Antragslegitimation einer Schweizer Privatbank auf Erlassung eines Gutschriftsbescheides gemäß § 202 BAO (fortgesetztes Verfahren)
Revision eingebracht. Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/13/0074.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch steuerlicher Vertreter, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen, GZ. BMF-010221/0793-VI/8/2016, vom , betreffend Ausstellung eines Gutschriftsbescheides gemäß § 202 BAO, in eventu auf Rückerstattung des Abgeltungsbetrages gemäß Art. 13 Abs. 3 Steuerabkommen Österreich-Schweiz iVm §§ 1358, 1422 oder 1042 ABGB, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Antrag auf Ausstellung eines Gutschriftsbescheides gemäß § 202 BAO
Mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin (Bf.), eine Schweizer Privatbank, einen Antrag auf Ausstellung eines Gutschriftsbescheides gemäß § 202 BAO sowie einen Eventualantrag auf Rückerstattung des Abgeltungsbetrages gemäß Art. 13 Abs. 3 des Steuerabkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt, BGBl III Nr. 192/2012 (in der Folge: Steuerabkommen), in Verbindung mit §§ 1358, 1422 oder 1042 ABGB.
Begründend wurde vorgebracht, dass bei der Bf. im Mai 2014 im Zuge einer Revision der Eidgenössischen Steuerverwaltung die Berechnung und Meldung der Ablieferung der Einmalzahlung im Sinne des Art. 7 Steuerabkommen geprüft worden sei. Dabei sei eine Differenz bei der Berechnung der Höhe der Einmalzahlung festgestellt worden; Einmalzahlungen für mehrere Kunden seien in überhöhtem Ausmaß entrichtet worden. Der Fehler wurzle in einer irrtümlichen fehlenden Berücksichtigung von Fremdwährungen. Dadurch seien von der Bf. im Jahr 2013 überhöhte Einmalzahlungen im Ausmaß von 555.826,00 Euro im Sinn des Art. 7 Steuerabkommens an die österreichische Abgabenbehörde abgeführt worden.
In der Folge habe die Bf. die betroffenen Kunden über den Fehler informiert und die überhöhten Einmalzahlungen den betroffenen Kunden rückerstattet.
Für den Fall, dass eine Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund von der schweizerischen Zahlstelle im Sinne des Art. 2 lit. e Steuerabkommen bezahlt worden sei, habe nach Art. 13 Abs. 3 Steuerabkommen die betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung.
Für den Fall, dass die Einbehaltung einer Abfuhrabgabe in richtiger Höhe erfolgt sei, jedoch ein überhöhter Betrag an die Abgabenbehörde abgeführt worden sei, könne nach Ansicht der Bf. auf Basis von § 202 BAO ein sogenannter Gutschriftsbescheid erlassen werden. Dieser Bescheid sei an den Abgabepflichtigen zu richten. Für den Fall, dass der Einbehalt richtig und nur der abgeführte Betrag zu hoch gewesen sei, würden keine weiteren Rückzahlungsmöglichkeiten gegenüber dem eigentlichen Steuerschuldner (= den Bankkunden) bestehen. Die bescheidmäßige Festsetzung nach § 202 iVm § 201 BAO würde grundsätzlich im Ermessen der Abgabenbehörde liegen. Die Anwendbarkeit von § 240 Abs. 3 BAO durch die betroffenen Abgabepflichtigen selbst sei ausgeschlossen, weil die Bf. keine Abzugssteuer zu Unrecht von ihren Kunden einbehalten habe. Dasselbe gelte im Zusammenhang mit Art. 13 Abs. 3 Steuerabkommen, wenn man davon ausgehe, dass dieser - ebenso wie § 240 Abs. 3 BAO - einen steuerlichen Nachteil der betroffenen Person verlange.
Dennoch seien die an die österreichische Abgabenbehörde nach Art. 7 Abs. 3 Steuerabkommen abgeführten Beträge zu hoch gewesen. Daher bleibe als einzige verfahrensrechtliche Rückzahlungsmöglichkeit ein Antrag der Bf. als abzugsverpflichtete Zahlstelle nach § 202 BAO, auf dessen Basis ein Gutschriftsbescheid auszustellen und eine Rückerstattung vorzunehmen sei.
