Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.04.2024, RV/6100388/2023

Abendschule und Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 11.2021-06.2023 betreffend Sohn N, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die weitere Gewährung der Familienbeihilfe für Sohn N, wurde die Beschwerdeführerin (Bf) aufgefordert, bis spätestens die Schulbesuchsbestätigung für den Sohn vorzulegen sowie dessen Schulausbildungsdauer bekannt zu geben.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurden die Familienbeihilfe (FB) sowie der Kinderabsetzbetrag (KB) für Sohn N für den Zeitraum 11/2021-06/2023 zurückgefordert und damit begründet, dass die angeforderten Unterlagen trotz mehrmaliger Aufforderung (siehe dazu Überprüfungsschreiben vom , Ergänzungsauftrag vom ) nicht vorgelegt worden wären.

Die Bf legte mit Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom ein und führte dazu aus …" N hat bis jetzt laufend die Schule besucht, ist weder selbsterhaltungsfähig noch hat er die Ausbildung abgeschlossen, im Gegenteil entstehen durch psychische Beeinträchtigung als Folgeerscheinung von schwerwiegenden schulischen Mobbingerfahrungen eine Menge zusätzlicher Kosten, die ich bisher nie geltend gemacht habe und bin froh, dass er so kontinuierlich seine Ausbildung fortsetzt, anstatt langfristig durch Gesundheits- oder Sozialsystem finanziert werden zu müssen. Im Anhang sind die Schulbestätigungen, Zeugnisse. Die Schulbestätigung für das Wintersemester 2023 ist zwar bereits online abrufbar, kann aber von Seiten der Schule aus Personalmangel erst Ende nächster Woche unterzeichnet werden…". Die Schulbesuchsbestätigungen (Semesterzeugnisse) für das Wintersemester 2021/2022, Sommersemester 2022, Wintersemester 2022/2023 und Sommersemester 2023 wurden beigelegt.

Die Finanzbehörde wies die Beschwerde der Bf mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass die "Berufsausbildung" nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben worden wäre.

Daraufhin stellte die Bf den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (siehe dazu Vorlagebericht des Finanzamtes vom ). Ergänzend begründete die Bf ihren Antrag wie folgt: …" Die Beschwerdevorentscheidung gründet ihre Ablehnung darauf, dass die gewählte Ausbildung von N qualitativ und quantitativ nicht ausreicht, um dadurch zu begründen, dass die Ausübung eines Berufes zum Selbsterhalt nicht möglich sei…. N besuchte die Unterstufe des Christian-Doppler-Gymnasiums. … Nach der 8. Schulstufe wechselte N in die Bafep Bischofshofen. Nach grundlegenden Mobbingerfahrungen in der bisherigen Schullaufbahn zeigten sich zunehmend psychische Belastungssymptome, wie Panikattacken, Prüfungsangst, depressive Episoden, Suizidalität. Dies führte dazu, dass trotz Leistungen zwar im Vorfeld von Prüfungen durch Nachhilfelehrer/ Eltern vollkommen abrufbar waren, allerdings in den schulischen Leistungsüberprüfungen nur mehr rudimentär erbracht werden konnten. Nach einmaliger Wiederholung der Klasse, stand deshalb eine zweite Wiederholung an. … war ein Wechsel an die Kunstschule in Wien die beste Option, um dem Kind im Sinne der Ausbildungspflicht weiterführende Ausbildung zu bieten, die seinen Fähigkeiten gerecht wird und durch seine weniger auf Prüfungsleistung ausgerichtete Unterrichtsmethodik zu einer Reduktion der Symptome führt und durch positive Lernerfahrungen die Grundlage für eine künftige Berufsausbildung schafft. Mit begleitender Psychotherapie ist dieses auch gelungen, N konnte die Kunstschule mit ausgezeichnetem Erfolg abschließen. Dies bildete zwar keine Grundlage für eine Berufstätigkeit, allerdings eine Grundlage für die nun wieder mögliche Wiederaufnahme der schulischen Ausbildung, zum Erreichen eines Schulabschlusses, in Form der Reifeprüfung. Diese sollte umgehend im Wintersemester 2021/2022 begonnen werden. Aufgrund der Pandemie-Maßnahmen kam es allerdings zu Verzögerungen des Schulabschlusses der Kunstschule Wien, deren Unterricht bis zum 8. Oktober andauerte. N musste parallel das Abendgymnasium in Salzburg und die Kunstschule in Wien besuchen, wodurch der Schulstart ins neue Semester wesentlich beeinträchtigt war und zu Semesterbeginn einige Unterrichtseinheiten nicht besucht werden konnten. Bei 3x Abwesenheit wird ein Fach als nicht beurteilt gewertet, auch wenn im Rest des Semesters der Unterricht besucht wurde. Seitdem besucht er den Unterricht im Christian- Doppler-Abendgymnasium regelmäßig und in allen für die Schulstunde verpflichtenden Gegenständen und wird diese, sofern es ihm unter den gegebenen Umständen möglich ist, im nächsten Jahr mit der Reifeprüfung abschließen… .
Es ist richtig, dass die Unterrichtszeiten des Abendgymnasiums 14:45-21:30h, die Möglichkeit zum teilweisen Fernstudium und das Modularsystem so angepasst sind, dass es auch von berufstätigen Personen besucht werden und in einem gewissen Rahmen an deren Bedürfnisse angepasst werden kann, da man theoretisch immer nur einzelne Module abschließen könnte und so über einen Zeitraum von vielen Jahren bis zur Reifeprüfung gelangen könnte… .
Die Unterrichtszeiten verlagern sich zwar in die Nachmittags- und Nachtstunden, der Lernaufwand und der zeitliche Aufwand zur Erledigung der Arbeitsaufträge erstreckt sich allerdings ebenfalls auf etliche Wochenstunden…".
Die bezugshabenden Unterlagen wurden der Behörde vorgelegt.

