Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 03.04.2024, RV/7101018/2022

Haftung eines ehemaligen Komplementärs einer KG

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/13/0018.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101018/2022-RS1
Gem. § 12 BAO richtet sich der Umfang der Haftung eines Komplementärs für Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Dieser Verweis umfasst auch jene Vorschriften, die die Haftung des Gesellschafters zeitlich begrenzen. Ein ehemaliger Komplementär haftet daher gem. § 160 Abs. 1 i.V.m. § 161 Abs. 2 UGB nur für solche Abgabenverbindlichkeiten, die vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft entstanden sind und vor Ablauf von fünf Jahren danach fällig werden. Ansprüche gegen den ehemaligen Komplementär aus dieser Haftung verjähren nach spätestens drei Jahren, gerechnet ab dem Ausscheiden bzw. - sollte die Forderung erst danach fällig werden - ab Fälligkeit. Unterbrechungshandlungen, die erst nach dem Ausscheiden (lediglich) gegenüber der Gesellschaft gesetzt wurden, entfalten keine Wirkung gegenüber dem ehemaligen Komplementär.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***R1***, den Richter ***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichterinnen ***R3*** und ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung für Abgabenverbindlichkeiten der ***Bf*** KG, Steuernummer ***BfStNr1*** und ***BFStNr2***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gem. § 12 BAO für folgende Abgabenverbindlichkeiten der ***Bf*** KG, FN ***FN-Bf KG***, in Anspruch genommen wird: Aussetzungszinsen laut Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom , Steuernummer ***BfStNr1***, i.H.v. € 2.000,29.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom verfügte die belangte Behörde gemäß § 12 BAO die Haftung des Beschwerdeführers für folgende Abgabenschulden der ***Bf*** KG im Ausmaß von € 108.368,87:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in €
Umsatzsteuer
2012
5.348,67
Umsatzsteuer
2013
11.044,06
Kammerumlage
07-09/2020
65,77
Aussetzungszinsen
2020
617,64
Einkommensteuer § 99 EStG
2014
10.140,00
Lohnsteuer
2014
8.872,24
Dienstgeberbeitrag
2014
1.597,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2014
156,15
Umsatzsteuer
2014
10.691,08
Lohnsteuer
2015
16.932,57
Einkommensteuer § 99 EStG
12/2015
18.154,60
Dienstgeberbeitrag
2015
3.047,86
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2015
298,01
Säumniszuschlag 1
2012
165,65
Säumniszuschlag 1
2013
173,8
Säumniszuschlag 1
2014
220,88
Säumniszuschlag 1
2015
213,82
Lohnsteuer
2016
11.561,50
Einkommensteuer § 99 EStG
12/2016
1.013,60
Dienstgeberbeitrag
2016
2.081,03
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2016
203,48
Säumniszuschlag 1
2014
177,44
Säumniszuschlag 1
2015
60,96
Säumniszuschlag 1
2015
338,65
Säumniszuschlag 1
2016
231,23
Säumniszuschlag 1
2016
363,09
Aussetzungszinsen
2019
2.545,16
Aussetzungszinsen
2020
1.805,52
Aussetzungszinsen
2020
247,41
Summe
108.368,87

Begründend führte sie aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen (ehemaligen) Komplementär der ***Bf*** KG handle und die Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in welcher der Beschwerdeführer zunächst Einhebungsverjährung einwendet, da ihm gegenüber keinerlei Maßnahmen zur Einbringung der Abgabenschuld gesetzt worden seien. Weiters macht er geltend, dass die Abgabenschuld vorrangig beim Primärschuldner einzubringen sei, wobei ihm nicht bekannt sei, ob derartige Schritte gegenüber der ***Bf*** KG oder deren nunmehrigem Komplementär gesetzt wurden. Letztlich wendet er Unbilligkeit der Haftung ein, da ihm von seinem Nettoeinkommen nach Bedienung diverser Verbindlichkeiten lediglich ein Restbetrag von € 435,73 zur Deckung der Lebenshaltungskosten verbleibe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt und setzte den Haftungsbetrag mit € 57.166,16 fest. Die Reduktion ergebe sich daraus, dass ein Teil der Abgaben aufgrund einer noch unerledigten Beschwerde der Primärschuldnerin noch nicht rechtskräftig festgesetzt sei und ein weiterer Teil aus der Zeit nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der ***Bf*** KG stamme. Diese Beträge wurden daher ausgeschieden und setzte sich der verbleibende Betrag wie folgt zusammen:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in €
Umsatzsteuer
2012
5.348,67
Umsatzsteuer
2013
11.044,06
Einkommensteuer § 99 EStG
2014
10.140,00
Umsatzsteuer
2014
10.691,08
Einkommensteuer § 99 EStG
2015
18.154,60
Säumniszuschlag 1
2012
165,65
Säumniszuschlag 1
2013
173,80
Säumniszuschlag 1
2014
220,88
Säumniszuschlag 1
2015
213,82
Einkommensteuer § 99 EStG
2016
1.013,60
Summe
57.166,16