Eine mehrfache Rückzahlung der überhöht abgeführten Beträge sei ausgeschlossen, weil die Abzugssteuer durch die Bf. von den Abgabepflichtigen in richtiger Höhe einbehalten worden sei und die Abgabepflichtigen selbst daher keine Rückforderungsmöglichkeit gegenüber der österreichischen Abgabenbehörde hätten.
2. Eventualantrag nach Art. 13 Abs. 3 Steuerabkommen iVm §§ 1358, 1422 oder 1042 ABGB
Für den Fall, dass die Abgabenbehörde den Antrag auf Ausstellung eines Gutschriftsbescheides und Rückzahlung ab- oder zurückweise, werde in eventu gemäß Art. 13 Abs. 3 Steuerabkommen iVm §§ 1358, 1422 oder 1042 ABGB der Antrag auf Rückzahlung gestellt.
3. Zurückweisungsbescheid vom
Mit Bescheid vom wies der Bundesminister für Finanzen sowohl den Antrag auf Ausstellung eines Gutschriftsbescheides nach § 202 BAO als auch den Eventualantrag auf Rückerstattung des Abgeltungsbetrages nach Art. 13 Abs. 3 Steuerabkommen iVm §§ 1358, 1422 oder 1042 ABGB als unzulässig zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bf. sowohl hinsichtlich der Ausstellung eines Gutschriftsbescheides nach § 202 BAO mangels abgabenrechtlicher Haftung im Sinne der BAO als auch hinsichtlich der Rückerstattung des Abgeltungsbetrages nach Art. 13 Steuerabkommen, da die Bf. keine "betroffene Person" gemäß Art. 2 lit. h Steuerabkommen darstelle, nicht antragslegitimiert sei.
4. Beschwerde vom
Gegen den Zurückweisungsbescheid vom des Bundesministers für Finanzen richtet sich die streitgegenständliche Beschwerde vom .
Mit Vorlagebericht vom legte der Bundesminister für Finanzen die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte unter Hinweis auf die Ausführungen im Zurückweisungsbescheid die Abweisung der Beschwerde.
Mit Eingabe vom zog die Bf. ihre Anträge auf Entscheidung durch den Senat sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Mit Erkenntnis vom , RV/7102018/2017, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge, hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf und erklärte die Revision - weil zur Rechtsfrage, ob die schweizerische Zahlstelle gemäß Art. 2 lit. e Steuerabkommen betreffend die (letztlich) in richtiger Höhe einbehaltene, aber überhöht abgeführte Einmalzahlungen gemäß Art. 7 Steuerabkommen zur Stellung eines Antrages auf Ausstellung eines Gutschriftsbescheides gemäß § 202 BAO legitimiert sei, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle - für zulässig.
Dagegen erhob der Bundesminister für Finanzen Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof, welcher die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes mit Erkenntnis vom , Ro 2021/13/0002, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. ist eine Privatbank mit Sitz in der Schweiz, die auch Kundenbeziehungen mit in Österreich ansässigen natürlichen Personen unterhält.
Nach Abschluss des Steuerabkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft hat die Bf. im Jahr 2013 entsprechend den Vorgaben dieses Abkommens Einmalzahlungen betreffend die bei ihr verbuchten Vermögenswerte österreichischer Bankkunden eingehoben und abgeführt.
Im Jahr 2014 hat sich nach einer Revision durch die Eidgenössische Steuerverwaltung herausgestellt, dass die Bf. zu hohe Beträge in Gestalt der Einmalzahlungen einbehalten hat. Der überhöhte Betrag wurzelte in einer irrtümlichen fehlenden Berücksichtigung von Fremdwährungen.
Die Bf. hat daraufhin die überhöht einbehaltenen Beträge an ihre (österreichischen) Bankkunden zurückbezahlt und neue, berichtigte Bescheinigungen über die einbehaltenen Einmalzahlungen ausgestellt. Die ursprünglich ausgestellten, unrichtigen Bescheinigungen wurden zurückverlangt.
