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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 22.04.2024, RV/4100223/2022

Anerkennung eines Wasserschadens infolge Starkregen als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Hannes Prosen, die Richterin Mag. Melanie Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Nikolaus Gstättner und Mag. Hans Pucker in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch TPA Regio Steuerberatung GmbH, Walther-von-der-Vogelweide-Platz 4, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Claudia Orasch zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Streit zwischen den Verfahrensparteien besteht darüber, ob Aufwendungen für die Sanierung des Wohnhauses nach einem Wasserschaden als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

Die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) reichte die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 am in elektronischer Form ein und beantragte die Anerkennung von Aufwendungen in Höhe von insgesamt 17.036,49 Euro als Katastrophenschaden im Sinne des
§ 34 Abs. 6 EStG.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt die Bf. auf, folgende Unterlagen vorzulegen:

  1. Rechnungen über die beantragten Katastrophenschäden

  2. Kopie der Niederschrift, die von der Gemeindekommission über die Schadenserhebung aufgenommen wurde

  3. Nachweis über die Eigentümereigenschaft zum Zeitpunkt des Schadenfalles

  4. Nachweis über Ersätze wie z. B. Katastrophenfonds, Versicherung.

In der Vorhaltsbeantwortung übermittelte die Bf. eine Aufstellung der beantragten Aufwendungen samt dazugehöriger Rechnungen sowie eine Bestätigung der Versicherung über eine Deckungssumme von 6.000 Euro.

Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2020 in Höhe von
-352 Euro festgesetzt, wobei die beantragten außergewöhnlichen Belastungen von der belangten Behörde nicht anerkannt wurden. Dies mit der Begründung, der Gesetzesbegriff "Katastrophenschaden" im § 34 Abs. 6 EStG 1988 umfasse dem Grunde nach außergewöhnliche Schadensereignisse, die in der Regel verheerende Folgen nach sich ziehen und von der Allgemeinheit als schweres Unglück angesehen werden. Für die steuerliche Berücksichtigung von katastrophenbedingten Aufwendungen sei es grundsätzlich erforderlich, dass dem zuständigen Finanzamt die von den Gemeindekommissionen über die Schadenserhebung aufgenommenen Niederschriften vorgelegt werden. Die Schadensfeststellungen oder die dem Katastrophenfonds vorgelegten Unterlagen seien die Grundlage für die steuerliche Berücksichtigung der Schadensbeseitigungskosten. Aus den von der Bf. vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht nachvollziehen, dass es sich bei dem Schaden um einen Katastrophenschaden handle.

Die Bf. erhob fristgerecht Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid und brachte zusammengefasst vor, sie habe in Folge eines Starkregenereignisses einen beträchtlichen Schaden an ihrem Wohnhaus erlitten. Die Kosten zur Beseitigung des Schadens beliefen sich nach Abzug der Versicherungsentschädigung auf 17.036,49 Euro. Sie habe im Rahmen der Einkommensteuererklärung eine Berücksichtigung dieser Kosten als Katastrophenschaden im Sinne des § 34 Abs. 6 EStG beantragt. Im Rahmen der Beschwerde werde nunmehr der Antrag gestellt, diese Kosten als sonstige außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff "Katastrophenschaden". Auch für Katastrophenschäden müsse die allgemeine Voraussetzung der Zwangsläufigkeit der Vermögenseinbuße gegeben sein. Eine Belastung erwachse dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne. Zwangsläufige Aufwendungen lägen nicht vor, wenn die Aufwendungen sich als Folge eines Verhaltens darstellen, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe oder vom Steuerpflichtigen grob fahrlässig bzw vorsätzlich verursacht würden. Nach der Rechtsprechung habe der Steuerpflichtige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und "unter Ausschluss jeden Zweifels" das Vorliegen der Umstände darzulegen, auf die die Begünstigung gestützt werden könne, wobei die Gründe im Einzelnen anzuführen seien. Der Nachweis, der für die erfolgreiche Geltendmachung eines eingetretenen Katastrophenschadens zu erbringen sei, müsse in der Weise geführt werden, dass eindeutig ersichtlich werde, dass das schädigende Ereignis tatsächlich eingetreten und der Schaden entstanden ist. Es sei dabei laut Verwaltungspraxis erforderlich, dass dem zuständigen Finanzamt die von den Gemeindekommissionen über die Schadenserhebung aufgenommenen Niederschriften vorgelegt werden. Die Bf. habe außer den Rechnungen und der Versicherungsbestätigung über einen Überschwemmungsschaden keine geeigneten Unterlagen oder Beweismittel über das zum Schadenseintritt führende Ereignis erbracht und könne damit die Zwangsläufigkeit der erwachsenen Mehraufwendungen im Sinne des § 34 Abs. 6 EStG 1988 nicht nachvollzogen werden.