Dem Verjährungseinwand hielt die belangte Behörde entgegen, dass die zugrundeliegenden Bescheide von der Primärschuldnerin mit Beschwerde bekämpft worden seien und das Bundesfinanzgericht erst am (USt) bzw. (ESt gem. § 99 EStG 1988) abweisend über die Beschwerden entschieden habe, sodass bis zu diesen Zeitpunkten gemäß § 209a BAO gegenüber der Primärschuldnerin und damit auch gegenüber dem Beschwerdeführer Verjährung nicht eintreten konnte, da gemäß § 238 Abs. 1 BAO das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen keinesfalls früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe verjährt. Zudem seien die haftungsgegenständlichen Abgaben bis zum (ESt gem. § 99 EStG 1988), (USt 2014) und (restliche USt) gemäß § 212a BAO ausgesetzt gewesen, was gemäß § 238 Abs. 3 lit. c BAO eine Hemmung der Einhebungsverjährung zur Folge habe. Letztlich sei zu den genannten Zeitpunkten der Ablauf der Aussetzung verfügt und der Rückstand verbucht worden, was gemäß § 238 Abs. 2 BAO eine Unterbrechung der Verjährung bewirkt habe. Dem Einwand, dass vorrangig die Primärschuldnerin heranzuziehen sei, hält die Behörde entgegen, dass diese mittlerweile aufgelöst und eine Einbringung bei dieser daher nicht möglich sei. Auch der Einwand der Unbilligkeit gehe ins Leere, da die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls ein wesentliches Ermessenskriterium sei und die Einbringung infolge zwischenzeitige Auflösung der Primärschuldnerin nur noch beim Komplementär möglich sei.

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Darin beantragte er - wie schon in der Beschwerde - die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat und brachte ergänzend vor, dass er im Zeitpunkt der Auflösung der ***Bf*** KG nicht mehr deren Gesellschafter und daher nicht am Auflösungsbeschluss beteiligt gewesen sei. Die belangte Behörde hätte die Auflösung beeinspruchen können, wodurch überprüft hätte werden können, ob eine Einbringung bei der Gesellschaft möglich ist. Diesen Einwand präzisierte der Beschwerdeführervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht dahingehend, dass vom Firmenbuchgericht im Falle einer beantragten Löschung einer Gesellschaft üblicherweise eine Stellungnahme des Finanzamtes eingeholt werde, ob Abgabenverbindlichkeiten aushaften, und nach seinen Recherchen im vorliegenden Fall eine derartige Stellungnahme nicht eingeholt worden sei. Darüber hinaus hätten auch Einbringungsversuche beim damaligen Komplementär durchgeführt werden müssen, was jedoch nicht geschehen sei.

In der Ladung vom (für den - in der Folge auf verschobenen - Verhandlungstermin ) wurden den Parteien verschiedene ergänzende Unterlagen und Informationen abverlangt und wurden sie im Hinblick auf die strittige Einhebungsverjährung darauf hingewiesen, dass laut einer Entscheidung des UFS Linz und einer Literaturmeinung die Bestimmung des § 238 BAO in Bezug auf persönlich haftende Gesellschafter i.S.d. § 12 BAO durch die einschlägigen Bestimmungen des UGB verdrängt wird und die in § 160 UGB normierte dreijährige Verjährungsfrist für einen Großteil der hier gegenständlichen Abgaben bei Erlassung des Haftungsbescheides bereits abgelaufen war. Den Parteien wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich zu dieser Rechtsansicht zu äußern, wovon nur der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht hat.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die ***Bf*** KG (FN ***FN-Bf KG***) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet. Ab war der Beschwerdeführer deren einziger persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär). Am veräußerte er seinen Gesellschaftsanteil an ***K2***. Dieser Gesellschafterwechsel wurde am im Firmenbuch eingetragen. In der Folge veräußerte ***K2*** den Gesellschaftsanteil an den in Ungarn ansässigen ***K3***, der ab alleiniger Komplementär der ***Bf*** KG war. Kommanditistin war ab unverändert ***Kd***. Mit Schriftsatz vom teilten die Gesellschafter dem Firmenbuchgericht mit, dass der Geschäftsbetrieb der ***Bf*** KG eingestellt wurde und die Aufteilung des Aktivvermögens und der Verbindlichkeiten bereits einvernehmlich stattgefunden hat und stellten den Antrag auf Löschung der ***Bf*** KG im Firmenbuch. Diese Löschung wurde am eingetragen. Vor der Löschung erfolgte seitens des Firmenbuchgerichtes keine Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt.

Gegenüber der ***Bf*** KG haften folgende Abgaben unberichtigt aus:

Umsatzsteuer 2012; mit Bescheid vom zunächst mit € -5.555,71 festgesetzt, nach Wiederaufnahme mit weiterem Bescheid vom mit € 3.134,26 festgesetzt, sodass sich eine Nachforderung von € 8.689,97 ergab, von der gegenwärtig noch € 5.348,67 aushaften; die (lediglich) gegen die Wiederaufnahme gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100649/2017 abgewiesen.

Umsatzsteuer 2013; mit Bescheid vom zunächst mit € 11.438,87 festgesetzt, nach Wiederaufnahme mit weiterem Bescheid vom mit € 22.482,93 festgesetzt, sodass sich eine Nachforderung von € 11.044,06 ergab, welche noch zur Gänze aushaftet; die (lediglich) gegen die Wiederaufnahme gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100649/2017 abgewiesen.

Kammerumlage 07-09/2020 € 65,77 (nicht bescheidmäßig festgesetzt).

Aussetzungszinsen 2020; diese wurden mit Bescheid vom festgesetzt und errechnen sich wie folgt:


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Aussetzungszeitraum
Aussetzungs-betrag in €
Tage
Tages-zinssatz
Aussetzungs-zinsen in €
von
bis
78,64
7
0,0038
0,00
27.642,19
588
0,0038
617,64
Summe
617,64

Abzugssteuer 2014 gemäß § 99 EStG 1988 (infolge Gestellung ausländischer Arbeitskräfte zur inländischen Arbeitsausübung); diese wurde mit Haftungsbescheid vom mit € 10.140,00 geltend gemacht; die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100638/2017 abgewiesen.

Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, jeweils für die Jahre 2014-2016; diese wurden zunächst mit (Haftungs-) Bescheiden vom geltend gemacht bzw. festgesetzt; aufgrund der dagegen gerichteten Beschwerde wurden diese Bescheide von der belangten Behörde gemäß § 300 Abs. 1 BAO aufgehoben und mit Bescheiden vom die Abgaben wie folgt neu festgesetzt:

Lohnsteuer 2014: € 3.802,39

Dienstgeberbeitrag 2014: € 6.637,70

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag: 2014 € 647,48

Lohnsteuer 2015: € 7.256,81

Dienstgeberbeitrag 2015: € 9.123,77

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2015: € 817,98

Lohnsteuer 2016: € 4.954,83

Dienstgeberbeitrag 2016: € 3.182,71

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2016: € 304,61

Umsatzsteuer 2014; diese wurde mit Bescheid vom mit € 67.627,29 festgesetzt, woraus sich eine Nachforderung von € 10.691,08 ergab; die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom RV/7100649/2017 abgewiesen.

Abzugssteuer 12/2015 gemäß § 99 EStG 1988 (infolge Gestellung ausländischer Arbeitskräfte zur inländischen Arbeitsausübung); diese wurde mit Haftungsbescheid vom mit € 18.154,60 geltend gemacht; die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102749/2019 abgewiesen.

Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 2011 (€ 165,65), zur Umsatzsteuer 2012 (€ 173,80), zur Umsatzsteuer 2013 (€ 220,88) und zur Umsatzsteuer 2014 (€ 213,82); diese wurden mit Bescheid vom festgesetzt, der der ***Bf*** KG vor dem zugestellt wurde und in Rechtskraft erwachsen ist.

Säumniszuschläge zu den Lohnabgaben 2014-2016; diese wurden mit Bescheiden vom wie folgt festgesetzt:

Säumniszuschlag zur Lohnsteuer 2014 € 177,44

Säumniszuschlag zur Lohnsteuer 2015 € 338,65

Säumniszuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2015 € 60,96

Säumniszuschlag zur Lohnsteuer 2016 € 231,23

Diese Bescheide wurden der ***Bf*** KG vor dem zugestellt und erwuchsen in Rechtskraft.

Säumniszuschlag zur Abzugssteuer 12/2015 gem. § 99 EStG 1988; dieser wurde mit Bescheid vom mit € 363,09 festgesetzt, der der ***Bf*** KG vor dem zugestellt wurde.

Abzugssteuer 12/2016 gemäß § 99 EStG 1988 (infolge Gestellung ausländischer Arbeitskräfte zur inländischen Arbeitsausübung); diese wurde mit Haftungsbescheid vom mit € 1.013,60 geltend gemacht; die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102749/2019 abgewiesen.

Aussetzungszinsen 2019; diese wurden mit Bescheid vom , der der ***Bf*** KG vor dem zugestellt wurde, festgesetzt. Mit Bescheid vom wurde die Aussetzung ihrer Einhebung bewilligt und mit weiterem Bescheid vom der Ablauf der Aussetzung verfügt und die ***Bf*** KG zur Zahlung bis aufgefordert. Sie errechnen sich wie folgt:


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Aussetzungszeitraum
Aussetzungs-betrag in €
Tage
Tages-zinssatz
Aussetzungs-zinsen in €
von
bis
39.481,63
15
0,0038
22,50
38.101,90
7
0,0038
10,14
38.014,99
35
0,0038
50,56
39.481,63
23
0,0038
34,51
49.621,63
665
0,0038
1.253,94
108.084,94
31
0,0038
127,32
107.681,51
1
0,0038
4,09
108.044,60
14
0,0038
57,48
114.347,95
37
0,0038
160,77
114.711,04
189
0,0038
823,85
Summe
2.545,16

Aussetzungszinsen 2020; diese wurden mit Bescheid vom festgesetzt und errechnen sich wie folgt:


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Aussetzungszeitraum
Aussetzungs-betrag in €
Tage
Tages-zinssatz
Aussetzungs-zinsen in €
von
bis
77.825,97
21
0,0038
62,11
77.654,64
5
0,0038
14,74
68.361,44
22
0,0038
57,15
78.548,72
560
0,0038
1.671,52
Summe
1.805,52

Aussetzungszinsen 2020; diese wurden mit Bescheid vom festgesetzt und errechnen sich wie folgt:


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Aussetzungszeitraum
Aussetzungs-betrag in €
Tage
Tages-zinssatz
Aussetzungs-zinsen in €
von
bis
10.691,08
609
0,0038
247,41

Die belangte Behörde hat nicht versucht, diese Abgaben bei der ***Bf*** KG oder bei den späteren Komplementären (***K2***, ***K3***) einbringlich zu machen.