Im Ergebnis hat die Bf. von den (österreichischen) Bankkunden Einmalzahlungen in der betraglich richtigen Höhe eingehoben, jedoch einen zu hohen Betrag - an die Eidgenössische Steuerverwaltung und damit letztlich an die Österreichische Steuerverwaltung - abgeführt. Insgesamt hat die Bf. im Jahr 2013 überhöhte Einmalzahlungen in Höhe von Euro 555.826,00 abgeführt.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
3. Streitpunkt
Strittig ist, ob die Bf. die (letztlich) in richtiger Höhe einbehaltenen, aber überhöht abgeführten Einmalzahlungen durch Stellung eines Antrages auf Ausstellung eines Gutschriftsbescheides gemäß § 202 BAO oder in eventu gestützt auf Art. 13 Abs. 3 Steuerabkommen in Verbindung mit §§ 1358, 1422 oder 1042 ABGB rückerstattet bekommen kann.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Die für die Entscheidung relevanten Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt, BGBl III 192/2012, lauten wie folgt:
"Art. 7 Nachversteuerung durch Einmalzahlung
1. Unter Vorbehalt von Artikel 6 und 11 erheben schweizerische Zahlstellen per Stichtag 3 eine Einmalzahlung auf den bei ihnen verbuchten Vermögenswerten der betroffenen Person.
2. Die Einmalzahlung bemisst sich nach Anhang I dieses Abkommens. Der Steuersatz beträgt 30 Prozent.
3. Gleichzeitig mit der Erhebung der Einmalzahlung erstellt die schweizerische Zahlstelle zuhanden der betroffenen Person eine Bescheinigung nach festgelegtem Muster. Die Bescheinigung enthält die folgenden Angaben:
a) Identität (Name und Geburtsdatum) und Wohnsitz der betroffenen Person;
b) soweit bekannt, die österreichische Finanzamts- und Steuernummer und/oder die österreichische Sozialversicherungsnummer;
c) Name und Anschrift der schweizerischen Zahlstelle;
d) Kundennummer der betroffenen Person (Kunden-, Konto- oder Depot-Nummer, IBAN Code);
e) Betrag der Einmalzahlung und Berechnungsmodalitäten.
Erhebt die betroffene Person gegen die Bescheinigung nicht innerhalb von 30 Tagen nach deren Zustellung Einspruch, gilt diese als genehmigt.
4. Die schweizerische Zahlstelle überweist die erhobenen Einmalzahlungen nach Genehmigung der Bescheinigungen nach Absatz 3 jeweils monatlich an die zuständige schweizerische Behörde. Die erste Überweisung erfolgt einen Monat nach dem Stichtag 3. Die zuständige schweizerische Behörde leitet die Einmalzahlungen jeweils monatlich an die zuständige österreichische Behörde weiter. Die erste Weiterleitung erfolgt zwei Monate nach dem Stichtag 3.
5. Die Einmalzahlungen nach Absatz 2 werden von schweizerischen Zahlstellen in Euro berechnet, abgezogen und an die zuständige schweizerische Behörde überwiesen. Erfolgt die Konto- oder Depotführung nicht in dieser Währung, so nimmt die schweizerische Zahlstelle die Umrechnung zum Devisentagesfixkurs publiziert durch die SIX Telekurs AG an den für die Berechnung maßgebenden Stichtagen vor. Die Weiterleitung durch die zuständige schweizerische Behörde an die zuständige österreichische Behörde erfolgt ebenfalls in Euro.
6. Mit der vollständigen Gutschrift der Einmalzahlung auf dem bei der schweizerischen Zahlstelle dafür eingerichteten Abwicklungskonto gelten die österreichischen Erbschaftssteuer- und Schenkungssteueransprüche und die Ansprüche auf die gemeinschaftlichen Bundesabgaben gemäß Paragraph 8 Absatz 1 erster Satz erster und dritter Fall des österreichischen Finanzausgleichsgesetzes 2008, die auf den - auf den entsprechenden Konten und Depots verbuchten - Vermögenswerten entstanden sind, als abgegolten. Der im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens von der Abgeltungswirkung erfasste Betrag im Konto oder Depot entspricht dem relevanten Kapital Kr wie in Anhang I dieses Abkommens bestimmt.