Die Bf. stellte fristgerecht einen Vorlageantrag und brachte ergänzend vor, dass es aufgrund anhaltender Regenfälle und den daraus anfallenden, nicht rechtzeitig versickernden Hang- bzw. Oberflächenwässern am zu einer Überflutung des ganzen EG des Wohnhauses gekommen sei. Von diesem Starkregenereignis seien auch noch zwei direkt angrenzende Nachbarn betroffen gewesen, die ebenfalls Schäden an ihren Häusern erlitten hätten. Eine genaue Schadensdokumentation befinde sich im beiliegenden Sachverständigen-Gutachten. Das am gestellte Ansuchen um Gewährung einer Beihilfe zur Behebung eines Katastrophenschadens sei vom Land Kärnten leider abgelehnt worden. Anhand der beigelegten Unterlagen sei der Schadenshergang eindeutig nachvollziehbar. Die Schadenshöhe sei ebenso mittels Belegen nachgewiesen worden. Es gebe nicht das geringste Indiz dafür, dass die Aufwendungen sich als Folge eines Verhaltens darstellen, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, wie von der Abgabenbehörde behauptet. Dass die Abgabenbehörde den Nachweis über das Schadensereignis nur mittels der von den Gemeindekommissionen über die Schadenserhebung aufgenommenen Niederschriften zulassen möchte, sei vom Gesetz nicht gedeckt. Im Übrigen solle auch hier nicht der Nachweis eines Katastrophenschadens sondern nur der Nachweis eines allgemeinen Schaden durch ein katastrophenähnliches Ereignis erbracht werden.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab an, die begründenden Ausführungen des Vorlageantrages würden weiterhin nicht die im Laufe des Verfahrens erörterten Vorgaben im Sinne des § 34 Abs 1 EStG 1988 erfüllen. Daher erscheine ein Abgehen vom bisherigen Rechtsmittelergebnis nicht gerechtfertigt.

Am fand die mündliche Senatsverhandlung im Beisein der Bf., ihrer steuerlichen Vertreterin und der Amtsvertreterin statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. hat seit ihren Hauptwohnsitz in ***1***. Es handelt sich dabei um eine mit einem Einfamilienhaus bebaute Liegenschaft, welche im Alleineigentum der Bf. steht.

Am kam es durch ein massives Starkregenereignis zu Überschwemmungen im Außenbereich des Wohnhauses. Durch den Wassereintritt in den Keller wurden Schäden an Gebäudebestandteilen und Inventar verursacht. Zur ordnungsgemäßen Schadensbehebung war eine Raumtrocknung der Kellerbereiche und Erneuerung der Malerei an kausal beschädigten Flächen erforderlich. Zusätzlich kam es zu Schäden an Holzböden in einzelnen Räumen und Ablösung von Fliesen und Holzverkleidungen durch das stehende Wasser. Weiters wurden durch den Wassereintritt der Boiler, Türblätter inklusive Türzargen und Möbelstücke beschädigt.

Für die Sanierung des Wasserschadens sind der Bf. Aufwendungen in Höhe von 23.036,49 Euro entstanden. Davon hat die Bf. im Beschwerdejahr insgesamt 21.794,15 Euro bezahlt. Weitere Aufwendungen in Höhe von 349,34 Euro wurden im Jahr 2021 bezahlt.

Von ihrer Versicherung hat die Bf. im Beschwerdejahr eine Leistung in Höhe von 2.000 Euro für den Gebäudeschaden und in Höhe von 4.000 Euro für den Inhaltsschaden erhalten.

Das Ansuchen um Gewährung einer Beihilfe zur Behebung eines Katastrophenschadens wurde von der Schadenfeststellungskommission abgelehnt, da im Sinne der Richtlinien des ***2*** ein Katastrophenschaden nicht vorlag. Das Gutachten der Schadensfest-stellungskommission liegt der Bf. nicht vor.

Aufgrund der geographischen und topographischen Lage der Liegenschaft der Bf. ist eine Beeinträchtigung bei Starkregenereignissen gegeben, da das anfallende Oberflächenwasser von den nördlich gelegenen Privatgrundstücken auf ihr Grundstück gelangt. Die vorhandene Ableitung wurde von den damaligen Grundeigentümern mit der ***3*** gemeinsam errichtet und ist für derzeitige Unwettersituationen nicht mehr ausreichend. Eine Verbesserung der Situation konnte bislang nicht erreicht werden, da eine zusätzliche Ableitung von Oberflächenwässern nur im Einvernehmen mit den betroffenen Grundeigentümern erfolgen kann. Diese müssten sich an der Finanzierung der angedachten technischen Lösung (Ableitungskanal Richtung Osten) beteiligen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Hauptwohnsitz und Alleineigentum an der verfahrensgegen-ständlichen Liegenschaft gründen auf die Einsichtnahme des Bundesfinanzgerichtes in das Zentrale Melderegister und das Grundbesitzinformationssystem der Finanzverwaltung.