Der Beschwerdeführer bezieht aus zwei Dienstverhältnissen monatlich netto € 2.435,73. Für ein Dienstnehmerdarlehen und ein Bankdarlehen hat er monatliche Rückzahlungen i.H.v. je € 500,00 zu leisten. Das Dienstnehmerdarlehen wird Ende 2024 abbezahlt sein. Weiters bezahlt er zur Abtragung eigener Abgabenverbindlichkeiten derzeit € 500,00 monatlich an die belangte Behörde. Diese Abgabenverbindlichkeiten haften mit Stand März 2024 noch mit einem Restbetrag von ca. € 2.000,00 aus und werden daher voraussichtlich im Juli 2024 getilgt sein. Er ist für zwei minderjährige Kinder unterhaltspflichtig.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der ***Bf*** KG gründen sich auf die Einsichtnahme in das öffentliche Firmenbuch sowie auf die amtswegige Abfrage der beim Firmenbuch hinterlegten Urkunden (Anträge auf Eintragung eines Wechsels im Stande der Gesellschafter vom und sowie Antrag auf Löschung vom ). Dass die Veräußerung des Gesellschaftsanteiles am erfolgte, ergibt sich daraus, dass ***K2*** seit diesem Tag selbstständig vertretungsbefugt war. Dass das Firmenbuchgericht anlässlich der Löschung der ***Bf*** KG das Finanzamt nicht kontaktiert hat, hat der Vertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom aufgrund eigener Recherchen angegeben. Irgendwelche Hinweise darauf, dass diese Angaben unzutreffend sein könnten, liegen nicht vor.

Die Feststellungen zu den bei der ***Bf*** KG aushaftenden Abgaben gründen sich auf das glaubwürdige und nachvollziehbare Vorbringen der belangten Behörde, das auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird. Soweit die Abgaben festgesetzt wurden, ihre Einhebung ausgesetzt bzw. der Ablauf der Aussetzung verfügt wurde, gründen sich die Feststellungen überdies auf die diesbezüglichen Bescheide bzw. Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes, die insoweit Bindungswirkung für das Haftungsverfahren entfalten (; , 2004/13/0142). Die Bescheide über die Festsetzung von Säumniszuschlägen und Aussetzungszinsen wurden - wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom bekannt gegeben hat - der ***Bf*** KG ohne Zustellnachweis zugestellt. Die exakten Zustellzeitpunkte sind daher nicht bekannt. Da jedoch die Bescheide über die Festsetzung von Säumniszuschlägen vom , und datieren und der Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen 2019 i.H.v. € 2.545,16 vom datiert, weiters Bescheide üblicherweise wenige Tage nach ihrer Ausfertigung versandt werden und (zunmindest innerhalb Österreichs) wenige Tage danach beim Empfänger ankommen, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die drei Bescheide vom , und betreffend Festsetzung von Säumniszuschlägen vor dem (ein Monat vor Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der ***Bf*** KG) zugestellt wurden und der Bescheid vom betreffend Festsetzung von Aussetzungszinsen 2019 i.H.v. € 2.545,16 vor dem (ein Monat vor Ablauf der 5-Jahres-Frist des § 160 Abs. 1 UGB; s. rechtl. Beurteilung) zugestellt wurde.

Dass Einbringungsversuche bei der ***Bf*** KG oder bei den späteren Komplementären nicht unternommen wurden, hat die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom bestätigt und besteht für das Gericht kein Anlass, daran zu zweifeln. Die Einvernahme des Zeugen ***K3***, der zu diesem Beweisthema aussagen sollte, konnte daher unterbleiben.

Die Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben in der Beschwerde und im aufgetragenen Schriftsatz vom , denen auch die belangte Behörde nicht entgegentritt. Die Einvernahme der - nicht namentlich genannten - Leiterin der Einbringungsstelle des Finanzamtes Oberwart, die diese Angaben bestätigen sollte, konnte daher ebenfalls unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilw. Stattgabe)

Gem. § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich hierbei nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, für Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft daher nach den Bestimmungen des UGB. Demnach haftet der Komplementär den Gesellschaftsgläubigern gemäß § 128 i.V.m. § 161 Abs. 2 UGB unmittelbar, primär, unbeschränkt, unbeschränkbar, persönlich und solidarisch (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. [2021], Rz. 3 zu § 12).