Art. 13 Unvollständige oder zu Unrecht erfolgte Erhebung der Einmalzahlung
1. Erhebt die schweizerische Zahlstelle die Einmalzahlung nach Artikel 7 aufgrund eines Berechnungs- oder Abwicklungsfehlers nicht in vollständiger Höhe, so kann die schweizerische Zahlstelle der betroffenen Person den fehlenden Betrag zuzüglich eines Verzugszinses entsprechend Artikel 12 Absatz 2 nachbelasten. Die schweizerische Zahlstelle bleibt gegenüber der zuständigen schweizerischen Behörde jedenfalls zur entsprechenden Nachleistung verpflichtet. Dasselbe gilt für erhobene Verzugszinsen. Die zuständige schweizerische Behörde leitet nachgeleistete Einmalzahlungen einschließlich erhobener Verzugszinsen unverzüglich an die zuständige österreichische Behörde weiter. 2. In Fällen von Absatz 1 tritt für die betroffene Person die Wirkung nach Artikel 7 Absatz 6 auch ein, wenn die betroffene Person den Berechnungs- oder Abwicklungsfehler ohne grobes Verschulden nicht erkannt hat. Wird der Berechnungs- oder Abwicklungsfehler nach Absatz 1 korrigiert, tritt die Wirkung nach Artikel 7 Absatz 6 in jedem Fall ein.
3. Ist die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt worden, so hat die betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung."
§ 201 und § 202 der Bundesabgabenordnung (BAO) lauten:
"§ 201. (1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl I 20/2009)
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl I 70/2013)
3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.
(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen."
"§ 202. (1) Die §§ 201 und 201a gelten sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1) geltend zu machen.
(2) Abs. 1 gilt nicht, soweit ein zu Unrecht einbehaltener Betrag gemäß § 240 Abs. 3 zurückgezahlt wurde oder im Fall einer Antragstellung nach dieser Bestimmung zurückzuzahlen wäre."
Gemäß § 202 Abs. 1 BAO gilt § 201 BAO sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hierbei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides geltend zu machen.
Grundvoraussetzung für die Festsetzung einer Abgabe auf Antrag gemäß § 202 Abs. 1 iVm § 201 BAO ist somit, dass dem Antragsteller die Selbstberechnung dieser Abgabe obliegt (vgl. , mwN) und ihn hinsichtlich dieser Abgabe eine Haftung - die unterschiedlich ausgestaltet sein kann - trifft (sofern nicht spezielle Bestimmungen eine Festsetzung auch in diesen Fällen ausschließen; vgl. ). Wird der Antrag von einer Person gestellt, auf die diese Voraussetzungen nicht zutreffen, ist er - mangels Antragslegitimation des Einschreiters - unzulässig und damit zurückzuweisen (vgl. ).
Bei der Frage, ob eine Person ein abgabenrechtlich Haftungspflichtiger im Sinne des § 202 Abs. 1 BAO ist, kommt es weder auf das Vorliegen einer durchgehenden "Verpflichtungs- und letztlich Haftungskette", noch auf eine "Mitwirkung bei der Steuereinhebung für die Republik Österreich" an. Entscheidend ist ausschließlich das Vorhandensein einer gesetzlich angeordneten Haftung einer bestimmten Person gegenüber dem Abgabengläubiger für (zunächst) fremde Abgaben.
Werden in solchen Fällen die normierten Haftungsvoraussetzungen erfüllt, wird also der materiell-rechtliche Haftungstatbestand verwirklicht, so entsteht an sich bereits ein rechtliches Haftungsverhältnis (vgl. , mit Verweis auf Stoll, BAO-Kommentar 103). Mit Geltendmachung der Haftung - durch Erlassung eines Haftungsbescheides - wird der Haftungspflichtige zum Gesamtschuldner und damit in das Abgabenschuldverhältnis einbezogen (vgl. erneut Stoll, BAO-Kommentar 103).
Die Bestimmungen des Steuerabkommens sehen an keiner Stelle eine Haftung der schweizerischen Zahlstellen gegenüber dem österreichischen Abgabengläubiger für die Einmalzahlung gemäß Art. 7 des Steuerabkommens vor. Auch die Bestimmung des Art. 30 Abs. 3 Steuerabkommen - die gar nicht für die Einmalzahlung gilt - normiert keineswegs eine Haftung der schweizerischen Zahlstellen gegenüber dem österreichischen Abgabengläubiger, sondern nur eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der zuständigen schweizerischen Behörde. Eine unmittelbare Haftung der schweizerischen Zahlstellen stünde zudem im Widerspruch zur Systematik des Steuerabkommens, wonach sämtliche durch die schweizerischen Zahlstellen nach den Bestimmungen des Steuerabkommens eingehobenen Beträge nur im Wege der zuständigen schweizerischen Behörde an den österreichischen Abgabengläubiger gelangen (vgl. Art. 7 Abs. 4 und 5, sowie Art. 27 Abs. 1 und 3 des Steuerabkommens).