Aktenkundig ist weiters ein Aktenvermerk der Behörde, wonach nach telefonischer Rücksprache des Finanzamtes mit der Schule von dieser bestätigt worden wäre, dass in den im Zeugnis ausgewiesenen Wochenstunden pro Fach bereits die Zeiten für Fernunterricht/E-Learning und Selbststudium inkludiert wären.

II. entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Der Sohn der Bf ist am N geboren und daher im streitgegenständlichen Zeitraum volljährig. Nach Abschluss der 4. Klasse Unterstufe des Gymnasiums wechselte er in die Bafep Bischofshofen. Nach Mobbingerfahrungen erfolgte ein Wechsel an die Kunstschule Wien, die er mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss.
Seit dem WS 2021/2022 besuchte der Sohn das Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und wirtschaftskundliche Bundesrealgymnasium für Berufstätige (Abendschule, teilweises Fernstudium, Modularsystem) wie folgt:
Klasse 4 C in der Zeit vom bis , die Klasse 5 C in der Zeit vom bis , die Klasse 6 C in der Zeit vom bis und die Klasse 7 C in der Zeit vom bis und besucht seit die Klasse 7 A (Schulbesuchsbestätigungen vom bzw. ).

Das Abendgymnasium in Salzburg ist die Oberstufen- und Abendform einer "Allgemeinbildenden Höheren Schule" (AHS) und schließt mit einer Matura ab. Der Weg zur Matura ist berufsbegleitend. Es gibt eine gesetzlich geregelte Schulbesuchspflicht. Das volle Unterrichtsprogramm dauert acht Semester (4 Jahre). Von Montag bis Freitag findet in der Zeit von 14.45 bis 21:30 Uhr Unterricht an der Schule statt.