Nachdem § 12 BAO für den Umfang der Haftung die einschlägigen Vorschriften des Zivilrechts für maßgeblich erklärt, muss dies konsequenterweise nicht nur für jene Bestimmungen gelten, die die unbeschränkte Haftung normieren (§§ 128 ff. UGB), sondern auch für jene Bestimmungen, die sie zeitlich begrenzen (§§ 159 f. UGB), sodass diese Bestimmungen die Regelung des § 238 BAO über die Einhebungsverjährung insoweit verdrängen (Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO, Rz 22 zu § 238; so auch zur Vorgängerbestimmung des § 159 HGB: ; vgl. auch Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO [3. Aufl.], Anm. 10 zu § 238, wonach die anspruchsbezogenen Verjährungsregelungen des § 238 BAO durch speziellere personenbezogene Regelungen verdrängt werden können). Nachdem der Beschwerdeführer bei Erlassung des Haftungsbescheides nicht mehr Komplementär der ***Bf*** KG war, ist daher § 160 Abs. 1 i.V.m. § 161 Abs. 2 UGB zu beachten. Diese Bestimmung beschränkt die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters in zweifacher Hinsicht. Einerseits haftet er für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten nur, soweit sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden. Andererseits verjähren Ansprüche daraus innerhalb der für die jeweilige Verbindlichkeit geltenden Verjährungsfrist, längstens jedoch in drei Jahren. Dies bedeutet zunächst, dass der ehemalige Gesellschafter für Verbindlichkeiten, die erst nach seinem Ausscheiden begründet wurden (d.h. entstanden sind: vgl. Koppensteiner/Auer in Koppensteiner/Ratka/Rauter, UGB I, Rz. 7 u. 9 zu § 160; Feltl, UGB, E 8 bis E 10 zu § 160; jeweils m.w.N.), keinesfalls haftet (RIS-Justiz RS0061628, RS0062036). Für Verbindlichkeiten, die vor seinem Ausscheiden begründet wurden (ausschlaggebend ist das rechtswirksame Ausscheiden; auf die Eintragung im Firmenbuch kommt es hier nicht an: Koppensteiner/Auer in Koppensteiner/Ratka/Rauter, UGB I, Rz. 10 zu § 160), haftet er nur dann, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden, daher jedenfalls für Verbindlichkeiten, die vor dem Ausscheiden sowohl entstanden sind als auch fällig wurden. Haftet ein Gesellschafter demnach für Gesellschaftsverbindlichkeiten über den Zeitpunkt seines Ausscheidens hinaus, verjähren daraus resultierende Ansprüche gegen ihn spätestens nach drei Jahren. Diese dreijährige Frist beginnt für Verbindlichkeiten, die bereits vor dem Ausscheiden fällig wurden, mit dem Ende des Tages, an dem das Ausscheiden des Gesellschafters in das Firmenbuch eingetragen wird (§ 160 Abs. 2 UGB). Für später (innerhalb von fünf Jahren nach dem Ausscheiden) fällig werdende Verbindlichkeiten beginnt sie erst mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit zu laufen (Eckert in U. Torggler, UGB [3. Aufl.], Rz. 10 zu § 160; so auch der frühere § 159 Abs. 3 HGB, welcher die Weiterhaftung des Gesellschafters bei Auflösung der Gesellschaft und bei Ausscheiden aus der Gesellschaft in einer Bestimmung behandelte, sowie der nunmehrige § 159 Abs. 3 UGB, der nur noch die Weiterhaftung bei Auflösung der Gesellschaft behandelt; dass § 160 UGB, der nun die Weiterhaftung bei Ausscheiden des Gesellschafters regelt, keine entsprechende Bestimmung enthält, dürfte auf einem Versehen beruhen; dass die Verjährung von Verbindlichkeiten, die erst nach dem Ausscheiden des Gesellschafters fällig werden, nicht schon mit seinem Ausscheiden beginnen kann, erhellt auch daraus, dass sonst Verbindlichkeiten, die erst im vierten oder fünften Jahr nach dem Ausscheiden fällig werden, gegenüber dem ehemaligen Gesellschafter noch vor Fälligkeit verjährt wären).

Nachdem in Bezug auf die Haftung von Gesellschaftern einer OG und Komplementären einer KG § 238 BAO von den einschlägigen Verjährungsbestimmungen des UGB verdrängt wird, muss dies auch zur Folge haben, dass Unterbrechungs- und Hemmungstatbestände, die erst nach dem Ausscheiden des Gesellschafters verwirklicht wurden, wie im Zivilrecht nur dann gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter wirken, wenn sie (auch) ihm gegenüber gesetzt wurden (; vgl. auch RIS-Justiz RS0034660, wonach eine lediglich gegen die Gesellschaft gerichtete Klage die Verjährung gegen den Gesellschafter nicht unterbricht). Wurde der Unterbrechungs- oder Hemmungstatbestand vor dem Ausscheiden des Gesellschafters verwirklich, wirkt die Unterbrechung bzw. Hemmung zunächst auch ihm gegenüber, da insoweit keine zivilrechtliche Sonderregelung besteht, die den (sachbezogenen) § 238 BAO verdrängen könnte. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 160 Abs. 1 S. 2 UGB ist jedoch auch in einem solchen Fall zu beachten, sodass spätestens drei Jahre nach dem Ausscheiden des Gesellschafters ihm gegenüber Verjährung eintritt, auch wenn die Verjährung gegenüber der Gesellschaft noch darüber hinaus weiterlaufen sollte (Koppensteiner/Auer in Koppensteiner/Ratka/Rauter, UGB I, Rz. 15 u. 16 zu § 160).

In Bezug auf die hier gegenständlichen Abgaben bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer nicht für jene Abgaben haftet, die vor seinem Ausscheiden aus der ***Bf*** KG (das rechtswirksame Ausscheiden ist hier mit Veräußerung des Gesellschaftsanteiles am eingetreten) fällig wurden, da hinsichtlich dieser Abgaben die dreijährige Verjährungsfrist des § 160 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 UGB mit dem Ende des Tages, an dem sein Ausscheiden aus der Gesellschaft in das Firmenbuch eingetragen wurde, also am , 24:00 Uhr, begonnen und am geendet hat, sodass sie bei Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides am bereits abgelaufen war.