Abgesehen vom Fehlen einer ausdrücklichen Haftungsbestimmung ist auch nicht erkennbar, dass die beiden Vertragsstaaten eine derartige Haftung hätten vorsehen wollen. Hinweise darauf, dass die beiden Vertragsstaaten davon ausgegangen seien (oder dies gar beabsichtigt hätten), die Republik Österreich hätte unmittelbar Haftungsansprüche gegenüber den schweizerischen Zahlstellen geltend machen können bzw. dürfen, sind nicht erkennbar. Des Weiteren besteht auch zwischen der Republik Österreich und der zuständigen schweizerischen Behörde kein Haftungsverhältnis. Ein durchgehendes Haftungsverhältnis liegt somit nicht vor.
Die Vertragsparteien des Abkommens haben für Fälle einer unrichtig einbehaltenen bzw. abgeführten Einmalzahlung eigene Bestimmungen vorgesehen, die eine Rückerstattung solcher Beträge ermöglichen. So sieht Art. 7 Abs. 3 Steuerabkommen vor, dass die betroffene Person gleichzeitig mit der Erhebung der Einmalzahlung von der schweizerischen Zahlstelle eine Bescheinigung mit bestimmten Angaben erhalten muss. Erhebt die betroffene Person gegen die Bescheinigung nicht innerhalb von 30 Tagen nach deren Zustellung Einspruch, gilt diese als genehmigt. Die Überweisung der Einmalzahlung durch die schweizerische Zahlstelle darf erst nach Genehmigung der Bescheinigung erfolgen. Die betroffene Person hat daher die Möglichkeit, bereits vor Überweisung der Einmalzahlung Widerspruch zu erheben und unrichtige Berechnungen richtig zu stellen. ach der Schweizerischen Verwaltungsmeinung ("Wegleitung zu den Abkommen über die Zusammenarbeit mit anderen Staaten im Steuerbereich und dem Bundesgesetz über die internationale Quellenbesteuerung (IQG), Steuerliche Regularisierung/Nachversteuerung von Vermögenswerten") ist nach erfolgter Genehmigung der Bescheinigung eine (vollständige oder teilweise) Stornierung der ohne rechtlichen Grund erhobenen und abgelieferten Einmalzahlung durch die Zahlstelle nicht zulässig.
Ist bereits eine Überweisung der Einmalzahlung erfolgt, dann sieht Art. 13 Abs. 3 des Steuerabkommens vor, dass in jenen Fällen, in denen die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt wurde, die betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung hat. Dieser Antrag steht nach dem eindeutigen Abkommenstext nur der betroffenen Person selbst, nicht hingegen der schweizerischen Zahlstelle zu. Das Steuerabkommen selbst enthält daher ein eigenes Verfahren für die Rückerstattung zu hoch abgeführter Einmalzahlungen vor. Dieses ist daher auch zu beschreiten, wenn eine Rückzahlung der zu viel bezahlten Beträge begehrt wird (siehe zur vorrangigen Inanspruchnahme der von einem Abkommen vorgesehenen Rechtschutzmöglichkeiten , zu einem Abkommen mit Liechtenstein).
Abschließend ist festzustellen, dass die Rückzahlung der zu viel einbehaltenen Beträge an die betroffenen Personen nach Abfuhr der Einmalzahlung einer Antragstellung gemäß Art. 13 Abs. 3 des Steuerabkommens nicht entgegensteht. Diese Rückzahlung erfolgte außerhalb der im Steuerabkommen vorgesehenen Wege nach Einbehaltung und Überweisung der Einmalzahlung. Im Rahmen des Steuerabkommens sind die zu hoch abgeführten Beträge weiterhin als ohne rechtlichen Grund bezahlt im Sinne des Art. 13 Abs. 3 Steuerabkommen anzusehen.
4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist bei der Beurteilung der Rechtsfragen der in dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2021/13/0002, vorgegebenen Judikatur gefolgt. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103815.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at