Wann der Schadensfall eingetreten ist und welche Schäden am Wohnhaus der Bf. verursacht wurden, ist der aktenkundigen gutachterlichen Stellungnahme des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen ***4*** vom zu entnehmen. Das Gutachten wurde nach einer am vor Ort durchgeführten Besichtigung erstattet.

Die Feststellung zur Höhe der Aufwendungen zur Beseitigung der Schäden nach der Überschwemmung gründet auf folgende von der Bf. im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung vorgelegte Aufstellung samt dazugehöriger Rechnungen:

[...]

Der Bf. wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgefordert, Zahlungsnachweise für die beantragten Aufwendungen nachzureichen. Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , übermittelte die steuerliche Vertreterin Überweisungsbestätigungen für die beiden Rechnungen der Fa. ***5***. Daraus geht hervor, dass die Überweisungen im Beschwerdejahr erfolgten. Die Rechnungen der Fa. ***6*** und der Fa. ***7*** wurden ebenfalls im Beschwerdejahr bezahlt. Das Schreiben wurde als Eingangsstück ***8*** zum Akt genommen. Die Position "Stromkosten Entfeuchtung" errechnet sich aus dem Stromverbrauch für die in der Zeit vom 05.08. bis durchgeführten Trocknungsarbeiten laut Stromberechnungsprotokoll der ***9*** und ist für den erkennenden Senat der Höhe nach plausibel. Die Bf. hat somit im Beschwerdejahr Aufwendungen in Höhe von 21.794,15 Euro getragen.

Dass die - nicht aktenkundigen - Rechnungen der Fa. ***10*** in Höhe von insgesamt 349,34 Euro im Jänner 2021 in bar bezahlt wurden, gründet auf die Angaben der Bf. in der mündlichen Verhandlung und den ergänzenden Schriftsatz der steuerlichen Vertreterin vom .

Die Feststellung zur Höhe der zugeflossenen Versicherungsentschädigung folgt aus dem aktenkundigen Schreiben der ***11*** vom .

Dass es sich bei dem erlittenen Schaden um keinen Katastrophenschaden im Sinn der Richtlinien des ***2*** handelt und somit keine Beihilfe gewährt wurde, ergibt sich aus dem aktenkundigen Schreiben der ***12*** vom . Schäden durch Oberflächenwässer infolge von Stark- und Dauerregen sind gemäß der angeführten Richtlinien als nicht zu berücksichtigende Schäden zu bewerten. Aus dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Bf. vorgelegten E-Mail der ***12*** vom geht hervor, dass die Übermittlung des Gutachtens nicht vorgesehen ist.

Die Feststellung, dass eine Beeinträchtigung der Liegenschaft der Bf. bei Starkregenereignissen gegeben ist und eine Lösung nur im Einvernehmen mit den angrenzenden Grundstücks-eigentümern erzielt werden könnte, beruht auf dem aktenkundigen Schreiben der ***3*** vom . Die Bf. hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung weiteren Schriftverkehr mit der ***3*** vorgelegt und nachvollziehbar geschildert, dass die Situation nach wie vor unverändert ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Das Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit dient der Abgrenzung atypischer, außerhalb der normalen Lebensführung gelegener Belastungen von den typischerweise wiederkehrenden Kosten der Lebenshaltung. Außergewöhnlich sind insbesondere auch elementare oder sonst unabwendbare Ereignisse (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 34 Rz 31 mwN).

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Aus dem Wortlaut ("... nicht entziehen kann") ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen ebensowenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat. Die Zwangsläufigkeit eines Aufwands ist dabei stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 34 Rz 35; ).

Die Belastung beeinträchtigt gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7.300 Euro 6%
mehr als 7.300 bis 14.600 Euro 8%
mehr als 14.600 bis 36.400 Euro 10%
mehr als 36.400 Euro 12%.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden.

Aus der im Gesetz unter dem Begriff "Katastrophenschäden" enthaltenen Aufzählung ist zu folgern, dass es sich dabei um ein Elementarereignis, also um ein Ereignis von allgemeiner Tragweite, welches folgenschwere, verheerende Auswirkungen auf Lebewesen bzw. deren Umwelt hat, handeln muss. Die Anerkennung von Kosten zur Beseitigung von Katastrophenschäden als außergewöhnliche Belastung kommt nur nach Naturkatastrophen in Betracht (). Schadensereignisse, die nach objektiver Sicht aus dem regelmäßigen Ablauf der Dinge herausfallen, in der Regel verheerende Folgen nach sich ziehen und von der Allgemeinheit als schweres Unglück angesehen werden, können grundsätzlich als "Katastrophenschaden" angesehen werden und zu einer außergewöhnlichen Belastung führen. Zu den erwähnten Katastrophenschäden gehören jedenfalls
Felssturz-, Steinschlag-, Hagel-, Blitz-, Erdbeben- und Sturmschäden (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 34 Tz 78 - Katastrophenschäden).