Dies betrifft zunächst die Umsatzsteuer der Jahre 2012-2014. Diese wurde gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 in Form von Vorauszahlungen unabhängig von der bescheidmäßigen Festsetzung (§ 21 Abs. 5 UStG 1994) am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den jeweiligen Voranmeldungszeitraum (Kalendermonat bzw. Kalendervierteljahr) zweitfolgenden Kalendermonats, die letzte Vorauszahlung sohin am , fällig (Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON 3.03, Rz. 2798 zu § 21; vgl. auch ). Weiters betrifft dies die Abzugssteuern gemäß § 99 Abs. 1 EStG 1988 für die Zeiträume 2014, 12/2015 und 12/2016. Die Abzugsteuer ist vom Schuldner der Einkünfte (hier: ***Bf*** KG) monatlich einzubehalten und gemäß § 101 Abs. 1 EStG 1988 spätestens am 15. des jeweiligen Folgemonats abzuführen; der letzte Teilbetrag (für Dezember 2016) der hier gegenständlichen Abzugsteuern wurde daher am fällig. Ebenso betrifft dies die Lohnabgaben (Lohnsteuer/Dienstgeberbeitrag/Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) für die Jahre 2014-2016. Auch diese Abgaben waren allmonatlich einzubehalten und am 15. des jeweiligen Folgemonats abzuführen (§ 79 Abs. 1 EStG 1988, § 43 Abs. 1 FLAG 1967, § 122 Abs. 8 WKG i.V.m. § 43 Abs. 1 FLAG 1967), sodass die letzte Zahlung (jene für Dezember 2016) am fällig wurde. Soweit diese Abgaben (Umsatzsteuer, Abzugsteuer, Lohnabgaben) bescheidmäßig festgesetzt (USt, DB, DZ) bzw. mit Haftungsbescheid geltend gemacht wurden (Abzugsteuer, LSt), hat dies gem. § 238 Abs. 2 BAO die Einhebungsverjährung unterbrochen (vgl. , wonach auch Abgabenfestsetzungsbescheide Unterbrechungshandlungen darstellen). Die dreijährige Verjährungsfrist des § 160 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 UGB wurde dadurch jedoch nicht verlängert, sodass der Beschwerdeführer zur Haftung für diese Abgaben am nicht mehr herangezogen werden konnte. Dasselbe gilt für die von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung ins Treffen geführten Umstände (keine Verjährung während der anhängigen Rechtsmittelverfahren gem. § 209a i.V.m. § 238 Abs. 1 letzter Satz BAO; Hemmung der Verjährung infolge Aussetzung der Einhebung; Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung). Soweit Unterbrechungshandlungen erst nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der Gesellschaft gesetzt wurden (Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes vom und ; Bescheidaufhebung und Erlassung neuer Bescheides nach § 300 BAO am ; auch die Bescheide über die Bewilligung und den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung ergingen z.T. erst nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers), konnten sie schon allein aus diesem Grund keine Wirksamkeit gegenüber dem Beschwerdeführer entfalten.

Säumniszuschläge werden als bescheidmäßig festzusetzende Abgaben gemäß § 210 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Festsetzungsbescheides fällig (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. [2021], Rz. zu § 217). Die Säumniszuschläge zu den Umsatzsteuerforderungen 2011-2014 wurden mit Bescheid vom , die Säumniszuschläge zu den Lohnabgaben 2014-2016 mit Bescheiden vom und der Säumniszuschlag zur Abzugssteuer 12/2015 gem. § 99 EStG 1988 mit Bescheid vom festgesetzt. Diese Bescheide wurden der ***Bf*** KG vor dem zugestellt, sodass vor dem Fälligkeit eingetreten ist. Auch die Säumniszuschläge wurden daher bereits vor dem Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der ***Bf*** KG fällig, sodass die dreijährige Verjährungsfrist des § 160 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 UGB am begonnen hat und bei Erlassung des Haftungsbescheides am bereits abgelaufen war.

Weiters haftet der Beschwerdeführer nicht für jene Abgaben, die erst nach seinem Ausscheiden aus der ***Bf*** KG entstanden sind. Dies betrifft im vorliegenden Fall die Kammerumlage für den Zeitraum Juli bis September 2020. Die Kammerumlage ist gemäß § 122 Abs. 1 WKG in einem Tausendsatz der vom Kammermitglied geschuldeten bzw. der auf das Kammermitglied übergegangenen (Einfuhr-) Umsatzsteuer zu berechnen. Der Sachverhalt, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, ist daher das Tätigen von Umsätzen bzw. das daraus resultierende Entstehen einer Umsatzsteuerschuld. Die Kammerumlage 07-09/2020 beruht auf Umsätzen, die im Zeitraum Juli bis September 2020 getätigt wurden und ist daher i.S.d. § 4 Abs. 1 BAO erst nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der ***Bf*** KG entstanden. Weiters betrifft dies jene Aussetzungszinsen, die mit Bescheiden vom (€ 617,64), (€ 1.805,52) und (€ 247,41) festgesetzt wurden. Auch der Aussetzungszinsenanspruch entsteht gem. § 4 Abs. 1 BAO mit Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, sohin beginnend mit dem Tag der Antragstellung laufend (täglich) während jener Zeit, in der der Zahlungsaufschub in Anspruch genommen wird (; , Ra 2015/15/0005). Mit den genannten drei Bescheiden wurden Aussetzungszinsen für Zeiträume ab (Bescheid vom , € 617,64) und (Bescheide vom , € 1.805,52, und , € 247,41) festgesetzt. Diese Aussetzungszinsen sind daher ebenfalls erst nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der ***Bf*** KG entstanden, sodass er für diese nicht haftet.

