgl. mwN) und das Pflegegeld (vgl. mwN) hinausgehenden Aufwendungen für das Pflegeheim bei ihr außergewöhnliche Belastungen darstellen.

Da die konkrete Haushaltsersparnis nicht ermittelbar ist, werden hierfür im Schätzungswege 8/10 der vollen Station nach § 1 Abs 1 der Sachbezugswerteverordnung, somit € 156,96 monatlich angesetzt.

Die angefallenen Pflegeheimkosten lagen bei insgesamt € 22.237,36. Unter Abzug der Haushaltsersparnis von € 1.883,52 und dem Pflegegeld iHv € 4.821,40 verbleiben somit Kosten iHv € 15.532,44. Zuzüglich der Kosten für Medikamente iHv € 39,65 ergeben sich sohin € 15.572,09, die bei der Mutter des BF außergewöhnliche Belastungen darstellen würden.

Der BF kann die übernommenen Pflegekosten nach seinerseits als außergewöhnliche Belastungen geltend machen, wenn diese ihm zwangsläufig, somit aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung, erwachsen sind. (vgl. ) Es können sittliche Verpflichtungen bestehen, aufgrund derer weitere Kosten übernommen werden. Diese können jedoch nicht in einem weiteren Ausmaß berücksichtigt werden, als es sich aus der rechtlichen Unterhaltspflicht ergibt. () Zu überprüfen ist sohin, ob aus rechtlicher Sicht eine Unterhaltsverpflichtung bestanden hat:

Aus § 234 Abs 1 und Abs 3 ABGB (idF BGBl 15/2013, ab ) ergibt sich, dass ein Kind seinen Eltern grundsätzlich Unterhalt schuldet, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten. Dieser Unterhaltsanspruch mindert sich insoweit, als es dem Unterhaltsberechtigten zumutbar ist, seinen eigenen Vermögensstamm heranzuziehen. Zudem hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als der eigene angemessene Unterhalt nicht gefährdet ist.

Der Unterhaltsanspruch gegen Nachkommen, der nach der Wertung des § 143 ABGB (idF BGBl. 403/1977, bis , anm.) einen Ausnahmefall darstellt, setzt nach § 143 Abs 1 ABGB fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit der unterhaltsberechtigten Eltern voraus ( mit Verweis auf zB ).

Fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit ist zB bei Pflegebedürftigkeit anzunehmen ( 1Ob 156/97s). Aufgrund des Pflegegeldbezuges ist eine Pflegebedürftigkeit und somit eine fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit der Mutter des BF anzunehmen, weshalb der BF grundsätzlich rechtlich dazu verpflichtet war, einen entsprechenden Unterhalt zu leisten.

Dieser Unterhaltsanspruch kann jedoch nach der Rspr nur insoweit steuerlich verwertet werden, als die Mutter selbst nicht imstande war, die Kosten zu tragen. (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG20, § 34 Rz 58 unter Hinweis auf ; ) Die Mutter hatte Pensionseinkünfte iHv € 12.511,08. Aufgrund der Unterbringung im Pflegeheim war sie voll versorgt, die allgemeinen Lebensführungskosten waren dadurch somit abgedeckt. Neben den verbleibenden Sonderzahlungen ist ihr somit lediglich ein "Taschengeld" zuzugestehen, welches üblicherweise iHv 20 % des Ausgleichszulagenrichtsatzes angesetzt wird. (vgl. )

Nach § 293 Abs 1 Z 1 lit a sublit aa des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) in der 2013 anzuwendenden Fassung BGBl II Nr. 441/2012 betrug der anzuwendende Richtsatz € 837,63 pro Monat. Daraus errechnet sich ein verbleibendes "Taschengeld" von € 2.010,31 für das gegenständliche Jahr. Der Mutter war somit eine Kostendeckung in Höhe von € 10.500,77 möglich, weshalb die Kostenübernahme durch den BF nur in dem übersteigenden Teil von € 5.071,32 als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind.

zu den eigenen Krankheitskosten:

Daneben sind ihm aufgrund eigener Krankheiten Kosten iHv € 596,67 angefallen, die unstrittig als außergewöhnlich und zwangsläufig anzusehen waren, und somit nach § 34 Abs 1 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizieren sind.

Insgesamt sind dem BF daher außergewöhnliche Belastungen iHv € 5.667,99 angefallen.

Selbstbehalt:

Der zu berücksichtigende Selbstbehalt richtet sich nach § 34 Abs 4 EStG 1988 und beträgt für den BF 12 % des zu berücksichtigen Einkommens. Bei einer Bemessungsgrundlage von € 37.685,12 lt. der vom BF eingereichten Einkommensteuererklärung errechnet sich ein zu berücksichtigender Selbstbehalt von € 4.522,21. Lediglich der übersteigende Teil von € 1.145,78 kann sich sohin steuerlich auswirken.

Da die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom somit korrekt ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da für die Lösung der Rechtsfrage nicht von der vorhandenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wurde, war eine ordentliche Revision als unzulässig zu erklären.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100225.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at