Der Eintritt des Vermögensschadens selbst ist noch keine außergewöhnliche Belastung, erst die Kosten zur Beseitigung des Katastrophenschadens werden durch die Bestimmung des § 34 Abs. 6 EStG erfasst. Als Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden sind typischerweise die Kosten der Aufräumarbeiten, die Kosten von Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen und die Wiederbeschaffungskosten der zerstörten Wirtschaftsgüter in Betracht.

Im Gegensatz dazu liegt ein allgemeines Schadensereignis dann vor, wenn der Schaden durch höhere Gewalt im engeren Sinn, durch ein katastrophenähnliches Ereignis eingetreten ist, das eine aufgezwungene Schadenslage herbeigeführt hat, deren Beseitigung lebensnotwendig ist. Als solche Schadensereignisse kommen z.B. Brand, Überflutungen oder Verwüstungen durch Einbrecher in Betracht (Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988) ABC der außergewöhnlichen Belastungen Rz 42).

Die Bf. hat in der Einkommensteuererklärung die Berücksichtigung von 17.036,49 Euro als Katastrophenschaden im Sinne des § 34 Abs. 6 EStG (außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt) beantragt. In der Beschwerde wurde der Antrag gestellt, diese Kosten als sonstige außergewöhnliche Belastungen in Sinne des § 34 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Die Bf. hielt dieses Beschwerdebegehren in der mündlichen Verhandlung aufrecht. Nach Ansicht der belangten Behörde liegt weder ein Katastrophenschaden noch ein allgemeines Schadensereignis vor.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO ist das Verwaltungsgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Wie der erkennende Senat in freier Beweiswürdigung festgestellt hat, kam es im Beschwerdejahr infolge eines Starkregenereignisses zu einem Wassereintritt in das im Alleineigentum der Bf. stehende Wohnhaus. Dadurch wurde ein beträchtlicher Schaden an Gebäudebestandteilen und Inventar verursacht. Dieser Schaden ist durch höhere Gewalt eingetreten und wurde von der Bf. weder selbst verursacht, noch liegt die Folge eines Verhaltens vor, zu dem sich die Bf. selbst entschlossen hat. Bei der Liegenschaft der Bf. ist aufgrund der geographischen und topographischen Lage durch abfließendes Oberflächenwasser von den nördlich gelegenen Privatgrundstücken eine Beeinträchtigung bei Starkregenereignissen gegeben. Eine Lösung mit der Gemeinde und den Grundeigentümern konnte bisher nicht gefunden werden.

Das Bundesfinanzgericht gelangt daher zu der Ansicht, dass die Aufwendungen zur Beseitigung der durch den Wassereintritt bedingten Schäden außergewöhnliche und durch tatsächliche Umstände zwangsläufig erwachsene Belastungen darstellen. Da es sich bei Starkregen jedoch nicht um eine Naturkatastrophe im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt, kommt eine Berücksichtigung nach § 34 Abs. 6 EStG nicht in Betracht. Die Kosten der Schadensbehebung sind daher nach den allgemeinen Vorschriften des § 34 EStG 1988 absetzbar, sodass eine Kürzung um den Selbstbehalt zu erfolgen hat.

Für die zeitliche Zurechnung einer außergewöhnlichen Belastung gilt grundsätzlich das Abflussprinzip nach § 19 Abs. 2 EStG. Die außergewöhnliche Belastung ist daher dann steuerwirksam, wenn sie abgeflossen ist, somit im Zeitpunkt der Bezahlung (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 34 Tz 13). Der Bf. sind im Beschwerdejahr für die Beseitigung der Schäden nachweislich Aufwendungen in Höhe von 22.687,15 Euro erwachsen. Die restlichen geltend gemachten Kosten wurden erst im Folgejahr bezahlt.

Aufwendungen können jedoch nur in jenem Umfang als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, als sie von der Bf. endgültig getragen werden mussten. Zu beachten ist, dass - so wie bei allen außergewöhnlichen Belastungen - steuerfreie Versicherungs- und andere Ersatzleistungen von dritter Seite bei der Ermittlung der Höhe der außergewöhnlichen Belastung in Abzug zu bringen sind. Die Aufwendungen sind daher um die von der Versicherung ausbezahlten Ersatzleistungen in Höhe von 6.000 Euro zu kürzen, sodass insgesamt außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt in Höhe von 16.687,15 Euro anzuerkennen sind. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer sind dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht orientierte sich an der höchstgerichtlichen Judikatur, wobei entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes war.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100223.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at