Dem "Gutachten" bzw. der Psychotherapiebestätigung der Psychologin und Psychotherapeutin Mag. Name vom zufolge ist der Sohn der Bf nur eingeschränkt belastbar: "…Aufgrund der Symptomatik, welche eine hohe Affinität, zu lebensgeschichtlichen Ereignissen (v.a. in der Jugend- und Schulzeit) aufweist, zeigten sich zunehmend psychische Belastungssymptome wie Panikattacken, Prüfungsangst, depressive Episoden begleitet von Suizidgedanken. Daraus resultierte, dass, trotz ausreichender Intelligenz und einem hohen Ausmaß an Fleiß, Leistungen zwar im Vorfeld von Prüfungen durch Nachhilfelehrer, Eltern ect. gut abrufbar waren, allerdings bei den schulischen Leistungsüberprüfungen nur mehr rudimentär erbracht werden konnten. Nach einmaliger Wiederholung der Klasse stand eine zweite Wiederholung an, was für den Patienten wiederum eine außergewöhnliche Belastung darstellte und zu einer Verstärkung der psychischen Symptomatik führte. Um den Schul- und Ausbildungserfolg insgesamt nicht zu gefährden reduzierte der Patient das Ausmaß der Wochenstunden. Er konnte dadurch die geplanten Unterrichtseinheiten besuchen und er versucht nunmehr erfolgreich die absolvierten Fächer durch Prüfungen abzuschließen. Der Patient schafft es durch die Stundenreduktion besser, den Lernstoff zu bewältigen und erste Erfolge sind evident. Im Therapieverlauf konnte seit Frühjahr 2022 die psychische Belastbarkeit in kleinen Schritten erhöht und stabilisiert werden. Es wurden auf mehreren Symptomebenen Fortschritte erreicht. Aktuell dreht sich die Behandlung nach wie vor um die Bearbeitung und Bewältigung der traumatisierenden Mobbingerlebnisse, der Prüfungsangst sowie der Aufrechterhaltung der erreichten Erfolge.
Die Psychotherapie sollte noch über einen längeren Zeitraum fortgesetzt werden...".

III. Beweiswürdigung

Die bisher getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Ausbildungsverlauf folgen den Ausführungen der Bf und den im Verwaltungsakt aufliegenden Zeugnissen. Die Feststellungen wurden von der Bf nicht bestritten. Die Feststellungen zur Erkrankung, zum Krankheitsverlauf und zu den diesbezüglichen Folgen auf die Berufsausbildung stützen sich insbesondere auf das psychiatrische Gutachten von Mag. Name, Psychologin und Psychotherapeutin.

IV. Rechtsgrundlagen

§ 2 Abs. 1 lit. a und b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF (FLAG) lauten:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 idgF steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 FB gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu.

Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 26 Abs. 2 können zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

§ 10 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF lautet:
Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

V. Erwägungen

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 12 zitierte Rechtsprechung). Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung/Differenzzahlung), ist auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ).

Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A.2020 §26 Rz 16 zitierte Rechtsprechung). Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. ; ).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ist nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 derjenige verpflichtet, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. ). Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag müssen demjenigen, von dem sie zurückgefordert werden, tatsächlich ausbezahlt worden sein.

Zu prüfen ist somit, ob der Bf im Rückforderungszeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zustand; die Auszahlung ist unstrittig.
Strittig ist die Frage, ob der Sohn der Bf im Streitzeitraum in Berufsausbildung stand.

Der Begriff der "Berufsausbildung" gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 wird im Gesetz nicht näher definiert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind darunter jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das zukünftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, zu verstehen.
Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist.
Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein noch nicht, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen (vgl. , , , , , , vgl. auch Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Der Familienlastenausgleich, Kommentar, zu § 2, Seite 6).

Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 kommt es neben dem ernsthaften und zielstrebigen Bemühen auch darauf an, ob die schulische Ausbildung in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt (, ).
Der Besuch einer Schule für Berufstätige (Abendschule) kann Berufsausbildung darstellen, wenn der Schulbesuch samt Vor- und Nachbereitungszeit die überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch nimmt.

Betreffend dieses quantitative Erfordernis kann in Übereinstimmung mit der in der Literatur vertretenen Ansicht ein dem Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 genügender Zeitaufwand generell nur dann vorliegen, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt (vgl Lenneis in Csazar/Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG § 2 Rz 40; vgl zB auch ). Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige ebenfalls einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. ), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. ; "Echtstunden" zu 60 Minuten, ), um von einer Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 zu sprechen (vgl. ; ).