Die Aussetzungszinsen laut Bescheid vom (€ 2.545,16) betreffen den Zeitraum vom bis und sind damit teilweise vor Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der ***Bf*** KG entstanden. Fällig werden Aussetzungszinsen gem. § 210 Abs. 1 BAO nach Ablauf eines Monates ab Zustellung des diesbezüglichen Bescheides (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. [2021], Rz. 33 zu § 212a). Da der Bescheid vom der ***Bf*** KG vor dem zugestellt wurde, wurden die damit festgesetzten Aussetzungszinsen vor dem und damit innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Tages, an dem das Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der ***Bf*** KG in das Firmenbuch eingetragen wurde (), fällig. Da der Bescheid vom keinesfalls vor dem Tag seiner Erlassung zugestellt worden sein konnte, können die festgesetzten Aussetzungszinsen nicht vor dem fällig geworden sein. Die dreijährige (Sonder-)Verjährungsfrist des § 160 Abs. 1 S. 2 UGB konnte sohin nicht vor dem zu laufen beginnen und war damit bei Erlassung des Haftungsbescheides am jedenfalls noch offen. § 160 UGB steht daher einer Haftung des Beschwerdeführers für die Aussetzungszinsen laut Bescheid vom nicht entgegen, sodass er gemäß § 12 BAO für diese Zinsen, soweit sie bis zu seinem Ausscheiden aus der ***Bf*** KG entstanden sind, grundsätzlich haftet. Da sie erst nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers fällig geworden sind, würde es auch keine Rolle spielen, wenn - wie auf S. 4 der Beschwerde behauptet - im Zeitpunkt des Ausscheidens ein Guthaben auf dem Steuerkonto der ***Bf*** KG bestanden haben sollte. Die bis zum Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der ***Bf*** KG entstandenen Aussetzungszinsen belaufen sich auf € 2.000,29 (der Restbetrag von € 544,87 ist erst danach entstanden, sodass der Beschwerdeführer insoweit nicht haftet) und berechnen sich wie folgt:


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Aussetzungszeitraum
Aussetzungs-betrag in €
Tage
Tages-zinssatz
Aussetzungs-zinsen in €
von
bis
39.481,63
15
0,0038
22,50
38.101,90
7
0,0038
10,14
38.014,99
35
0,0038
50,56
39.481,63
23
0,0038
34,51
49.621,63
665
0,0038
1.253,94
108.084,94
31
0,0038
127,32
107.681,51
1
0,0038
4,09
108.044,60
14
0,0038
57,48
114.347,95
37
0,0038
160,77
114.711,04
64
0,0038
278,98
Summe
2.000,29

Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Auflösung der ***Bf*** KG nicht mehr deren Gesellschafter war und daher keinen Einfluss darauf hatte, dass die damaligen Gesellschafter einen Auflösungsbeschluss gefasst haben ohne die offenen Abgabenverbindlichkeiten zu begleichen, steht der Haftung nicht entgegen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein ehemaliger Gesellschafter, der auch über den Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gesellschaft hinaus weiter für deren Verbindlichkeiten haftet, keinen Einfluss darauf hat ob die neuen Gesellschafter diese Verbindlichkeiten begleichen bzw. ob sie Handlungen setzen, die die Begleichung der Verbindlichkeiten vereiteln. Die im Gesetz ausdrücklich vorgesehene Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters könnte so gut wie nie eintreten, wenn der Umstand, dass er auf die Nichtzahlung der Verbindlichkeiten keinen Einfluss hat, der Haftung entgegenstehen würde.

Soweit der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte die Auflösung der ***Bf*** KG beeinspruchen müssen, ist festzuhalten, dass ein derartiges Einspruchsrecht im Gesetz nicht vorgesehen und im Hinblick auf die fortdauernde Haftung der Gesellschafter auch nicht erforderlich ist (s. hierzu Feltl, UGB, E 25 zu § 145; Straube/Ratka/Rauter, UGB I [4. Aufl.], Rz. 14 zu § 145). Auch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes ist zur Löschung einer Personenhandelsgesellschaft im Firmenbuch nicht erforderlich (dies ist nur bei Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie Privatstiftungen vorgesehen: § 160 Abs. 3 und 4 BAO). Selbst wenn eine Praxis der Firmenbuchgerichte bestehen sollte, auch vor der Löschung einer Personenhandelsgesellschaft das Finanzamt zu kontaktieren, würde dies keine Rolle spielen, da eine derartige Kontaktaufnahme - wie der Beschwerdeführervertreter erhoben hat - im vorliegenden Fall gerade nicht stattgefunden hat. Die belangte Behörde hatte daher weder eine rechtliche noch eine faktische Möglichkeit, die Auflösung der ***Bf*** KG zu verhindern bzw. von der vorherigen Bezahlung der Abgabenverbindlichkeiten abhängig zu machen, sodass der Umstand, dass sie nicht dagegen vorgegangen ist, keinen Einfluss auf die Haftung haben kann.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen (; , Ra 2020/13/0029). Ermessensentscheidungen sind gemäß § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sind hierbei die berechtigten Interessen der Partei zu verstehen, unter dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben (). Die Kriterien der Ermessensübung sind vorrangig dem Zweck jener Norm zu entnehmen, die das Ermessen einräumt ().

Da es sich bei Haftungen um Besicherungsinstitute handelt, ergibt sich aus dem Normzweck eine gewisse Nachrangigkeit der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme des Hauptschuldners. Der Haftende darf daher i.d.R. nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert wäre (). Das Vermögen der Hauptschuldnerin ***Bf*** KG wurde verteilt. Diese ist aufgelöst und mittlerweile im Firmenbuch gelöscht. Bei ihr kann der Abgabenanspruch daher keinesfalls eingebracht werden. Bei ***K2*** und ***K3*** handelt es sich nicht um Hauptschuldner, sondern - ebenso wie beim Beschwerdeführer - um Haftungspflichtige. Zwischen mehreren Haftungspflichtigen besteht keine Rangfolge, sodass ein Haftungspflichtiger auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die Abgabe bei anderen Haftungspflichtigen ebenso eingebracht werden könnte. Welcher der mehreren Haftenden herangezogen wird, liegt im Ermessen (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO [3. Aufl.], E 24 zu § 7). Hinsichtlich der für die Haftung nach den obigen Ausführungen verbleibenden Aussetzungszinsen im Ausmaß von € 2.000,29 war die Einhebung zunächst ausgesetzt. Mit Bescheid vom wurde der Ablauf der Aussetzung verfügt und die ***Bf*** KG zur Zahlung bis aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt war ***K3*** Komplementär der ***Bf*** KG sodass es grundsätzlich naheliegend wäre, zunächst diesen zur Haftung heranzuziehen. Da ***K3*** jedoch in Ungarn wohnhaft ist und die Einbringung im Ausland zweifellos schwieriger wäre, als im Inland, kann darin, dass die belangte Behörde einen der beiden in Österreich wohnhaften Komplementäre herangezogen hat, keine fehlerhafte Ermessensübung erblickt werden. Nachdem die haftungsgegenständlichen Zinsen während jener Zeit entstanden sind, als der Beschwerdeführer Komplementär war, erscheint es auch nicht unbillig, dass die Behörde ihn herangezogen hat und nicht ***K2***, während dessen Zeit diese Abgaben weder entstanden sind, noch bezahlt hätten werden müssen.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, dass er hohe anderweitige Zahlungen zu leisten habe und keinerlei Vermögen besitze, ist festzuhalten, dass eine Vermögenslosigkeit des Haftenden in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht (; , 99/13/0060). Eine allfällige, derzeitige Uneinbringlichkeit schließt es nämlich nicht aus, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (). Im Übrigen ist der Beschwerdeführer nicht vermögenslos. Er bezieht ein monatliches Gehalt von € 2.435,73. Dieser Bezug ist gem. § 290a EO i.V.m. § 53 AbgEO beschränkt pfändbar, d.h. es hat dem Beschwerdeführer der nach der Bestimmung des § 291a EO i.V.m. § 53 AbgEO zu berechnende unpfändbare Freibetrag ("Existenzminimum") zu verbleiben. Bei diesem Freibetrag handelt es sich somit um jenen Betrag, den der Gesetzgeber als erforderlich und ausreichend erachtet, um die eigenen Lebensbedürfnisse und die Lebensbedürfnisse allfälliger unterhaltsberechtigter Personen zu bestreiten. Vom Einkommen des Beschwerdeführers i.H.v. € 2.435,73 monatlich netto ist nach der vom BMJ herausgegebenen Existenzminimum-Tabelle 1am unter Berücksichtigung von zwei Unterhaltspflichten ein Betrag von € 1.987,00 unpfändbar. Mit dem (pfändbaren) Restbetrag von € 448,73 kann die Haftungschuld schon nach wenigen Monaten abgedeckt werden. In diesem Zusammenhang erscheint auch von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer seine eigenen Abgabenverbindlichkeiten voraussichtlich im Juli 2024 abbezahlt haben wird und daher den bislang dafür aufgewendeten Betrag von monatlich € 500,00 ab August 2024 zur Abstattung der Haftungsschuld verwenden kann. Diese könnte daher schon mit November 2024 getilgt sein, ohne dass der Beschwerdeführer - verglichen mit seiner gegenwärtigen Situation - finanzielle Einschränkungen hinnehmen müsste. Von einer Unzweckmäßigkeit der Haftung kann daher ebenso wenig gesprochen werden wie von einer Unzumutbarkeit für den Beschwerdeführer.

Ein weiterer für die Ermessensübung relevanter Umstand ist die Zeitdauer zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Primärschuldner einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits. Ist dieser Zeitabstand ohne sachliche Rechtfertigung ungewöhnlich lang, kann dies - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - eine Minderung der Haftung zur Folge haben ( m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Einhebung der Aussetzungszinsen laut Bescheid vom (€ 2.545,16) mit Bescheid vom ausgesetzt wurde und während der Aussetzungszeit kein Haftungsbescheid erlassen werden konnte (). Mit Bescheid vom wurde der Ablauf der Aussetzung verfügt und der ***Bf*** KG die Zahlung des aufgetragen. Von diesem Zeitpunkt bis zur Geltendmachung der Haftung ist etwas mehr als ein Jahr verstrichen, von der Auflösung der ***Bf*** KG im Mai 2021 und der daraus resultierenden Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft überhaupt nur ein Zeitraum von rd. 8 Monaten. Es kann demnach nicht gesagt werden, dass die belangte Behörde mit der Geltendmachung der Haftung unangemessen lange zugewartet hätte und aus diesem Grunde eine Reduktion der Haftung im Ermessenswege angezeigt wäre. Dies ist grundsätzlich erst bei einem mehrjährigen Zuwarten der Fall (vgl. die in Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. [2021], Rz. 28, dargestellte Rechtsprechung).

Auch weitere Ermessenskriterien, die der Haftung ganz oder teilweise entgegenstehen könnten (z.B. verwaltungsökonomische Überlegungen, Treu und Glauben) sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, sodass die Zweckmäßigkeit i.S.d. § 20 BAO, also das öffentliche Interesse an einer Einbringung der Abgaben als überwiegendes Ermessenskriterium verbleibt. Die Inanspruchnahme für den verbliebenen Betrag von € 2.000,29 erfolgte daher auch im Rahmen des Ermessens zutreffend.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da zur Frage, ob und inwieweit die Bestimmung des § 238 BAO in Bezug auf persönlich haftende (ehemalige) Gesellschafter i.S.d. § 12 BAO durch die einschlägigen Regelungen des UGB verdrängt wird, lediglich die Entscheidung des , und die zitierte Literaturmeinung vorliegen, jedoch - soweit ersichtlich - noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiert, war die Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 12 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101018.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at