Den dem BFG vorliegenden Schulbesuchsbestätigungen zufolge hat der Sohn der Bf seit dem WS 2021/2022 folgende Leistungen pro Semester erbracht und sind diese in den Zeugnissen ausgewiesen:


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WS 21/22
15 Wochenstunden (Pflichtfächer)
SS 22
14 Wochenstunden
WS 22/23
10 Wochenstunden
SS 23
13 Wochenstunden

Die Bf wies im Vorlageantrag darauf hin, dass die tatsächliche Vorbereitungszeit deutlich höher anzusetzen wäre, da neben dem Präsenzunterricht vor Ort eine Individualphase in der Form von Fernunterricht, E-Learning und Selbststudium/Prüfungsvorbereitung hinzukommen würde. Nach telefonischer Rücksprache des Finanzamtes mit der Schule wurde von dieser bestätigt, dass in den im Zeugnis ausgewiesenen Wochenstunden pro Fach bereits die Zeiten für Fernunterricht/E-Learning und Selbststudium inkludiert wären. Bei Besuch eines Abendgymnasiums (in Vollzeit) kann nach allgemeiner Lebenserfahrung pro Woche für Lernaufwand, Hausübungen und Vor- und Nachbereitung sowie Prüfungsvorbereitungen rund 50% der in Präsenz absolvierten Unterrichtsstunden angesetzt werden. (Vgl , , RV/5101043/2018, ). Auch bei einer großzügigen Betrachtungsweise, welche die in den Zeugnissen ausgewiesenen Wochenstunden als Präsenzstunden wertet und für zusätzlichen Lernaufwand, Hausübungen und Prüfungsvorbereitungen zusätzliche Lernzeiten in Höhe der halben Präsenzstunden veranschlagt, würde das erforderliche zeitliche Ausmaß von insgesamt 30 Stunden pro Woche, die der Berufsausbildung gewidmet werden, nicht erreicht werden (siehe dazu Aktenvermerk des Finanzamtes vom sowie die Ausführungen BVE vom ).

Was den Einwand der Bf im Vorlageantrag, durch die psychische Erkrankung ihres Sohnes wäre die Berufsausbildung des Sohnes zusätzlich erschwert worden, betrifft, so ist auszuführen:
Die dokumentierte Erkrankung des Sohnes der Bf kann aus nachfolgenden Gründen nicht zum Erfolg verhelfen.
Das Gesetz nennt in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 eine Krankheit als ein Ereignis, dass bei entsprechender Schwere die Studienzeit verlängern kann. Auch bei einer Berufsausbildung, die nicht in einem Studium besteht, sind krankheitsbedingte Unterbrechungen einer Berufsausbildung auf begrenzte Zeit nicht anspruchsschädlich.

Eine Erkrankung eines volljährigen Kindes, auch wenn diese schwer ist, vermittelt gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 grundsätzlich keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Krankheit kann im Rahmen einer Berufsausbildung gemäß § 2 Abs 1 lit b nur dann von Bedeutung sein, wenn sie zu einer zeitlich begrenzten Unterbrechung der bereits begonnenen Berufsausbildung führt. Nur eine erhebliche Behinderung kann gemäß § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 eine verlangsamte Berufsausbildung rechtfertigen. Weiters ist eine Krankheit gemäß § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 unter bestimmten Voraussetzungen beachtlich, wenn diese eine Behinderung darstellt, die zur Folge hat, dass das Kind voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, worauf es im gegenständlichen Fall keine Hinweise gibt. (vgl. ).

Aus der vorgelegten Stellungnahme von Mag. X vom geht hervor, dass der Sohn der Bf aufgrund wiederholender Mobbingerfahrungen psychisch und physisch nur eingeschränkt belastbar wäre und diese soziale Phobie in Prüfungsangst, Panikattacken und depressiven Episoden resultieren würde. Aus der ärztlichen Stellungnahme kann aber nicht abgeleitet werden, dass deshalb für einen genau eingegrenzten Zeitraum das Ablegen von Prüfungen oder aber der Besuch von Unterrichtseinheiten krankheitsbedingt nicht möglich gewesen wäre. Tatsächlich bestand die psychisch bedingte Belastbarkeitseinschränkung des Sohnes bereits vor Wiederaufnahme der schulischen Ausbildung im Herbst 2021, ja sogar vor Besuch der Kunstschule in Wien, die dennoch mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen werden konnte.

Die ärztliche Einschätzung vom bietet auch keine Grundlage dafür, dass von einer erheblichen Behinderung ausgegangen werden könnte, die eine verlangsamte Berufsausbildung im Sinne der gesetzlichen Bestimmung rechtfertigen würde.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

VI. Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG

Im gegenständlichen Fall ist die Revision nicht zulässig. Soweit Rechtsfragen zu beurteilen sind, folgt das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung einer existierenden einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100388.2023

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